OGH 10ObS136/20b

OGH10ObS136/20b24.11.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Gleitsmann (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Werner Pletzenauer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei S*, vertreten durch Puttinger Vogl Rechtsanwälte OG in Ried im Innkreis, gegen die beklagte Partei Ö*, vertreten durch Dr. Modelhart & Partner Rechtsanwälte GesbR in Linz, wegen Höhe des Rehabilitationsgeldes, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 26. August 2020, GZ 12 Rs 55/20 z‑13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 19. Mai 2020, GZ 31 Cgs 28/20g‑7, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E130199

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

[1] Gegenstand des Rekursverfahrens ist die Bemessung des Rehabilitationsgeldes im Fall zweier parallel laufender Beschäftigungsverhältnisse.

[2] Die Klägerin war im Zeitraum von 10. 4. 2010 bis 31. 10. 2019 bei der P* GmbH und im Zeitraum von 1. 6. 2015 bis 7. 1. 2019 bei der G* GmbH beschäftigt. Der volle Entgeltfortzahlungsanspruch zur P* GmbH endete am 15. 6. 2018 und jener zur G* GmbH am 8. 8. 2018. Die Klägerin bezog Krankengeld im Zeitraum von 16. 6. 2018 bis 31. 10. 2018 aus dem Beschäftigungsverhältnis zur P* GmbH und im Zeitraum von 9. 8. 2018 bis 31. 10. 2018 aus dem Beschäftigungsverhältnis zur G* GmbH. Seit 1. 11. 2018 bezieht die Klägerin Rehabilitationsgeld.

[3] Mit Bescheid vom 28. 1. 2020 lehnte die beklagte Partei den Antrag der Klägerin ab, ihr ab 1. 11. 2018 ein höheres Rehabilitationsgeld als täglich 30,31 EUR brutto bzw 31,10 EUR brutto zu zahlen.

[4] In ihrer Klage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, sie habe Anspruch auf Rehabilitationsgeld im Ausmaß des Krankengeldes aus beiden Dienstverhältnissen. Für die Bemessung des Rehabilitationsgeldes nur den Arbeitsverdienst aus jenem Dienstverhältnis heranzuziehen, für das der Entgeltfortzahlungsanspruch länger bestanden habe, sei willkürlich und entspreche nicht dem Zweck des § 143a ASVG.

[5] Die beklagte Partei bestreitet und beantragt die Klageabweisung. Das Rehabilitationsgeld gebühre im Ausmaß des Krankengeldes, das aus der letzten, eine Pflichtversicherung in der Krankenversicherung (nach dem ASVG oder dem B‑KUVG) begründenden Erwerbstätigkeit gebührt hätte (§ 143a Abs 2 Satz 1 ASVG). Die letzte, eine Pflichtversicherung in der Krankenversicherung begründende Erwerbstätigkeit sei jene für die G* GmbH, da in diesem Dienstverhältnis der Entgeltfortzahlungsanspruch (und damit die Pflichtversicherung in der Krankenversicherung) am 8. 8. 2018 geendet habe. Zur Berechnung des Rehabilitationsgeldes sei daher nur dieses Beschäftigungsverhältnis heranzuziehen.

[6] Das Erstgericht wies die Klage ab. Rechtlich schloss es sich dem Standpunkt der beklagten Partei an. Eine planwidrige Lücke liege nicht vor. Der Zweck des Rehabilitationsgeldes, den durch die Arbeitsunfähigkeit erlittenen Entgeltverlust zumindest teilweise zu ersetzen, werde dadurch Genüge getan, dass das Rehabilitationsgeld jedenfalls in der Höhe des Richtsatzes gebühre.

