Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden wie folgt abgeändert:
"Der Anspruch der Klägerin auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit besteht ab 1. 5. 1997 zu Recht. Die Pension fällt aber mit diesem Tag für die Dauer der Erwerbstätigkeit weg."
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.058,88 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 676,48 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die beklagte Partei lehnte den Antrag der Klägerin vom 24. 4. 1997 auf Zuerkennung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit bzw der Invaliditätspension ab. Nur gegen die Abweisung des Antrages auf Gewährung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit richtet sich nach der unwidersprochen gebliebenen Ansicht der Vorinstanzen die Klage, so daß die Ablehnung des Antrages auf Gewährung der Invaliditätspension als unangefochten unberührt bleiben muß.
Die beklagte Partei hat die Anspruchsvoraussetzungen für die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit sowohl im ablehnenden Bescheid als auch in der Klagebeantwortung nur insofern bestritten, als die Klägerin sowohl die bisherige Tätigkeit als auch noch ausreichende Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten könne. Sie beantragte die Abweisung des Klagebegehrens.
Das Erstgericht stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:
Die Klägerin ist seit 1. 12. 1971 als gewerbliche Hilfskraft im Allgemeinen öffentlichen Krankenhaus K***** vollbeschäftigt tätig. Sie wird als Küchengehilfin verwendet. Das Dienstverhältnis war zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz aufrecht. Die Klägerin war und ist mit sämtlichen anfallenden Küchenhilfsdiensten befaßt. Sie hatte angelieferte Waren einzuräumen und einzuschlichten. Sie war insbesondere zuständig für Molkereiprodukte, Obst, Gemüse und Wurstwarenanlieferungen. Sie arbeitete im Wechsel in zwei Tagschichten. Die Arbeit war überwiegend im Gehen und Stehen zu leisten. Sie war bei ihren Tätigkeiten mit schweren muskulären Beanspruchungen konfrontiert, wenn sie etwa Zuckersäcke, Mehlsäcke und Salzgebinde mit einem Gewicht von je 50 kg zu heben und zu tragen hatte. Sie mußte Milchkannen mit einem Fassungsvermögen von 25 bis 30 l, Getränkegebinde in Kisten, Gemüse in Steigen mit einem Gewicht von 25 bis 30 kg und Wurstlieferungen mit einem Gewicht von 30 bis 35 kg manipulieren. Auch Brot und Gebäck wurden in großen Körben geliefert, die etwa bis zu 200 Semmeln faßten. Bei der Zubereitung der an die Krankenhausinsassen abzugebenden Speiseportionen mußte die Klägerin über die Dauer einer Stunde eine Bandarbeit leisten. Die Gebinde, die die zubereiteten Speisen aufnehmen, werden auf einem Förderband fortbewegt. Jeder Küchenhelfer hat an dem Band seinen Platz und gibt die vorgesehene Menge der von ihm auszugebenden Speise auf das hiefür vorgesehene Geschirr. Die Klägerin hatte auch die Zuckerausgabe für sämtliche Stationen des Krankenhauses zu besorgen. Dazu mußte sie an Wochenendtagen einige Säcke Zucker mit einem Gewicht von jeweils 50 kg manipulieren. Sie hat von Dezember 1971 bis laufend stets diese gleiche dargestellte Tätigkeit ausgeübt. Die Klägerin kann leichte und mittelschwere Arbeiten unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses leisten, soferne ein Gewichtslimit von 25 kg nicht überschritten wird. Arbeiten an exponierten Stellen auf Leitern und Gerüsten, an schnell laufenden Maschinen, Band- und Akkordarbeiten sowie Arbeiten unter ständig erhöhtem Zeitdruck sind ausgeschlossen. Arbeiten im Sitzen oder Stehen sind nicht möglich, wenn dabei Zwangshaltungen ohne Möglichkeit zu Ausgleichsbewegungen eingenommen werden müssen. Die Anmarschwege sind ungestört. Der Zustand besteht seit Antragstellung und ist im wesentlichen nicht besserungsfähig. Eine wechselseitige Potenzierung der Leidenszustände besteht nicht.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Klägerin sei aufgrund ihres Leistungskalküls nicht mehr in der Lage, durch die während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag ausgeübten kalkülsüberschreitenden gleichen oder gleichartigen Tätigkeiten wenigstens die Hälfte des Entgelts zu erwerben, das eine körperlich und geistig gesunde Versicherte regelmäßig durch eine solche Tätigkeit zu erzielen pflegt. Neben dieser Voraussetzung des § 253d ASVG seien auch die weiteren Anspruchsvoraussetzungen dieser Gesetzesstelle gegeben. Die Leistung könne jedoch nicht anfallen, weil nach § 86 Abs 3 Z 2 ASVG auch die Aufgabe der zu Lasten der Gesundheit ausgeübten Tätigkeit, aufgrund welcher die Versicherte als invalid gelte, erforderlich sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge.
