OGH 10ObS130/90

OGH10ObS130/906.11.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Angst als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr. Elmar Peterlunger und Dr. Dietmar Strimitzer (beide Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Eva W***, Pensionistin, 1180 Wien, Pötzleinsdorfer Straße 146, vertreten durch Dr. Axel Friedberg, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei

S*** DER G*** W*** (L*** W***), 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, vertreten durch Dr. Michael Graff, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ausgleichszulage infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 31. August 1989, GZ 34 Rs 147/89-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 10. März 1988, GZ 9 Cgs 2038/87-8, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Berufungsurteil, das in seinem das Zinsenbegehren betreffenden abändernden Teil als unangefochten unberührt bleibt, wird in seinem bestätigenden Teil, das erstgerichtliche Urteil wird in seinem bestätigten Teil aufgehoben.

Insoweit wird die Sozialrechtssache zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten der Berufungsbeantwortung und der Revisionsbeantwortung sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin bezieht von der beklagten Partei seit 1. 6. 1977 eine Witwenpension. Dazu wurden ihr seither auch ein Zuschlag nach § 145 Abs 4 GSVG (idF vor der 8. GSVGNov BGBl 1983/591) und eine Ausgleichszulage gewährt.

Mit Schreiben vom 13. 8. 1985 teilte die beklagte Partei der Klägerin mit, daß die Ausgleichszulage vom 1. 9. 1985 an nicht feststellbar sei und daher vorsorglich eingestellt werde. Mit Bescheid vom 9. 7. 1987 stellte die beklagte Partei fest, daß die Ausgleichszulage und der erwähnte Zuschlag vom 1. 6. 1977 an nicht gebührten (Punkte 1 und 2), forderte den Überbezug von 63.083,80 S unter Berufung auf § 76 GSVG zurück und rechnete die zu Unrecht bezogene Geldleistung unter Berufung auf § 71 GSVG auf (Punkt 3), wobei sie die Rückforderung mit bewußt unwahren Angaben oder bewußter Verschweigung maßgebender Tatsachen begründete. Mit der dagegen rechtzeitig erhobenen Klage begehrte die Klägerin, 1. ihr die in der Zeit vom 1. 9. 1985 bis 30. 7. 1987 einbehaltenen Teilbeträge der Ausgleichszulage samt gesetzlich vorgesehenen Zuschlägen auszuzahlen, 2. ihr die vom 1. 6. 1977 bis 31. 8. 1985 zugeflossene Ausgleichszulage und Zuschläge in voller Höhe zu belassen und auch nicht aufzurechnen, und 3. solcherart bereits vorenthaltene Beträge auszuzahlen, dies alles samt 4 % Zinsen seit Klagstag.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage und die Verpflichtung der Klägerin zur Rückzahlung des Überbezuges von 63.083,80 S. Sie wendete im wesentlichen ein, daß die Klägerin von ihrem Sohn Ing. Gerhard W*** monatlich Unterhaltsbeiträge, die mit 1.000 S angenommen würden, erhalte, was sie nicht gemeldet habe. Die Klägerin, die dies schon in der Klage bestritten hatte, replizierte, daß die beklagte Partei ein Rückforderungsrecht verwirkt habe, weil sie von den unregelmäßigen und freiwilligen Leistungen des Sohnes jedenfalls schon seit 1985 gewußt habe. Überdies sei die Rückforderung des angeblichen Überbezuges sozial nicht gerechtfertigt.

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin 1. die vom 1. 9. 1985 bis 30. 7. 1987 tariflich vorgesehenen, aber einbehaltenen Teilbeträge der Ausgleichszulage samt gesetzlich vorgesehenen Zuschlägen zu zahlen, 2. die tariflich vorgesehene Ausgleichszulage und die gesetzlich vorgesehenen Zuschläge vom 1. 8. 1987 an weiterhin zu gewähren, 3. solcherart bereits vorenthaltene Beträge auszuzahlen, dies alles samt 4 % Zinsen ab Klagstag, 4. die Ausgleichszulage in gesetzlicher Höhe vom 1. 8. 1987 an weiterhin zu gewähren, und 5. die Verfahrenskosten zu ersetzen.

