OGH 10ObS111/18y

OGH10ObS111/18y19.12.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie die fachkundigen Laienrichter KAD Dr. Lukas Stärker (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Angela Taschek (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mag. A*****, vertreten durch Mag. Martin Sudi, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Steiermärkische Gebietskrankenkasse, 8011 Graz, Josef‑Pongratz‑Platz 1, vertreten durch Dr. Helmut Destaller, Dr. Gerald Mader und Mag. Philipp Pall, Rechtsanwälte in Graz, wegen Familienzeitbonus, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 23. August 2018, GZ 6 Rs 38/18g‑10, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 6. Februar 2018, GZ 42 Cgs 97/17b‑6, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:010OBS00111.18Y.1219.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Verfahrensgegenstand ist der Anspruch des Klägers auf Familienzeitbonus (§ 2 FamZeitbG, BGBl I 2016/53) von täglich 22,60 EUR für den Zeitraum von 25. 8. 2017 bis 24. 9. 2017, insgesamt in Höhe von 700,60 EUR.

Der Kläger und seine Ehefrau sind die Eltern der am 24. 8. 2017 geborenen Tochter L*****. Der Kläger ist selbständiger Rechtsanwalt und Inhaber eines Gewerbebetriebs in der Veranstaltungsbranche (Mobildisco). Er übte im Zeitraum von 25. 8. 2017 bis 24. 9. 2017 keine Tätigkeit als Rechtsanwalt aus, sondern widmete sich ausschließlich seiner Familie, indem er seine Frau bei der Pflege und Versorgung der neugeborenen Tochter und des erstgeborenen Sohnes unterstützte. Unaufschiebbare Termine im Zusammenhang mit seiner Berufstätigkeit als Rechtsanwalt wurden von seinem Vertreter Rechtsanwalt Mag. M***** wahrgenommen. Von der Liste der Rechtsanwälte war der Kläger während des Anspruchszeitraums nicht gestrichen. Der Kläger blieb weiterhin in der Gruppenversicherung der Rechtsanwälte (Privatversicherung) versichert. Auf seinen Antrag gewährte die Steiermärkische Rechtsanwaltskammer dem Kläger mit Bescheid vom 5. 9. 2017 im Hinblick auf die Geburt seiner Tochter die Herabsetzung der Beiträge für die Versorgungseinrichtung Teil A für den Zeitraum von 1. 9. 2017 bis 30. 9. 2017. In diesem Zeitraum war er auch von der Zuteilung neuer Verfahrenshilfefälle befreit. Seinen Gewerbebetrieb (Mobildisco) meldete der Kläger gemäß § 5 Abs 2 GewO 1994 beginnend mit 25. 8. 2017 ruhend. Dementsprechend ruhte auch seine Pflichtversicherung bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft.

Nach einer Streichung aus der Liste der Rechtsanwälte hätte der Kläger bei der neuerlichen Eintragung eine Eintragungsgebühr von etwa 300 EUR zu entrichten. Die Eintragung muss in einer Ausschusssitzung der Rechtsanwaltskammer beschlossen werden. Nach der Beschlussfassung ist mit einer weiteren Wartezeit bis zur Angelobung zu rechnen.

Am 25. 8. 2017 beantragte der Kläger die Zuerkennung des Familienzeitbonus anlässlich der Geburt von L***** für den Zeitraum von 25. 8. 2017 bis 24. 9. 2017.

Die beklagte Steiermärkische Gebietskrankenkasse lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 2. 10. 2017 ab. Die vom FamZeitbG statuierten Voraussetzungen seien nicht erfüllt, weil der Kläger im Anspruchszeitraum Mitglied der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer geblieben sei und daher als erwerbstätig gelte.

