Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das der Klage stattgebende Urteil des Erstgerichtes zur Gänze wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit S 3.623,04 bestimmten Revisionskosten (darin S 603,84 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 13.12.1930 geborene Kläger, der am 13.12.1990 sein 60. Lebensjahr vollendete, stellte am 29.11.1990 bei der beklagten Sozialversicherungsanstalt der Bauern einen Antrag auf Gewährung der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 5.3.1991 mit der Begründung abgelehnt, daß der Kläger am Stichtag (1.1.1991) einen landwirtschaftlichen Betrieb mit einem Einheitswert von 71.000 S auf seine Rechnung und Gefahr führe und dadurch eine Erwerbstätigkeit ausübe, welche die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem BSVG begründe. Es seien daher nicht alle Voraussetzungen für den Pensionsanspruch erfüllt.
Am 10.3.1991 richtete der Kläger an die beklagte Partei ein dort am 13.3.1991 eingelangtes Schreiben mit folgendem Inhalt:
"Betrifft: Pensionsantrag. Ich teile Ihnen mit, daß sich bei uns alles gründlich geändert hat. Ich ersuche daher um Wiederaufnahme meines Verfahrens. Die Grundstücke PZ Nr 254 und 255 (5667 m2) konnte ich verkaufen. Die Durchführung ist noch nicht beendet. Ein Flurbereinigungsübereinkommen liegt bei. Für die Grundstücke in Oberdrosen PZ Nr 15 Haus und Hof (1032 m2), sowie die PZ Nr 16 Garten (1048 m2) sind noch Verkaufsverhandlungen im Gange und für den Rest der Wirtschaft haben wir zwei Pächter gefunden. Der Pachtvertrag im Original liegt ebenfall bei".
Aufgrund dieses Antrages wurden dem Kläger mit Bescheid der beklagten Partei vom 12.4.1991 folgende Leistung zuerkannt: Ab 1.4.1991 eine vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer und eine Ausgleichszulage. In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, daß der Kläger die Voraussetzungen für eine vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer am Stichtag, das sei der 1.4.1991, erfüllt habe. Die Pension falle mit dem Stichtag an, da die Anspruchsvoraussetzungen bereits am 1.1.1991 erfüllt gewesen seien und der Pensionsantrag nicht binnen einem Monat nach Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen gestellt worden sei.
Am 7.6.1991 brachte der Kläger beim Erstgericht eine auf Leistung der vorzeitigen Alterspension im gesetzlichen Ausmaß ab 1.1.1991 gerichtete Klage ein, in der er ausführte, er habe mit Pachtvertrag vom 4.3.1991 mit Wirksamkeit vom 1.1.1991 seine land- und forstwirtschaftlichen Gründe verpachtet, sei daher aus der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung ausgeschieden, während sein Sohn und dessen Verlobte als Pächter des Betriebes ab Jänner 1991 in die Pflichtversicherung einbezogen worden seien. Er habe daher zum Stichtag 1.1.1991 die Voraussetzung der Betriebsaufgabe erfüllt.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage im wesentlichen mit der Begründung, der Kläger sei am 20.12.1990 mit einem Formblatt ersucht worden, den Vertrag über die Aufgabe der selbständigen Erwerbstätigkeit vorzulegen; dieses Formblatt sei mit dem Vermerk, daß es noch keinen Betriebsnachfolger gebe, an die beklagte Partei zurückgeschickt worden, wo es am 13.2.1991 eingelangt sei.
In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 26.8.1991 brachte der Kläger vor, daß ihm die beklagte Partei mit Bescheid vom 12.4.1991 aufgrund seines Antrages vom 13.3.1991 die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer ab 1.4.1991 gewährt habe. Außer Streit gestellt wurde, daß die beklagte Partei den Kläger ab 1.1.1991 aus der Pflichtversicherung ausschied und ihm auch die Pensionsbeiträge ab 1.1.1991 rückerstattete.
Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, dem Kläger ab 1.1.1991 eine vorzeitige Alterspension im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren. Es führte aus, das Vorliegen aller Voraussetzungen für einen Anspruch auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer ab 1.1.1991 sei unbestritten. Gemäß § 122 BSVG stünde dem Kläger daher der Anspruch ab 1.1.1991 zu.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß das Klagebegehren auf Gewährung einer vorzeitigen Alterspension im gesetzlichen Ausmaß für den Zeitraum 1.1. bis 31.3.1991 abgewiesen wurde. Der Kläger habe noch im Feber 1991 der beklagten Partei mitgeteilt, es gebe noch keinen Betriebsnachfolger. Erst am 13.3.1991 habe er mitgeteilt, er ersuche um Wiederaufnahme seines Verfahrens, es sei inzwischen die Übergabe der Landwirtschaft erfolgt. § 182 BSVG verweise hinsichtlich des Verfahrens auf den 7.Teil des ASVG, damit auch auf § 357 ASVG. Die damit anwendbare Bestimmung des § 69 AVG über die Wiederaufnahme des Verfahrens könne im vorliegenden Fall nicht zur Durchbrechung des Antragsprinzipes führen, zumal die Voraussetzungen einer Wiederaufnahme nicht gegeben seien. Insbesondere liege der Wiederaufnahmsgrund des Hervorkommens neuer Tatsachen oder Beweismittel nicht vor. Die in der Berufung zitierte Entscheidung SSV-NF 4/152 betreffe einen insoweit anders gelagerten Sachverhalt, als dort über denselben Anspruch zwei Bescheide ergangen seien. Hier seien zwei unterschiedliche Anträge gegeben, nämlich der diesem Verfahren zugrundeliegende vom 29.11.1990 und der durch die "Ergänzung" vom 13.3.1991 ausgelöste, der zum stattgebenden Bescheid vom 12.4.1991 geführt habe. Abgesehen vom Grundsatz des Vorranges der Sacherledigung sei das Rechtsschutzinteresse des Klägers für den Zeitraum 1.1. bis 31.3.1991 unabhängig von einer Streitanhängkeit "jedenfalls gegeben", aber zufolge der bis zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht vorgelegten Unterlagen "nicht begründet". Es gehe nicht nur um die nachfolgende Beurkundung eines vorher schon gegebenen Sachverhaltes, sondern der Kläger habe noch im Feber 1991 mitgeteilt, es gebe noch keinen Betriebsnachfolger. Durch die rückwirkende Einsetzung eines solchen könne aber das dem Sozialversicherungsrecht zugrundeliegende Antragsprinzip nicht durchbrochen werden.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Klägers ist berechtigt.
Der Kläger führt in seinem Rechtsmittel aus, das Berufungsgericht habe außer acht gelassen, daß er zwar sehr wohl einen Betriebsnachfolger gehabt habe, daß jedoch vorerst die schriftliche Errichtung eines Pachtvertrages deshalb nicht möglich gewesen sei, weil der Betriebsnachfolger bis Mitte März als Saisonarbeiter (Kellner) tätig gewesen sei. Die beklagte Partei habe außer Streit gestellt, daß aufgrund der nachträglichen Zusendung des schriftlichen
Pachtvertrages eine Ausscheidung des Klägers aus der Pflichtversicherung bereits per 1.1.1991 vorgenommen worden sei. Mit demselben Datum sei der neue Pächter und Betriebsnachfolger in die Pflichtversicherung einbezogen worden. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer vorzeitigen Alterspension seien somit mit 1.1.1991 eingetreten.
Es trifft zu, daß im vorliegenden Fall die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen für die vorzeitige Alterspension mit 1.1.1991 gar nicht strittig ist, vielmehr von der beklagten Partei ausdrücklich zugestanden wurde. Folgerichtig wurde auch der Kläger mit diesem Datum aus der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem BSVG ausgeschieden. Mit der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen ist allerdings noch nichts über den Anfall der Leistungen gesagt. Direktpensionen aus der Pensionsversicherung fallen gemäß § 51 Abs 2 Z 2 BSVG mit Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen an, wenn sie auf einen Monatsersten fällt, sonst mit dem der Erfüllung der Voraussetzungen folgenden Monatsersten, sofern die Pension binnen einem Monat nach Erfüllung der Voraussetzungen beantragt wird. Wird der Antrag auf die Pension erst nach Ablauf dieser Frist gestellt, so fällt die Pension mit dem Stichtag an (vgl die in Teschner, Sozialversicherung der Bauern 24. ErgLfg 124/1 in Anm 8 a gegebenen Beispiele). Diese Bestimmung verwirklicht das Antragsprinzip dahin, daß ein rückwirkender Pensionsanfall nur dann erfolgen kann, wenn der Antrag binnen einem Monat nach Erfüllung der Voraussetzungen beantragt wird. Andernfalls soll die Pension erst mit dem späteren Stichtag anfallen, also dem auf die Antragstellung folgenden Monatsersten.
