Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.
Die Sozialrechtssache wird zur Verhandlung und Entscheidung an
das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten der Revision sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Mit Bescheid vom 25.7.1989 lehnte die beklagte Partei den Antrag der Klägerin vom 10.5.1989 auf Erwerbsunfähigkeitspension mangels dauernder Erwerbsunfähigkeit iS des § 124 BSVG ab.
Die dagegen rechtzeitig erhobene, auf die abgelehnte Leistung im gesetzlichen Ausmaß vom 1.6.1989 an gerichtete Klage stützt sich darauf, daß die Klägerin wegen Herzbeschwerden und starker Abnützungen der Wirbelsäule ihren landwirtschaftlichen Betrieb nicht mehr führen könne.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage, weil die Klägerin, die noch eine die Pflichtversicherung nach dem BSVG begründende Erwerbstätigkeit ausübe (Einheitswert 27.000 S) nicht dauernd erwerbsunfähig sei.
Das Erstgericht erkannte das Klagebegehren als dem Grunde nach zu Recht bestehend und trug der beklagten Partei auf, der Klägerin vom 1.5.1990 bis zur Erlassung des die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheides eine vorläufige Zahlung von 3.000 S monatlich zu erbringen.
Nach den wesentlichen Feststellungen führt die Klägerin, die seit 1.5.1989 von der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter eine Witwenpension von 4.453,10 S bezieht, seit 1970 einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb (Einheitswert: 27.000 S), der aus je einem Joch (57,57 a) Weingarten und Acker besteht. Im Weingarten besteht eine Mittelkultur, der Acker wird mit Mais oder Gerste bebaut. Im Weingarten wurden alle händischen Arbeiten von der Klägerin, die Traktorarbeiten von ihrem Schwiegersohn durchgeführt. Für die Ackerarbeiten nahm die Klägerin einen Arbeiter auf, dem sie dafür in dessen Weingarten "zurückhelfen" mußte.
Mit dem im einzelnen festgestellten, seit der Antragstellung bestehenden und nicht wesentlich besserungsfähigen Gesundheitszustand kann die am 19.12.1931 geborene Klägerin während der üblichen Arbeitszeit mit den üblichen Pausen leichte und mittelschwere Arbeiten im Sitzen, Stehen und Gehen verrichten, bei denen sie keine mehr als 10 kg schwere Lasten heben oder tragen muß und bei denen sie nicht häufiger oder länger in gebückter Haltung arbeiten muß. Sie kann den Arbeitsplatz erreichen.
Von einem Land- und Forstwirt werden leichte, mittelschwere und fallweise schwere Arbeiten in allen Körperhaltungen und fallweise, vor allem in der gesamten Erntezeit, unter besonderem Zeit- und Leistungsdruck gefordert. Er ist der Witterung ausgesetzt; seine Tätigkeit ist auch von der Witterung abhängig. Es werden von ihm physische Ausdauer bei langer Tagesarbeitszeit, Selbständigkeit, Organisationsvermögen und technisches Verständnis gefordert.
Die Klägerin kann die von ihr zuletzt durch mindestens 60 Kalendermonate ausgeübte selbständige Erwerbstätigkeit nicht mehr vollständig ausüben. Sie ist insbesondere nicht mehr imstande, die mit schwerer körperlicher Belastung verbundenen Arbeiten in den Weingärten zu verrichten. Die Einstellung oder fallweise Einstellung einer Ersatzarbeitskraft würde die Führung ihres Betriebes unwirtschaftlich machen, weshalb ihre persönliche Arbeitsleistung notwendig sei. Ähnliche Betriebe, die eine Mitarbeit der Klägerin in einem ihr noch zumutbaren Maß zulassen und noch wirtschaftlich zu führen wären, gibt es - wenn überhaupt - nur in zu vernachlässigender Zahl.
Die Klägerin hat die Wartezeit erfüllt.