In seiner dagegen gerichteten Klage bringt der Kläger zusammengefasst vor, für die Zeit seiner Abwesenheit von der Kanzlei habe er dergestalt Vorsorge getroffen, dass unaufschiebbare Agenden und Termine von anderen am Kanzleisitz tätigen Rechtsanwälten wahrgenommen bzw erledigt wurden, wie dies bürointern etwa auch während einer krankheits- oder urlaubsbedingten Abwesenheit seit geraumer Zeit gehandhabt werde. Die von der beklagten Partei zum Nachweis der Unterbrechung der Rechtsanwaltstätigkeit geforderte „Emeritierung“ bzw Streichung von der Liste der Rechtsanwälte sei aus den gegebenen gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht ableitbar und wäre unverhältnismäßig, unzumutbar und überzogen. Diese Maßnahme erfolge üblicherweise nur, wenn ein Rechtsanwalt dauerhaft in den Ruhestand übertrete oder sich entschließe, die Anwaltstätigkeit überhaupt nicht mehr auszuüben. Die von der beklagten Partei geforderte – nur vorübergehende – Streichung von der Liste der Rechtsanwälte führe nicht nur zu einem beträchtlichen administrativen Aufwand und einer finanziellen Belastung durch die Kosten der neuerlichen Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte sowie weitere Gebühren, die insgesamt die Höhe des Familienzeitbonus übersteigen, sondern ziehe darüber hinaus vielfältige Nachteile und schwerwiegende Folgen nach sich. Da die Streichung aus der Liste der Rechtsanwälte zu publizieren sei und ein Anwalt in diesem Fall verpflichtet sei, sämtliche Hinweise zu entfernen, die auf seine aktive Rechtsanwaltschaft hinweisen könnten (Kanzleischilder, Mail‑Adressen, Drucksorten, Einträge auf der Website, ERV‑Direktzugang etc), werde nicht nur bei Klienten, sondern ganz allgemein der Eindruck erweckt, dass der Rechtsanwalt auch hinkünftig den Rechtsanwaltsberuf nicht mehr ausüben werde. Daraus ergebe sich die Gefahr eines dauernden und irreversiblen wirtschaftlichen Schadens. Infolge Streichung von der Liste der Rechtsanwälte wäre auch die Berufshaftpflichtversicherung aufzukündigen. Zudem sei bei Wiederaufnahme der rechtsanwaltlichen Tätigkeit mit nicht unerheblichen Zeitverzögerungen infolge Abwartens der nächsten Ausschusssitzung und eines Angelobungstermins zu rechnen. Auch das Erfordernis der Kündigung der – einer Sozialversicherung gleichzuhaltenden – Gruppenkranken‑ versicherung wäre im Hinblick auf die damit verbundene Gefahr höherer Kosten beim Abschluss eines Neuvertrags unzumutbar.

