Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Bescheid vom 11. Oktober 1985 wies die beklagte Partei den Antrag der Klägerin vom 5. August 1985 auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension nach § 271 ASVG ab, weil die Klägerin nicht berufsunfähig im Sinne des § 273 Abs. 1 Ic sei. Die dagegen rechtzeitig erhobene, auf eine Berufsunfähigkeitspension im gesetzlichen Ausmaß ab 1. September 1985 gerichtete Klage stützte sich darauf, daß die bis 1974 als Schneiderin, von 1979 bis 1983 als Masseurin und 1984 als Angestellte in der Zahntechnik bei der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse beschäftigt gewesene Klägerin aus gesundheitlichen Gründen die bisher ausgeübte, berufsgeschützte Tätigkeit einer Heilmasseurin, aber auch andere Sanitätshilfstätigkeiten nicht mehr ausüben können. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage, weil die als Heilmasseurin tätig gewesene Klägerin diese Tätigkeit oder eine ähnliche weiter ausüben könne.
Das Erstgericht wies die Klage ab.
Nach seinen Feststellungen war die am 27. Juni 1936 geborene Klägerin, nachdem sie die Schneiderlehre 1954 mit der Gesellenprüfung abgeschlossen hatte, zunächst als Schneidergesellin, Werkstättenleiterin einer Damenmodenfirma, Verkäuferin und Heimarbeiterin, sodann von Jänner 1970 bis Jänner 1974 als selbständige Schneiderin, anschließend bis April 1974 wieder als Verkäuferin und von September 1979 bis Dezember 1983 als Heilmasseurin bei der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse beschäftigt und besuchte dann bis September 1984 einen zahntechnischen Kurs.
Wegen ihres im einzelnen festgestellten, seit der Antragstellung bestehenden körperlichen und geistigen Zustandes kann die nicht mehr umschulbare, wohl aber anlern- und unterweisbare Klägerin ohne unübliche Arbeitspausen leichte, fallweise auch mittelschwere Arbeiten verrichten, bei denen sie keine 8 kg übersteigenden Lasten heben und tragen, sich nicht bis zum Boden bücken und den Körper nicht stark zurückbiegen muß. Auch Arbeiten, die besondere Büroroutine oder überdurchschnittliche Konzentration im schriftlichen Bereich verlangen, kann sie nicht mehr leisten. Diese Leistungsfähigkeit reicht z.B. für die Tätigkeiten einer Telefonistin, Archiv- und Registraturkraft, Handentgraterin in der Kunststofferzeugung, Kontrollarbeiterin in verschiedenen Branchen und Einglaserin in der Sport- und Arbeitsbrillenerzeugung aus, für die es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine ausreichende Zahl von Arbeitsplätzen gibt.
Zur Rechtsfrage führte das Erstgericht aus, daß die überwiegend als Heilmasseurin im Sanitätshilfsdienst tätig gewesene Klägerin sich auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisen lassen müsse und daher nicht berufsunfähig sei.
In der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen, auf Abänderung im klagestattgebenden Sinn oder allenfalls Aufhebung gerichteten Berufung vertrat die Klägerin die Meinung, daß sie berufsunfähig sei, weil sie den in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag überwiegend ausgeübten, Berufsschutz genießenden Beruf einer Heilmasseurin nicht mehr ausüben könne.
Das Berufungsgericht gab der Berufung nicht Folge. Es legte im wesentlichen dar, daß die im § 44 Krankenpflegegesetz (KrPflG) BGBl. 1961/102 angeführten, als Sanitätshilfsdienste geltenden Tätigkeiten, für die ua die Berufsbezeichnung "Heilbademeisterin und Heilmasseurin" zu führen sei, den im § 1 Ic genannten qualifizierten medizinisch-technischen Diensten und dem Krankenpflegedienst gegenüberstünden. Während diese eine umfangreiche theoretische und praktische Ausbildung voraussetzten, würden die Kenntnisse für die Sanitätshilfsdienste im allgemeinen durch relativ kurze Kurse erworben, die weit unter dem Maß lägen, daß allgemein nach den Ausbildungsvorschriften für Lehrberufe gefordert werde. Ein im Sanitätshilfsdienst tätiger Versicherter übe daher weder einen erlernten noch einen angelernten Beruf aus. Deshalb sei der Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit der Klägerin nach § 255 Abs. 3 ASVG zu beurteilen und die Verweisung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zulässig.
Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung (der Sache) und den Anträgen, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern oder allenfalls die Rechtssache an die Vorinstanzen zurückzuverweisen. Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die nach § 46 Abs. 4 ASGG ohne die Beschränkungen des Abs. 2 Ic zulässige Revision ist nicht berechtigt.