Daraus zog das Erstgericht den rechtlichen Schluß, daß die Klägerin dauernd erwerbsunfähig iS des § 124 (Abs 2) BSVG sei, weshalb sie nach § 123 Abs 1 leg cit vom 1.6.1989 an Anspruch auf die begehrte Erwerbsunfähigkeitspension habe.
Dagegen erhob die beklagte Partei Berufung wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, weil die Klägerin wegen ihrer Leistungsfähigkeit und der (geringen) Größe ihres landwirtschaftlichen Betriebes diesen wie in den letzten fünf Jahren unter Mithilfe ihrer Töchter, ihres Schwiegersohnes bzw anderer Personen weiterführen könnte. Sie könne nämlich noch leichte und mittelschwere Arbeiten verrichten und habe in ihrem Betrieb keine schweren Arbeiten leisten müssen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil durch Abweisung der Klage ab.
Weil die Klägerin schon bisher dadurch eine Arbeitsteilung bei der Bewirtschaftung ihrer kleinen Landwirtschaft gehabt habe, daß ihr ein Arbeiter, dem sie dafür im Weingarten "zurückhalf", und ihre Töchter bzw ihr Schwiegersohn halfen, sei ihr diese Form der Bewirtschaftung auch noch bei vermindertem Leistungskalkül zumutbar. Bei dieser Form der Arbeitsteilung könne die Klägerin schwere Arbeiten im Austausch gegen leichtere Arbeiten im Weingarten des ihr helfenden Arbeiters vermeiden. Dies gelte sinngemäß auch für die Mithilfe der Töchter und des Schwiegersohnes, die nicht einmal einen Ausgleich in Form eines "Zurückhelfens" verlangten. Eine Belastung unentgeltlich mithelfender Familienangebhöriger solle zwar nicht zur Entlastung des Sozialversicherungsträgers führen, doch habe die Klägerin nicht einmal behauptet, daß ihr zur Vermeidung schwerer Arbeiten ein "Zurückhelfen" gegenüber den Angehörigen nicht möglich wäre. Ein erweitertes "Zurückhelfen" wäre ihr umso leichter möglich, als sie mangels einer ohnehin schwer vorstellbaren Auslastung iS einer Vollbeschäftigung durch den nur 2 Joch großen Betrieb zeitliche Kapazitäten habe, in denen sie für die ihre schweren Arbeiten abnehmenden Helfer mittelschwere und leichte Arbeiten leisten könne.
Dagegen richtet sich die nicht beantwortete Revision der Klägerin wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit den Anträgen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur Verhandlung und Entscheidung an eine Vorinstanz zurückzuverweisen oder es allenfalls im klagestattgebenden Sinne abzuändern.
Rechtliche Beurteilung
Die nach § 46 Abs 3 ASGG auch bei Fehlen der Voraussetzungen des Abs 1 leg cit zulässige Revision ist berechtigt.
Die Revisionswerberin macht geltend, sie habe den landwirtschaftlichen Betrieb nur unter Mithilfe anderer Personen führen können, aber den überwiegenden Teil der Arbeit selbst durchgeführt, so daß ihr ein "Zurückhelfen" in begrenztem Ausmaß möglich gewesen sei. Nunmehr sei ihre Erwerbsfähigkeit so gesunken, daß die Mitarbeit anderer in einem Maß erforderlich würde, das in der Praxis nicht möglich sei und auch nicht mehr durch entsprechendes "Zurückhelfen" ausgeglichen werden könne. Die Fülle der Gegenleistungen würde nämlich die Leistungsfähigkeit der Klägerin bei weitem übersteigen. Es kämen öfter Arbeiten vor, die sofort zu bewerkstelligen wären, die sie aber nicht verrichten könne und für die sie Hilfe brauche. Landwirtschaftliche Sachverständige hätten in ähnlichen Fällen festgestellt, daß es nicht möglich sei, Arbeiten (zB in Weingärten) zu unterbrechen, um aus der Nachbarschaft Hilfe zu holen. Für solche und ähnliche Arbeiten müßte die Klägerin eine Ersatzarbeitskraft einstellen, die aber mangels Vollbeschäftigung nicht zu erhalten sei, aber auch wirtschaftlich nicht verkraftbar wäre. Die Feststellungen, wie solche Arbeiten, wenn überhaupt, zu kompensieren wären, "könnten nur durch einen landwirtschaftlichen Sachverständigen festgestellt werden". Das Berufungsgericht habe "diese" Möglichkeit (nämlich die Möglichkeit des wirtschaftlichen Einsatzes einer Hilfskraft) ohne weitere Prüfung angenommen, obwohl im erstinstanzlichen Verfahren diesbezüglich keine Feststellungen getroffen worden seien, und ohne daß dies durch irgendein Gutachten verifiziert worden sei. Darin könne nur eine Mangelhaftigkeit erblickt werden, die eine richtige rechtliche Beurteilung nicht zulasse.
