OGH 10ObS171/08g

OGH10ObS171/08g27.1.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Andrea Eisler (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Eva Maria P*****, Regalbetreuerin, *****, vertreten durch Mag. German Storch und Mag. Rainer Storch, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, 4021 Linz, Gruberstraße 77, wegen Rückforderung des Zuschusses zum Karenzgeld (Streitwert 1.761,46 EUR), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 3. September 2008, GZ 12 Rs 87/08p-8, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 9. April 2008, GZ 10 Cgs 76/08m-5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Oberste Gerichtshof stellt gemäß Art 89 Abs 2 B-VG (Art 140 Abs 1 B-VG) an den Verfassungsgerichtshof den Antrag,

1.) § 31 Abs 2 zweiter Satz KBGG in der Stammfassung (BGBl I 2001/103) als verfassungswidrig aufzuheben und

2.) auszusprechen, dass

a.) § 8 KBGG in der Stammfassung (BGBl I 2001/103) - in eventu § 8 Abs 1 KBGG in der Stammfassung (BGBl I 2001/103), b.) in § 12 Abs 1 KBGG in der Stammfassung (BGBl I 2001/103) die Wortfolge „,sofern ihr Ehegatte kein Einkommen erzielt oder der maßgebliche Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 8) nicht mehr als 7 200 €

(Freigrenze) beträgt. Die Freigrenze erhöht sich für jede weitere Person, für deren Unterhalt der Ehepartner aufgrund einer rechtlichen oder sittlichen Pflicht tatsächlich wesentlich beiträgt, um 3 600 €" und

c.) § 12 Abs 2 KBGG in der Stammfassung (BGBl I 2001/103) verfassungswidrig waren.

Mit der Fortführung des Revisionsverfahrens wird gemäß § 62 Abs 3 VfGG bis zur Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs innegehalten.

Text

Begründung

Die Klägerin bezog von der Beklagten anlässlich der Geburt ihres Sohnes Benjamin jeweils für den Zeitraum vom 1. 1. 2002 bis 31. 12. 2002 Karenzgeld in Höhe von 5.503,45 EUR sowie einen Zuschuss zum Karenzgeld in Höhe von 2.211,90 EUR.

Der Ehegatte der Klägerin, Konrad P*****, wurde 2001 von seinem Arbeitgeber gekündigt und bezog zu Beginn des Jahres 2002 Arbeitslosenunterstützung. Er war in der Folge noch kurzfristig als Dienstnehmer für einen Arbeitgeber tätig, beabsichtigte aber, sich selbständig zu machen. Vom 25. 5. bis 22. 11. 2002 befand er sich aufgrund einer akuten Dickdarmentzündung im Krankenstand. Er bezog vom 1. 1. 2002 bis 31. 12. 2002 15.415,80 EUR an Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit (davon 11.107,54 EUR an Krankengeld) sowie 3.036,97 EUR an Arbeitslosengeld.

Mit Bescheid vom 5. 2. 2008 widerrief die Beklagte die Zuerkennung des Zuschusses zum Karenzgeld für das Jahr 2002 und verpflichtete die Klägerin zum Rückersatz von insgesamt 1.762,95 EUR. Die Beklagte begründete ihren auf die §§ 17 und 39 KGG gestützten Rückforderungsbescheid damit, dass der Gesamtbetrag der Einkünfte des Ehegatten der Klägerin im Jahr 2002 in der Höhe von 23.361,46 EUR die maßgebende Freigrenze von 21.600 EUR um 1.761,46 EUR überschritten habe, sodass die Klägerin zur Rückzahlung des zu Unrecht empfangenen Zuschusses zum Karenzgeld in Höhe von 1.762,95 EUR (maschinelle Rundungsdifferenz) verpflichtet sei.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin rechtzeitig Klage mit dem (sinngemäßen) Begehren auf Feststellung, dass der Anspruch der Beklagten auf Rückersatz eines Betrags von 1.762,95 EUR nicht zu Recht bestehe. Sie brachte im Wesentlichen vor, ihr Gatte sei Ende 2001 gekündigt worden und habe in der Folge beabsichtigt, eine selbständige Tätigkeit auszuüben. In der Übergangsphase zur Selbständigkeit habe er wochenweise als Arbeitnehmer in einem Unternehmen gearbeitet, sei dann aber schwer erkrankt. Diese wirtschaftlich schwierige Situation im Jahr 2002 rechtfertige ein Absehen von der Rückforderung des Zuschusses zum Karenzgeld. Außerdem sei unter Berücksichtigung der aktuellen Einkommens- und Vermögenssituation ihrer sechsköpfigen Familie die Rückzahlung des Zuschusses zum Karenzgeld nicht möglich.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im Wesentlichen ein, die Rückforderung entspreche der Sach- und Rechtslage, da das Einkommen des Ehegatten der Klägerin die zulässige Freigrenze um 1.762,95 EUR (einschließlich Rundungsdifferenzen) überschritten habe.