Nach § 221 ASVG trifft die Pensionsversicherung ua Vorsorge für die Versicherungsfälle der geminderten Arbeitsfähigkeit (Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit), aus denen nach § 222 Abs. 1 Z 2 in der P*** DER A*** und in der
P*** DER A*** a) bei Invalidität die Invaliditätspension aus der P*** DER A***
(§ 254), b) bei Berufsunfähigkeit die Berufsunfähigkeitspension aus der P*** DER A*** (§ 271) zu gewähren ist.
Hat der Versicherte - wie die Klägerin - Versicherungsmonate in mehreren Zweigen der Pensionsversicherung erworben, so kommen für ihn nach § 245 Abs. 1 ASVG die Leistungen des Zweiges in Betracht, dem er leistungszugehörig ist. Liegen in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag Versicherungsmonate aus mehreren Zweigen der Pensionsversicherung in verschiedener Zahl vor, so ist der Versicherte dem Zweig leistungszugehörig, in dem die größere oder größte Zahl von Versicherungsmonaten vorliegt (§ 245 Abs. 3). Da die Klägerin Versicherungsmonate sowohl in der Pensionsversicherung nach dem ASVG als auch in der Pensionsversicherung nach dem GSVG erworben hat, ist auf sie auch der die Wanderversicherung regelnde § 251 a ASVG anzuwenden, wonach sich ebenfalls die Leistungszugehörigkeit zur Pensionsversicherung nach dem ASVG und die Leistungszuständigkeit des beklagten Versicherungsträgers ergibt.
Die Zugehörigkeit zur P*** DER A*** wird
nicht nur durch die tatsächliche Ausübung einer Tätigkeit iS des § 14 ASVG, darunter einer Angestelltentätigkeit im Sinne des Angestelltengesetzes (AngG), sondern auch dadurch begründet, daß die Anwendung des letztgenannten Gesetzes nur auf einer Vereinbarung zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer beruht. "Vertragsangestellte", die zwar Arbeitertätigkeiten verrichten, auf deren Dienstverhältnis aber nach dem Dienstvertrag das Angestelltengesetz gelten soll, werden also insoweit den echten Angestellten gleichgestellt (VwSlgNF 5966 A; Schrammel in DRdA 1988, 259 (260 f) mw Literaturhinweisen in FN 12).
Der Revisionswerberin ist darin beizupflichten, daß bei Berufsunfähigkeit nach § 222 Abs. 1 Z 2 lit. b ASVG die Berufsunfähigkeitspension aus der P*** DER
A*** (§ 271) zu gewähren ist. Nach Absatz 1 der
letztzitierten Bestimmung hat der Versicherte, wenn die Wartezeit erfüllt ist, bei Berufsunfähigkeit Anspruch auf Berufsunfähigkeitspension. Als berufsunfähig gilt nach § 273 Abs. 1 ASVG der Versicherte, dessen Arbeitsfähigkeit infolge seines körperlichen oder geistigen Zustandes auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Fähigkeiten herabgesunken ist.
Diese Bestimmung ist auf die Klägerin anzuwenden. Dabei ist jedoch zu beachten, daß der Eintritt des Versicherungsfalles der geminderten Arbeitsfähigkeit - anders als die Leistungszugehörigkeit und -zuständigkeit - ausschließlich nach der tatsächlichen Tätigkeit zu beurteilen ist. Es kommt daher nicht darauf an, ob der Dienstnehmer als Arbeiter oder Angestellter eingeordnet war, sondern ob er Arbeiter- oder Angestelltentätigkeiten verrichtet hat (Schrammel aaO 261 f)
Hätte die Klägerin also Arbeitertätigkeiten verrichtet, so bliebe sie zwar der P*** DER A*** leistungszugehörig und die beklagte P*** DER
A*** leistungszuständig, doch wäre der Eintritt des Versicherungsfalles der geminderten Arbeitsfähigkeit inhaltlich nach § 255 ASVG zu prüfen (Schrammel aaO 262).
Diese Voraussetzungen treffen hier zu.
Nach § 1 Abs. 1 der Dienstordnung A für die Angestellten bei den Sozialversicherungsträgern Österreichs (DO.A) findet diese Dienstordnung ua auf die bei österreichischen Sozialversicherungsträgern im Krankenpflegedienst tätigen Angestellten (Pflegepersonal) Anwendung, zu denen nach Abs. 3 der zitierten DO.A-Stelle ua Heilbademeister und Heilmasseure gehören. Nach § 2 dieser DO finden auf die in ihrem § 1 Abs. 1 angeführten Angestellten die Bestimmungen des AngG Anwendung, soweit in dieser DO nicht Günstigeres bestimmt ist.
