Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger verließ am 24. 9. 1997 - wie regelmäßig an jedem Werktag - gegen 5 Uhr früh seine Wohnung im Haus U*****straße 36 in W*****, um seine in unmittelbarer Nähe gelegene Arbeitsstelle bei der Firma R***** & Co GmbH aufzusuchen. Als der Kläger die Haustüre zusperren wollte, wurde er von zwei unbekannten Tätern mit Stöcken niedergeschlagen und schwer verletzt. Bei der Behandlung der vom Kläger erlittenen Verletzungen traten keine Komplikationen auf. Der Kläger war ab 13. 11. 1997 wieder arbeitsfähig. Zum Zeitpunkt 24. 12. 1997 lag die unfallskausale Minderung der Erwerbsfähigkeit jedenfalls deutlich unter 20 vH. Zu den Hintergründen der Tat wurde festgestellt, daß der Kläger aus der Osttürkei stammt und sich selbst als Kurde bezeichnet. Das Wochenende verbringt der Kläger mit seinen kurdischen Freunden in einem Lokal in W*****, wobei auch über den zwischen der türkischen Regierung und den Kurden bestehenden Konflikt diskutiert wird. Nach einem 1994/1995 verübten Brandanschlag auf ein türkisches Lokal wurden der Kläger und seine kurdischen Freunde der Täterschaft bezichtigt. Der Kläger wurde in diesem Zusammenhang als Verdächtiger einvernommen, ein gerichtliches Strafverfahren gegen ihn wurde jedoch nicht eingeleitet. Der Überfall auf den Kläger am 24. 9. 1997 wurde von Türken verübt, die sich am Kläger wegen des gegen ihn gerichteten Verdachtes, sich an dem Brandanschlag auf das türkische Lokal beteiligt zu haben, rächen wollten.
Mit Bescheid vom 14. 1. 1998 sprach die beklagte Partei aus, daß der Vorfall vom 24. 9. 1997 gemäß § 175 ASVG nicht als Arbeitsunfall anerkannt werde und Leistungen gemäß § 173 ASVG nicht gewährt werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Klage, mit der der Kläger begehrt, die beklagte Partei zur Gewährung einer Versehrtenrente im Ausmaß von 30 vH ab dem Tag nach Eintritt des Versicherungsfalles zu verpflichten.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, den Vorfall vom 24. 9. 1997 als Arbeitsunfall anzuerkennen und dem Kläger für die Folgen dieses Unfalles eine Versehrtenrente im gesetzlichen Ausmaß von 30 vH der Vollrente ab Anfallstag zu gewähren, ab.
Ausgehend vom eingangs wiedergegebenen Sachverhalt gelangte das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht zu dem Ergebnis, daß kein geschützter Wegunfall im Sinn des § 175 Abs 2 Z 1 ASVG vorliege. Der Überfall resultiere allein aus einer der Privatsphäre des Klägers zuzurechnenden selbstgeschaffenen Gefahr und hätte sich genauso auch bei jedem mit der Arbeitsleistung des Klägers nicht in Zusammenhang stehenden Verlassen der Wohnung ereignen können, sodaß sich der Arbeitsweg als bloß zufälliger Schauplatz dieser Gefahrenverwirklichung darstelle. Im übrigen hätte dem Kläger die begehrte Versehrtenrente auch deshalb nicht zuerkannt werden können, weil keine Minderung der Erwerbsfähigkeit im rentenbegründenden Ausmaß für die Dauer von mehr als drei Monaten nach dem Unfall eingetreten sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge. Es bestätigte die Abweisung des Begehrens auf Gewährung einer 30 %igen Versehrtenrente und änderte das Urteil dahingehend ab, daß es im Sinne des im Leistungsbegehren enthaltenen Feststellungsbegehrens feststellte, daß das beim Kläger bestehende, verdickte Daumensattelgrundgelenk mit minimaler Bewegungseinschränkung, die vorhandene Kraftminderung in der linken Hand sowie die fast unsichtbaren, beschwerdefreien Narben am Schädel Folgen des Arbeitsunfalles vom 24. 9. 1997 seien.