Das Erstgericht stellte fest, dass der Widerruf der Zuerkennung des Zuschusses zum Karenzgeld für den Zeitraum vom 1. 1. 2002 bis 31. 12. 2002 nicht zu Recht erfolgt sei und der Anspruch auf Rückersatz von 1.762,95 EUR nicht zu Recht bestehe. Es traf über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus noch Feststellungen zur wirtschaftlichen Situation der Familie der Klägerin und führte in rechtlicher Hinsicht aus, dass sich unter Berücksichtigung der Werbungskosten und bei pauschaler Erhöhung des Arbeitseinkommens um 30 % und des Arbeitslosengeldes um 15 % ein maßgeblicher Gesamtbetrag an Einkünften von 23.361,47 EUR ergebe. Damit werde einerseits die Zuverdienstgrenze in Höhe von 21.600 EUR überschritten, andererseits sei diese Überschreitung im Sinn des § 1 lit a der KBGG-Härtefälle-Verordnung geringfügig (unter 15 %). Hätte sich der Ehegatte der Klägerin, wie vorgesehen, selbständig gemacht, hätte er zumindest in den ersten Monaten seiner selbständigen Tätigkeit nicht jenes Einkommen erzielen können, welches er als Unselbständiger erzielt habe. Allerdings sei er unvorhergesehen erkrankt und habe Krankengeld bezogen, was im Vergleich zur beabsichtigten selbständigen Tätigkeit zur Überschreitung der Zuverdienstgrenze geführt habe. Da die Verpflichtung zum Rückersatz aufgrund der finanziellen Situation der Familie auch unbillig sei, liege ein Härtefall vor, welcher eine Rückforderung ausschließe. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge. Es wies das im Berufungsverfahren noch strittige Klagebegehren der Klägerin ab und verpflichtete diese, der Beklagten den Betrag von 1.761,46 EUR in 34 monatlichen Teilbeträgen von je 50 EUR und den letzten Teilbetrag von 61,46 EUR ab dem dem Eintritt der Rechtskraft dieser Entscheidung folgenden Monatsersten zu bezahlen. Es führte in rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen aus, die Rückzahlungsverpflichtung sei von der Beklagten zu Recht ausgesprochen worden, weil rückwirkend festgestellt worden sei, dass die Klägerin, wenn auch ohne ihr Verschulden, im Hinblick auf das festgestellte Einkommen ihres Ehegatten keinen Anspruch auf Zuschuss zum Karenzgeld gehabt habe. Es sei nicht strittig, dass die maßgebende Freigrenze von 21.600 EUR durch das Einkommen des Ehegatten der Klägerin im Jahr 2002 um den nunmehr zurückgeforderten Betrag (§ 17 Abs 2 KGG) überschritten worden sei. Die Frage, ob ein Härtefall im Sinn des § 31 Abs 4 KBGG iVm der KBGG-Härtefälle-Verordnung vorliege, könne vom Krankenversicherungsträger erst geprüft werden, wenn die der Rückforderung zu Grunde liegende Entscheidung in Rechtskraft erwachsen sei. Bei der Auferlegung eines Rückersatzes der zu Unrecht bezogenen Leistung sei gemäß § 89 Abs 4 zweiter Satz ASGG die Leistungsfrist unter Berücksichtigung der Familien-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin nach Billigkeit zu bestimmen; insoweit könne das Gericht die Zahlung auch in Raten anordnen. Bei Berücksichtigung der festgestellten Familien-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin entspreche die vorgenommene Ratenanordnung der Billigkeit. Den Gerichten fehle hingegen die Kompetenz für die gänzliche oder teilweise Nachsicht der Rückzahlungsverpflichtung.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob eine Entscheidung im Sinn des § 31 Abs 4 KBGG erst nach Rechtskraft der Entscheidung über die Rückersatzverpflichtung zu erfolgen habe, nicht vorliege.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung abzuändern.

