Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 174,15 EUR (darin 29,03 EUR USt) an Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 1. 4. 1950 geborene Kläger stand zuletzt von 8. 2. 1993 bis 29. 10. 1999 in einem aufrechten Arbeitsverhältnis und hat vom 30. 10. 1999 bis 14. 12. 1999 Urlaubsersatzleistung bezogen. Vom 1. 7. 2008 bis 31. 5. 2009 bezog er Invaliditätspension. Er war vom 24. 5. 2009 bis inkl 14. 6. 2009 aufgrund einer Einweisung der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) „auf Kur“ im Gesundheitszentrum Bad Sauerbrunn. Die Kosten dafür trug die PVA. Der Kläger erkrankte vor dem 1. 6. 2009. Ab dem 19. 6. 2009 meldete er sich arbeitslos und bezog ab diesem Tag Notstandshilfe.
Der Kläger begehrt Krankengeld für die Zeit vom 1. 6. bis 14. 6. 2009. Mit dem angefochtenen Bescheid lehnte die beklagte Gebietskrankenkasse den Antrag ab. Bezieher einer Pension nach § 8 Abs 1 Z 1 ASVG seien gemäß § 138 Abs 2 lit c ASVG vom Anspruch auf Krankengeld ausgeschlossen.
Die dagegen erhobene Klage ist auf Gewährung von Krankengeld für die Zeit vom 1. 6. bis 14. 6. 2009 gerichtet. Der Versicherungsfall der Krankheit sei mit dem Antritt der Kur, also während aufrechter Pflichtversicherung gemäß § 8 Abs 1 [Z 1] lit a ASVG (als Bezieher einer Pension, die der Kläger ab 1. 6. 2009 nicht mehr erhalten habe) eingetreten. Nach der Entscheidung 10 ObS 159/93 sei auch bei Aufenthalten in einem Kur- oder Erholungsheim die erforderliche Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit anzunehmen. Der Kläger habe daher Anspruch auf Krankengeld.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und führte rechtlich aus, der zu 10 ObS 159/93 (SSV-NF 7/76) entschiedene Fall sei mit jenem des (vor dem 1. 6. 2009 gemäß § 8 Abs 1 Z 1 ASVG in der Krankenversicherung [teil-]versicherten) Klägers, der nach § 138 Abs 2 lit c ASVG vom Anspruch auf Krankengeld ausdrücklich ausgeschlossen sei, nicht vergleichbar. Bei einem Pensionisten, der im Fall einer Invaliditätspension gar keine Arbeitsleistung erbringen könne, weil sonst die Pensionsvoraussetzungen nicht erfüllt wären, könne der Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit gar nicht eintreten. Der Kuraufenthalt des Klägers sei im Übrigen eine medizinische Maßnahme der Rehabilitation iSd §§ 300 ff ASVG; die Frage, ob der Kläger Anspruch auf Leistungen nach diesen Bestimmungen gegenüber der PVA habe, sei nicht Gegenstand dieses Verfahrens.
Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagsstattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise werden Aufhebungs- und Zurückverweisungsanträge an das Berufungs- bzw Erstgericht gestellt.
Die beklagte Partei beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist mangels Rechtsprechung zur hier vorliegenden Fallkonstellation zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.
Der Revisionswerber beruft sich weiterhin auf die Entscheidung 10 ObS 159/93 (SSV-NF 7/76), nach der „festgestellt“ hätte werden müssen, dass bei Durchführung von Rehabilitationsmaßnahmen Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit vorliege. Der Kläger gesteht zwar zu, dass Pensionsbezieher gemäß § 138 Abs 2 lit c ASVG vom Krankengeldbezug ausgeschlossen sind; er vertritt jedoch den Standpunkt, diese Bestimmung komme nicht zur Anwendung, weil er im fraglichen Zeitraum keine Pension [mehr] bezogen habe. Ohne Vorliegen der Rehabilitationsmaßnahmen und der daraus folgenden Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit, wäre ein Anspruch auf Leistungen des AMS entstanden. Der Entfall dieser Leistungen während der Rehabilitationsmaßnahmen wäre durch den Bezug von Krankengeld ersetzt worden. Durch § 138 Abs 2 lit c ASVG seien nur „Bezieher“, nicht jedoch ehemalige Bezieher einer Pension vom Krankengeldbezug ausgeschlossen.
Dem ist zu erwidern:
1. Zunächst ist der Kläger neuerlich - wie bereits vom Berufungsgericht - darauf hinzuweisen, dass sich die zitierte Entscheidung (10 ObS 159/93, SSV-NF 7/76) mit der Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension befasst und lediglich die Frage beantwortet, ob zu erwartende Kur- oder Erholungsaufenthalte als „zukünftige Krankenstände“ zu einem Ausschluss vom Arbeitsmarkt führen können. Dazu hat der Oberste Gerichtshof ausgeführt wie folgt:
1.1. Ist die Unterbringung in einer Kuranstalt und die Behandlung in dieser notwendig, um etwa eine Verschlimmerung einer bestehenden Krankheit zu verhindern, so liegt eine der Krankenbehandlung vergleichbare Situation vor. Bei Aufenthalten in einem Kur- oder Erholungsheim ist das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit anzunehmen, ohne dass es hiezu einer Krankschreibung durch den behandelnden Vertragsarzt bedarf.