Das Erstgericht stellte im wesentlichen fest, daß Pension und Ausgleichszulage seit 1. 6. 1977 auf Grund ständig anwachsender Lebenshaltungskosten zeitweise nicht ausreichten, weshalb der Sohn der Klägerin diese vom Winter 1984/1985 an in unregelmäßigen Zeitabständen finanziell unterstützte. Die Klägerin konnte jedoch schon seit Pensionsbeginn ua deshalb nie mit ihrer Pension auskommen, weil der nach § 7 MG erhöhte Zins fast deren Höhe erreichte. Der Sohn unterstützte die Klägerin je nach vorhandenem Engpaß mit unregelmäßigen Zahlungen. Er sprang finanziell immer nur ein, wenn die Klägerin mit ihrer Pension nicht das Auslangen finden konnte. Die Zahlungen waren immer zweckgebunden. So bezahlte der Sohn zB im Winter Stiefel oder einen Pullover. Er unterstützte seine Mutter immer dann, wenn er den Eindruck hatte, daß sie sich bestimmte Anschaffungen nicht leisten könne. Er unterstützte sie auch dadurch, daß er ihr Lebensmittel brachte. Die Klägerin forderte von ihrem Sohn nie Unterhalt oder sonstige Geldleistungen. Er leistete alle Beiträge freiwillig. Er machte die Unterstützungszahlungen beim Finanzamt als außerordentliche Belastung geltend, was die beklagte Partei zu den zum vorliegenden Verfahren führenden Maßnahmen veranlaßte.

Nach der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes könnten unregelmäßige zweckgebundene Zahlungen nicht als der Pension zuzurechnende Unterhaltszahlungen betrachtet werden. Dagegen erhob die beklagte Partei wegen unrichtiger Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung, Verfahrensmängeln und unrichtiger rechtlicher Beurteilung Berufung mit den Anträgen, das erstgerichtliche Urteil durch vollständige Klageabweisung und Verurteilung der Klägerin zur Rückzahlung des Überbezuges abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.

Das Berufungsgericht gab der Berufung nur insoweit Folge, daß der Zinsenzuspruch laut Punkt 3. zu entfallen habe. Es vertrat die Rechtsansicht, der Gesetzgeber sei beim Einkommensbegriff und dessen Einschränkungen im Ausgleichszulagenrecht offensichtlich von der als Vorbild dienenden Regelung des Einkommensteuergesetzes ausgegangen. Nach § 29 Z 1 dieses Gesetzes seien Bezüge, die freiwillig oder an eine gesetzlich unterhaltsberechtigte Person gewährt werden, im Rahmen der sonstigen Einkünfte (§ 2 Abs 3 Z 7 EStG) nicht steuerpflichtig. Unabhängig davon, ob solche Leistungen als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 34 leg cit von den Finanzbehörden anerkannt werden, seien solche regelmäßige oder unregelmäßige, zweckgewidmete oder nicht zweckgewidmete Zuwendungen kein anrechenbares Nettoeinkommen und daher ohne Auswirkungen auf den Ausgleichszulagenanspruch. Dem Begriff "Einkünfte" sei auch immanent, daß diese auf Grund eines Rechtsanspruches erfließen. Die Pauschalanrechnung von Unterhaltsansprüchen nach § 294 ASVG sei eine Sonderregelung, die mit dieser Ansicht im Einklang stehe. Es seien nämlich nur Unterhaltsansprüche von Ehegatten bzw Kindern zu berücksichtigen, nicht aber von Eltern gegenüber ihren Kindern. Auch dieser Umkehrschluß stütze die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, zumal der Unterhaltsanspruch der Eltern gegenüber ihren Kindern nach § 143 Abs 1 ABGB nur subsidiär und damit eher zweifelhaft sei. Würden Schenkungen auch auf Grund einer sittlichen Verpflichtung des Kindes an die Eltern geleistet, wären sie nicht anzurechnen. Doppelgleisigkeiten seien zwar im Sozialrecht zu vermeiden. Das Gesetz sehe aber im § 292 Abs 4 ASVG auch Ausnahmen vor, um den Beziehern einer Ausgleichszulage eine zusätzliche Leistung zukommen zu lassen. Auch wegen der Subsidiarität der öffentlichen Sozialleistungen gegenüber privaten Sozialleistungen könne es nicht rechtens sein, daß diese zu einer Verminderung jener führten. Deshalb bedürfe es weder geänderter Feststellungen noch der von der Berufungswerberin angestrebten Verfahrensergänzung. Gegen den der Berufung nicht Folge gebenden bestätigenden Teil der Berufungsentscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit den Anträgen, das angefochtene Urteil im Sinne einer gänzlichen Abweisung der Klage und einer Verurteilung der Klägerin zum Rückersatz des Überbezuges von 63.083,80 S abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