Daraus darf aber nicht geschlossen werden, daß ein Pensionsantrag immer erst nach Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen gestellt werden kann. Die Antragstellung ist nach herrschender Auffassung nicht (materielle) Voraussetzung für die Entstehung des Anspruches; sie ist nur in Fällen, in denen Leistungen nur auf Antrag festgestellt werden (§ 361 Abs 1 Z 1 ASVG), Voraussetzung für die Leistungspflicht des Versicherungsträgers und bestimmt in den Fällen des § 51 Abs 2 BSVG (§ 86 Abs 3 ASVG) den Beginn der Leistungsgewährung (Teschner, MGA ASVG 46.ErgLfg 516 Anm 1 zu § 85; MGA BSVG 24.ErgLfg 120 Anm 2 zu § 50 jeweils mit Hinweis auf das Gutachten des Oberlandesgerichtes Wien vom 21.12.1956, Jv 14.280-2/56, AN 1957,195). Sieht der Gesetzgeber vor, daß bestimmte Leistungen ausschließlich auf Antrag gewährt werden, so gibt erst der Antrag des Versicherten dem Versicherungsträger das Recht, die Leistung zu erbringen (Schrammel in Tomandl, SV-System 5.ErgLfg 145 f, SSV-NF 2/52; 10 Ob S 107/92 = SSV-NF 6/58 - in Druck). Wird ein Antrag bereits vor Entstehung des Leistungsanspruches gestellt, dann fällt die Pension mit der Erfüllung der Voraussetzungen für diese Leistung an. Das Gesetz geht nicht davon aus, daß Anträge auf Alterspension erst nach Einritt des Versicherungsfalles gestellt werden (so aber Oberlandesgericht Wien SVSlg 26.190): Nach § 86 Abs 3 ASVG idF vor der 41.Nov (§ 51 Abs 2 BSVG idF vor der 9.Nov) fielen Direktpensionen aus der Pensionsversicherung ausnahmslos mit dem Stichtag an, was in vielen Fällen geradezu eine vorzeitige Antragstellung erforderte, um nicht der Pensionsleistung zumindest in der Dauer eines Monates verlustig zu gehen. In den Materialien zur
41. ASVGNov (774 BlgNR 16.GP 36) wurde zutreffend darauf hingewiesen, daß Leistungsempfänger nicht selten eine Monatspension verloren, wenn Pensionsanträge mit der Post übermittelt wurden und erst einige Tage nach dem Monatsersten, der als Stichtag vorgesehen war, beim Pensionsversicherungsträger einlangten, und daß dies zur Folge hatte, daß für einen Monat die Pensionsauszahlung nicht vorgenommen werden konnte, obwohl alle Anspruchsvoraussetzungen hiefür gegeben waren. Um die Nachteile einer solcherart "verspäteten" Antragstellung auszuschließen, wurde der Pensionsanfall für Direktpensionen durch die 41.ASVGNov (9.BSVGNov) neu geregelt. Daß nach der nunmehrigen Rechtslage eine Antragstellung binnen einem Monat nach Erfüllung der Voraussetzungen ohne Nachteil erfolgen kann, besagt nicht, daß die vorher erfolgte Antragstellung unzulässig wäre. Der Ansicht, daß die - positive - Behandlung von Pensionsanträgen, die vor Eintritt des Versicherungsfalles einlangen, ein Entgegenkommen des Versicherungsträgers darstelle (so OLG Wien SVSlg 26.190), kann nicht beigestimmt werden.
