OGH 10ObS183/93

OGH10ObS183/9321.9.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr.Ilona Gälzer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Franz Riepl (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Fadil A*****, vertreten durch Dr.Heinrich Keller, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vertreten durch Dr.Anton Rosicky, Rechtsanwalt in Wien, wegen Weitergewährung einer befristeten Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24.Mai 1993, GZ 32 Rs 66/93-31, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 21. Jänner 1993, GZ 15 Cgs 95/92-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:

"Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger binnen vierzehn Tagen die ihm mit Bescheid vom 23.9.1991 bis 31.3.1992 gewährte Invaliditätspension ab 1.4.1992 weiterzugewähren und die einschließlich 603,84 S Umsatzsteuer mit 3.623,04 S bestimmten Revisionskosten zu ersetzen."

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 6.4.1992 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Weitergewährung der ihm mit Bescheid vom 23.9.1991 bis 31.3.1992 gewährten Invaliditätspension ab, weil er nicht mehr invalid sei.

Die auf Weitergewährung der befristeten Leistung gerichtete Klage stützt sich nach einer Modifizierung in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 5.11.1992 darauf, daß der am 17.5.1968 geborene Kläger, der die KFZ-Mechanikerlehre absolviert habe, allerdings nicht zur Lehrabschlußprüfung angetreten sei, überwiegend als qualifizierter (KfZ)Mechaniker beschäftigt gewesen sei.

Die Beklagte gestand zu, daß der Kläger den Mechanikerberuf erlernt hat, bestritt aber, daß er überwiegend in diesem Beruf tätig gewesen sei und beantragte daher die Abweisung des Klagebegehrens.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es stellte fest, daß der Kläger aus gesundheitlichen Gründen "seit Antragstellung" während der normalen Arbeitszeit mit den üblichen Pausen leichte und mittelschwere Arbeiten vorwiegend im Sitzen, bis zu einem Drittel der Arbeitszeit, aber nicht kontinuierlich auch im Gehen und Stehen, leisten kann. Spätestens nach 45 Minuten dauerndem Gehen und Stehen muß er einige Minuten sitzen können. Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sind ausgeschlossen. Die Wege zum Arbeitsplatz sind nicht eingeschränkt. Diese Arbeitsfähigkeit reicht für eine Tätigkeit als KFZ-Mechaniker nicht aus. Der Kläger erlernte in der Zeit vom 14.8.1984 bis 13.2.1988 den Beruf eines (KFZ)Mechanikers und war dann vom 14.2. bis 27.4.1988, vom 2.5. bis 13.6.1988 und vom 1.3. bis 12.12.1990 als qualifizierter KFZ-Mechaniker tätig. Während der übrigen Beitragsmonate war er nicht in diesem Beruf beschäftigt.

Deshalb sei die Frage seiner (weiteren) Invalidität nach § 255 Abs 3 ASVG zu beurteilen und wegen der Verweisbarkeit auf einige beispielsweise genannten Hilfsarbeitertätigkeiten zu verneinen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge.

Es vertrat unter Hinweis auf SSV-NF 4/27 die Rechtsmeinung, daß die während der 3,5 jährigen Lehrzeit erworbenen 40 (richtig 42) Beitragsmonate, während deren der Kläger noch nicht in einem erlernten oder angelernten Beruf tätig gewesen sei, den später durch Hilfsarbeitertätigkeiten erworbenen 8 Beitragsmonaten gleichstünden, weshalb der Kläger nur in den durch qualifizierte KFZ-Mechanikertätigkeiten erworbenen 14 Beitragsmonaten und damit nicht überwiegend in einem erlernten (angelernten) Beruf tätig gewesen sei.

In der Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung (der Sache) beantragt der Kläger, das Berufungsurteil "aufzuheben" (richtig abzuändern) und "festzustellen", daß ihm die Beklagte die mit 31.3.1992 befristete Invaliditätspension ab 1.4.1992 im gesetzlichen Ausmaß weiterzugewähren habe; allenfalls möge das angefochtene Urteil aufgehoben werden.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Nach der vom Berufungsgericht zitierten, aber offenbar mißverstandenen Entscheidung SSV-NF 4/27 (zustimmend Heider, DRdA 1991, 252) kann von der Ausübung einer Berufstätigkeit iS des § 255 Abs 2 Satz 2 ASVG bei in einem Lehrverhältnis stehenden Personen (Lehrlingen) nicht gesprochen werden. Daß der Kläger die vorgesehene Lehrabschlußprüfung nicht ablegte, änderte nichts daran, daß er 3,5 Jahre in einem Lehrverhältnis stand.

In der weder vom Berufungsgericht noch in der Revision und deren Beantwortung erwähnten Entscheidung SSV-NF 5/123 hielt der erkennende Senat an der erstgenannten Entscheidung unter Anführung weiterer Gründe fest. Weiters erklärte er die aus SSV-NF 4/27 abgeleitete rechtliche Beurteilung des damaligen Berufungssenates, die Lehrzeit habe bei der Prüfung iS des § 255 Abs 2 Satz 2 ASVG außer Betracht zu bleiben, weshalb die Frage der Invalidität des damaligen Klägers, der nach der Lehrzeit überwiegend (64 von 117 Pflichtversicherungsmonaten) als Spengler tätig war, nach § 255 Abs 1 leg cit zu beurteilen sei, ausdrücklich für richtig. Im selben Sinn erging auch die Entscheidung vom 28.1.1993, 10 Ob S 315/92.

Die Ausführungen in der Revisionsbeantwortung bieten dem erkennenden Senat keinen Anlaß, von den Vorentscheidungen abzugehen. Sie erweckten auch keinerlei verfassungsrechtlichen Bedenken.

Bei der Prüfung, ob die während der 3,5-jährigen Lehrzeit mit 3 Berufsschuljahren zumindest angelernte Berufstätigkeit als KFZ-Mechaniker in mehr als der Hälfte der Beitragsmonate nach dem ASVG während der letzten 15 Jahren vor dem Stichtag ausgeübt wurde, sind daher nur die nach der Lehrzeit erworbenen 22 Beitragsmonate der Pflichtversicherung zu berücksichtigen. Da der Kläger davon 14 Monate als qualifizierter KFZ-Mechaniker und 8 Monate als Hilfsarbeiter tätig war, ist die Frage seiner weiteren Invalidität nach § 255 Abs 1 ASVG zu beurteilen und auch für die Zeit ab 1.4.1992 zu bejahen, weil seine Arbeitsfähigkeit für die weitere Tätigkeit im überwiegend ausgeübten KFZ-Mechanikerberuf noch immer nicht ausreicht.

Die Urteile der Vorinstanzen waren daher im klagsstattgebenden Sinn abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a und Abs 2 ASGG.

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