Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Bescheid vom 29. Juni 1987 lehnte die beklagte Partei den Antrag der Klägerin vom 2. April 1987 auf Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension ab.
Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin eine Berufsunfähigkeitspension im gesetzlichen Ausmaß ab 1. Mai 1987 zu gewähren und trug der beklagten Partei eine vorläufige Zahlung von monatlich 5.000 S auf. Es stellte im wesentlichen fest, daß die am 24. Dezember 1936 geborene Klägerin von 1954 bis 1955 als Hilfslehrkraft in der Nähschule der Kreuzschwestern, von 1955 bis 1961 als Schreibkraft bei der Oberösterreichischen Landwirtschaftskammer und von 1966 bis Februar 1988 als Sachbearbeiterin bei der Oberösterreichischen Landwirtschaftskammer beschäftigt war. Seit April 1987 befindet sie sich im Krankenstand. In den letzten 15 Jahren vor der Antragstellung war die Klägerin in der Abteilung Pflanzenbau mit der Leitung der Verrechnungsstelle betraut. Dabei hatte sie die gesamte finanzielle Abwicklung aller Förderungsmaßnahmen sowie die Gebührenverrechnung für Bodenuntersuchungen, der sanitären und der Qualitätskontrolle zu bearbeiten. Sie war in Verwendungsgruppe C eingestuft.
Im Vordergrund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen stehen ein chronisches Cervikalsyndrom und ein typisches Migräneleiden mit hoher Frequenz und Migräneattacken von nur mangelhafter Beherrschbarkeit durch sämtliche üblichen Therapieschemata. Die Schmerzattacken treten etwa zweimal wöchentlich auf, wodurch die Klägerin jeweils ein bis zwei Tage wesentlich beeinträchtigt ist. Der Klägerin sind nur mehr leichte und mittelschwere Arbeiten im Gehen, Stehen und Sitzen bei Einhaltung der üblichen Arbeitspausen zumutbar. Auszuschließen sind dauernde Arbeiten mit beiden Armen über Schulterhöhe, solche die mit häufigem Bücken bis zum Boden und Heben und Tragen von Gegenständen über 10 kg verbunden sind, häufige Arbeiten auf Leitern und Gerüsten und Arbeiten, die mit Durchnässung oder Erkältung einhergehen. Auch Arbeiten, bei denen die Klägerin unter erhöhtem psychischem Druck steht, wie Arbeiten unter Zeitdruck (Schichtarbeit, Akkordarbeit), Arbeiten mit relativ hohen Anforderungen an Eigeninitiative und Eigenverantwortlichkeit sind ausgeschlossen. In diese Kategorie fällt auch die von der Klägerin zuletzt durchgeführte Tätigkeit bei der Landwirtschaftskammer. Im Jahr 1985 war die Klägerin insgesamt 38 Tage, 1986 73 Tage und 1987 37 Tage im Krankenstand. Aus den Urlaubsnachweisen für 1986 und 1987 ergibt sich, daß die Klägerin noch 11 Urlaubstage wegen Krankheit konsumiert hat. Es ist auch in Zukunft mit einer ähnlichen Frequenz der Krankenstände zwischen 30 und 40 Tagen pro Jahr zu rechnen. Die Klägerin ist umschulbar, anlernbar und unterweisbar. Hinsichtlich der Konzentrationsleistung ist sie überdurchschnittlich leistungsfähig, bezüglich der funktionalen Leistungsfähigkeit bestehen keine Einschränkungen. Die durchschnittliche Krankenstandsdauer bei Arbeitnehmern liegt bei 10 bis 12 Tagen pro Jahr.
Rechtlich kam das Erstgericht zu dem Ergebnis, daß die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr einsetzbar sei, weil sie etwa das Dreifache der durchschnittlichen Krankenstände aufweise und deshalb anzunehmen sei, daß sie einen Arbeitsplatz nur bei besonderem Entgegenkommen eines Dienstgebers finden werde. Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das Ersturteil im Sinne einer Abweisung der Klage ab. Ob die bei einem Pensionswerber zu erwartenden Krankenstände einen Ausschluß vom allgemeinen Arbeitsmarkt bedeuteten, sei eine vom Gericht zu beurteilende Rechtsfrage. Zu erwartende Krankenstände zwischen 30 und 40 Tagen bewirkten noch keinen Ausschluß vom Arbeitsmarkt. Abgesehen von den prognostizierten Krankenständen biete das Leistungskalkül der Klägerin keinen Anlaß zu zweifeln, daß sie noch auf eine Reihe von Büroberufen verwiesen werden könne, die mit keinen besonderen psychischen Belastungen verbunden seien und trotzdem für die Klägerin keinen sozialen Abstieg bedeuteten. Berufsunfähigkeit im Sinne des § 273 Abs. 1 ASVG liege daher nicht vor.
Rechtliche Beurteilung
Der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Revision der Klägerin kommt keine Berechtigung zu.
In der Revision wird nur die Ansicht des Berufungsgerichtes bekämpft, die zu erwartenden Krankenstände zwischen 30 und 40 Tagen bildeten im kronkreten Fall keinen Ausschluß vom allgemeinen Arbeitsmarkt. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes ist zutreffend (§ 48 ASGG). Berücksichtigt man, daß im Jahre 1986 in Österreich auf 100 Beschäftigte insgesamt 1056 Krankenstandstage kamen (vgl. Statistisches Handbuch für die Republik Österreich XXXIX Jahrgang nF 1988, 85; BMAS, Bericht über die soziale Lage 1987, 346) dann zeigt sich, daß bei der Klägerin jährlich nur etwa die dreifache Zahl von Krankenstandstagen - soweit die Revision mit einer höheren Anzahl argumentiert, geht sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus - wie durchschnittlich bei allen Beschäftigten zu erwarten ist. Da es sich dabei um einen Durchschnittswert der Beschäftigten aller Altersgruppen handelt, wird deutlich, daß die bei der Klägerin zu erwartende jährliche Zahl und Dauer der Krankenstände nicht so ungewöhnlich hoch ist, daß ihre Arbeitsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr bewertet würde und sie daher von diesem ausgeschlossen wäre (so auch 10 Ob S 101/89). Dazu kommt im vorliegenden Fall noch, daß nach der Art des Leidens jeweils mit nur kurz dauernden Krankenständen zu rechnen ist, die von einem Arbeitgeber organisatorisch leichter aufgefangen werden können als lang andauernde, zusammenhängende Krankenstände.
Daß auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine Reihe von Büroverweisungstätigkeiten vorhanden sind, die der Klägerin unter billiger Berücksichtigung der von ihr zuletzt ausgeübten Tätigkeit noch zumutbar sind, wird in der Revision gar nicht bekämpft. Zu Recht ist daher das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, daß die Klägerin nicht berufsunfähig im Sinne des § 273 Abs. 1 ASVG ist.
Die Entscheidung über die Revisionskosten beruht auf § 77 Abs. 1 Z 2 lit. b ASGG.
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