Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger hat am 14.Mai 1987 seinen geschlossenen Hof EZ 4 I KG Fügenberg an seine Tochter übergeben. Diese räumte hiefür ihren Eltern auf Lebzeiten das unentgeltliche heizungs- und betriebskostenfreie Wohnrecht im Haus Fügenberg 11 ein und zwar an der Küchenkammer im ersten Stock mit dem Recht der Mitbenützung der Küche und Stube im Parterre und dem Recht der Benützung der üblicherweise gemeinsam benützten Räumlichkeiten verbunden mit der freien Bewegung auf dem Hof. Sie verpflichtete sich weiter, ihre Eltern ortsüblich und standesgemäß zu pflegen und zu betreuen und alle Kosten eines ortsüblichen Grabdenkmales und der Grabpflege zu tragen sowie für den Selbstbehalt der Sozialversicherungsanstalt der Bauern aufzukommen. Weiters verpflichtete sich die Übernehmerin auf Lebzeiten zu diversen Naturalleistungen (Lieferung von Milch, Butter, Eier, Kartoffel, Obst). Der Kläger wohnt gemeinsam mit seiner Frau, seiner Tochter Anna K*** und deren Ehegatten sowie zwei weiteren Töchtern auf dem angeführten Hof. Die Ehegattin des Klägers ist gehbehindert und benötigt Krücken. Im wesentlichen kümmert sich Anna K*** um den Kläger. Der Hof, auf dem der Kläger lebt, liegt zwei bis drei Kilometer vom Ortszentrum in Fügenberg entfernt. Lebensmittelgeschäft, Arzt und Apotheke sind im Ortszentrum in einer Entfernung von zwei Kilometer, wobei ein Höhenunterschied von mehreren 100 m zu überwinden ist. Der Kläger wohnt in dem alten Bauernhaus (Holzhaus), ein eigener Ofen ist im Zimmer nicht vorhanden. Dieses liegt direkt über der gemeinsam benutzten Küche und wird durch die Wärme in der Küche im Winter aufgeheizt. Es ist ein Wasserklosset vorhanden und auch Waschgelegenheit (letztere im Zimmer des Klägers). Das Warmwasser wird durch einen Boiler für die Waschgelegenheit des Klägers aufgewärmt. Das Waschen der Wäsche besorgt die Tochter des Klägers mit einer Waschmaschine. Bei dem am 24.Dezember 1911 geborenen Kläger wurde im März 1987 eine totale Entfernung des Magens vorgenommen. Zufolge dieser Operation weist der Kläger einen reduzierten Ernährungs- und Kräftezustand auf. Die Weiterentwicklung des Leidens ist derzeit nicht absehbar, zufolge des Magenkarzinoms könnte sich noch eine Änderung ergeben. Daneben leidet der Kläger an einem Lungenemphysem mit Begleitbronchitis. Im Jahre 1984 hat er einen Herzinfarkt erlitten, und es besteht eine coronarsklerotische Herzmuskelschädigung mit Neigung zu Stenocardien, und es bestehen mittelgradige cardiorespiratorische Funktionsstörungen. Er leidet an einer Verengung der Luftröhre, die Atembeschwerden verursacht. Es bestehen Leistenbrüche und degenerative Verschleißerscheinungen beider Schultern mit mittelgradiger Bewegungseinschränkung, einer Spondylarthrose der Lendenwirbelsäule mit Lumbalgien und mäßiger Bewegungseinschränkung. Zufolge des Krebsleidens und der operativen Entfernung des Magens muß der Kläger mehrmals täglich kleinere Mengen Nahrung zu sich nehmen. Die Herzbeschwerden machen sich bei Aufregungen und bei langsamem Stiegensteigen schon bemerkbar. Die Leistenbrüche beiderseits verbieten schweres Heben von Lasten. Die bestehenden Leiden erlauben es dem Kläger noch, sich, wenn auch langsam und mit Hilfsmitteln zu waschen und an- und auszuziehen (unter Umständen Schlüpfschuhe und Stielbürste) auch allein die Toilette aufzusuchen. Der Kläger kann allein essen und auch die Nahrung zubereiten. Er müßte sich einfache warme Mahlzeiten herstellen können, deren Zubereitung nicht länger als eine Viertelstunde in Anspruch