OGH 10ObS138/94

OGH10ObS138/9428.6.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Robert Prohaska (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Walter Benesch (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Christine I*****, ohne Beschäftigung, *****, vertreten durch Dr. Hermann Gaigg, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, wegen Weitergewährung der Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. Februar 1994, GZ 32 Rs 166/93-25, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 16. Juni 1993, GZ 15 Cgs 178/93p-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1. den

Beschluß

gefaßt:

Der Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung vor dem Revisionsgericht wird abgewiesen;

2. zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem Urteil des Erstgerichtes wurde das Begehren der am 6.8.1947 geborenen Klägerin, ihr die Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß über den Entziehungszeitpunkt hinaus weiterzugewähren, abgewiesen. Das Erstgericht gelangte zu dem Ergebnis, daß sich der Gesundheitszustand der Klägerin und ihr Leistungskalkül wesentlich gebessert hätten, so daß sie nunmehr in der Lage sei, wieder ihren erlernten Beruf einer Friseurin auszuüben, weshalb die Voraussetzungen für die Entziehung der Leistung nach § 99 Abs 1 ASVG gegeben seien.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und einer untadeligen Beweiswürdigung. Es trat auch der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes bei, daß sich der Gesundheitszustand der Klägerin wesentlich gebessert habe.

Gegen dieses Urteil des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag auf Abänderung im klagestattgebenden Sinn, hilfsweise Aufhebung und Zurückverweisung. Überdies wird beantragt, das Revisionsgericht möge eine mündliche Verhandlung anberaumen.

Die Beklagte erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

1. Das Revisionsgericht entscheidet gemäß § 509 Abs 1 ZPO über die Revision in nichtöffentlicher Sitzung ohne vorhergehende mündliche Verhandlung. Es kann jedoch, wenn dies im Einzelfall erforderlich scheint, auch eine mündliche Revisionsverhandlung auf Antrag oder von Amts wegen anordnen. Wegen der Beschränkung der Revisionsgründe kann die Revisionsverhandlung niemals zu einer Erörterung der Tatfrage selbst führen; darum ist auch jede Beweisaufnahme durch das Revisionsgericht ausgeschlossen, mag sie der Ergänzung oder der Wiederholung der in den Tatsacheninstanzen aufgenommenen Beweise dienen (Fasching, Komm IV 359 Anm 4 zu § 509 ZPO). § 509 Abs 2 ZPO stellt die Anordnung einer mündlichen Verhandlung in das Ermessen des Revisionsgerichts (RZ 1977, 37/15). Da die Klägerin ihren Antrag nicht näher begründet hat und der Senat keinen Grund zu erkennen vermag, der Anlaß zu einer Verhandlung unter Zuziehung der Parteien geben könnte, ist der darauf bezügliche Antrag der Klägerin abzuweisen.

2. Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nach § 503 Z 2 ZPO liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO). Dem Vorwurf, das Berufungsgericht habe die von der Klägerin mit der Berufung vorgelegten Befunde negiert, ist entgegenzuhalten, daß das Neuerungsverbot des § 482 ZPO auch in Sozialrechtssachen gilt (Kuderna ASGG 347 Anm 3 zu § 63; SSV-NF 1/45, 4/24 ua). Die in § 482 Abs 2 ZPO enthaltene Ausnahme vom Neuerungsverbot trifft nur Tatumstände und Beweise, die zur Dartuung oder Wiederlegung der geltend gemachten Berufungsgründe vorgebracht werden. Diese Vorschrift bringt keine Lockerung des Neuerungsverbotes in Ansehung der Behauptungs- und Beweisgrundlage für die Entscheidung über den Anspruch mit sich (Näheres dazu Fasching aaO 166 Anm 7 zu § 482 ZPO).

Es trifft auch nicht zu, daß sich das Berufungsgericht nicht mit der Tatsachenrüge der Berufungswerberin befaßt hätte; das angefochtene Urteil läßt vielmehr erkennen, daß das Berufungsgericht die Beweiswürdigung und die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes überprüft und für richtig befunden hat. Dabei ging das Berufungsgericht erkennbar unter anderem davon aus, daß eine Arbeitshöhe für die Hände des Friseurs von 1,75 bis 1,80 m "evident unrichtig" sein müsse; die im angefochtenen Urteil enthaltene Formulierung "nicht evident unrichtig" stellt - wie sich auch aus dem Entscheidungskonzept des Berufungsgerichtes ergibt - einen offenkundigen Schreibfehler dar: Auf Seite 3, 9. Zeile von unten hat daher das Wort "nicht" zu entfallen.

Die Berücksichtigung des mit der Revision vorgelegten neuen Laborbefundes scheitert ebenfalls am Neuerungsverbot des § 504 Abs 2 ZPO, das auch in Sozialrechtssachen gilt. Im übrigen haben die Vorinstanzen die Voraussetzungen für die Entziehung der Invaliditätspension nach § 99 Abs 1 ASVG zutreffend bejaht. Die Entziehung einer Leistung setzt voraus, daß sich die Verhältnisse gegenüber dem Zeitpunkt der Zuerkennung der Leistung wesentlich geändert haben. Eine die Entziehung der Pension rechtfertigende Änderung der Verhältnisse kann in der Wiederherstellung oder Besserung des körperlichen oder geistigen Zustands des Pensionisten oder in der Wiederherstellung oder Besserung seiner Arbeitsfähigkeit infolge Gewöhnung und Anpassung an das Leiden bestehen (SSV-NF 1/43 uva). Nach den Feststellungen, an die der Oberste Gerichtshof gebunden ist, kann die Klägerin infolge Besserung ihres Leistungskalküls nunmehr ihren Beruf einer Friseurin wieder ausüben. Die Revisionsausführungen, die dies in Frage stellen, gehen nicht vom festgestellten Sachverhalt aus.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch an die unterlegene Klägerin aus Billigkeit wurden nicht dargetan und sind nach der Aktenlage auch nicht ersichtlich.

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