(Bei den folgenden Paragraphen ohne Gesetzesangabe handelt es sich um solche des GSVG.)

Erreicht die Pension zuzüglich eines aus übrigen Einkünften des Pensionisten erwachsenden Nettoeinkommens und der gemäß § 151 zu berücksichtigenden Beträge nicht die Höhe des für ihn geltenden Richtsatzes (§ 150), so hat der Pensionsberechtigte ... Anspruch auf eine Ausgleichszulage zur Pension (§ 149 Abs 1).

Nettoeinkommen im Sinne dieses Absatzes ist, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt wird, die Summe sämtlicher Einkünfte in Geld oder Geldeswert nach Ausgleich mit Verlusten und vermindert um die gesetzlich geregelten Abzüge (§ 149 Abs 3).

Bei Anwendung der Absätze 1 bis 3 haben ua Bezüge aus Unterhaltsansprüchen privater Art, die gemäß § 151 berücksichtigt werden (§ 149 Abs 4 lit e), und Bezüge aus Leistungen der Sozialhilfe und der freien Wohlfahrtspflege (lit f des letztzitierten Absatzes) außer Betracht zu bleiben. Bei Anwendung des § 149 sind Unterhaltsansprüche des Pensionsberechtigten gegen a) den Ehegatten (die Ehegattin), sofern er (sie) mit dem Pensionsberechtigten nicht im gemeinsamen Haushalt lebt, b) den geschiedenen Ehegatten (die geschiedene Ehegattin),

c) die Eltern, sofern sie mit dem Pensionsberechtigten im gemeinsamen Haushalt leben, gleichviel ob und in welcher Höhe die Unterhaltsleistung tatsächlich erbracht wird, dadurch zu berücksichtigen, daß dem Nettoeinkommen des Pensionsberechtigten bestimmte Hundertsätze des monatlichen Nettoeinkommens der genannten Personen zuzurechnen sind (§ 151 Abs 1 und 2).

Der erkennende Senat hat schon wiederholt ausgesprochen, daß die bei der Ermittlung des Nettoeinkommens des Pensionsberechtigten außer Betracht zu lassenden Einkünfte in dem dem § 149 Abs 4 GSVG entsprechenden § 292 Abs 4 ASVG - soweit nicht anderswo diesbezüglich ausdrücklich etwas anderes bestimmt wird, wie das zB im § 5 Abs 2 Tapferkeitsmedaillen-Zulagengesetz 1962 BGBl 146 der Fall ist - abschließend aufgezählt sind, weshalb alle in diesem Ausnahmekatalog nicht genannten Bezüge in Geld und Geldeswert zum Einkommen zu zählen sind (SSV-NF 2/37; 3/97; Teschner in MGA ASVG

50. ErgLfg 1419 FN 5), darunter auch Bezüge aus Unterhaltsansprüchen privater Art, die nicht gemäß § 151 berücksichtigt werden. Allfällige Bezüge der Klägerin aus einem Unterhaltsanspruch gegen ihren Sohn können schon deshalb nicht gemäß § 151 berücksichtigt werden, weil sie sich nicht gegen eine dort genannte Person richten.

Solche allfälligen Bezüge wären jedoch mangels Anwendbarkeit der Ausnahmebestimmung des § 149 Abs 4 lit e nach den Absätzen 1 bis 3 leg cit zu berücksichtigen.