Nach § 175 Abs 1 ASVG seien Arbeitsunfälle Unfälle, die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung ereignen. Der ursächliche Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit werde in Rechtsprechung und Lehre - auch in der Bundesrepublik Deutschland - etwa bei Streitigkeiten oder Raufereien verneint, die nicht aus (rein) betrieblichen Gründen motiviert oder begründet seien. Diese Grundsätze hätten auch für Betriebswege und Wege nach und von der Arbeitsstätte Geltung. Streitigkeiten oder Raufereien könnten daher, wenn sie aus betrieblichen Gründen etwa wegen Beanstandung der Arbeitsleistung etc entstanden seien, unfallversicherungsgeschützt sein. Eine entsprechende Streitigkeit oder ein solcher Raufhandel sei aber im vorliegenden Fall nicht zu beurteilen, weil der Kläger ohne jede eigene Beteiligung angegriffen worden sei. Der innere Zusammenhang zwischen dem vom Versicherten erlittenen Überfall und der versicherten Tätigkeit sei unproblematisch, wenn ein betriebsbezogenes Tatmotiv vorliege oder wenn sich der Verletzte aus betrieblichen Gründen an der Stelle aufhalten mußte. Erfolgten Angriffe aus anderen als persönlichen, feindlichen Motiven zB Raubüberfälle auf einem geschützten Weg, werde im allgemeinen der ursächliche Zusammenhang mit der unfallversicherten Tätigkeit (dem geschützten Weg) ebenfalls angenommen. Bildeten allerdings persönliche Feindschaft oder ähnliche betriebsfremde Beziehungen zwischen dem Angreifer und dem Überfallenem den Beweggrund des Überfalls, so sei der Überfall nur gelegentlich der versicherten Tätigkeit erfolgt und diese bilde dann lediglich eine "Gelegenheitsursache" und nicht eine "Mitursache" des Unfalles. Selbst wenn dem Angriff ein persönliches Motiv zugrundeliege, könne der Versicherungsschutz aber dennoch bejaht werden, wenn besondere Verhältnisse bei der Zurücklegung des Weges - zB Dunkelheit, einsame Gegend - die Verübung der Gewalttat entscheidend begünstigt haben, wobei es sich nicht um ganz außergewöhnliche Umstände handeln müsse. Bei Vorliegen entsprechender besonderer Verhältnisse komme daher auch in diesen Fällen den der Risikosphäre der gesetzlichen Unfallversicherung zuzurechnenden Umstände jenes Gewicht zu, die sie von der "Gelegenheitsursache" zur (relevanten) Mitursache werden lassen.
Solche besonderen Verhältnisse des Weges, die den Überfall auf den Kläger wesentlich begünstigt hätten und aufgrund dieser Erwägungen zur Bejahung des Unfallversicherungsschutzes führten, seien im vorliegenden Fall gegeben. Jahreszeitlich und durch den frühen Arbeitsbeginn bedingt habe der Kläger den Weg zur Arbeit bei Dunkelheit zu einer Zeit antreten müssen, in der die Täter kaum damit rechnen mußten, anderen Personen zu begegnen und insbesondere auch hoffen konnten, unerkannt zu bleiben. Die Ausführung der Tat sei auch dadurch erleichtert worden, daß der Kläger die Wohnung - wie jeden Werktag - um die gleiche Zeit verlassen habe. Das Risiko der Tat sei somit durch mit dem Arbeitsantritt zusammenhängende Umstände herabgemindert worden und es sei zugleich deren Ausführbarkeit erleichtert worden. Ungeachtet des festgestellten Motivs der Rache der Täter für einen - immerhin schon drei Jahre zurückliegenden - Brandanschlag seien darin den Angriff begünstigende, durch den Weg zur Arbeit bedingte Umstände zu erblicken, sodaß der erforderliche innere Zusammenhang iSd § 175 Abs 1 ASVG gegeben sei und daher ein Arbeitsunfall vorliege. Überdies sei den Feststellungen des Erstgerichtes nicht zu entnehmen, daß der Kläger den Tätern in jüngerer Zeit tatsächlich irgendeinen Anlaß gegeben haben könnte, sich "zu rächen" und es sei der fragliche Brandanschlag, mit dem der Kläger in Beziehung gebracht worden sei, schon mehrere Jahre zurückgelegen, sodaß die objektive Bedeutung des festgestellten Tatmotivs, auf welches der Versicherte überdies keinen Einfluß gehabt habe, zurückgedrängt erscheine. Der Gesichtspunkt der aus betriebsfremden Motiven selbstgeschaffenen Gefahr trete daher ebenfalls zurück. Da eine Minderung der Erwerbsfähigkeit im rentenbegründenden Ausmaß beim Kläger nicht vorliege, sei zwar sein Leistungsbegehren nicht berechtigt, wohl aber das im Leistungsbegehren beinhaltete Feststellungsbegehren.