Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekurses der Klägerin sind weitere Verfahrenskosten. Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung
Der Klägerin wurde von der beklagten Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft anlässlich der Geburt ihrer Tochter Leonie am 6. 2. 2002 für den Zeitraum von 1. 1. 2003 bis 31. 12. 2003 Kinderbetreuungsgeld in der Höhe von 5.303,45 EUR (365 Tage à 14,53 EUR) zuerkannt und ausbezahlt.
Laut Einkommensteuerbescheid erzielte die Klägerin im Jahr 2003 aus selbständiger Erwerbstätigkeit Einkünfte in Höhe von 8.743,14 EUR. Im Jahr 2003 wurden ihr Sozialversicherungsbeiträge von 8.671,72 EUR vorgeschrieben. Für die (einkommensteuerliche) Ermittlung ihrer Einkünfte aus selbständiger Arbeit für das Jahr 2003 hat die Klägerin in der Einkommensteuererklärung statt 8.671,72 EUR an Sozialversicherungsbeiträgen nur 4.371,75 EUR berücksichtigt. Auf diese Weise betrug der Gewinn 2003 8.743,14 EUR (statt 4.443,11 EUR). Mit Bescheid vom 22. 10. 2007 widerrief die beklagte Partei die Zuerkennung des Kinderbetreuungsgeldes für den Zeitraum 1. 1. 2003 bis 31. 12. 2003 und verpflichtete die Klägerin zum Rückersatz des Gesamtbetrags von 5.303,45 EUR binnen 4 Wochen. Das maßgebliche Einkommen der Klägerin von 17.414,86 EUR übersteige den Grenzbetrag von 14.600 EUR.
Das Erstgericht sprach aus, dass die Klägerin im Zeitraum 1. 1. 2003 bis 31. 12. 2003 zu Recht Kinderbetreuungsgeld bezogen habe und der Widerruf der Zuerkennung unberechtigt erfolgt sei. Ausgehend von einem Gewinn von 4.443,11 EUR ergebe sich nach Hinzurechnung der Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 8.671,72 EUR ein maßgebliches Einkommen von 13.114,83 EUR, das unter dem Grenzwert von 14.600 EUR liege. Da eine Bindung an den Einkommensteuerbescheid nicht normiert sei, könnten nachträglich hervorgekommene Fehler korrigiert werden. Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge, hob das Ersturteil auf und verwies die Sozialrechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Es hielt die Tatsachenrüge für rechtlich irrelevant, weil das Gericht bei der Ermittlung der maßgeblichen Einkünfte nach dem KBGG und beim Rückersatz an die in einem rechtskräftigen Einkommensteuerbescheid ausgewiesenen Einkünfte gebunden sei. Gegebenenfalls sei im fortgesetzten Verfahren die Rechtskraft des Einkommensteuerbescheids klarzustellen. Im Fall der Rechtskraft des Einkommensteuerbescheids könne es keine Rolle spielen, ob die Klägerin in der Einkommensteuererklärung irrtümlich zu wenig Sozialversicherungsbeiträge geltend gemacht habe. Diesbezügliche Fehler seien im Abgabenverfahren geltend zu machen und könnten nicht dazu führen, dass sich die Zuverdienstgrenze zugunsten der Klägerin verschiebe. Eine neuerliche Aufrollung des Abgabenverfahrens durch den Sozialversicherungsträger sei weder zulässig noch sinnvoll. Die beklagte Partei habe daher zu Recht die sich aus dem Einkommensteuerbescheid 2003 ergebenden steuerlichen Einkünfte (8.743,14 EUR) um die tatsächlich für 2003 vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträge (8.671,72 EUR) erhöht und auf diesem Weg den maßgeblichen Gesamtbetrag der Einkünfte mit 17.414,86 EUR ermittelt. § 8 Abs 1 Z 2 Satz 2 KBGG stelle auf die vorgeschriebenen Beiträge ab. Demnach sei das Klagebegehren abzuweisen und über die Rückzahlungsverpflichtung zu entscheiden, wozu es näherer Feststellungen zur aktuellen Einkommens- und Vermögenssituation der Klägerin bedürfe. Im Übrigen werde das Erstgericht in fortgesetzten Verfahren dem Klagebegehren eine deutlichere Fassung zu geben haben. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, da höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Bindungswirkung von Einkommensteuerbescheiden im Zusammenhang mit der Ermittlung der Zuverdienstgrenze nach dem KBGG und dem Rückersatz von Kinderbetreuungsgeld fehle.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem sinngemäßen Antrag auf Entscheidung in der Sache im Sinne einer Wiederherstellung des klagsstattgebenden Ersturteils.