nimmt. Das Einkaufen ist bei dem Kräftezustand des Klägers und der exponierten Lage des Hofes dem Kläger gesundheitlich nicht mehr zumutbar. Dasselbe gilt für die Herbeischaffung des Heizmaterials. Der Kläger kann allerdings einen Ofen anheizen und Heizmaterial, welches ihm zugetragen wird, zulegen. Die große Wäsche kann er nicht versorgen. Kleinigkeiten kann er im Waschbecken auswaschen. Für die Wohnungsreinigung außer Staub wischen braucht der Kläger Hilfe. Der Umgang mit Geld bereitet keine Schwierigkeiten. Medikamente kann der Kläger nicht besorgen. Rechtlich führte das Erstgericht aus, daß die Tochter des Klägers auf Grund der Bestimmungen des Übergabsvertrages verpflichtet sei, den Kläger ortsüblich und standesgemäß zu pflegen und zu betreuen. Damit entfalle ein Aufwand für die unmittelbare Körperpflege des Klägers. Der Kläger habe auf die vertraglichen Verpflichtungen gegenüber seiner Tochter zurückzugreifen und sei nicht berechtigt, dritte Personen gegen Entgelt zu beschäftigen. Aufwendungen für eine Hilfsperson entstünden dem Kläger daher nur für das Einkaufen, das Besorgen von Medikamenten und das Waschen der großen Wäsche. Der hiefür erforderliche Aufwand erreiche jedoch nicht die Höhe des durchschnittlichen monatlichen Hilflosenzuschusses, sodaß seinem Begehren keine Berechtigung zukomme.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und änderte die Entscheidung im klagestattgebenden Sinn ab. Bei Berechnung des erforderlichen Aufwandes habe grundsätzlich unberücksichtigt zu bleiben, ob die Kosten der Wartung und Hilfe im konkreten Fall nur deshalb geringer seien, weil die Pflege von Personen besorgt werde, die für die notwendigen Dienstleistungen nichts oder nur wenig verlangen wie dies bei Angehörigen häufig der Fall sei. Unerheblich sei, ob die notwendige Hilfeleistung durch Angehörige auf Grund familiärer oder vertraglicher Verpflichtungen geleistet werde. Der Umstand, daß der Kläger aus dem Übergabsvertrag Anspruch auf Betreuung durch seine Tochter habe, habe bei der Frage der Gewährung des Hilflosenzuschusses außer Betracht zu bleiben. Würden sämtliche Verrichtungen berücksichtigt, zu denen der Kläger fremde Unterstützung benötige, so übersteige der hiefür erforderliche Aufwand im Hinblick auf das für Hilfspersonen zu leistende Entgelt den Betrag des durchschnittlichen monatlichen Hilflosenzuschusses. Die Voraussetzungen des § 105 a ASVG seien daher erfüllt.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im klageabweisenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die klagende Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Revisionswerberin wendet sich vor allem gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, der dem Kläger auf Grund des Übergabsvertrages zustehende Anspruch auf Pflege und Betreuung habe bei der Prüfung des Anspruches auf Hilflosenzuschuß außer Betracht zu bleiben. Bei der Frage, ob es sich um notwendige Dienstleistungen handle, müßten die dem Anspruchswerber zur Verfügung stehenden Hilfsmittel berücksichtigt werden. Als solches Hilfsmittel sei auch die Hilfe im persönlichen Bereich anzusehen, auf die auf Grund vertraglicher Verpflichtung Anspruch bestehe. Diese sei nicht auf ein familiäres Naheverhältnis zurückzuführen, sondern stelle ein Äquivalent für die Übergabe realer Werte dar. Es seien daher nur die von diesem vertraglichen Anspruch nicht umfaßten Hilfeleistungen zu berücksichtigen. Diese erforderten jedoch keinen den Hilflosenzuschuß übersteigenden Aufwand. Diesen Ausführungen kann nicht beigetreten werden.
