Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 26.10.1935 geborene Kläger bezieht von der beklagten Sozialversicherungsanstalt der Bauern seit 1.2.1980 eine Erwerbsunfähigkeitspension samt Ausgleichszulage. Bei deren Feststellung wurde eine Richtsatzerhöhung für den unehelichen Sohn des Klägers, Christof P*****, geboren am 17.7.1975, berücksichtigt (§ 141 Abs 1 letzter Satz BSVG). Auf eine (zweite) Anfrage der Beklagten an den Kläger vom 11.6.1991 zwecks Bekanntgabe aller Umstände für den Anspruch auf Ausgleichszulage hinsichtlich des unehelichen Kindes erschien der Kläger am 21.6.1991 persönlich bei der Landesstelle Tirol der beklagten Partei und teilte mit, daß sein unehelicher Sohn nicht bei ihm, sondern immer bei seiner Mutter gewesen sei. Diese sei vor etwa drei Jahren verstorben. Der Vormund des Sohnes sei nun dessen Stiefbruder Alexander, der in Innsbruck wohnhaft sei. Was sein unehelicher Sohn in Innsbruck mache, könne er nicht angeben. Seine Unterhaltsleistungen gingen auf ein Bankkonto. Nach Erhebungen über das Einkommen des Minderjährigen entschied die Beklagte mit Bescheid vom 30.7.1991, daß der uneheliche Sohn Christof weiterhin im Richtsatz des Klägers zu berücksichtigen sei und daß der einbehaltene Betrag nachgezahlt werde.
Anläßlich einer neuerlichen Überprüfung der Richtsatzerhöhung zu Beginn des dritten Lehrjahres des Minderjährigen kam hervor, daß dieser inzwischen die Lehre vorzeitig abgebrochen und in der Folge Einkommen aus wechselnden Lehrverhältnissen und teilweise Arbeitslosengeldbezug, aber auch (und zwar seit 1.4.1985) Anspruch auf eine Waisenpension von der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter hatte. Danach ergab sich in der - nunmehr streitgegenständlichen - Zeit vom 1.9.1991 bis 30.8.1992 der den Gegenstand dieses Verfahrens bildende Überbezug an Ausgleichszulage von insgesamt 9.153,90 S.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 7.10.1992 wurde die Ausgleichszulage des Klägers für die Zeit ab 1.9.1991 neu festgestellt und der oben genannte Überbezug rückgefordert.
Mit seiner rechtzeitig eingebrachten Klage bekämpfte der Kläger diesen Bescheid mit dem Vorbringen, daß ihm die Anschrift des Vormundes seines unehelichen Sohnes nicht bekannt sei. Von einem Einkommen des Sohnes habe er selbst erst durch die Beklagte erfahren, die davon schon vorher Kenntnis gehabt habe. Im übrigen hätte der Vormund die Meldevorschriften gegenüber der Beklagten einhalten müssen.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Umstand, daß die Beklagte von sich aus Erhebungen durchgeführt habe, entbinde den Kläger nicht von seiner Meldepflicht. Er hätte alles nötige veranlassen müssen, um seiner Meldeverpflichtung nachzukommen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und sprach aus, daß der Kläger nicht zum Rückersatz des Überbezuges von 9.153,90 S an die Beklagte verpflichtet sei. Dem Kläger könne ein Verstoß gegen die Meldepflicht nicht vorgeworfen werden, weil er nicht verpflichtet sei, Erhebungen über ein allfälliges Einkommen seines unehelichen Sohnes anzustellen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Eine Meldung oder eine Anzeige sei Gegenstand eines Sachverhaltes, der demjenigen, der zu melden oder anzuzeigen habe, bekannt sei. Aus der Verpflichtung, einen bestimmten Sachverhalt zu melden oder anzuzeigen, könne noch nicht abgeleitet werden, daß der Melde- oder Anzeigeverpflichtete auch verhalten wäre, den ihm nicht bekannten Sachverhalt erst durch die Vornahme von Erhebungen zu erforschen. Im allgemeinen könne zwar davon ausgegangen werden, daß die meldepflichtigen Sachverhalte dem Zahlungsempfänger "sowieso" bekannt seien, wenn er sich um seine Angelegenheiten in der üblichen Weise kümmere. Die Lebensverhältnisse eines unehelichen Kindes seien aber dann, wenn ein persönlicher Kontakt zwischen dem unehelichen Vater und dem Kind nicht bestehe, wie es hier der Fall sei, dem Vater häufig nicht bekannt. So viel ihm bekannt war, habe er der Beklagten bei seiner persönlichen Vorsprache angezeigt, nämlich insbesondere den Umstand, daß die Mutter des Kindes verstorben sei. Eine Verpflichtung des Klägers, die Lebensführung seines Sohnes ständig durch laufende Erhebungen zu überwachen, um allfällige für den Leistungsbezug relevante Umstände sofort der Beklagten melden zu können, sei dem Gesetz nicht zu entnehmen und wäre eine unzumutbare Überspannung der Meldepflicht. Der Sachverhalt böte daher keine Anhaltspunkte für eine schuldhafte Meldepflichtverletzung des Klägers, die Grundlage für die Rückzahlungspflicht wäre.