Die Beklagte hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die im Folgenden dargestellten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die maßgebende Gesetzeslage die Einleitung eines Normenprüfungsverfahrens angezeigt erscheinen lassen.

Der erkennende Senat hat aus Anlass der Revisionsausführungen der Klägerin Folgendes erwogen:

1.) 1. Zunächst ist im Hinblick auf die am 3. 12. 2000 erfolgte Geburt des Sohnes der Klägerin darauf hinzuweisen, dass für Ansprüche aufgrund von Geburten vor dem 1. 1. 2002 weiterhin grundsätzlich die Bestimmungen des Karenzgeldgesetzes (KGG) gelten (vgl § 60 KGG). Nach § 15 Abs 1 Z 2 KGG haben auch verheiratete Mütter oder verheiratete Väter nach Maßgabe des § 17 KGG Anspruch auf Zuschuss zum Karenzgeld oder zur Teilzeitbeihilfe. Nach § 17 Abs 1 KGG besteht ein Anspruch der verheirateten Eltern auf einen Zuschuss zum Karenzgeld, wenn das vom Ehegatten ins Verdienen gebrachte Einkommen bestimmte, an der Familiengröße bzw an den Unterhaltsverpflichtungen des Ehepartners orientierte Einkommensgrenzen nicht überschreitet. Um Härten zu vermeiden, gibt es bei Überschreitung dieser Grenzbeträge einen fließenden Übergang dahingehend, dass der den Freibetrag übersteigende Einkommensanteil auf die Zuschusshöhe angerechnet wird (vgl § 17 Abs 2 KGG).

1.1 Das KGG wurde in der Folge für Geburten zwischen dem 1. 7. 2000 und dem 31. 12. 2001 durch die Schaffung von Übergangsbestimmungen in der mit BGBl I 2001/103 unter anderem erfolgten Novellierung des KGG gemäß den für Ansprüche aufgrund von Geburten ab dem 1. 1. 2002 geltenden Bestimmungen des Kinderbetreuungsgeldgesetzes (KBGG) geändert. So gilt gemäß § 17 Abs 4 KGG idF BGBl I 2001/103, dass für Ansprüche auf Zuschuss zum Karenzgeld aufgrund von Geburten vom 1. 7. 2000 bis 31. 12. 2001 ab 1. 1. 2002 an die Stelle des Einkommens gemäß § 40 KGG das Einkommen gemäß § 8 KBGG und anstelle der Freigrenzen gemäß § 17 Abs 1 KGG die Freigrenzen gemäß § 12 Abs 1 KBGG treten. Nach § 12 Abs 1 KBGG erhalten verheiratete Mütter bzw Väter einen Zuschuss, sofern ihr Ehegatte kein Einkommen erzielt oder der maßgebliche Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 8 KBGG) nicht mehr als

7.200 EUR (Freigrenze) beträgt. Die Freigrenze erhöht sich für jede weitere Person, für deren Unterhalt der Ehepartner aufgrund einer rechtlichen oder sittlichen Pflicht tatsächlich wesentlich beiträgt, um 3.600 EUR.

Auch hinsichtlich der Rückforderung einer nach dem KGG zu Unrecht bezogenen Leistung sieht § 39 KGG idF BGBl I 2003/71 vor, dass § 31 KBGG mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass an die Stelle des Kinderbetreuungsgeldes das Karenzgeld oder die Teilzeitbeihilfe und an die Stelle der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse die jeweils zuständige Gebietskrankenkasse tritt. Damit sollte auch die Rückforderungsregelung des KGG an jene des KBGG angeglichen und insbesondere auch die aufgrund des § 31 Abs 4 letzter Satz KBGG erlassene KBGG-Härtefälle-Verordnung, BGBl II 2001/405, anwendbar werden (vgl RV BlgNR XXII. GP 192). Die zitierte Bestimmung des § 39 KGG idF BGBl I 2003/71 ist mit 1. 7. 2003 in Kraft getreten und gilt für Bezugszeiträume nach dem 31. 12. 2001 (vgl § 57 Abs 20 KGG).