[7] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge, hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Dass beide Beschäftigungsverhältnisse zu berücksichtigen seien, ergebe sich ua auch daraus, dass das Rehabilitationsgeld funktional als Fortsetzung des Krankengeldbezugs anzusehen und dem Krankengeldanspruch nachgebildet sei. Bei mehrfacher Krankenversicherung gebühre Krankengeld aus jeder der in Betracht kommenden Versicherungen. Der die Bemessung des Rehabilitationsgeldes regelnde § 143a Abs 1 Satz 2 ASVG sei daher dahin zu verstehen, dass im Falle zweier parallel laufender Dienstverhältnisse diese bei der Bemessung des Rehabilitationsgeldes gleichermaßen „die letzte Erwerbstätigkeit“ darstellen und gemeinsam zu berücksichtigen seien. Ob die Pflichtversicherung in der Krankenversicherung allenfalls aufgrund des Endes eines Anspruchs auf Entgeltfortzahlung vor dem Ende des Dienstverhältnisses geendet habe, sei nicht maßgeblich. § 143a Abs 2 ASVG stelle darauf ab, dass die letzte Erwerbstätigkeit als solche „ihrem Wesen nach“ eine Pflichtversicherung in der Krankenversicherung begründe. Die Klägerin habe daher Anspruch auf Rehabilitationsgeld im Ausmaß des Krankengeldes aus beiden Dienstverhältnissen. Die insgesamt heranzuziehende Bemessungsgrundlage sei jedoch im bisherigen Verfahren unerörtert geblieben und es seien dazu keine Feststellungen getroffen worden.

[8] Das Berufungsgericht ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof mit der Begründung zu, dass höchstgerichtliche Rechtsprechung zum Verständnis des § 143a Abs 2 Satz 1 ASVG im Zusammenhang mit Unterbrechungen der Versicherung in der Krankenversicherung durch den Bezug von Krankengeld während aufrechter, parallel bestehender Dienstverhältnisse fehle.

[9] Mit ihrem Rekurs an den Obersten Gerichtshof strebt die beklagte Partei die Wiederherstellung des abweislichen Ersturteils an.

[10] Die klagende Partei beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

[11] Der Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[12] 1.1 Der Zweck des Rehabilitationsgeldes liegt darin, einen Ersatz für die weggefallene befristete Invaliditätspension zu schaffen (ErläutRV 2000 BlgNR 24. GP  20). Während die Invalidiäts‑ bzw Berufsunfähigkeitspension eine Leistung mit Pensionscharakter ist, ist das Rehabiliationsgeld als eine dem Krankengeld ähnliche Leistung konzipiert, wodurch das Prinzip „Rehabilitation vor Pension“ verstärkt und die Rückkehr in die Arbeitswelt gefördert werden soll (10 ObS 123/17m SSV‑NF 32/2). Das Rehabilitationsgeld ist funktional eine Fortsetzung des Krankengeldbezugs bzw dem Krankengeldanspruch nachgebildet. Auch nach der Systematik des Krankengeldes liegt der Fokus auf der Einkommensersatzfunktion (ErläutRV 2000 BlgNR 24. GP  18). Der durch die Arbeitsunfähigkeit erlittene Entgeltverlust soll zumindest teilweise ersetzt werden und eine finanzielle Absicherung des Versicherten während der Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit gewährleistet sein (10 ObS 98/16h SSV‑NF 30/81; Födermayer in Mosler/Müller/Pfeil in SV‑Komm [249. Lfg] § 143a ASVG Rz 14).

[13] 1.2  Gemäß § 143a Abs 2 Satz 1 erster Halbsatz ASVG idF BGBl I 2018/59 gebührt das Rehabilitationsgeld im Ausmaß des Krankengeldes nach § 141 Abs 1 ASVG und ab dem 43. Tag im Ausmaß des erhöhten Krankengeldes nach § 141 Abs 2 ASVG, das aus der letzten eine Versicherung nach dem ASVG oder nach dem B‑KUVG begründende(n) Erwerbstätigkeit gebührt hätte.

[14] 1.3 Nach § 141 ASVG wird als gesetzliche Mindestleistung das Krankengeld im Ausmaß von 50 vH der Bemessungsgrundlage für den Kalendertag gewährt (Abs 1). Ab dem 43. Tag einer mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Erkrankung erhöht es sich auf 60 vH der Bemessungsgrundlage für den Kalendertag (Abs 2).

[15] 1.4 Die Bemessungsgrundlage für das Krankengeld wird in § 125 Abs 1 erster Halbsatz ASVG festgelegt. Bemessungsgrundlage ist der für die Beitragsermittlung heranzuziehende und auf einen Kalendertag entfallende Arbeitsverdienst, der dem/der Versicherten in jenem Beitragszeitraum (§ 44 Abs 2 ASVG) gebührte, der dem Ende des vollen Entgeltanspruchs voranging (Sonntag, Unionsrechtliche Koordinierung und Höhe des Rehabilitationsgeldes, ASoK 2014, 346 [349]).

