OGH 10ObS157/01p

OGH10ObS157/01p28.6.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter MR Dr. Robert Göstl (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Dagmar Armitter (aus dem Kreis der Abeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Franz H*****, vertreten durch Mag. Johann Juster, Rechtsanwalt in Zwettl, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Roßauer Lände 3, 1092 Wien, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. Februar 2001, GZ 10 Rs 324/00s-28, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau als Arbeits- und Sozialgericht vom 5. Juli 2000, GZ 8 Cgs 100/99t-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die im angefochtenen Urteil enthaltene rechtliche Beurteilung der Sache, dass der Kläger die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer Invaliditätspension nach § 255 Abs 1 ASVG nicht erfüllt, ist zutreffend, weshalb es ausreicht, darauf zu verweisen (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO).

Den Revisionsausführungen ist Folgendes zu erwidern:

Die allein noch strittige Frage, ob der Kläger, der keinen Beruf erlernt hat, Berufsschutz als angelernter Kraftfahrer iSd § 255 Abs 2 ASVG beanspruchen kann, wurde vom Berufungsgericht zutreffend verneint. Ein solcher würde nach § 255 Abs 1 ASVG erfordern, dass er überwiegend in seinem erlernten (angelernten) Beruf tätig gewesen wäre, wobei als überwiegend nach § 255 Abs 2 Satz 2 ASVG erlernte (angelernte) Berufstätigkeiten gelten, wenn sie in mehr als der Hälfte der Beitragsmonate nach diesem Bundesgesetz während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag ausgeübt wurden. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senates ist ein Beschäftigter während der Lehr- bzw Anlernzeit nicht im erlernten (angelernten) Beruf tätig; er übt also keine (qualifizierte) Berufstätigkeit im Sinn des § 255 Abs 2 Satz 2 ASVG aus, sodass die (Lehr-)Zeit bei Prüfung der Frage, ob in mehr als der Hälfte der Beitragsmonate nach dem ASVG eine erlernte Berufstätigkeit ausgeübt wurde, außer Betracht zu bleiben hat (vgl zur Lehrzeit: 10 ObS 10/00v mwN).

Diese Grundsätze zieht der Revisionswerber ebensowenig in Zweifel wie die Feststellung, dass er von den insgesamt 118 Beitragsmonaten, die er in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag (1. 3. 1999) nach dem ASVG erworben hat, 69 Monate als Kraftfahrer und 49 Monate als Hilfsarbeiter tätig war. Er wendet sich jedoch dagegen, dass das Berufungsgericht eine Anlernzeit von mindestens 12 Monaten herangezogen hat. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte es davon ausgehen müssen, dass es innerhalb einer Anlernzeit von drei Monaten möglich sei, die Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwerben, die jenen von Versicherten entspräche, die den Beruf des Kraftfahrers erlernt hätten. Aus den gleichen Überlegungen macht die Revision als "wesentliche Verfahrensmängel des Berufungsverfahrens" geltend, dass diese Beurteilung des Berufungsgerichtes (mindestens 12 Monate Anlernzeit) ohne Einholung eines berufskundlichen Sachverständigengutachtens "nicht abschließend gemacht" werden könnte. Aus einem derartigen Gutachten "hätte sich ergeben können", dass bei einer praktischen Tätigkeit die Kenntnisse eines Berufskraftfahrers innerhalb einer weit kürzeren als der vom Berufungsgericht angenommenen Zeit, "so innerhalb einer Zeit von auch nur drei Monaten erlernt werden könne".

Dabei wird zunächst übersehen, dass mit dieser Mängelrüge kein Verfahrensmangel, sondern ein Feststellungsmangel geltend gemacht wird, der der rechtlichen Beurteilung zuzuordnen ist. Richtig ist, dass die Vorinstanzen zur Frage der Dauer der Anlernzeit, die der Kläger tatsächlich benötigte, keine Feststellungen getroffen haben.

Für den Standpunkt der Revision ist daraus aber nichts zu gewinnen:

Zutreffend weist das Berufungsgericht nämlich darauf hin, dass es sich beim Berufskraftfahrer um einen Lehrberuf handelt, dessen Lehrzeit drei Jahre beträgt (SSV-NF 9/63; 13/129). Bei der vom Revisionswerber behaupteten Dauer der Anlernzeit von lediglich drei Monaten könnte daher wohl nur von einer untergeordneten Tätigkeit des Berufes als Berufskraftfahrer gesprochen werden, die bloß Kenntnisse erforderte, die über einfache Hilfsarbeiten nicht hinausgehen (SSV-NF 13/129). Damit wäre aber ein Berufsschutz jedenfalls zu verneinen. Nach ständiger Rechtsprechung reicht es nämlich für das Vorliegen eines angelernten Berufes im Sinn des § 255 Abs 2 ASVG nicht aus, wenn die Kenntnisse und Fähigkeiten nur ein Teilgebiet eines Tätigkeitsbereiches umfassen, der vom gelernten Arbeiter in viel weiterem Umfang beherrscht wird (SSV-NF 13/129 mwN uva). So wurde beispielsweise in der Entscheidung SSV-NF 6/147 ausgeführt, dass die für den Beruf des Straßenbahnfahrers erforderliche theoretische Ausbildung von vier bis sechs Wochen und die praktische Ausbildung von etwa drei Monaten deutlich mache, dass die im Beruf des Straßenbahnfahrers geforderten Fähigkeiten und Kenntnisse jenen des am ehesten vergleichbaren Lehrberufs "Berufskraftfahrer", der eine Ausbildung von drei Jahren erfordert, nicht gleichwertig sein können (SSV-NF 13/129).

Geht man aber von einer längeren Anlernzeit aus, dann war der Kläger - wie die Revision offenbar selbst erkennt - in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag nicht überwiegend in seinem angelernten Beruf tätig.

Das Verweisungsfeld des Klägers ist daher nach § 255 Abs 3 ASVG zu beurteilen. Dass er die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer Invaliditätspension nach dieser Gesetzesstelle nicht erfüllt, wird auch in der Revision nicht in Zweifel gezogen.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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