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, das zur Gänze klageabweisende Ersturteil wiederherzustellen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes ist zutreffend, weshalb es gemäß § 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO genügt, auf diese Ausführungen zu verweisen. Den Revisionsausführungen ist folgendes entgegenzuhalten:
Die beklagte Partei bekämpft in ihren Revisionsausführungen nicht die grundsätzliche Richtigkeit der vom Berufungsgericht unter Hinweis auf Lehre und Rechtsprechung in Österreich und - im Hinblick auf die vergleichbare Rechtslage - auch in der Bundesrepublik Deutschland getätigten Ausführungen. Nach der in der Bundesrepublik Deutschland zur Frage des Versicherungsschutzes bei Überfällen auf eine unfallversicherte Person herrschenden Auffassung schließt ein solcher Überfall die Annahme eines Arbeitsunfalles nicht ohne weiteres aus; es kommt vielmehr darauf an, ob ein innerer Zusammenhang zwischen dem Überfall und der versicherten Tätigkeit besteht. Dieser notwendige innere Zusammenhang zwischen dem Überfall und der versicherten Tätigkeit liegt vor allem dann vor, wenn ein betriebsbezogenes Tatmotiv vorliegt zB der Überfall zur Entwendung von Geschäftsgeldern erfolgt oder die versicherte Tätigkeit eine wesentliche Bedingung für einen Überfall gebildet hat, wenn sie zB - auch auf dem Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit - den Versicherten an die Stelle geführt hat, wo im fraglichen Zeitpunkt eine zur Gewalttat entschlossene Person seiner habhaft werden konnte. Allerdings sind Überfälle, die auf rein persönlichen Gründen beruhen, grundsätzlich nicht versichert. Bilden daher persönliche Feindschaft oder ähnliche betriebsfremde Beziehungen zwischen dem Angreifer und dem Überfallenen den Beweggrund des Überfalls, so ist der Überfall nur gelegentlich der versicherten Tätigkeit erfolgt, und diese bildet dann lediglich eine "Gelegenheitsursache" und nicht eine "Mitursache" des Unfalls. Es wurde daher in der deutschen Rechtsprechung in dem Falle, daß sich der Täter zur Ausführung des aus rein privaten Gründen geplanten tätlichen Angriffes in den Betrieb begibt, in dem die Versicherte arbeitet, um dort den tätlichen Angriff auszuführen, entschieden, daß die Tatsache allein, daß der tätliche Angriff im Betrieb geschehen ist, nicht ohne weiteres den inneren Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit begründet. Es wurde daher, wie die Revisionswerberin grundsätzlich zutreffend ausführt, entschieden, daß eine Schwesternhelferin, die von ihrem Freund während der Arbeitszeit im Flur des Krankenhauses tätlich angegriffen wurde, selbst dann nicht unter Unfallversicherungsschutz stand, wenn sie sich ansonsten bemüht hat, dem Freund auszuweichen und er sie während der Arbeitszeit am ehesten hat erreichen können (vgl Podzun, Der Unfallsachbearbeiter3 Kennzahl 121/2). Anders kann es hingegen sein, wenn der Überfall durch die Lage oder Beschaffenheit des Betriebes oder den Ort der Ausübung der Tätigkeit (zB Forstarbeiter in einen einsamen Wald) ermöglicht oder begünstigt wird (vgl Schwerdtfeger in Lauterbach, Unfallversicherung, SGB VII4 RN 274 zu § 8 mwN).