Das Berufungsgericht sprach aus, daß die Revision nicht zulässig sei, weil das Vorliegen einer Meldepflichtverletzung im konkreten Fall im wesentlichen eine Frage des Einzelfalles sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens und Auferlegung der Rückzahlung des Überbezuges an den Kläger.
Der Kläger erstattete trotz Freistellung keine Revisionsbeantwortung.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes zulässig, weil zu der Frage, ob sich ein Meldepflichtiger darauf berufen kann, der zu meldende Sachverhalt sei ihm unbekannt gewesen oder ob er zu entsprechenden Nachforschungen verpflichtet ist, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt (§ 46 Abs 1 Z 1 ASGG).
Die Revision ist aber nicht berechtigt.
Der Pensionsberechtigte, der eine Ausgleichszulage bezieht, ist nach § 146 Abs 1 BSVG (§ 298 Abs 1 ASVG) verpflichtet, jede Änderung des Nettoeinkommens oder der Umstände, die eine Änderung des Richtsatzes bedingen, dem Versicherungsträger gemäß § 18 BSVG (§ 40 ASVG) anzuzeigen. Nach § 72 Abs 1 BSVG (§ 107 Abs 1 ASVG) hat der Versicherungsträger zu Unrecht erbrachte Geldleistungen zurückzufordern, wenn der Leistungsempfänger bzw Zahlungsempfänger den Bezug unter anderem durch Verletzung der Meldevorschriften und der Auskunftspflicht (§§ 16 bis 18 und 20) herbeigeführt hat. Nach ständiger Rechtsprechung können zu Unrecht erbrachte Geldleistungen schon bei leicht fahrlässiger Verletzung der Meldevorschriften zurückgefordert werden. Für die Rückforderung genügt es, wenn der Sozialversicherungsträger die objektive Verletzung einer Meldevorschrift beweist. Sache des Versicherten ist es, nachzuweisen, daß ihn kein Verschulden an der Verletzung der Meldevorschrift trifft. Der Leistungsempfänger ist verpflichtet, jenen Grad des Fleißes und der Aufmerksamkeit aufzuwenden, welcher bei gewöhnlichen Fähigkeiten angewendet werden kann. Die Unkenntnis der gesetzlichen Bestimmungen über die Meldepflicht vermag den Leistungsempfänger regelmäßig nicht zu entschuldigen. Hat der Leistungsempfänger trotz ausdrücklicher Belehrung die Meldung unterlassen, so begründet dies regelmäßig ein Verschulden (SSV-NF 1/69, 3/9 uva). Eine Verletzung der Meldepflicht liegt selbst dann vor, wenn der Versicherte die Meldung unterläßt, weil er weiß, daß der zu meldende Sachverhalt dem Versicherungsträger schon bekannt ist. Nur wenn er aus besonderen Gründen annehmen durfte, die Meldung werde auf das Vorgehen des Versicherungsträgers keinen Einfluß haben, liegt keine Verletzung der Meldepflicht vor (SSV-NF 4/91 = SZ 63/111; vgl auch SSV-NF 5/4 und 6/97).
