OGH 10ObS172/93

OGH10ObS172/932.9.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter aus dem Kreis der Arbeitgeber Dr.Ilona Gälzer und Dr.Dietmar Strimitzer in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Raimund Sch*****, Unfallrentner, ***** vertreten durch Dr.Leo Kaltenbäck, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Bauern, 1031 Wien, Ghegastraße 1, wegen Erwerbsunfähigkeitspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23.Juni 1993, GZ 8 Rs 141/92-21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 29. September 1992, GZ 34 Cgs 30/92-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

1. Der Antrag auf Anordnung einer mündlichen Revisionsverhandlung wird abgewiesen.

2. Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 19.12.1991 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers vom 5.9.1991 auf Erwerbsunfähigkeitspension mangels dauernder Erwerbsunfähigkeit iS des § 124 BSVG ab.

Die auf die abgelehnte Leistung im gesetzlichen Ausmaß ab 1.10.1991 gerichtete Klage stützt sich darauf, daß der Kläger wegen Verlustes des linken Armes und ausgeprägter Abnützungserscheinungen des Stütz- und Bewegungsapparates keinem regelmäßigen Erwerb nachgehen könne.

Die Beklagte gestand zu, daß der Kläger seit 1.2.1989 keine die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem BSVG begründende Erwerbstätigkeit ausübt (Voraussetzung des § 121 Abs 2 leg cit), bestritt aber, daß er dauernd erwerbsunfähig sei und beantragte die Abweisung des Klagebegehrens.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es stellte im wesentlichen fest, daß der am 26.3.1957 geborene Kläger trotz der seit dem Pensionsantrag bestehenden, im einzelnen genannten internen, orthopädischen sowie neurologischen Krankheiten sowie anderen Gebrechen, bei denen der durch einen Arbeitsunfall am 18.7.1991 eingetretene Verlust des gesamten linken Armes im Vodergrund steht, einhändige leichte und mittelschwere Arbeiten im Sitzen, Stehen und Gehen, jedoch nicht an exponierten Stellen und nicht unter Benützung von Steighilfen mit den üblichen Ruhepausen leisten kann. Er kann bis 15 kg schwere Lasten heben, aber nicht tragen. Überkopfarbeiten sind nur während zwei Dritteln des Arbeitstages möglich und gleichmäßig zu verteilen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind jährliche Krankenstände von insgesamt drei Wochen zu erwarten. Der Kläger ist verweisbar und anlernbar. Nach der Pflichtschule arbeitete er sowohl im elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb als auch bei einem Caterpillarunternehmen, als Bau- und Handelsarbeiter, Kraftfahrer, Arbeiter in der Holz- und Fahrradindustrie und bis zum erwähnten Arbeitsunfall als Mineur. Seither ist er nicht mehr beschäftigt. Er besitzt einen Führerschein der Gruppe B und F. Die festgestellte Arbeitsfähigkeit reicht zwar nicht mehr für eine Tätigkeit als Landwirt aus, wohl aber zB noch für die im einzelnen beschriebene Tätigkeit eines Portiers, für die die - beim Kläger gegebene - Bewegungs- und Griffsicherheit bzw Schreibfähigkeit einer Hand ausreicht, und die Tätigkeiten als Aufseher oder Telefonist, für die auf dem österreichischen Arbeitsmarkt eine ausreichende Zahl von Arbeitsplätzen besteht. Wegen dieser Verweisungsmöglichkeiten könne der Kläger einem regelmäßigen Erwerb nachgehen und gelte deshalb nicht als erwerbsunfähig iS des § 124 Abs 1 BSVG.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge.

Es verneinte die geltend gemachte Nichtigkeit und Mangelhaftigkeit, übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und billigte deren rechtliche Beurteilung. Dabei wies es zutreffend darauf hin, daß die Rechtsrüge teilweise nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgeht und daher insoweit nicht gesetzgemäß ausgeführt ist.

In der Revision macht der Kläger Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragt, allenfalls eine mündliche Revisionsverhandlung anzuberaumen und das Berufungsurteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern oder es aufzuheben.

Rechtliche Beurteilung

Die nach § 46 Abs 3 ASGG auch bei Fehlen der Voraussetzungen des Abs 1 leg cit zulässige Revision ist nicht berechtigt.

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit (§ 503 Z 2 ZPO) liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 leg cit). Der Revisionswerber bemängelt unter diesem Revisionsgrund im wesentlichen, daß das Berufungsgericht entgegen seinen Anträgen in der Berufung keinen weiteren Sachverständigen für Berufskunde und keinen weiteren Sachverständigen für Allgemeinmedizin beigezogen habe. Damit behauptet er aber keinen wesentlichen Verfahrensmangel der zweiten Instanz, sondern unternimmt den Versuch, deren irrevisible Beweiswürdigung zu bekämpfen, zu der die Entscheidung darüber gehört, ob Kontrollbeweise aufzunehmen sind. Dieser Versuch muß an der abschließenden Aufzählung der zulässigen Revisionsgründe im § 503 ZPO scheitern (SSV-NF 6/28 mwN).

Die rechtliche Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes durch das Berufungsgericht stimmt mit der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senates zum Begriff der dauernden Erwerbsunfähigkeit iS der wortidenten § 124 Abs 1 BSVG und § 133 Abs 1 GSVG (zB SSV-NF 4/81 mwN) überein und ist richtig (§ 48 ASGG). Der erkennende Senat hat gegen diese Bestimmungen nach wie vor keinerlei verfassungsrechtlichen Bedenken (s bzgl § 124 Abs 1 BSVG SV-NF 5/26, bzgl § 133 Abs 1 GSVG SSV-NF 6/51). Insoweit die Rechtsrüge meint, die Arbeitsfähigkeit des Klägers reiche für die vom Erstgericht beispielsweise genannten Verweisungstätigkeiten nicht aus, geht sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus und ist daher nicht gesetzgemäß ausgeführt. In diesem Zusammenhang sei die in der - allerdings zu § 105a ASVG ergangenen - Entscheidung SSV-NF 5/44 wiedergegebene allgemein bekannte Tatsache erwähnt, daß einarmige Personen häufig noch im Berufsleben stehen und die damit verbundenen Tätigkeiten erledigen.

Der nicht berechtigten Revision war daher nicht Folge zu geben.

Diese Entscheidung war nach § 509 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung ohne vorhergehende mündliche Verhandlung zu treffen. Da die Anordnung einer solchen Verhandlung dem Revisionsgericht nicht erforderlich erschien (Abs 2 leg cit), war der diebezügliche Antrag des Revisionswerbers abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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