1.2. Nur im Zusammenhang mit der dargelegten, hier nicht vorliegenden Fallkonstellation entspricht es der (auf der zitierten Entscheidung beruhenden) ständigen Rechtsprechung, dass auch dann, wenn auf ärztliche Anordnung als vorbeugende Maßnahme zur Verhütung einer künftigen Arbeitsunfähigkeit die Dienstleistung unterbrochen wird oder dies zur völligen Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit nach einer überstandenen Krankheit notwendig ist (Kuraufenthalte und Heilstättenaufenthalte), arbeitsrechtlich ein Krankenstand vorliegt oder eine solche Maßnahme einem Krankenstand gleichzuhalten ist. Dabei ist es für die Frage, ob durch eine regelmäßig zu erwartende längerdauernde Abwesenheit von der Arbeitsstelle ein Ausschluss vom allgemeinen Arbeitsmarkt begründet wird, entscheidend, ob aus gesundheitlichen Gründen die Absolvierung von Kuraufenthalten unbedingt erforderlich ist, in welcher Weise sich die Kur auf die Langzeitprognose auswirkt, und welche Entwicklung bei Nichtinanspruchnahme von Kurbehandlungen zu erwarten ist (RIS-Justiz RS0084079).
2. Für den Standpunkt des Revisionswerbers ist daraus jedoch nichts zu gewinnen, weil es sich im vorliegenden Fall nicht um einen zu Punkt 1. bis 1.2. näher beschriebenen Kuraufenthalt, sondern - wie die Revision selbst festhält - um einen von der PVA gewährten Rehabilitationsaufenthalt für den somit bereits invaliden, Invaliditätspension beziehenden Kläger handelt.
3. Das Berufungsgericht ist daher nicht von den Grundsätzen der zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgegangen, wenn es den Anspruch des Klägers auf Krankengeld im fraglichen Zeitraum verneinte. Diese Beurteilung berücksichtigt zum einen den allgemeinen Grundsatz, dass Pflichtversicherte, bei denen ein krankheitsbedingter Einkommensentfall (gar) nicht entstehen kann, vom Krankengeldanspruch ausgeschlossen sind (Schober in Sonntag, ASVG² [2011] § 138 Rz 5); zum anderen gründet sie sich auf § 138 Abs 2 lit c ASVG, der - was die für den Kläger zum Zeitpunkt der Erkrankung maßgebende „Krankenversicherung der Pensionisten“ betrifft - konkret die „Bezieher einer Pension aus der Pensionsversicherung gemäß § 8 Abs 1 Z 1 ASVG“ als Personengruppe bezeichnet, die vom Anspruch auf Krankengeld ausdrücklich „ausgeschlossen“ ist.
4. Ein Anspruch auf Krankengeld gemäß § 138 Abs 1 ASVG entsteht grundsätzlich bereits mit dem Eintritt des Versicherungsfalls der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit; die Leistung fällt jedoch erst am 4. Tag nach Eintritt des Versicherungsfalls an (Schober in Sonntag, ASVG² [2011] § 138 Rz 2 mwN).
4.1. Die Bestimmung des § 138 Abs 2 lit c ASVG schließt vom Anspruch auf Krankengeld Personen aus, die in der Krankenversicherung der Pensionisten gemäß § 8 Abs 1 Z 1 ASVG pflichtversichert sind. Aus einer solchen Pflichtversicherung ist daher kein Anspruch auf Krankengeld ableitbar (vgl OLG Wien, SSV 23/53).
4.2. Sinn und Zweck der Ausschlussbestimmung des § 138 Abs 2 lit c ASVG liegt darin, dass das Krankengeld den Lohnausfall ersetzen soll, den der Versicherte durch seine Krankheit und die damit erzwungene Arbeitsniederlegung erleidet. Da der Bezieher einer Pension aus der Pensionsversicherung im Krankheitsfall keinen Lohnausfall erleidet, soll er vom Anspruch auf Krankengeld ausgeschlossen sein (Schober in Sonntag, ASVG² [2011] § 138 Rz 5 mwN; OLG Wien, SSV 23/37).
5. Es handelt sich dabei um eine Ausschluss- und nicht um eine bloße Ruhensbestimmung. Personen, die eine Invaliditätspension beziehen, haben daher aus Anlass eines - wie im Fall des Klägers - bereits während des Pensionsbezugs eingetretenen und dann weiterbestehenden Versicherungsfalls der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit keinen Anspruch auf Krankengeld.
5.1. Weshalb der - infolge Beendigung des Pensionsbezugs am 31. 5. 2009 eintretende - Wegfall der Kranken-(teil-)versicherung des Klägers gemäß § 8 Abs 1 Z 1 ASVG (als Pensionsbezieher) etwas an seinem Ausschluss vom Anspruch auf Krankengeld ändern sollte, ist nicht zu erkennen. Vielmehr ist der Rechtsansicht des Berufungsgerichts beizupflichten: Der Kläger kann aus seiner aufgrund des Bezugs der Invaliditätspension begründeten Krankenversicherung keinen Anspruch auf Krankengeld ableiten; auch nicht für die Zeit nach Beendigung des Pensionsbezugs.
5.2. Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.
5.3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Da die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO abhängt, entspricht es der Billigkeit, dem Kläger, der in angespannten Einkommensverhältnissen lebt, die Hälfte seiner Kosten im Revisionsverfahren zuzusprechen.
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