1.2 § 31 Abs 4 KBGG sieht unter anderem vor, dass der Krankenversicherungsträger bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände (Härtefälle), insbesondere in Berücksichtigung der Familien-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Empfängers,

1. die Erstattung des zu Unrecht bezahlten Betrags in Teilbeträgen (Ratenzahlungen) zulassen,

  1. 2. die Rückforderung stunden,
  2. 3. auf die Rückforderung verzichten kann.

    Der Bundesminister für Soziale Sicherheit und Generationen wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen durch Verordnung die Kriterien für Härtefälle sowie Art und Weise der Rückforderung festzulegen.

    Nach § 1 der KBGG-Härtefälle-Verordnung (BGBl II 2001/405) gelten in Bezug auf die Einkommensgrenze als Härtefälle:

    a) Fälle einer geringfügigen, unvorhersehbaren Überschreitung der Zuverdienstgrenze. Eine geringfügige, unvorhersehbare Überschreitung liegt nur dann vor, wenn die Grenzbeträge gemäß den §§ 2 Abs 1 Z 3 und 9 Abs 3 KBGG um nicht mehr als 10 % überstiegen werden. In solch einem Fall ist auf die Rückforderung zu verzichten.

    b) Fälle, in denen die Voraussetzungen für eine Rückforderung dem Grunde nach erfüllt sind, jedoch aufgrund der individuellen Familien-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse des/der Verpflichteten eine Rückforderung ganz oder teilweise oder zum gegebenen Zeitpunkt als unbillig erscheint.

    Seit der Änderung der KBGG-Härtefälle-Verordnung durch die Verordnung des Bundesministers für Soziale Sicherheit und Generationen, ausgegeben am 26. 2. 2004 (BGBl II 2004/91), gilt eine geringfügige, unvorhersehbare Überschreitung der in § 2 Abs 1 Z 3 KBGG und § 9 Abs 3 KBGG vorgesehenen Zuverdienstgrenzen um nicht mehr als 15 % als Härtefall, bei dem von einer Rückforderung der ausbezahlten Leistungen abzusehen ist. Nach § 4 der KBGG-Härtefälle-Verordnung (BGBl II 2004/91) tritt lit a in der Fassung dieser Verordnung mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft und gilt für Geburten nach dem 31. 12. 2001.

    Die Bestimmung des § 31 Abs 4 letzter Satz KBGG wurde zwar mit der Novelle BGBl I 2007/76 insofern geändert, als an die Stelle der Verordnungsermächtigung der Verweis auf die §§ 60 bis 62 BHG trat, weshalb die KBGG-Härtefälle-Verordnung mit Ablauf des 31. 12. 2007 außer Kraft getreten ist; sie ist jedoch auf Anspruchsüberprüfungen der Kalenderjahre 2002 bis 2007 weiterhin anzuwenden (§ 49 Abs 15 KBGG).

    2.) Nach den zutreffenden Ausführungen der Vorinstanzen hat der Gesamtbetrag der Einkünfte des Ehegatten der Klägerin im Jahr 2002 insgesamt 23.361,46 EUR betragen und damit die für den Anspruch auf Zuschuss zum Karenzgeld damals maßgebliche Freigrenze von 21.600 EUR (vgl § 17 Abs 1 und 4 KGG iVm § 12 KBGG) um den nunmehr zurückgeforderten Betrag von 1.761,46 EUR (vgl § 17 Abs 2 KGG) überschritten. Die Beklagte ist daher gemäß §§ 38, 39 KGG iVm § 31 KBGG grundsätzlich zur Rückforderung des zu Unrecht bezogenen Zuschusses in Höhe von 1.746,46 EUR berechtigt.

    3.) Der Oberste Gerichtshof hat daher bei der Entscheidung über das Rechtsmittel der Klägerin aufgrund der genannten Verweisungsnormen des KGG, wie bereits dargelegt, unter anderem die Bestimmungen der §§ 8, 12 Abs 1 und 31 Abs 2 zweiter SatzKBGG jeweils in der Stammfassung (BGBl I 2001/103) anzuwenden. Nach Ansicht des antragstellenden Senats schließt die spezielle Rückzahlungsverpflichtung des Zuschusses in Form der Abgabe gemäß den §§ 18 ff KBGG die allgemeine Rückzahlungspflicht bei Vorliegen eines Tatbestands gemäß § 31 KBGG nicht aus.