Die beklagte Partei beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig, weil das Berufungsgericht von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung (10 ObS 61/09g) zur Anrechnung von Sozialversicherungsbeiträgen bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte abgewichen ist; er ist jedoch im Ergebnis nicht berechtigt. Die Rekurswerberin verneint zum einen eine Bindung des Gerichts an die im Einkommensteuerbescheid ausgewiesenen Einkünfte und fordert zum anderen eine Berücksichtigung bloß der auf die Einkünfte im Jahr 2003 entfallenden Sozialversicherungsbeiträge.
Der Senat hat dazu Folgendes erwogen:
Entscheidend ist im vorliegenden Fall, ob der Gesamtbetrag der Einkünfte der Klägerin (§ 8 KBGG) im Jahr 2003 den maßgeblichen Grenzbetrag von 14.600 EUR (§ 2 Abs 1 Z 3 KBGG) überschritten hat. War dies der Fall, ist die Klägerin gemäß § 31 Abs 2 KBGG zum Ersatz des Kinderbetreuungsgeldes verpflichtet.
1. Bei der Beurteilung der Frage, ob die Zuverdienstgrenze überschritten wurde, sind sowohl den Einkünften aus unselbständiger Erwerbstätigkeit als auch den selbständigen Einkünften die Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung hinzuzurechnen. Bei Einkünften aus unselbständiger Erwerbstätigkeit geschieht dies durch eine pauschale Erhöhung der zugeflossenen Einkünfte um 15 % (RV 620 BlgNR 21. GP 62). Nach der für die Klägerin maßgeblichen Bestimmung des § 8 Abs 1 Z 2 KBGG in der Stammfassung sind Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit „mit jenem Betrag zu berücksichtigen, der in die Ermittlung des Einkommens für das betreffende Kalenderjahr eingeht. Einkünfte aus Betätigungen, die Grundlage für Pflichtbeiträge in der gesetzlichen Sozialversicherung darstellen, sind um die darauf entfallenden vorgeschriebenen Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung zu erhöhen".
Der Oberste Gerichtshof hat sich jüngst in der Entscheidung 10 ObS 61/09g ausführlich mit der Frage der Bedeutung der Erhöhung „um die darauf entfallenden vorgeschriebenen Beiträge" befasst und ist zum Ergebnis gelangt, dass die dem Kalenderjahr des Kinderbetreuungsgeldbezugszeitraums zugrunde liegenden Einkünfte um die darauf bezogenen Sozialversicherungsbeiträge (und nicht um die im Jahr 2003 aufgrund des Einkommensteuerbescheids für 2000 vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträge) zu erhöhen ist. Die Wortfolge ist demnach sinngemäß um das Wort „letztlich" zu ergänzen („um die darauf entfallenden, letztlich vorgeschriebenen Beiträge"). Im fortgesetzten Verfahren sind daher Feststellungen dazu zu treffen, welche Sozialversicherungsbeiträge auf die im Jahr 2003 erzielten Einkünfte entfallen.
2. Wenn nun für die Beurteilung der Einkünfte nach § 8 Abs 1 Z 2 KBGG nicht die im Jahr 2003 auf der Grundlage einer vorläufigen Beitragsgrundlage vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträge relevant sind, sondern die auf die endgültige Beitragsgrundlage für das Jahr 2003 bezogenen, ist eine entsprechende Abgrenzung erforderlich, die dazu führt, dass nur die für die Einkünfte der Klägerin im Jahr 2003 anfallenden Sozialversicherungsbeiträge als Betriebsausgaben berücksichtigt werden, nicht aber Sozialversicherungsbeiträge, die zwar im Jahr 2003 vorgeschrieben wurden, sich jedoch auf die im Jahr 2000 erzielten Einkünfte beziehen. In diesem Sinn sind - um zu einem dem Gleichheitssatz entsprechendem Ergebnis zu gelangen - die Werte in der Einnahmen-/Ausgaben- bzw Gewinn- und Verlustrechnung zu korrigieren, indem allenfalls abgezogene Sozialversicherungsbeiträge, die im Jahr 2003 vorgeschrieben wurden, dem Gewinn wiederum hinzuzurechnen sind.
3. Mit der unter 2. angeführten Vorgangsweise wird nicht in die Rechtskraft des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2003 eingegriffen, sondern es wird der Betrag der Einkünfte an die Erfordernisse bei der Ermittlung des für den Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld maßgeblichen Gesamtbetrags der Einkünfte adaptiert.
Sind aber die im Jahr 2003 vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträge bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte neutral zu behandeln, stellt sich die vom Berufungsgericht als erheblich angesehene Rechtsfrage der Bindung an die Beträge im Einkommensteuerbescheid für 2003 nicht.
4. Im Ergebnis ist daher der Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts zu bestätigen; dem Rekurs der Klägerin kommt keine Berechtigung zu.
5. Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Rechtsmittelkosten der Klägerin gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO. Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung gemäß § 77 Abs 1 Z 1 ASGG unabhängig vom Verfahrensausgang selbst zu tragen.
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