Nach § 1 Abs. 3 der DO.C für die Arbeiter bei den Sozialversicherungsträgern Österreichs findet diese DO ua auf Heilbademeister und Heilmasseure im Sinne des KrPflG keine Anwendung. Das KrPflG unterscheidet den Krankenpflegefachdienst, die medizinisch-technischen Dienste und die Sanitätshilfsdienste. Der zu den gehobenen medizinisch-technischen Diensten gehörende physikotherapeutische Dienst (§ 25 lit a) umfaßt nach § 26 Abs. 1 die Ausführung physikalischer Behandlungen nach ärztlicher Anordnung zu Heilzwecken. Hiezu gehören insbesondere alle elektrotherapeutischen Behandlungen, ferner die Thermo-, Photo-, Hydro- und Balneotherapie sowie die Mechanotherapie (Heilgymnastik, Massage und Ultraschallbehandlung). Die Ausbildung darf nur an medizinisch-technischen Schulen erfolgen (§ 27). Sie dauert in der Regel 2 Jahre und 6 Monate (§ 30 Abs. 1). Die erfolgreich abgeschlossene Ausbildung berechtigt zur Führung der Berufsbezeichnung "Diplomierte (r) Assistent (in) für physikalische Medizin" (§ 43 lit a).
In das Gebiet des Sanitätshilfsdienstes fallen nach § 44 ua einfache Hilfsdienste bei der Anwendung der Hydro- und Balneotherapie (lit g) und Tätigkeiten, welche sich auf die Anwendung der Thermo-, Hydro- und Balneotherapie sowie der Heilmassage im beschränkten Umfange erstrecken (lit h). Das Gesetz engt den Wirkungsbereich der Heilmasseure auf die Heilmassage im beschränkten Umfange ein, worunter nur die sogenannte klassische Massage zu verstehen ist. Spezialtechniken, wie Bindegewebsmassage und Lymphdrainage, sind dem physikotherapeutischen Dienst vorbehalten (Beran-Fritz-Haslinger, Krankenpflegerecht Anm 5 zu § 44). Die Ausbildung in den Sanitätshilfsdiensten hat in Kursen zu erfolgen (§ 45) und für Heilbademeister mindestens 70 Stunden, für Heilmasseure mindestens 130 und höchstens 210 Unterrichtsstunden zu umfassen (§ 47). Sie wird mit einer Kursabschlußprüfung beendet (§ 48 f). Als Berufsbezeichnungen sind zu führen "Heilbadegehilfe" und "Heilbadegehilfin" (§ 44 lit. g) und "Heilbademeister und Heilmasseur" sowie "Heilbademeisterin und Heilmasseurin" (§ 44 lit. h) (§ 51 lit. g und h).
Daraus folgt, daß die Klägerin, die auf Grund ihrer Ausbildung berechtigt ist, die Berufsbezeichnung "Heilbademeisterin und Heilmasseurin" zu führen und Tätigkeiten auszuüben, die sich auf die Anwendung der Thermo-, Hydro- und Balneotherapie sowie Heilmassage im beschränkten Umfange erstrecken, während ihrer Tätigkeit bei der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse weder vorwiegend kaufmännische Dienste noch höhere nicht kaufmännische Dienste oder Kanzleiarbeiten im Sinne des AngG, sondern im wesentlichen manuelle Dienste ausgeübt hat (OGH 18. Oktober 1983 4 Ob 115/83 ZAS 1984, 116; Schrammel aaO 262).
Der Eintritt des Versicherungsfalles der geminderten Arbeitsfähigkeit ist daher inhaltlich nach § 255 ASVG zu prüfen. Daß es sich bei der Tätigkeit einer "Heilbademeisterin und Heilmasseurin" nicht um einen erlernten Beruf im Sinne des Abs. 1 der letztzitierten Gesetzesstelle handelt, liegt auf der Hand und wurde von der Klägerin auch nicht bestritten.
Es handelt sich dabei aber auch nicht um einen angelernten Beruf im Sinne des Abs. 2 dieser Gesetzesstelle, weil die Klägerin für diese Tätigkeit nicht durch praktische Arbeit qualifizierte Kenntnisse oder Fähigkeiten erwerben mußte, die jenen in einem erlernten Beruf gleichzuhalten sind. Dies muß schon deshalb verneint werden, weil ein 130 bis 210 Stunden umfassender Kurs weit unter dem Maß liegt, das allgemein nach den Ausbildungsvorschriften für einen Lehrberuf gefordert wird (OLG Wien SSV 21/96; auch SSV-NF 1/48; Schrammel aaO 263).
Daran würde sich nichts wesentliches ändern, wenn die Klägerin, wie in der Revision als unzulässige Neuerung erstmals behauptet, vom Herbst 1981 bis Herbst 1984 Fortbildungskurse besucht hätte. Zusammenfassend ergibt sich also, daß die nicht überwiegend in erlernten oder angelernten Berufen im Sinne des § 255 Abs. 1 und 2 ASVG tätig gewesene Klägerin von den Vorinstanzen ohne Rechtsirrtum nicht als invalid im Sinne des Abs. 3 dieser Gesetzesstelle angesehen wurde.
Der Revision war daher nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs. 1 Z 2 lit. b ASGG.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)