Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Bescheid der beklagten Partei vom 28. Februar 1986 wurde der Antrag des Klägers vom 23. Oktober 1985 auf Gewährung einer Invaliditätspension abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Klage mit dem Begehren, die beklagte Partei zur Leistung der Invaliditätspension ab dem Stichtag in der gesetzlichen Höhe zu verpflichten. Er brachte vor, daß er an polyradikulärer Lumbalgie bei CT gesicherter Discusprotrusion L 4 / L 5 bzw. L 5 / S 1 und Hypertriglyceridaemie leide und daher nicht in der Lage sei, einer geregelten Beschäftigung nachzugehen, die auf dem Arbeitsmarkt noch bewertet würde. Zu seinem Berufsverlauf führte der Kläger aus, daß er in der maßgeblichen Zeit als Gießereihilfsarbeiter beschäftigt gewesen sei und Berufsschutz nicht genieße.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage und brachte vor, daß der Kläger imstande sei, leichte und mittelschwere Arbeiten ohne Einschränkungen ganztägig zu verrichten und damit verschiedenste auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehende Beschäftigungen ausüben könne.
Das Erstgericht wies das Begehren des Klägers ab, wobei es seiner Entscheidung im wesentlichen nachstehende Feststellungen zugrundelegte:
Die orthopädische Untersuchung ergab, daß beim Kläger der seine Leidenszustände mit deutlicher Aggravierungstendenz schildert, allenfalls eine intermittierende leichte Lumbalgie besteht. Eine im Stehen angegebene Flexionshemmung des Rumpfes ist im Liegen nicht verifizierbar. Angegebene Sensibilitätsstörungen sind segmental nicht zuzuordnen. Eine Zuordnung zu festgestellten Funktionsstörungen im Lumbosakralbereich ist nicht eindeutig möglich. Neurologisch besteht beim Kläger eine funktionelle Bewegungseinschränkung beim Bücken, die mit den neurologisch nachgewiesenen Abnützungserscheinungen der Wirbelsäule mit Schwerpunkt im Bereich der Lendenwirbelsäule zusammenhängen. Zeitweise radikuläre Beschwerden im Bereich L 4 und L 5 links erscheinen glaubhaft. Faßbare Ausfälle in Form von Reflexdifferenzen, Atrophie oder für diese radikulären Beschwerden typische Sensibilitätsstörungen liegen nicht vor. Die internistische Untersuchung ergab eine Grenzwerthypertonie und ein Orthostasesyndrom im Steh-EKG, womit eine gewisse Schwindelneigung beim Bücken erklärbar ist. Insgesamt ist damit der Kläger noch in der Lage, leichte und mittelschwere Arbeiten tagfüllend bei normalen Arbeitspausen in jeder Körperhaltung oder im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen zu verrichten. Schwerarbeiten sind nicht mehr zumutbar. Ein Schutz vor Kälte und Nässe sowie Zugluft ist ratsam. Die Arbeiten können wegen der orthostatischen Schwindelneigung nicht auf absturzgefährdeten Stellen verrichtet werden.
Rechtlich führte das Erstgericht aus, daß der Kläger, der Berufsschutz nicht genieße, noch eine Reihe von leichten körperlichen Arbeiten verrichten könne, wie die Tätigkeit eines Portiers, Garderobewartes oder Platzanweisers, die nur mit geringen körperlichen Beanspruchungen verbunden seien und er darüber hinaus auch imstande sei, als Präger oder Stanzer in einem modernen Fabriksbetrieb zu arbeiten, so daß die Voraussetzungen für die begehrte Leistung nicht erfüllt seien.
Die gegen dieses Urteil erhobene Berufung des Klägers blieb erfolglos.
Das Berufungsgericht erachtete die Mängelrüge nicht für berechtigt und billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß zufolge Verweisbarkeit des Klägers auf den allgemeinen Arbeitsmarkt die gesetzlichen Voraussetzungen für die Invaliditätspension nicht erfüllt seien. Dem Einwand des Klägers, daß er auf Grund seines Wohnsitzes in Kundl, des Wettbewerbes auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und seiner mangelnden Sprachkenntnisse keinen Arbeitsplatz mehr finden könne, komme keine Relevanz zu. Die Lage des Wohnortes des Versicherten sei ebenso wie die konkrete Arbeitsplatzsituation am Wohnort ein persönliches Moment und habe bei der Beurteilung des Invaliditätsbegriffes außer Betracht zu bleiben. Das Vorliegen der Invalidität sei vielmehr unter Bedachtnahme auf den gesamten österreichischen Arbeitsmarkt zu prüfen. Sprachliche Schwierigkeiten könnten ebenfalls nicht berücksichtigt werden; es wäre eine ungerechtfertigte Benachteiligung der österreichischen Versicherten, wenn ein sonst arbeitsfähiger Ausländer wegen mangelnder Sprachkenntnisse vorzeitig als invalid anerkannt würde. Auch die konkrete Arbeitsmarktlage sei unbeachtlich. Die Unmöglichkeit, einen bestimmten zumutbaren Posten zu erlangen, bewirke Arbeitslosigkeit, nicht aber Invalidität oder Berufsunfähigkeit. Das Gesetz kenne keinen konjunkturabhängigen Invaliditätsbegriff. Zutreffend sei daher das Erstgericht unter Annahme der Verweisbarkeit des Klägers auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu einer Abweisung des Klagebegehrens gelangt. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen, rechtlichen Beurteilung mit den Anträgen, es im Sinne der Klagestattgebung abzuändern oder es aufzuheben und die Rechtssache (zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung) an eine der Vorinstanzen zurückzuverweisen.
Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die geltend gemachten Mängel liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Auch die Rechtsrüge ist nicht begründet.
Der körperliche und geistige Zustand des Klägers wurde durch gerichtsärztliche Sachverständige untersucht und ist im festgestellten Gesamtleistungskalkül berücksichtigt. § 255 Abs 3 ASVG normiert, daß ein Versicherter, der nicht überwiegend in erlernten oder angelernten Berufen tätig war, als invalid gilt, wenn er infolge seines körperlichen oder geistigen Zustandes nicht mehr imstande ist, durch eine Tätigkeit, die auf dem Arbeitsmarkt noch bewertet wird und die ihm unter billiger Berücksichtigung, der von ihm ausgeübten Tätigkeiten zugemutet werden kann, wenigstens die Hälfte des Entgeltes zu erwerben, das ein körperlich und geistig gesunder Versicherter regelmäßig durch eine solche Tätigkeit zu erzielen pflegt. Versicherten in ungelernten Berufen gebührt - sofern die Voraussetzungen des § 255 Abs 4 ASVG nicht erfüllt sind - eine Leistung wegen geminderter Arbeitsfähigkeit damit grundsätzlich erst dann, wenn sie nicht mehr imstande sind, eine auf dem Arbeitsmarkt noch bewertete Tätigkeit zu verrichten. Das Verweisungsfeld ist somit mit dem Arbeitsmarkt ident (Schrammel, zur Problematik oder Verweisung in der PV und UV, ZAS 1984, 83, insbesonders 85). Dabei sind jene Berufstätigkeiten auszuscheiden, die auf dem Arbeitsmarkt praktisch nicht mehr vorkommen oder die speziell dem Versicherten nicht offenstehen, weil sie ausschließlich Angehörigen des jeweils anderen Geschlechtes vorbehalten sind. Tätigkeiten, die der Versicherte - abstrakt gesehen - auszuüben in der Lage wäre, die ihm aber schon deshalb kein Erwerbseinkommen verschaffen können, weil es keine oder nur wenige Arbeitsplätze gibt, haben bei der Beurteilung der geminderten Arbeitsfähigkeit außer Betracht zu bleiben. Auf alle anderen Tätigkeiten kann der Versicherte grundsätzlich verwiesen werden (Schrammel aaO., 86). Die Einsatzfähigkeit des Klägers ist nur in geringem Umfang durch den Ausschluß von Schwerarbeiten und Arbeiten an absturzgefährdeten Stellen sowie Arbeiten in Nässe, Kälte und Zugluft eingeschränkt. Der von der Revision - die im übrigen durch den Akteninhalt nicht gedeckt davon ausgeht, daß der Kläger nur leichte Arbeiten verrichten könne - gezogene Schluß, daß Arbeiten, bei denen körperlich schwere Belastungen nicht auftreten, einen höheren Bildungsgrad erfordern, entbehrt jeder Grundlage. Es kann kein Zweifel bestehen, daß am österreichischen Arbeitsmarkt zahlreiche Arbeiten zur Verfügung stehen, die der Kläger unter Berücksichtigung des ärztlichen Leistungskalküls ohne jede Einschränkung inhaltlicher oder zeitlicher Art zu verrichten in der Lage ist. Ein Eingehen auf konkrete Tätigkeiten, die für den Kläger in Frage kommen, erübrigt sich im Hinblick darauf, daß nach dem ärztlichen Leistungskalkül nur ein kleiner Teil der auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehenden Arbeiten überhaupt aus dem Verweisungsfeld ausscheidet. Alle anderen Arbeiten kann der Kläger ohne Einschränkung ausüben und ist damit in der Lage, den kollektivvertraglichen Lohn zu erzielen, womit sich die Frage der Lohnhälfte nicht stellt. Abgesehen davon, daß derartige Arbeiten auch am Wohnort des Klägers zur Verfügung stehen und die Kenntnis der deutschen Sprache dabei nicht erforderlich ist, kommt diesen persönlichen Momenten bei der Entscheidung Bedeutung nicht zu. Bei der Prüfung der Verweisbarkeit ist nicht auf die Situation in einem regional begrenzten Gebiet abzustellen, sondern der Maßstab am gesamten österreichischen Arbeitsmarkt anzulegen, sofern aus medizinischen Gründen gegen eine Wohnortverlegung oder ein Pendeln zum Arbeitsplatz keine Bedenken bestehen; in dieser Richtung bietet das Verfahren keine Anhaltspunkte. Auch die deutschen Sprachkenntnisse bilden kein Kriterium, das gegen die Verweisbarkeit auf einen bestimmten Arbeitsplatz ins Treffen geführt werden kann, weil es anderenfalls - worauf das Berufungsgericht bereits zutreffend verwiesen hat - zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Differenzierung zwischen Ausländern und Inländern käme, da letztere auf alle Arbeiten verwiesen werden könnten, während bei Ausländern, bedingt durch mangelnde Sprachkenntnis, das Verweisungsfeld enger gezogen wäre.
Zutreffend sind die Vorinstanzen damit zum Ergebnis gelangt, daß die Voraussetzungen für die begehrte Leistung nicht erfüllt sind, so daß der Revision ein Erfolg versagt bleiben mußte.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
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