European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:010OBS00115.22T.1122.000
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat die Kosten des Rekursverfahrens selbst zu tragen.
Begründung:
[1] Mit Bescheid vom 17. 12. 2020 anerkannte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt den Anspruch der Klägerin auf Berufsunfähigkeitspension ab 1. 11. 2020 und sprach aus, dass die Pension inklusive eines Kinderzuschusses für zwei Kinder monatlich 1.935,89 EUR betrage.
[2] Die Klägerin begehrte mit ihrer dagegen erhobenen Klage die Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension im höchstmöglich gesetzlichen Ausmaß. Sie begehrte weiters, die Beklagte schuldig zu erkennen, „der klagenden Partei Berufsschutz im Sinne des § 255 Abs 1 in Verbindung mit § 273 Abs 1 ASVG zuzusprechen“.
[3] Das Erstgericht wiederholte mit Urteil den angefochtenen Bescheid und wies das Mehrbegehren auf Zuerkennung einer höheren Berufsunfähigkeitspension ab. In diesem Umfang erwuchs seine Entscheidung mangels Anfechtung in Rechtskraft.
[4] Das Erstgericht wies weiters mit Urteil das Klagebegehren auf Zuspruch von Berufsschutz im Sinn der §§ 255 Abs 1 iVm 273 Abs 1 ASVG ab.
[5] Aus Anlass der Berufung der Klägerin hob das Berufungsgericht mit Beschluss das angefochtene Urteil, soweit es das Feststellungsbegehren betrifft, und insoweit auch das vorangegangene Verfahren, als nichtig auf und wies die Klage in diesem Umfang zurück. Über ein Feststellungsbegehren im Sinn des § 65 Abs 2 ASGG könne das Sozialgericht nach dem Grundsatz der sukzessiven Kompetenz nur dann entscheiden, wenn die Bestimmungen über das Verfahren vor dem Versicherungsträger eine entsprechende Feststellungsentscheidung in Leistungssachen vorsähen. § 367 Abs 4 ASVG biete keine Grundlage für die begehrte Feststellung eines Berufsschutzes, weil der Klägerin die Berufsunfähigkeitspension zuerkannt worden sei.
[6] Gegen diese Entscheidung richtet sich der von der Beklagten nicht beantwortete Rekurs der Klägerin, mit dem sie die Feststellung von Berufsschutz anstrebt.
Rechtliche Beurteilung
[7] Der Rekurs ist zulässig (RIS‑Justiz RS0043861; RS0043882 [T11]; A. Kodek in Rechberger / Klicka, ZPO5, § 519 Rz 8), er ist jedoch nicht berechtigt.
[8] 1. Die zutreffende Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die Sozialgerichte nach dem Grundsatz der sukzessiven Kompetenz über ein Feststellungsbegehren (§ 65 Abs 2 ASGG) nur dann entscheiden können, wenn die Bestimmungen über das Verfahren vor dem Versicherungsträger eine entsprechende Feststellungsentscheidung in Leistungssachen vorsehen (§ 367 Abs 1 und 2 ASVG; RS0085830), stellt die Rekurswerberin nicht in Frage.
[9] 2. § 367 Abs 4 Z 1 ASVG sieht die von der Klägerin erkennbar begehrte Feststellung, dass Invalidität (Berufsunfähigkeit) im Sinn des § 255 Abs 1 oder 2 (§ 273 Abs 1) ASVG vorliegt, nur dann vor, wenn eine beantragte Leistung aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit abgelehnt wird, weil dauernde Invalidität (§ 254 ASVG) oder dauernde Berufsunfähigkeit (§ 271 ASVG) aufgrund des körperlichen oder geistigen Zustands nicht anzunehmen ist. Diese Feststellung hat der Versicherungsträger von Amts wegen zu treffen, wenn nach § 255a (§§ 273a, 280a) ASVG festgestellt wird, dass die Invalidität (Berufsunfähigkeit) voraussichtlich nicht dauerhaft vorliegt (§ 367 Abs 4 Satz 2 ASVG). Eine derartige Feststellung kann bei Anspruch auf Rehabilitationsgeld auch erst im Bescheid zur Entziehung von Rehabilitationsgeld (§ 99 Abs 3 Z 1 lit b ASVG) erfolgen (§ 367 Abs 4 Satz 3 ASVG). Keiner dieser Fälle ist hier verwirklicht, weil der Klägerin die Berufsunfähigkeitspension zuerkannt wurde, was unter anderem das Vorliegen voraussichtlich dauerhafter Berufsunfähigkeit voraussetzt und weiters, dass kein Rechtsanspruch auf zumutbare und zweckmäßige berufliche Maßnahmen der Rehabilitation im Sinn des § 270a ASVG besteht (§ 271 Abs 1 Z 1 und Z 2 ASVG).
[10] 3. Dem Argument der Klägerin, dass sich aus der Gesamtsystematik der mit dem SRÄG 2012 geänderten „Berufsunfähigkeits‑ und Rehabilitationsgeldthematik des ASVG“ ergeben müsse, dass der Versicherte auch bei Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension einen Anspruch auf Feststellung des Berufsschutzes haben müsse, fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage: Die Frage des Berufsschutzes ist, worauf die Beklagte bereits im Verfahren erster Instanz hingewiesen hat, lediglich eine Vorfrage zur Beurteilung des Vorliegens von Berufsunfähigkeit, die im Fall der Klägerin ohnedies bejaht wurde. Daher ist auch aus dem Hinweis der Klägerin auf (gemeint offenbar:) § 354 Z 4a ASVG nichts für ihren Standpunkt zu gewinnen.
[11] Auf die weiteren Ausführungen des Rekurses, aus welchen Gründen die Klägerin meint, Berufsschutz zu genießen, ist deshalb nicht einzugehen.
[12] Dem Rekurs ist daher nicht Folge zu geben.
[13] Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen ausnahmsweisen Kostenzuspruch nach Billigkeit wurden nicht dargetan und sind auch aus der Aktenlage nicht ersichtlich.
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