Die mit 1. 7. 1996 in Kraft getretene Fassung der Bestimmung des § 86 Abs 3 Z 2 ASVG sollte verhindern, daß neben dem Bezug einer Pension aus den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit die bisherige Tätigkeit weiter ausgeübt werde. Dem Anfall der Pension stehe die weitere Ausübung der Berufstätigkeit durch die Klägerin entgegen. § 253d Abs 2 ASVG sehe nur den Wegfall einer bereits angefallenen Pension vor, so daß er hier nicht anzuwenden sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen im Sinne einer Klagestattgebung abzuändern.
Die beklagte Partei hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.
Die Revision ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Ziel jeglicher Alterspension ist nach dem Willen des Gesetzgebers der Ersatz für verlorengegangenes Erwerbseinkommen, nicht aber, einem Anspruchswerber ein weiteres (zusätzliches) Einkommen zu verschaffen, wenn er sich nicht auch tatsächlich "zur Ruhe" gesetzt hat (SSV-NF 11/16, 12/43; 10 ObS 330/98x). Für die Versicherungsfälle der geminderten Arbeitsfähigkeit sollten durch § 86 Abs 3 Z 2 ASVG idF des Strukturanpassungsgesetzes 1996 Mißbräuche vermieden und verhindert werden, daß neben dem Bezug einer Pension die bisherige Tätigkeit weiterhin ausgeübt wird (72 BlgNR 20. GP, 247). Das zu den anderen Anspruchsvoraussetzungen verlangte zusätzliche Erfordernis der Aufgabe der Tätigkeit, aufgrund welcher die Versicherte als invalid gilt, bezog sich aber nur, wie vor allem aus dem Zusammenhang mit den geänderten Bestimmungen der §§ 254, 255, 256, 273 ASVG entnommen werden kann, auf die bisherigen Versicherungsfälle der geminderten Arbeitsfähigkeit, wie der Invalidität, der Berufsunfähigkeit, der Dienstunfähigkeit (72 BlgNR 20. GP 247 f). Durch § 86 Abs 3 Z 2 ASVG ist in Bezug auf § 253d ASVG daher keine Änderung durch das Strukturanpassungsgesetz 1996 eingetreten, so dass die alte Rechtslage und Judikatur anwendbar ist.