Auch Unterhaltsansprüche jeglicher Art sind Einkünfte in Geld oder Geldeswert und daher nach § 149 Abs 3 Nettoeinkommen im Sinne der Absätze 1 und 2 dieser Gesetzesstelle. Im § 151 Abs 1 lit a, b, c nicht genannte Unterhaltsansprüche, zB Unterhaltsansprüche gegen den mit dem Pensionsberechtigten im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehepartner, gegen die mit dem Pensionsberechtigten Kind nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Eltern oder - wie im vorliegenden Fall - gegen ein Kind, sind - jedenfalls bei tatsächlicher Leistung - mit der vollen Höhe zu berücksichtigen (Teschner in Tomandl, SV-System 4. ErgLfg 412/1; derselbe in MGA ASVG

50. ErgLfg 1446 FN 1 zum gleichlautenden § 294 ASVG mit Judikaturzitaten; SSV-NF 2/15 zu einem vertraglichen Unterhaltsanspruch; 27. 3. 1990 10 Ob S 411/89).

Stehen einem Pensionsberechtigten vertragliche oder gesetzliche Ansprüche mit Einkommenscharakter zu, dann ist grundsätzlich davon auszugehen, daß diese Ansprüche tatsächliches Einkommen darstellen und daher bei der Feststellung des Anspruches auf Ausgleichszulage als solches zu berücksichtigen sind. Der subsidiäre fürsorge(sozialhilfe)ähnliche Charakter der Ausgleichszulage verbietet im allgemeinen die Berücksichtigung der Tatsache, daß der Berechtigte von sich aus auf derartige Ansprüche verzichtet. Diesem Grundsatz hat der Gesetzgeber vor allem im § 294 Abs 1 ASVG und in den vergleichbaren Bestimmungen anderer Sozialversicherungsgesetze, ua auch im § 151 Abs 1 GSVG ausdrücklich Rechnung getragen, doch gilt allgemein, daß ein Verzicht auf die Geltendmachung zustehender Einkünfte (grundsätzlich) im Ausgleichszulagenrecht nur dann beachtlich ist, wenn er in der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Leistung durch den dazu Verpflichteten begründet ist (SSV-NF 1/60 und 27. 3. 1990 10 Ob S 411/89).

Daß an eine gesetzlich unterhaltsberechtigte Person gewährte wiederkehrende Bezüge, bei denen es sich an sich um sonstige Einkünfte iS des § 29 Z 1 EStG handelt, nach Satz 2 dieser Gesetzesstelle dem Empfänger nicht anzurechnen sind, bedeutet nur, daß solche Einkünfte beim Empfänger zu keiner Einkommensteuerpflicht führen. Diese rein steuerliche Bestimmung ist jedoch auf das Ausgleichszulagenrecht nicht anzuwenden.

Daraus folgt, daß ein Unterhaltsanspruch der Klägerin gegen ihren Sohn bei Feststellung der Ausgleichszulage im Sinne der obigen Ausführungen zu berücksichtigen wäre.

Da von der beklagten Partei lediglich ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch behauptet wurde, wäre daher zu prüfen, ob die Klägerin vom 1. 6. 1977 an gegen ihren Sohn einen solchen Unterhaltsanspruch bis zur Höhe der von ihr jeweils bezogenen bzw begehrten Ausgleichszulage hatte.

Diese wird für die Zeit bis 31. 12. 1977 nach § 154 Satz 2 ABGB in der bis dahin geltenden Fassung vor dem Bundesgesetz über die Neuordnung des Kindschaftsrechts BGBl 1977/403 zu beurteilen sein, wonach, wenn die Eltern in Dürftigkeit verfallen waren, die Kinder sie anständig zu erhalten verbunden waren, seit 1. 1. 1978 nach § 143 ABGB in der seither geltenden Fassung.