(Bei den in der Folge ohne Gesetzesangaben zit Paragraphen handelt es sich um solche des BSVG.)
Anspruch auf Erwerbsunfähigkeitspension hat der Versicherte bei dauernder Erwerbsunfähigkeit, wenn die Wartezeit (§ 111) erfüllt ist und die für den Versicherten in Betracht kommende weitere Voraussetzung des § 121 Abs 2 zutrifft (§ 123 Abs 1). Nach dem bezogenen § 121 Abs 2 ist weitere Voraussetzung für den Pensionsanspruch, daß der (die) Versicherte am Stichtag keine die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem BSVG begründende Erwerbstätigkeit ausübt.
Nach § 2 Abs 1 Z 1 sind auf Grund des BSVG, soweit es sich um natürliche Personen handelt, in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Personen pflichtversichert, die auf ihre Rechnung und Gefahr einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb iS der Bestimmungen des Landarbeitsgesetzes 1984, BGBl 287, führen oder auf deren Rechnung und Gefahr ein solcher Betrieb geführt wird. Nach § 2 Abs 3 iVm Abs 2 besteht für die im § 2 Abs 1 Z 1 leg cit genannten Personen die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung, wenn der nach dem Bewertungsgesetz 1955, BGBl 148, in der jeweils geltenden Fassung festgestellte Einheitswert des land(forst)wirtschaftlichen Betriebes 33.000 S nicht übersteigt oder für den Betrieb von den Finanzbehörden ein Einheitswert des land(forst)wirtschaftlichen Vermögens gemäß den §§ 29 bis 50 BewG nicht festgestellt wird, nur, wenn sie aus dem Etrag des Betriebes überwiegend ihren Lebensunterhalt bestreiten.
Da der Einheitswert des landwirtschaftlichen Betriebes der Klägerin 33.000 S nicht übersteigt, wäre diese am Stichtag (1.6.1989) in der Pensionsversicherung nach dem BSVG nur dann pflichtversichert gewesen, wenn sie ihren Lebensunterhalt überwiegend aus dem Ertrag des Betriebes bestritten hätte. Daß dies nicht der Fall war, ist wegen der geringen Betriebsfläche und der Bewirtschaftungsart (ein Joch Weingartenmittelkultur und ein Joch mit Mais und Gerste bebauter Acker) im Hinblick auf die seit 1.5.1989 bezogene Witwenpension von 4.453,10 S praktisch auszuschließen. Dies dürfte auch der Grund dafür gewesen sein, daß die beklagte Partei ihre noch in der Klagebeantwortung enthaltene Einwendung, es werde noch eine die Pflichtversicherung nach dem BSVG begründende Erwerbstätigkeit ausgeübt, - in diesem Fall wäre die Klage ohne Prüfung der dauernden Erwerbsunfähigkeit abzuweisen, - in der Berufung, in der sie die Abweisung der Klage ausschließlich mangels dauernder Erwerbsunfähigkeit beantragte, nicht mehr wiederholte. Weil diese Anspruchsvoraussetzung im Rechtsmittelverfahren nicht mehr strittig ist und die Erfüllung der Wartezeit nie strittig war, war nunmehr die besondere Anspruchsvoraussetzung der dauernden Erwerbsunfähigkeit zu prüfen.