Der Oberste Gerichtshof hat in seiner grundlegenden Entscheidung SSV-NF 1/46 ausgeführt, daß Hilflosigkeit im Sinn des dem § 70 BSVG entsprechenden § 105 a ASVG immer dann vorliege, wenn der Rentner oder Pensionist nicht in der Lage sei, auch nur einzelne dauernd wiederkehrende lebensnotwendige Verrichtungen selbst auszuführen. Dabei kämen jedoch jeweils nur jene Verrichtungen in Frage, die nicht allgemein von dritten Personen besorgt werden, sondern die auch nicht eingeschränkte Personen gewöhnlich selbst erledigen. Bei der Frage, ob es sich um notwendige Dienstleistungen handle, müßten die dem Hilfsbedürftigen tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel berücksichtigt werden. Da jedoch auch von einem Hilflosen erwartet werden müsse, daß er einen Standard halte, der unter nicht hilflosen Beziehern gleich hoher Einkommen im selben Lebenskreis üblich sei, sei bei der Schätzung des notwendigen Dienstleistungsaufwandes mindestens dieser Standard zugrundezulegen. Es müsse etwa bei Entscheidung über die Frage des Hilflosenzuschusses berücksichtigt werden, ob der Leistungswerber eine Wohnung mit Zentralheizung benütze, oder ob er einen Kohlenofen zu bedienen habe. Damit wird klar zum Ausdruck gebracht, daß unter Hilfsmittel im Sinn dieser Ausführungen ausschließlich sachliche Einrichtungen, Gegenstände, die eine allenfalls bestehende körperliche Behinderung ausgleichen, eine besondere Ausstattung der Wohnung udgl zu verstehen sind. Das auch unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden oder der nach dem Standard von nicht hilflosen Beziehern gleich hoher Einkommen im selben Lebenskreis üblicherweise zur Verfügung stehenden Hilfsmittel noch bestehende Erfordernis nach Unterstützung durch dritte Personen bei den Verrichtungen des täglichen Lebens, stellt den Bedarf nach Wartung und Hilfe im Sinne des Gesetzes dar. Der Hilflosenzuschuß gebührt, wenn die Hilflosigkeit das im Gesetz umschriebene Ausmaß erreicht hat, auch dann, wenn die Kosten der ständigen Wartung und Hilfe im konkreten Fall nur deshalb geringer sind als der Hilflosenzuschuß, weil die Pflegeperson für die notwendigen Dienstleistungen nichts oder weniger als üblich verlangt, wie das zB bei nahen Angehörigen häufig vorkommt (SSV-NF 1/46). Dasselbe hat zu gelten, wenn eine Person auf Grund vertraglicher Verpflichtungen die erforderliche Betreuung durchführt. Der Umstand, daß eine Pflegeperson zur Betreuung vorhanden ist, hat bei der Prüfung der Voraussetzungen für die Gewährung des Hilflosenzuschusses außer Betracht zu bleiben, gleichgültig, ob diese Betreuung auf Grund eines familienrechtlichen Verhältnisses, einer vertraglichen Verpflichtung oder ohne Verpflichtung aus humanitären Erwägungen geleistet wird. Die von der beklagten Partei vertretene Ansicht würde wegen der in bäuerlichen Kreisen üblichen Ausgedingsleistungen dazu führen, daß Bauern nur in seltenen Fällen in den Genuß des Hilflosenzuschusses kämen, was vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt war.
Geht man von diesen Grundsätzen aus, so ergibt sich, daß der Kläger zum Einkaufen, zum Besorgen von Medikamenten, zum Waschen der großen Wäsche, zum gründlichen Aufräumen der Wohnung wie auch zur Zubereitung von Mahlzeiten einer Hilfsperson bedarf. Im Hinblick auf die exponierte Lage des Wohnortes des Klägers fällt das Einkaufen, wenn diese Verrichtung auch nicht täglich zu besorgen ist - wie auch das Besorgen von Medikamenten mehr als sonst ins Gewicht, weil damit ein im Vergleich etwa zu städtischen Verhältnissen wesentlich erhöhter Zeitaufwand verbunden ist. Der Kläger ist nur in der Lage, Speisen herzustellen, deren Zubereitung keine längere Zeitspanne als 15 Minuten in Anspruch nimmt. Dies reicht lediglich zur Herstellung von ganz einfachen Speisen oder zum Wärmen vorbereiteter Gerichte. Der Leidenszustand des Klägers gebietet die Einnahme von mehreren kleineren Mahlzeiten am Tag. Dies bezieht sich jedoch nur auf die Quantität der Speisen. Für eine dem allgemeinen Standard angepaßte menschengerechte Lebensführung ist aber zumindest täglich einmal die Einnahme einer ordentlich gekochten Mahlzeit, deren Zubereitung einen längeren Zeitaufwand erfordert als dem Kläger zumutbar ist, erforderlich.
Wird berücksichtigt, daß der Kläger für das mit einem erhöhten Zeitaufwand verbundene Besorgen von Nahrungsmitteln und Medikamenten mehrmals wöchentlich sowie zum Zubereiten der Mahlzeiten täglich und darüber hinaus in größeren Zeitabständen zum Waschen der großen Wäsche sowie zum gründlichen Aufräumen der Wohnung eine Unterstützung durch eine Hilfsperson benötigt, so ist davon auszugehen, daß der hiefür erforderliche Aufwand im Hinblick auf die üblichen Kosten einer Hilfsperson den Betrag des durchschnittlichen monatlichen Hilflosenzuschusses übersteigt. Zutreffend ist daher das Berufungsgericht zu einer klagestattgebenden Entscheidung gelangt. Eine Kostenentscheidung entfiel, da Kosten nicht verzeichnet wurden.
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