    4.) Wie der erkennende Senat bereits in mehreren Entscheidungen (vgl 10 ObS 79/08b vom 23. 9. 2008 ua) dargelegt hat, bestehen gegen die Bestimmungen der §§ 8, 12 und 31 Abs 2 zweiter SatzKBGG in der im vorliegenden Fall anzuwendenden Fassung folgende verfassungsrechtliche Bedenken:

    a) Gegen die Berechnungsweise des Gesamtbetrags der Einkünfte für die Freigrenze bei unselbständiger Erwerbstätigkeit (§ 8 Abs 1 Z 1 KBGG) bestehen schon insofern Bedenken, als diese Berechnungsweise sehr kompliziert gestaltet und für einen juristischen Laien kaum nachvollziehbar ist. Zu beurteilen ist nämlich bei unselbständigen Erwerbstätigen nicht ein reales Bruttoeinkommen, das dem Lohnzettel entnommen werden könnte, sondern eine Pauschale, in der Regel sogar ein fiktives Einkommen, das unter Zugrundelegung relativ komplizierter Berechnungskriterien zu bestimmen ist. Vorerst ist das steuerpflichtige Einkommen zu ermitteln, das heißt, das Bruttoeinkommen ist um die gesetzlichen Abzüge (Beiträge zur Sozialversicherung ...) zu reduzieren. Dieser Betrag ist in der Folge jedenfalls um 30 % zu erhöhen, auch wenn dies im Einzelfall nicht gerechtfertigt ist, weil beispielsweise kein Anspruch auf Sonderzahlungen besteht. Auf der so errechneten Grundlage wird sodann der maßgebende Jahresbetrag bestimmt. Es erscheint dabei für die einzelnen Betroffenen insbesondere in Grenzfällen mit zumutbarem Aufwand fast nicht möglich, im Vorhinein zu beurteilen, ob die Zuverdienstgrenze bzw Freigrenze überschritten werden wird. Doch selbst wenn eine Anspruchsberechtigte ihr fiktives Jahreseinkommen bzw das fiktive Jahreseinkommen ihres Gatten fehlerfrei berechnet hat, ist sie nicht davor gefeit, dass die Zuverdienstgrenze bzw Freigrenze durch Umstände, die nicht in ihrem oder im Einflussbereich ihres Ehegatten liegen (wie zB kollektivvertragliche Lohnerhöhungen oder angeordnete bezahlte Überstunden), doch noch überschritten wird. Auch den Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung des Arbeitslohns kann der Betreffende in der Regel nicht beeinflussen. Selbst wenn daher die Anwendung des Zuflussprinzips für die Ermittlung der maßgeblichen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit grundsätzlich durchaus sachlich gerechtfertigt erscheint, können durch das Abstellen auf die tatsächliche Zahlung und nicht auf die Fälligkeit oder den anspruchsbegründenden Zeitraum für den Betreffenden erhebliche Unsicherheiten entstehen und es kann bei der Anrechnung von Einkommen insbesondere bei verspäteter Auszahlung des Arbeitslohns durch den Arbeitgeber zu willkürlichen und grob unbilligen Ergebnissen kommen (vgl Ehmer ua, Kinderbetreuungsgeldgesetz 110).

    b) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die in § 8 Abs 1 Z 1 KBGG in der Stammfassung vorgesehene Berechnungsweise des Gesamtbetrags der Einkünfte für die Zuverdienstgrenze bzw Freigrenze bei unselbständiger Erwerbstätigkeit bestehen aber auch im Hinblick auf die dazu unterschiedliche Regelung des § 8 Abs 1 Z 2 KBGG in der Stammfassung für „andere Einkünfte" aus selbständiger Erwerbstätigkeit. Während nämlich bei Einkünften aus unselbständiger Arbeit als maßgebliche Einkünfte für die Zuverdienstgrenze bzw Freigrenze generell (nur) jene Einkünfte gelten, die während der Kalendermonate mit Anspruch auf Auszahlung des Kinderbetreuungsgelds bzw des Zuschusses (hier: zum Karenzgeld) zugeflossen sind, bestimmt § 8 Abs 1 Z 2 KBGG für „andere Einkünfte", dass diese mit jenem Betrag zu berücksichtigen sind, der in die Ermittlung des Einkommens für das betreffende Kalenderjahr eingeht, somit grundsätzlich die Einkünfte des gesamten Kalenderjahres maßgebend sind. Darüber hinaus ist selbständig Erwerbstätigen auch die Wahlmöglichkeit eingeräumt, eine zeitliche Zuordnung der auf den Anspruchszeitraum entfallenden Einkünfte zu treffen, indem sie einen Zuordnungsnachweis erbringen. Einkünfte aus einer selbständigen Tätigkeit, die vor dem Bezug von Kinderbetreuungsgeld (hier: Karenzgeld) beendet oder erst im Anschluss an diesen Bezug begonnen wurde, bleiben damit außer Betracht. In diesem Fall sind die während des Anspruchszeitraums angefallenen Einkünfte ebenso auf einen Jahresbetrag umzurechnen. Es bestehen daher verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese selbständig Erwerbstätigen eingeräumte Wahlmöglichkeit in Bezug auf die Berechnungsweise der für die Prüfung der Zuverdienstgrenze bzw Freigrenze maßgebenden Einkünfte, weil eine vergleichbare Wahlmöglichkeit (Kalenderjahr oder Anspruchszeitraum) unselbständig Erwerbstätigen nicht eingeräumt ist.