Selbst wenn jedoch dem Überfall - wie im vorliegenden Fall nach den Feststellungen des Erstgerichtes - ein persönliches Motiv zugrundeliegt, kann ausnahmsweise der Unfallversicherungsschutz dennoch bejaht werden, wenn besondere Verhältnisse der Arbeitsstätte oder des Weges den Überfall begünstigt haben und die verrichtete Tätigkeit damit neben den betriebsfremden Beweggründen eine Mitursache des Unfalls bildet. Dies mag zwar nicht schon der Fall sein, wenn die überfallene Person auf einer Betriebsstätte arbeitet, die für fremde Besucher frei zugänglich ist (zB in einem Gasthaus oder in einem Krankenhaus). Es müssen für das Bejahen des inneren Zusammenhanges mit der versicherten Tätigkeit auch nicht ganz außergewöhnliche Umstände vorliegen. So können zB die im Zeitpunkt des Überfalls bestehende Dunkelheit, die Lichtverhältnisse am Ort des Überfalls, die Art der Tätigkeit (zB Öffnen der Briefpost) oder die Gegend, in welcher der Überfall stattgefunden hat, als besondere Verhältnisse bei der Zurücklegung des Weges gewertet werden, die auch bei Vorliegen eines dem privaten Lebensbereich des Verletzten zuzurechnenden Tatmotivs den inneren Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Überfall begründen können (vgl Podzun aaO 121/1; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung12, Bd 3 § 8 - 87 f; ders Handbuch der Sozialversicherung, Bd II 72. Nachtrag 485, 485a und 485b mwN; Keller in Hauck, SGB VII Rz 153 zu K § 8;
Lauterbach, Unfallversicherung3 269/1 f; Baumer/Fischer/Salzmann, Die gesetzliche Unfallversicherung Anm 5 zu § 550 RVO; BSGE 17, 75 ua;
Dusak, Zur Wechselbeziehung von Schutzbereich und wesentlicher Bedingung in der Unfallversicherung, ZAS 1990, 45 ff [54]).
Das Berufungsgericht hat das Vorliegen solcher besonderen Verhältnisse beim Zurücklegen des Weges, die den Überfall auf den Kläger wesentlich begünstigt haben, zutreffend bejaht. Dem Hinweis der Revisionswerberin, daß die Wohnung des Klägers in einem dicht besiedelten Stadtgebiet gelegen sei, ist mit den Ausführungen des Berufungsgerichtes entgegenzuhalten, daß aufgrund der Jahreszeit (Ende September) und des frühen Arbeitsbeginnes (5 Uhr früh) der Kläger den Weg zur Arbeit bei Dunkelheit zu einem Zeitpunkt antreten mußte, zu dem bekanntermaßen kaum andere Personen unterwegs sind, sodaß die Täter, wie sich mittlerweile auch bestätigt hat, berechtigterweise darauf hoffen konnten, daß sie unerkannt bleiben würden. Weiters war die Ausführung der Tat dadurch erleichtert, daß der Kläger - ebenfalls berufsbedingt - seine Wohnung an Werktagen immer zur gleichen Zeit verlassen hat, sodaß ihm die Täter vor der Wohnung auflauern konnten. Diese mit der versicherten Tätigkeit des Klägers im Zusammenhang stehenden Umstände haben die Ausführung der Tat wesentlich begünstigt. Die versicherte Tätigkeit ist damit als wesentliche Bedingung für den Unfall anzusehen, sodaß das Berufungsgericht den Unfallversicherungsschutz im Sinne der in der Unfallversicherung geltenden Theorie der "wesentlichen Bedingung" zutreffend bejaht hat.
Der Revision war damit ein Erfolg zu versagen.
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