Daß der Antrag auf Alterspension schon vor dem Eintritt des Versicherungsfalles (das ist gemäß § 104 Abs 1 Z 1 BSVG bzw § 223 Abs 1 Z 1 ASVG die Erreichung des Anfallsalters) wirksam gestellt werden kann, ergibt sich schließlich aus der Stichtagsregelung des § 104 Abs 2 BSVG bzw § 223 Abs 2 ASVG, wonach dann, wenn der Antrag auf eine Leistung nach § 104 Abs 1 Z 1 oder 2 BSVG bzw § 223 Abs 1 Z 1 oder 2 ASVG erst nach Eintritt des Versicherungsfalles gestellt wird, Stichtag der Zeitpunkt der Antragstellung, wenn er auf einen Monatsersten fällt, sonst der dem Zeitpunkt der Antragstellung folgende Monatserste ist. Auch die Regelung des § 112 Z 6 BSVG bzw § 234 Abs 1 Z 1 ASVG über neutrale Zeiten liegt auf dieser Linie. Da der Stichtag auch mit dem Zeitpunkt des Anfalls der Alterspension (§ 51 Abs 2 Z 2 BSVG bzw § 86 Abs 3 Z 2 ASVG) unmittelbar nichts zu tun hat und weder § 51 Abs 2 BSVG noch § 104 Abs 2 BSVG ausschließen, daß der Antrag auf Alterspension vor Eintritt des Versicherungsfalles gestellt wurde, muß abgeleitet werden, daß eine solche Antragstellung zulässig ist (ebenso Kaltenbrunner, Versicherungsfall und Stichtag in der Pensionsversicherung, VersRdSch 1962, 219 [221]; aA Wihl aaO 154 [157]).
Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, dann kann bei Erfüllung der (materiellen) Anspruchsvoraussetzungen zum 1.1.1991, die unstrittig ist, das Klagebegehren nicht mit der Begründung abgewiesen werden, daß der Kläger den Pensionsantrag bereits am 29.11.1990 und nicht etwa in der Zeit vom 1. bis 31.1.1991 stellte (§ 51 Abs 2 Z 2 BSVG).
Auch die vom Berufungsgericht herangezogenen Abweisungsgründe tragen nicht. Ob ein tauglicher Wiederaufnahmsgrund vorliege, ist im Verfahren vor den Sozialgerichten nicht zu untersuchen (vgl SSV-NF 1/58 = EvBl 1988/40). Es ist auch nicht entscheidend, daß der Kläger noch im Feber 1991 der beklagten Partei mitteilte, es gäbe noch keinen Betriebsnachfolger. Gegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens war das Begehren auf Zahlung einer Pension, nicht jedoch die Überprüfung eines Bescheides der beklagten Partei (Fasching, ZPR2 Rz 2297 Kuderna, ASGG 357,368), weshalb ohne Bedeutung ist, ob der Bescheid (im Zeitpunkt seiner Erlassung) zu Recht erging. Schließlich kann auch von einer "Durchbrechung des Antragsprinzips" keine Rede sein, weil der Kläger schon im November 1990 einen Antrag gestellt hatte. Ob die Verpachtung mit "rückwirkender Einsetzung" eines Pächters möglich ist, braucht hier nicht geprüft zu werden, weil die Anspruchsvoraussetzungen nach § 122 Abs 1 BSVG zum 1.1.1991 unstrittig gegeben sind.
In Stattgebung der Revision des Klägers war daher das erstinstanzliche Urteil zur Gänze wiederherzustellen. Dabei war davon auszugehen, daß die im Juni 1991 eingebrachte, auf Zahlung der Pension ab 1.1.1991 gerichtete Klage sowohl den Bescheid vom 5.3.1991, als auch den vom 12.4.1991 betraf, daher beide Bescheide im Umfang des Klagebegehrens außer Kraft setzte (§ 71 Abs 1 ASGG). Die ab 1.1.1991 gebührende Pension war daher unbefristet zuzusprechen. Die Unterlassung der Auferlegung einer vorläufigen Zahlung nach § 89 Abs 2 ASGG ist ungerügt geblieben (SSV-NF 4/4 = SZ 63/5; ZAS 1992,88 [Klicka]).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG. Die Bemessungsgrundlage beträgt allerdings nur 50.000 S (§ 77 Abs 2 ASGG).
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