Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit 1.811,52 S (darin 301,92 S Umsatzsteuer und keine Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger erlitt am 8.9.1988 einen Arbeitsunfall, für den ihm die beklagte Partei ab 14.8.1989, dem Tag nach dem Wegfall der durch den Arbeitsunfall verursachten Arbeitsunfähigkeit, mit Bescheid eine Versehrtenrente von 40 vH der Vollrente zuerkannte. In der dagegen am 9.11.1989 erhobenen Klage begehrte der Kläger die Gewährung einer Versehrtenrente von 60 vH der Vollrente "im gesetzlichen Ausmaß" ab 14.8.1989. In einem Vergleich, der am 6.4.1990 in dem über die Klage eingeleiteten Verfahren geschlossen wurde, verpflichtete sich die beklagte Partei, dem Kläger ab 14.8.1989 eine Versehrtenrente von 50 vH der Vollrente "im gesetzlichen Ausmaß" zu bezahlen. Am 15.5.1990 langte bei der beklagten Partei ein mit 11.5.1990 datiertes Schreiben des Klägers ein, in dem er die Gewährung des Kinderzuschusses ab 14.8.1989 für seine am 28.10.1970 geborene Tochter wegen Fortdauer der Berufsausbildung beantragte.
Die beklagte Partei gewährte den Kinderzuschuß ab 15.2.1990, wobei sie den Bescheid auf § 86 Abs 1, § 97 Abs 2 und § 207 iVm § 252 ASVG stützte.
In der gegen diesen Bescheid der beklagten Partei gerichteten Klage begehrte der Kläger, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihm den Kinderzuschuß ab 14.8.1989 in der gesetzlichen Höhe zu bezahlen.
Das Erstgericht entschied, daß das Klagebegehren auf Leistung des Kinderzuschusses für die Zeit vom 14.8.1989 bis 14.2.1990 dem Grunde nach zu Recht besteht, und trug der beklagten Partei "bis zur Erlassung des die Höhe dieser Leistung festsetzenden Bescheides eine vorläufige Zahlung von 3.000 S binnen 14 Tagen" auf. § 97 Abs 2 ASVG sei nicht unmittelbar anzuwenden, weil dies zu einem unlösbaren Widerspruch mit § 86 Abs 4 ASVG führen würde, in dem in der Unfallversicherung für den Antrag eine Frist von zwei Jahren vorgesehen sei. Der Kläger habe den gemäß § 207 Abs 2 ASVG erforderlichen Antrag auf Gewährung des Kinderzuschusses daher innerhalb von zwei Jahren stellen können und dies auch getan. Selbst wenn man die sinngemäße Anwendung des § 97 Abs 2 ASVG bejahe, sei für die beklagte Partei nichts gewonnen, weil der Kläger den Anspruch auf die Schwerversehrtenrente erst durch den Abschluß des Vergleiches am 6.4.1990 erlangt und den Antrag auf Gewährung des Kinderzuschusses schon am 15.5.1990 gestellt habe. Die Antragstellung vor Abschluß des Vergleiches sei ihm nicht zuzumuten gewesen, zumal ihm die beklagte Partei nur eine Versehrtenrente von 40 vH der Vollrente zuerkannt habe.
Das Berufungsgericht erkannte die beklagte Partei infolge ihrer Berufung schuldig, dem Kläger ab 15.2.1990 den Kinderzuschuß in der im Bescheid angeführten Höhe zu leisten, und wies das Mehrbegehren auf Gewährung des Kinderzuschusses für die Zeit vom 14.8.1989 bis 14.2.1990 ab. § 97 Abs 2 ASVG sei hier anzuwenden. Entgegen der Meinung des Erstgerichtes führe dies nicht zu einem unlösbaren Widerspruch mit § 86 Abs 4 ASVG, weil diese Bestimmung nicht für Leistungen gelte, die nur über besonderen Antrag gewährt würden. Solche Leistungen stünden grundsätzlich erst mit der Antragstellung zu, wenn nicht, wie hier im § 97 Abs 2 ASVG, die rückwirkende Gewährung im Gesetz vorgesehen sei. Das im Vorverfahren gestellte, auf Gewährung der Versehrtenrente "im gesetzlichen Ausmaß" gerichtete Klagebegehren schließe den Antrag auf Gewährung des Kinderzuschusses nicht ein, weil sich aus dem Grundsatz der sozialen Rechtsanwendung die Fiktion eines tatsächlich nicht gestellten Antrags nicht ableiten lasse (SSV-NF 2/52, 4/22). Dem Kläger wäre es zumutbar gewesen, mit der Klage auch den Anspruch auf den Kinderzuschuß geltend zu machen.
Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes, inhaltlich jedoch nur gegen den abweisenden Teil, richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, es dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren auch für die Zeit vom 14.8.1989 bis 14.2.1990 stattgegeben werde.