Grundsätzlich kann sich der nach den §§ 18 und 146 BSVG (die den §§ 40 und 298 ASVG entsprechen) Meldepflichtige nicht darauf berufen, der zu meldende Sachverhalt sei ihm unbekannt gewesen. Vielmehr ist er, da die Meldepflicht sein persönliches Tätigwerden voraussetzt, unter Zugrundelegung der bei einem Leistungsempfänger vorauszusetzenden gewöhnlichen Fähigkeiten und Kenntnisse verpflichtet, entsprechende Nachforschungen anzustellen, wenn nach den Umständen des Falles für das mögliche Vorliegen meldepflichtiger Tatsachen gewisse Anhaltspunkte gegeben sind. In solchen Fällen verletzt er seine Meldepflicht, wenn er es unterläßt, sich mit der gebotenen Sorgfalt vom Vorhandensein maßgeblicher Tatsachen zu unterrichten (vgl Dirschmied, Arbeitslosenversicherungsrecht2 Anm 2.2. zu § 25 AlVG mit Hinweis auf Judikatur des VwGH). Die bloße Mitteilung, daß meldepflichtige Umstände nicht bekannt seien, ergibt noch keinen Aufschluß darüber, daß dem Meldepflichtigen die von ihm gewünschten Auskünfte verweigert worden wären oder sonst aus triftigen Gründen nicht erlangt werden konnten; durch eine solche Mitteilung allein ist für den Versicherungsträger nämlich nicht erkennbar, ob sich der Leistungsempfänger nur einer Meldepflicht entziehen wollte oder dieser Pflicht wegen bestehender Hindernisse nicht nachkommen konnte, in welchem Fall dem Versicherungsträger vorgeworfen werden könnte, nicht rechtzeitig von sich aus Erhebungen über die meldepflichtigen Tatsachen angestellt zu haben (zutreffend OLG Wien SSV 11/57). Die Sorgfaltspflicht darf dabei allerdings nicht überspannt werden, wenn es um an sich meldepflichtige Tatsachen geht, die in der Sphäre eines Dritten liegen, mit dem der Leistungsempfänger keinen oder nur wenig Kontakt hat, also etwa wie hier eines unehelichen Kindes, das noch dazu in einem anderen Bundesland lebt, wobei die Kontakte zum Vater sich in dessen Unterhaltsleistungen erschöpfen. Aber auch in solchen Fällen hat der Meldepflichtige in größeren regelmäßigen Abständen Nachforschungen über die Vermögensverhältnisse des die Richtsatzerhöhung begründenden Kindes anzustellen, etwa durch Anfrage an den Minderjährigen selbst oder an dessen Vormund, allenfalls auch durch Einsichtnahme in den betreffenden Pflegschaftsakt.
Im vorliegenden Fall entstand der Überbezug im Zeitraum 1.9.1991 bis 30.8.1992 dadurch, daß der Kläger der Beklagten nicht meldete, daß sein unehelicher Sohn bereits seit 1.4.1985 von der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter eine Waisenpension nach seiner am 17.3.1985 verstorbenen Mutter bezog. Die Tatsache, daß er eine Lehrlingsentschädigung erhielt, war der Beklagten hingegen schon am 26.6.1991 bekannt. Der Bezug einer Waisenpension wurde der Beklagten erst am 7.8.1992 durch Daten der Versicherungsdatei bekannt (dies ergibt sich insbesondere aus den Seiten 84 bis 97 des Anstaltsaktes). Der Kläger hingegen wußte bereits bei seiner Vorsprache bei der Beklagten am 21.6.1991, daß die Mutter seines unehelichen Kindes vor Jahren verstorben ist; dies teilte er auch der Beklagten mit. Daß er aus diesem Anlaß nicht nachforschte, ob sein Sohn eine Waisenpension bezog, begründet kein Verschulden des Klägers, zumal sich auch die Beklagte mit der Bekanntgabe des Todes der Muter begnügte und weder selbst Erhebungen über den möglichen Waisenpensionsbezug anstellte, noch den Kläger bei seiner Vorsprache durch entsprechende Fragen und Hinweise veranlaßte, seinerseits entsprechende Erkundigungen einzuholen. Nach den Umständen des Falles mußte er vielmehr aufgrund seiner Vorsprache am 21.6.1991 der Meinung sein, er habe der Beklagten alles nötige gemeldete und die Beklagte gebe sich mit seinen Auskünften zufrieden. Auch wenn ein Versicherter von sich aus tätig werden muß, wenn er betreut werden will, ist der zuständige Versicherungsträger im Rahmen seiner Nebenpflichten verpflichtet, Auskünfte, Informationen und Ratschläge, vor allem aber auch Rechtsbelehrung zu erteilen und Anleitungen zu korrektem Vorgehen zu geben (vgl Krejci-Marhold in Tomandl SV-System 5.ErgLfg 81 ff; Tomandl, Grundriß des österreichischen Sozialrechts4 Rz 102). Aus diesen Erwägungen ist ein Verschulden des Klägers an der objektiv bestehenden Meldepflichtverletzung zu verneinen.
Nur am Rande sei erwähnt, daß selbst dem Akt 3 P 109/85 des Bezirksgerichtes Innsbruck betreffend die Vormundschaftssache des unehelichen Sohnes des Klägers kein Hinweis auf den Bezug einer Waisenpension zu entnehmen gewesen wäre, wie der erkennende Senat durch Einsicht in diesen Akt feststellen konnte.
Damit erweist sich das Rückforderungsbegehren der Beklagten als nicht berechtigt, weshalb ihrer Revision ein Erfolg zu versagen war.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht entstanden, weshalb sich eine Kostenentscheidung erübrigte.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)