Als erwerbsunfähig gilt der (die) Versicherte, der (die) infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner (ihrer) körperlichen oder geistigen Kräfte dauernd außerstande ist, einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen (§ 124 Abs 1). Daß dies bei der Klägerin zuträfe, wurde weder in der Klage behauptet, noch vom Erstgericht angenommen. Davon könnte auch keine Rede sein, weil die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch verschiedene Tätigkeiten ausüben könnte.
Nach Abs 2 der letztzit Gesetzesstelle gilt jedoch als erwerbsunfähig auch der (die) Versicherte,
a) der (die) - wie die Klägerin - das 55.Lebensjahr vollendet hat, und
b) dessen (deren) persönliche Arbeitsleistung zur Aufrechterhaltung des Betriebs notwendig war, wenn er (sie) infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner (ihrer) körperlichen oder geistigen Kräfte außerstande ist, einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, die eine ähnliche Ausbildung sowie gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten wie die Erwerbstätigkeit erfordert, die der (die) Versicherte zuletzt durch mindestens 60 Kalendermonate ausgeübt hat.
Daß die persönliche Arbeitsleistung der Klägerin zur Aufrechterhaltung ihres (Kleinst)Betriebes notwendig war, weil dieser ohne ihre Mitarbeit überhaupt nicht aufrechtzuerhalten gewesen wäre, liegt auf der Hand. Fraglich ist jedoch, ob die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen dauernd außerstande ist, ihrer bisherigen oder einer dieser im wesentlichen entsprechenden selbständigen landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit nachzugehen.
Dies kann auf Grund der bisherigen Feststellungen noch nicht verläßlich beurteilt werden.
Zunächst muß gesagt werden, daß der Gesundheitszustand der am 19.12.1931 geborenen Klägerin nicht sehr stark beeinträchtigt ist. Der Sachverständige für Chirurgie sprach von einem altersentsprechenden Allgemein- und Gesundheitszustand, der Sachverständige für Innere Medizin von einem normalen Allgemein- und einem sehr guten Ernährungszustand. Deshalb ist die Klägerin auch in ihrer Arbeitsfähigkeit noch nicht sehr stark eingeschränkt. Sie kann nämlich noch während der üblichen Arbeitszeit und mit den üblichen Ruhepausen alle leichten und mittelschweren Arbeiten im Gehen, Stehen und Sitzen, im Freien und in geschlossenen Räumen verrichten. Nur schwere Arbeiten, Heben oder Tragen von Lasten über 10 kg sowie "häufige und länger dauernde Arbeiten in gebeugter Haltung" sind ihr nicht mehr zumutbar.
Das Erstgericht hat zwar allgemeine Feststellungen darüber getroffen, welche Arbeiten von "einem" Land- und Forstwirt und "in den Weingärten" zu leisten sind, jedoch nicht festgestellt, welche Arbeitsleistungen im konkreten, aus einem Joch Weingartenmittelkultur und einem Joch mit Mais und Gerste bebautem Acker bestehenden Kleinstbetrieb der Klägerin oder einem vergleichbaren Betrieb üblicherweise zu erbringen sind. Erst dann wird beurteilt werden können, inwieweit die Klägerin die zur Aufrechterhaltung ihres Betriebes erforderlichen Arbeiten - im wesentlichen im bisherigen Ausmaß - selbst ausführen kann. Dazu bedarf es allerdings noch der Klarstellung, was unter "häufigen und längerdauernden Arbeiten in gebeugter Körperhaltung" zu verstehen ist.
Wegen dieser Feststellungsmängel erweist sich die Revision iS des auf Aufhebung und Zurückverweisung gerichteten Hauptantrages als berechtigt (§§ 496, 499, 510 und 513 ZPO).
Der Vorbehalt der Entscheidung über die Verpflichtung zum Ersatz der Revisionskosten beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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