[16] 1.5 Bei mehrfacher Krankenversicherung gebührt Krankengeld als Barleistung aus jeder der in Betracht kommenden Versicherungen (§ 128 Satz 2 ASVG). Da das Krankengeld Einkommensersatzfunktion hat und zu einem bestimmten Prozentsatz das ausfallende Einkommen des Versicherten ersetzen soll, soll ein Versicherter, der mehrere Beschäftigungen nebeneinander ausübt (und in beiden Beschäftigungsverhältnissen arbeitsunfähig ist), nach dem Willen des Gesetzgebers Krankengeld aus allen diesen Beschäftigungen erhalten. Der Versicherte, der sein Einkommen im Rahmen mehrerer Versicherungsverhältnisse erwirbt, soll pro Versicherungsverhältnis den entsprechenden Anteil an Geldleistungen erhalten (Windisch‑Graetz in Mosler/Müller/Pfeil in SV‑Komm [164. Lfg] § 128 ASVG Rz 4). Wäre ein Versicherter hingegen nur in einem seiner beiden Beschäftigungsverhältnisse als arbeitsunfähig anzusehen, hätte er nur aus diesem Anspruch auf Krankengeld (Schober in Sonntag,ASVG11 [2020] § 143 Rz 6a).

[17] 2.1 Obwohl § 143a Abs 2 Satz 1 ASVG seinem Wortlaut nach für die Bemessung des Rehabilitationsgeldes auf „die letzte eine Pflichtversicherung in der Krankenversicherung begründende Erwerbstätigkeit“ abstellt, somit nach dem Wortlaut von der Ausübung nur einer einzigen Erwerbstätigkeit ausgeht, führt der dargelegte Zweck des Rehabilitationsgeldes sowie seine systematische Anknüpfung an das Krankengeld bei Vorliegen zweier paralleler Beschäftigungsverhältnisse und Eintreten der Arbeitsunfähigkeit in beiden Beschäftigungsverhältnissen dazu, dass beide Beschäftigungsverhältnisse für die Bemessung des Rehabilitationsgeldes zu berücksichtigen sind, sofern diese Beschäftigungsverhältnisse eine Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach dem ASVG oder B‑KUVG begründet haben. Wollte man lediglich eines von mehreren Beschäftigungsverhältnissen heranziehen, aus denen der Versicherte bisher sein Einkommen bezogen hat, wäre der Absicht des Gesetzgebers, eine finanzielle Absicherung während der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit zu gewährleisten, nicht erfüllt. Diesem Zweck wird auch nicht dadurch Genüge getan, dass das Rehabilitationsgeld in der Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes für Alleinstehende gebührt (§ 143a Abs 2 Satz 3 ASVG), weil es sich dabei der Sache nach um eine Maßnahme der Mindestsicherung bzw Sozialhilfe handelt (Födermayer in SV‑Komm [249. Lfg] § 143a ASVG Rz 15).

[18] 2.2 Wie bereits das Berufungsgericht ausgeführt hat, ist als Zwischenergebnis daher festzuhalten, dass bei Bestehen von zuletzt zwei Erwerbstätigkeiten, die eine Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach dem ASVG oder B‑KUVG begründet haben, beide Erwerbstätigkeiten in gleicher Weise „die letzte Erwerbstätigkeit“ iSd § 143a Abs 2 Satz 1 erster Halbsatz ASVG darstellen und gemeinsam bei der Bemessung des Rehabilitationsgeldes zu berücksichtigen sind.

[19] 3.1 Die beklagte Partei stellt dies in ihrem Rekurs nicht konkret in Frage, vertritt aber den Standpunkt, § 143a Abs 2 ASVG sei seinem Wortlaut nach so zu verstehen, dass bei zwei parallel laufenden Erwerbstätigkeiten in jedem der beiden Beschäftigungsverhältnisse eine Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach dem ASVG oder B‑KUVG im Zeitpunkt der Zuerkennung des Rehabilitationsgeldes bestehen müsse und dies eine (zusätzliche) Voraussetzung dafür bilde, dass sich die Höhe des Rehabilitationsgeldes unter Berücksichtigung beider bestehender Beschäftigungsverhältnisse bemesse. Sei nur in einem Beschäftigungsverhältnis eine Pflichtversicherung in der Krankenversicherung (etwa infolge Bezugs von Krankengeld nach Ende des Entgeltfortzahlungsanspruchs) gegeben, sei in der Historie der maßgeblichen Erwerbstätigkeiten so lange zurückzugehen, bis sich eine „letzte“ Erwerbstätigkeit mit Pflichtversicherung aus der Krankenversicherung nach ASVG oder B‑KUVG finde. Allein diese Erwerbstätigkeit sei für die Bemessung des Rehabilitationsgeldes maßgeblich.