Die beklagte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Gemäß § 207 Abs 2 ASVG wird der einem Schwerversehrten gebührende Kinderzuschuß nach Vollendung des 18.Lebensjahres nur auf besonderen Antrag gewährt. In diesem Fall ist also die Einbringung des Antrags eine Voraussetzung für den Anfall des Anspruchs.
Das Berufungsgericht hat zu Recht die Anwendung des § 86 Abs 4 ASVG abgelehnt, weil diese Bestimmung nur für jene Leistungen der Unfallversicherung gilt, die von Amts wegen zu erbringen sind. Sie kann nicht auf den Fall ausgedehnt werden, in dem der Kinderzuschuß nur auf besonderen Antrag gebührt. Dies zeigt folgende Überlegung:
Hat das Kind des Schwerversehrten im Zeitpunkt des Anfalls der Versehrtenrente (vgl § 204 ASVG) das 18.Lebensjahr noch nicht vollendet, so ist der Kinderzuschuß von Amts wegen zu gewähren. Der Anspruch auf diese Leistung erlischt jedoch gemäß § 100 Abs 1 lit b ASVG mit der Vollendung des 18.Lebensjahres. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Weitergewährung sich nach § 97 Abs 2 richten würde und § 86 Abs 4 ASVG auch dann nicht herangezogen werden könnte, wenn die darin festgelegte Frist von zwei Jahren noch nicht abgelaufen wäre. Zwischen dem Anspruch auf Weitergewährung und auf erstmalige Gewährung des Kinderzuschusses nach Vollendung des 18.Lebensjahres besteht aber in dem hier erörterten Zusammenhang kein wesentlicher Unterschied. Es wäre nicht gerechtfertigt, dem Versicherten eine längere Frist zur Antragstellung nur deshalb einzuräumen, weil sein Kind das 18. Lebensjahr schon vor oder am Tag des Anfalls der Versehrtenrente vollendet hat. Gerechtfertigt und geboten ist es hingegen, für diesen Fall, wie dies schon die beklagte Partei und das Berufungsgericht getan haben, § 97 Abs 2 ASVG sinngemäß anzuwenden.
Der Kläger in der Revision und das Erstgericht in seinem Urteil meinen zu Unrecht, daß der Kläger den Anspruch auf Versehrtenrente erst durch den Abschluß des Vergleiches erworben habe. Dies ist mit § 85 und § 86 Abs 4 ASVG unvereinbar. Durch den Abschluß des Vergleiches wurde nur der bereits entstandene und dem Kläger schon angefallene Anspruch auf Versehrtenrente zwischen den Parteien festgestellt (vgl Ertl in Rummel, ABGB Rz 5 zu § 1380), zumal der Kläger nicht behauptet hat, daß sein Anspruch nach dem Gesetz im geringeren Ausmaß festzustellen gewesen wäre, als dies im Vergleich geschah. Auch der Anspruch auf Kinderzuschuß entstand daher nicht erst mit dem Abschluß des Vergleiches. Der Kläger hätte somit entgegen der in Revision vertretenen Meinung den Antrag auf Gewährung des Kinderzuschusses schon vor Abschluß des Vergleiches stellen können.
Nicht beizupflichten ist schließlich auch dem Argument des Klägers, daß das auf Gewährung der Versehrtenrente "im gesetzlichen Ausmaß" gerichtete Klagebegehren den Antrag auf Gewährung des Kinderzuschusses enthalten und daß sich die beklagte Partei im Vergleich zur Bezahlung des Kinderzuschusses verpflichtet habe, weil sie darin die Verpflichtung zur Bezahlung der Versehrtenrente "im gesetzlichen Ausmaß" eingegangen sei. Da sein Kind zu dieser Zeit das 18.Lebensjahr schon vollendet hatte, hätte der Kinderzuschuß nur dann zu den Leistungen "im gesetzlichen Ausmaß" gehört, wenn der Antrag auf Gewährung dieser Leistung schon früher oder zumindest bis zum Abschluß des Vergleiches gestellt worden wäre. Es ist auch kein Grund zu sehen, warum es für den Kläger unzumutbar gewesen wäre, einen solchen Antrag zu stellen; nach seinem eigenen Rechtsstandpunkt waren die sonstigen Voraussetzungen für die Gewährung des Kinderzuschusses ja erfüllt. Dabei wäre es ohne Bedeutung, wenn die verspätete Antragstellung auf die Unkenntnis des Gesetzes zurückzuführen sein sollte (SSV-NF 4/21).
Der Anspruch des Klägers auf Kinderzuschuß ist daher erst mit der Einbringung seines Antrags am 15.5.1990 angefallen, weshalb die Entscheidung des Berufungsgerichtes richtig ist.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Im Hinblick auf die rechtlichen Schwierigkeiten des Verfahrens entspricht der Zuspruch der Hälfte der tarifmäßigen Kosten der Billigkeit.
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