Bei § 253d ASVG handelt es sich um die ab 1. 7. 1993 durch die 51. ASVG-Novelle eingeführte Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit; sohin um eine neue Leistung der Pensionsversicherung, die jedoch weitgehend die besonderen Anspruchsvoraussetzungen der Invaliditätspension gemäß § 255 Abs 4 ASVG und der Berufsunfähigkeitspension gemäß § 273 Abs 3 ASVG zu einer vorzeitigen Alterspension zusammenfaßt, ohne eine Invaliditätspension im Sinne des § 254 ASVG zu sein (SSV-NF 9/31), wobei bedeutende Unterschiede zu den übrigen vorzeitigen Alterspensionen bestehen. Die Gesetzesmaterialien führen hiezu aus, die Leistung werde entsprechend ihrer Zweckbestimmung durch eine ausgeübte Erwerbstätigkeit beeinflußt; wie bei allen vorzeitigen Alterspensionen falle bei einem Erwerbseinkommen über der Geringfügigkeitsgrenze die Pension weg. Entscheidend sei das Erwerbseinkommen, weil verhindert werden soll, daß ein Versicherter für denselben Zeitraum Erwerbseinkommen und Pensionsleistung gleichzeitig beziehe. Während in den Fällen der vorzeitigen Alterspension bei Arbeitslosigkeit und bei langer Versicherungsdauer Voraussetzung ist, daß der Versicherte am Stichtag weder selbständig noch unselbständig erwerbstätig ist, die Ausübung einer Erwerbstätigkeit bei Anfall der Pension daher undenkbar ist, so ist dies anders im Falle der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit. Wird zum Pensionsanfall dieser Leistung auch eine Erwerbstätigkeit ausgeübt und daraus ein Erwerbseinkommen erzielt, das die Geringfügigkeitsgrenze übersteigt, ist (wie dies auch einer Empfehlung des Hauptverbandes entspricht) gleichzeitig mit der Zuerkennung der Pension ein Wegfall auszusprechen (SSV-NF 9/28; 12/53). Die Frage des Anspruchs auf die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Erwerbsfähigkeit ist von der Frage ihres Wegfalls nach § 253d Abs 2 ASVG zu trennen (SSV-NF 12/53).
Daraus folgt, daß der Klägerin ein Anspruch auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit am Stichtag zusteht. Die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen sind nicht bestritten.
Der Umstand, daß die Pension nach § 253d Abs 2 ASVG mit dem Stichtag auch wieder wegfällt, weil die Versicherte eine Erwerbstätigkeit ausübte, ist lediglich ein die Pensionsauszahlung hemmender, nicht von Amts wegen, sondern grundsätzlich nur über Einwendung der beklagten Partei wahrzunehmender Umstand (SSV-NF 12/53).
Die beklagte Partei, für die als Versicherungsträger nicht die erhöhte Anleitungspflicht des § 39 Abs 2 ASGG gilt, hat das Vorbringen der Klägerin in der Tagsatzung vom 8. 6. 1998, daß das Dienstverhältnis weiterhin aufrecht sei (AS 47) unbeachtet gelassen und kein konkretes Vorbringen erstattet, daß die Klägerin eine Erwerbstätigkeit ausübe, die das Entstehen eines Anspruches gemäß § 253b Abs 1 Z 4 ASVG ausschließen würde, so daß die dort angeführten Umstände des Bestehens einer Pflichtversicherung bzw eines Einkommen über dem in § 5 Abs 2 lit c ASVG genannten Betrag nicht vorgebracht wurden (SSV-NF 12/53). Dennoch ist der Umstand, daß die Klägerin lückenlos seit 1971, auch im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz und daher auch am Stichtag in Beschäftigung stand im vorliegenden Fall zu beachten. Die Klägerin hat nämlich ihr auf Leistung lautendes Klagebegehren bereits in der Berufung erkennbar dahin eingeschränkt, daß ihr nur grundsätzlich ein Anspruch auf die begehrte Leistung zusteht, daß diese Leistung aber, nachdem sie am Stichtag in Beschäftigung stand, nur wegfallen kann. Auf Grund dieser in jeder Lage des Verfahrens zulässigen Klageeinschränkung (Rechberger in Rechberger ZPO Rz 13 zu § 238) hat die Klägerin daher ihren Antrag auf Leistung nicht mehr aufrecht erhalten, so daß das Leistungsbegehren auch nicht mehr abzuweisen war.
In diesem Sinne war in Stattgebung der Revision im Ausmaß des eingeschränkten Klagebegehrens Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a, Abs 2 ASGG, wobei für einen Einheitssatz von 120 % keine Grundlage vorhanden ist und die Gebührenfreiheit im § 80 ASGG begründet ist.
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