[20] 3.2 Diesem Standpunkt ist nicht zu folgen:

[21] 3.2.1 Die Klägerin, war als Dienstnehmerin in ihren beiden Beschäftigungsverhältnissen gemäß § 4 Abs 1 Z 1 in der Kranken‑, Unfall‑ und Pensionsversicherung voll versichert (§ 4 Abs 1 Z 1 ASVG).

[22] 3.2.2 Ihre Pflichtversicherung erlosch mit dem Ende des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung, somit am 16. 5. 2018 zur P* GmbH und am 8. 8. 2018 zur G* GmbH (§ 11 Abs 1 Satz 2 ASVG; Julcher in SV‑Komm [178. Lfg] § 11 ASVG Rz 10).

[23] 3.2.3 Bis 31. 10. 2018 (also bis vor dem Beginn des Anspruchs auf Rehabilitationsgeld ab 1. 11. 2018) bezog sie gemäß § 128 Satz 2 ASVG aus jedem der beiden Versicherungsverhältnisse Krankengeld als Barleistung.

[24] 3.2.4 Als Bezieherin von Krankengeld war sie – worauf die Rekurswerberin ihre Argumentation aufbaut – gemäß § 8 Abs 1 Z 2 lit c ASVG nur in der Pensionsversicherung, nicht aber in der Krankenversicherung teilversichert (wenngleich sie aus der Krankenversicherung weiterhin anspruchsberechtigt war).

[25] 4.1 Dies hindert bei Bemessung des Rehabilitationsgeldes dennoch nicht die Berücksichtigung auch des zweiten Beschäftigungsverhältnisses:

[26] 4.2 Seinem Wortlaut nach stellt § 143a Abs 2 Satz 1 ASVG nicht auf das (infolge Krankengeldbezugs) zum Zeitpunkt der Gewährung des Rehabilitationsgeldes aktuelle Nichtbestehen einer aufrechten Pflichtversicherung in der Krankenversicherung ab, sondern knüpft die Bemessung des Rehabilitationsgeldes an das Ausmaß des Krankengeldes, das aus der letzten eine Pflichtversicherung nach dem ASVG oder B‑KUVG begründenden Erwerbstätigkeit „gebührt hätte“. Es soll immer jene letzte Erwerbstätigkeit zur Berechnung des Rehabilitationsgeldes herangezogen werden, die nach dem ASVG oder B‑KUVG eine Pflichtversicherung in der Krankenversicherung begründet hat (ErlRV 900 BlgNR 25. GP  20). Bestehen zuletzt zwei derartige Erwerbstätigkeiten, stellen beide Erwerbstätigkeiten in gleicher Weise „die letzte Erwerbstätigkeit“ iSd § 143a Abs 2 Satz 1 erster Halbsatz ASVG dar (siehe oben Pkt 2.2). Dem Ende der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung infolge Bezugs von Krankengeld im Zeitpunkt der Zuerkennung des Rehabilitationsgeldes in einem der beiden Versicherungsverhältnisse kommt für die Bemessung des Rehabilitationsgeldes somit keine Bedeutung zu.

[27] 5. Aus der historischen Entwicklung des § 143a Abs 2 Satz 1 ASVG ergibt sich nichts anderes:

[28] 5.1 Nach § 143a Abs 2 Satz 1 ASVG idF des SRÄG 2012 (BGBl I 2013/3) war Anknüpfungspunkt für das Ausmaß des Rehabilitationsgeldes das Krankengeld, das „aus der letzten Erwerbstätigkeit“ gebührt hätte.

[29] 5.2 Mit dem Sozialversicherungs‑Anpassungsgesetz 2015 (SVAG, BGBl I 2015/2) wurde der Anknüpfungspunkt mit der „eine Versicherung nach diesem Bundesgesetz oder nach dem B‑KUVG begründenden Erwerbstätigkeit“ konkretisiert. Damit sollte klargestellt werden, dass ausschließlich solche Erwerbstätigkeiten der Berechnung des Rehabilitationsgeldes zugrunde gelegt werden, die eine Versicherung nach ASVG oder B‑KUVG begründen (ErlRV 321 BlgNR 25. GP  5; Sonntag in Sonntag, ASVG11 § 143a Rz 13).