Beachtliche Gründe, daß ein allfälliger Unterhaltsanspruch wegen eines Verzichtes der Klägerin bei der Feststellung des Anspruchs auf Ausgleichszulage ohne tatsächliche Unterhaltsleistungen nicht zu berücksichtigen wäre, wurden nicht geltend gemacht. Nur wenn ein Unterhaltsanspruch der Klägerin gegen ihren Sohn zu verneinen wäre, hätten seine im fraglichen Zeitraum tatsächlich erbrachten Leistungen in Geld oder Geldeswert bei Anwendung der Absätze 1 bis 3 des § 149 außer Betracht zu bleiben, weil diese Leistungen dann der privaten Wohlfahrtspflege im Sinne des Abs 4 lit f der zitierten Gesetzesstelle zuzurechnen wären (zur Auslegung der gleichlautenden Bestimmung des § 292 Abs 4 lit f ASVG vgl SSV-NF 2/37 mwN).

Sollte die beklagte Partei der Klägerin vom 1. 6. 1977 bis 31. 8. 1985 die im angefochtenen Bescheid genannten Geldleistungen nicht zu Unrecht erbracht haben, dann hätte sie schon deshalb kein Recht, sie nach § 76 Abs 1 zurückzufordern.

Die von der Klägerin behaupteten Voraussetzungen des Abs 2 lit a dieser Gesetzesstelle bestehen schon deshalb nicht, weil sich diese lit nur auf Leistungen bezieht, die der Versicherungsträger nach dem Zeitpunkt erbracht hat, in dem er erkennen mußte, daß die bisherige Leistung zu Unrecht erbracht worden ist (vgl die die wortgleiche Bestimmung des § 72 Abs 2 lit a BSVG betreffende E SSV-NF 3/96 mwN). Im vorliegenden Fall hat die beklagte Partei die vom angefochtenen Bescheid betroffenen Leistungen schon vier Monate nach dem ersten Hinweis auf eine mögliche Ungebührlichkeit im April 1985 vorsorglich eingestellt, weshalb von September 1985 an keine allenfalls rückforderbaren Leistungen mehr erbracht wurden.

Im Hinblick darauf, daß zwischen April 1985 und der Erlassung des Rückforderungsbescheides am 9. 7. 1987 noch keine drei Jahre vergangen waren, ist das allfällige Rückforderungsrecht der beklagten Partei auch nicht nach § 76 Abs 2 lit b verjährt. Sollte die beklagte Partei der Klägerin in der Zeit vom 1. 6. 1977 bis 31. 8. 1985 die im angefochtenen Bescheid genannten, dann noch nach Art und Höhe festzustellenden Geldleistungen zu Unrecht erbracht haben, dann wäre die Klägerin nur unter den im § 76 Abs 1 genannten Voraussetzungen zum Rückersatz verpflichtet. Diesbezüglich sei darauf hingewiesen, daß es sich bei dem Zuschlag nach dem durch Art I Z 17 lit c der 8. GSVGNov BGBl 1983/591 aufgehobenen § 145 Abs 4 um einen Zuschlag in der Höhe von 30 S monatlich handelte, der ua zu Witwenpensionen an Pensionsberechtigte zu gewähren war, denen der Anspruch auf eine Ausgleichszulage gemäß § 149 zustand, sofern nicht Wohnungsbeihilfe gebührte.

Alle diese nach Inhalt der Prozeßakten dem Revisionsgericht erheblich scheinenden Tatsachen wurden bisher nicht so erschöpfend erörtert und festgestellt, daß eine verläßliche Beurteilung der Streitsache möglich wäre.

Deshalb waren die Urteile der Vorinstanzen im Umfang der Anfechtung nach den §§ 496, 499, 510 Abs 1 und 513 ZPO aufzuheben und die Sache insoweit zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Nach Klärung des wesentlichen Sachverhalts wird bei der neuerlichen Entscheidung über die noch nicht rechtskräftig erledigten Klagebegehren zu berücksichtigen sein, daß für die Zeit vom 1. 6. 1977 bis 31. 8. 1985 über die Pflicht der Klägerin zum Rückersatz der angeblich zu Unrecht ergangenen Geldleistungen in der noch aufzuklärenden Art und Höhe von 63.083,80 S und für die Zeit vom 1. 9. 1985 an über den Bestand und den Umfang des Anspruchs der Klägerin auf die von ihr begehrten Geldleistungen zu entscheiden sein wird (SSV-NF 3/12).

Der Vorbehalt der Entscheidung über den Ersatz der Kosten der Berufungsbeantwortung und der Revisionsbeantwortung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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