    c) Nach der nicht angreifbaren Bestimmung des § 31 Abs 1 KBGG besteht eine Verpflichtung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen, wenn der Leistungsbezieher den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. Nach § 31 Abs 2 erster Satz KBGG in der Stammfassung besteht die Verpflichtung zum Ersatz der empfangenen Leistung auch dann, wenn rückwirkend eine Tatsache festgestellt wurde, bei deren Vorliegen kein Anspruch besteht. Darüber hinaus ist der Empfänger einer Leistung nach diesem Bundesgesetz gemäß § 31 Abs 2 zweiter Satz KBGG in der Stammfassung aber auch dann zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn sich ohne dessen Verschulden aufgrund des von der Abgabenbehörde an die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse übermittelten Gesamtbetrags der Einkünfte ergibt, dass die Leistung nicht oder nicht in diesem Umfang gebührt hat. Den Empfänger des Kinderbetreuungsgelds bzw Zuschusses (hier: zum Karenzgeld) trifft somit nach dieser Bestimmung schlechthin das Risiko, dass er die Leistung zur Gänze zu Unrecht empfangen hat, weil seine (fiktiven) Einkünfte die Zuverdienstgrenze oder die (fiktiven) Einkünfte seines Partners die Freigrenze überschreiten. Die verfassungsrechtlichen Bedenken des erkennenden Senats gehen nun dahin, ob das mit dem erklärten Zweck der teilweisen Abgeltung der Betreuungsleistung und der mit einer außerhäuslichen Betreuung von Kindern verbundenen finanziellen Belastung der Eltern gewährte Kinderbetreuungsgeld bzw der Zuschuss (hier: zum Karenzgeld) ohne jede weitere Voraussetzung, insbesondere auch ohne jedes Verschulden des Leistungsempfängers, auch nach Verbrauch des Geldes noch zur Gänze zurückverlangt werden darf, wenn das Überschreiten der Zuverdienstgrenze bzw Freigrenze im Jahreseinkommen im Zeitpunkt des Empfangs (Verbrauchs) der Leistung noch nicht voraussehbar, sondern erst nachträglich erkennbar war oder überhaupt erst durch nachfolgende Ereignisse ausgelöst wurde (vgl VfSlg 14.095 betreffend die Verpflichtung zur Rückzahlung von Arbeitslosengeld bzw Notstandshilfe zur Gänze infolge Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze des Einkommens eines selbständig Erwerbstätigen ohne Vorhersehbarkeit der Ungebührlichkeit der Leistung wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz). Durch die Einschleifregelung des § 17 Abs 2 KGG in der Stammfassung (vgl auch § 12 Abs 2 KBGG in der Stammfassung) sowie die Regelung des § 1 lit b der KBGG-Härtefälle-Verordnung (BGBl II 2001/405 idgF) wird eine mögliche Verletzung des aus dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz abzuleitenden Sachlichkeitsgebots zwar gemildert, aber nicht grundsätzlich behoben.