[30] 5.3 Eine weitere Modifikation des § 143a Abs 2 Satz 1 ASVG erfolgte durch das Sozialrechts‑Änderungsgesetz 2015 (SRÄG 2015, BGBl I 2015/162). Der Ausdruck „Versicherung“ wurde durch den Ausdruck „Pflichtversicherung in der Krankenversicherung“ ersetzt, sodass nunmehr das „aus der letzten eine Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz oder nach dem B‑KUVG begründete Erwerbstätigkeit“ gebührende Krankengeld maßgeblich ist. In den Gesetzesmaterialien wird ausgeführt, dass von der früheren Formulierung „aus der letzten eine Versicherung nach diesem Bundesgesetz oder dem B‑KUVG begründende Erwerbstätigkeit“ auch Personen umfasst seien, die bei ihrer letzten Erwerbstätigkeit lediglich in der Unfallversicherung versichert waren. Dies habe zur Folge gehabt, dass zur Berechnung des Rehabilitationsgeldes auch eine geringfügige Beschäftigung herangezogen werden konnte und nicht auf die letzte krankenversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit abgestellt wurde. Durch die Änderung solle klargestellt werden, dass immer jene letzte Erwerbstätigkeit zur Berechnung des Rehabilitationsgeldes herangezogen werden soll, die eine Pflichtversicherung in der Krankenversicherung begründet hat, wodurch den betroffenen Personen in der Regel ein höheres Rehabilitationsgeld zustehe (ErlRV 900 BlgNR 25. GP  20).

[31] 5.4 Aus der Entwicklung des § 143a Abs 2 erster Satz ASVG ist daher abzuleiten, dass der Gesetzgeber sukzessive den Kreis der für die Bemessung des Rehabilitationsgeldes relevanten Erwerbstätigkeiten verkleinert und zuletzt – zugunsten der Versicherten – bestimmte Erwerbstätigkeiten ausgeschlossen hat. Hingegen fehlen Anhaltspunkte dafür, dass – zum Nachteil der Versicherten – parallel nebeneinander ausgeübte Erwerbstätigkeiten bzw Beschäftigungsverhältnisse für die Bemessung des Rehabilitationsgeldes allein deshalb ausgeschlossen werden sollten, weil zum Zeitpunkt der Zuerkennung des Rehabilitationsgeldes (infolge Krankengeldbezugs nach Ende des Entgeltfortzahlungsanspruchs) keine aufrechte Pflichtversicherung in der Krankenversicherung bestehen sollte. Dass die (gegenteilige) Argumentation der beklagten Partei zu unsachlichen und zufälligen Ergebnissen führen würde, wird in jenem Fall besonders deutlich, in dem der Entgeltfortzahlungsanspruch aus zwei parallel laufenden Beschäftigungsverhältnissen zum selben Zeitpunkt endet und danach aus beiden Versicherungsverhältnissen Krankengeld bezogen wird. In diesem Fall ließe sich eine – nach dem Verständnis der beklagten Partei – „letzte“ Erwerbstätigkeit mit Pflichtversicherung aus der Krankenversicherung nicht finden.

[32] 7.1 Zusammenfassend ergibt sich:

[33] Haben zuletzt zwei Beschäftigungsverhältnisse parallel nebeneinander bestanden und sind zu Ende gegangen, stellen beide zusammen die „letzte Erwerbstätigkeit“ iSd § 143a Abs 2 Satz 1 ASVG dar und sind daher gemeinsam bei der Bemessung des Rehabilitationsgeldes zu berücksichtigen, dies unabhängig davon, dass die Pflichtversicherung in der Krankenversicherung in einem der Beschäftigungsverhältnisse mit dem Ende des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung früher als in dem anderen Beschäftigungsverhältnis geendet hat.

[34] 7.2 Die Klägerin hat daher Anspruch auf Rehabilitationsgeld im Ausmaß des Krankengeldes aus ihren beiden Dienstverhältnissen.

[35] 8. Das Berufungsgericht hat das bisherige Verfahren im Hinblick darauf als ergänzungsbedürftig erachtet, dass die Bemessungsgrundlage aus dem Dienstverhältnis zur P* GmbH bisher weder erörtert wurde noch dazu Feststellungen getroffen wurden. Dem kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht entgegentreten.

[36] Dem Rekurs ist daher nicht Folge zu geben.

[37] Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO (RIS‑Justiz RS0035976).

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