    5.) Zum Umfang der Anfechtung:

5.1 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs müssen die Grenzen der Anfechtung sowie dann der Aufhebung in einem auf Antrag eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren so gezogen werden, dass einerseits der nach der Aufhebung verbleibende Teil des Gesetzes nicht einen völlig veränderten, dem Gesetz überhaupt nicht zusinnbaren Inhalt bekommt und andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle in einem untrennbaren Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfasst werden (VfSlg 13.232 mwN). Dass gesetzliche Bestimmungen durch die Aufhebung anderer Bestimmungen unanwendbar werden, führt für sich allein noch nicht dazu, dass diese Bestimmungen miteinander in untrennbarem Zusammenhang stehen (VfSlg 16.948 mwN). In Fällen, in denen sich verfassungsrechtliche Bedenken nicht gegen die Verweisungsnorm, sondern gegen die verwiesene Norm richten, muss geprüft werden, ob den Bedenken - sofern sie zutreffen - durch Aufhebung der verweisenden oder der verwiesenen Norm Rechnung zu tragen ist (vgl VfSlg 18.033).

5.2 Der antragstellende Senat geht im Sinne dieser Grundsätze davon aus, dass der Sitz der geltend gemachten Verfassungswidrigkeit nicht in den Verweisungsnormen (§§ 17 Abs 4 und 39 KGG) sondern in den verwiesenen Normen (§§ 8, 12 und 31 Abs 2 zweiter SatzKBGG) gelegen ist. Gegen die genannten Verweisungsnormen des KGG, wonach für Ansprüche aufgrund von Geburten zwischen dem 1. 7. 2000 und dem 31. 12. 2001 bereits die für Karenzgeldbezieher günstigeren Freigrenzen sowie die Rückforderungsbestimmungen des KBGG gelten sollen, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken, weshalb diese Bestimmungen nicht in den Anfechtungsantrag einbezogen wurden. Außerdem würde eine Aufhebung der Verweisungsnorm des § 39 KGG einen erheblich über die zur Beseitigung der dargelegten verfassungsrechtlichen Bedenken erforderliche Bereinigung hinausgehenden Eingriff in das Rechtsgefüge mit sich bringen, weil dadurch auch alle sonstigen Regelungen des § 31 KBGG wie insbesondere die in dieser Bestimmung auch vorgesehene Härtefallregelung und die gesetzliche Ermächtigung zur Festlegung der Kriterien für Härtefälle sowie für Art und Weise der Rückforderung im Verordnungsweg nicht mehr gelten würden (vgl VfSlg 18.033). Eine Aufhebung des § 17 Abs 4 KGG hätte wiederum zur Folge, dass entgegen der erklärten Absicht des Gesetzgebers nicht mehr die für die Karenzgeldbezieher günstigeren Freigrenzen des KBGG sondern jene des KGG (vgl § 17 Abs 1 KGG) gelten würden, wodurch dem Gesetz ein gegenüber der rechtspolitischen Entscheidung des Gesetzgebers veränderter Inhalt gegeben würde (vgl VfSlg 13.232). Der Senat geht weiters davon aus, dass die Regelungen des § 8 KBGG betreffend die Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte eine sachlich untrennbare Einheit bilden, sodass sie nur gemeinsam angefochten werden können. Für den Fall, dass jedoch das Vorliegen eines sachlich untrennbaren Zusammenhangs zwischen der Regelung des § 8 Abs 1 KBGG und jener des § 8 Abs 2 KBGG verneint wird, wird eventualiter die Feststellung begehrt, dass § 8 Abs 1 KBGG in der Stammfassung verfassungswidrig war. Weiters bestehen im konkreten Anlassfall aus den bereits dargelegten Gründen auch verfassungsrechtliche Bedenken gegen die angefochtene Wortfolge in § 12 Abs 1 KBGG und die an diese Bestimmung unmittelbar anknüpfende Regelung des § 12 Abs 2 KBGG sowie gegen die Rückforderungsbestimmung des § 31 Abs 2 zweiter Satz KBGG in der Stammfassung.

5.3 Der Oberste Gerichtshof sieht sich daher auch im vorliegenden Fall veranlasst, im Hinblick auf eine Verletzung des Gleichheitssatzes und einen unzulässigen Eingriff in das Eigentumsrecht einen entsprechenden Gesetzesprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof zu stellen. Da die Bestimmungen der §§ 8 und 12 KBGG in der hier jeweils anzuwendenden Fassung nicht mehr in Kraft sind, war im Sinne des Art 89 Abs 3 B-VG insoweit die Entscheidung zu begehren, dass diese Rechtsvorschriften verfassungswidrig waren.

6. Die Anordnung der Innehaltung des Verfahrens beruht auf der im Spruch zitierten Gesetzesstelle.

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