Die beklagte Partei wendete im Wesentlichen ein, eine freiberufliche Tätigkeit als Rechtsanwalt könne nur dann ausgeschlossen werden, wenn die Streichung aus der Liste der Rechtsanwälte vorgenommen worden sei. Solange die Möglichkeit zur Erwerbstätigkeit iSd § 1 Abs 1 FamZeitbG bestehe, sei die Voraussetzung der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit (§ 2 Abs 4 FamZeitbG) nicht erfüllt. Dies ergebe sich aus den Gesetzesmaterialien, nach denen ein Anspruchswerber alle Erwerbstätigkeiten vorübergehend einstellen müsse, indem er etwa Sonderurlaub beanspruche, seine selbständige Tätigkeit unterbreche und sich von der Sozialversicherung abmelde, das Gewerbe ruhend melde oder die Streichung von der Liste der Rechtsanwälte etc veranlasse und dem Krankenversicherungsträger darüber die entsprechenden Nachweise vorlege. Es sei auch die Unterbrechung der Sozialversicherung vorgesehen, weshalb eine Teilversicherung in der Krankenversicherung für den Zeitraum der Familienzeit eingeführt worden sei. Die vom Kläger vorgenommenen Schritte der Beitragsherabsetzung und der Befreiung von den Verfahrenshilfefällen würden keine Einschränkung der Erwerbstätigkeit verlangen und seien daher ungenügend. Es liege an den jeweiligen Rechtsanwaltskammern, eine handhabbare und kostengünstige Lösung zu finden, um ihren Mitgliedern die Streichung aus der Liste der Rechtsanwälte als Voraussetzung für die Leistung nach dem FamZeitbG zu ermöglichen.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Rechtlich ging es davon aus, dass der Begriff der Erwerbstätigkeit in § 24 Abs 1 Z 2 iVm § 24 Abs 2 Satz 1 KBGG dahin definiert sei, dass sie als tatsächliche Ausübung einer in Österreich sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit zu verstehen sei. Daraus sei ableitbar, dass als Voraussetzung für eine Unterbrechung dieser Erwerbstätigkeit die Abmeldung von der Sozialversicherung gefordert werde. Da der Kläger seine private Gruppenkrankenversicherung bewusst nicht aufgekündigt habe, habe er schon aus diesem Grund keinen Anspruch auf Familienzeitbonus. Ob er darüber hinaus mangels Streichung von der Rechtsanwaltsliste als im Anspruchszeitraum erwerbstätig anzusehen sei, könne dahingestellt bleiben.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge und ließ die Revision nicht zu. Rechtlich folgte es im Wesentlichen dem Standpunkt der beklagten Partei. Nicht nur die – einer gesetzlichen Sozialversicherung gleichzuhaltende – Gruppenkranken‑ versicherung des Klägers sei aufrecht geblieben, sondern auch die Möglichkeit, dass der Kläger als Rechtsanwalt weiterhin berufstätig sein hätte können. Dass der Kläger – wie festgestellt – tatsächlich den Rechtsanwaltsberuf nicht (selbst) ausgeübt habe, vermöge nichts daran zu ändern, dass er seine Kanzlei in der Zeit seiner Abwesenheit weitergeführt habe, indem er seine Kanzleikollegen mit seiner Vertretung betraut habe. Die in den Gesetzesmaterialien vorgesehenen Formalakte seien deshalb nötig, weil die beklagte Partei in die Lage versetzt werden müsse, die Anspruchsvoraussetzungen auf einfache Weise zu überprüfen. Diese Möglichkeit bestehe nur, wenn entsprechende Nachweise über die Ruhendmeldung eines Gewerbes, die Abmeldung von der Sozialversicherung oder die Streichung von der Rechtsanwaltsliste vorgelegt werden. Der Umstand, dass durch eine Streichung und Wiedereintragung hohe Kosten und Gebühren entstehen würden, sei nicht maßgeblich. Dem Gesetzgeber komme gerade im Beihilfenrecht ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Es müsse dem Gesetzgeber gestattet sein, einfache und leicht handhabbare Reglungen zu treffen und von einer Durchschnittsbetrachtung auszugehen. Wenn der Gesetzgeber daher als Voraussetzung für den Anspruch auf Familienzeitbonus die Unterbrechung (Einstellung) der sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit vorsehe, sei dies unter dem Blickwinkel der (einfacheren) Administrierbarkeit gerechtfertigt, um der beklagten Partei die Überprüfung der Einhaltung der Anspruchsvoraussetzungen zu ermöglichen.

In seiner Revision beantragt der Kläger, die Urteile der Vorinstanzen dahin abzuändern, dass seiner Klage Folge geben werde.

Die beklagte Partei beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die klageabweisenden Urteile der Vorinstanzen zu bestätigen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil zu der Rechtsfrage, ob die in § 2 Abs 4 FamZeitbG geforderte Unterbrechung der Erwerbstätigkeit bei einem selbständigen Rechtsanwalt dessen Streichung von der Liste der Rechtsanwälte während des Anspruchszeitraums voraussetzt, noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliegt.

Die Revision ist im Sinn des eventualiter gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.

1.1 Als Familienzeit iSd § 2 Abs 4 FamZeitbG versteht man den Zeitraum zwischen 28 und 31 Tagen, in dem sich ein Vater aufgrund der kürzlich erfolgten Geburt seines Kindes ausschließlich der Familie widmet und dazu die Erwerbstätigkeit unterbricht, keine andere Erwerbstätigkeit ausübt, keine Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung sowie keine Entgeltfortzahlung aufgrund von oder Leistungen bei Krankheit erhält.

1.2 Wie sich dazu aus den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP  1) ergibt, sollen erwerbstätige Väter, die sich direkt nach der Geburt ihres Kindes intensiv und ausschließlich der Familie widmen, eine finanzielle Unterstützung erhalten. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass die Familiengründungszeit wichtig ist, damit das Neugeborene rasch eine sehr enge emotionale Bindung (auch) zum Vater aufbauen kann. Der Vater soll seine unter den Auswirkungen der gerade erfolgten Geburt stehende Partnerin bei der Pflege und Betreuung des Säuglings, bei den Behördenwegen, bei Haushaltsarbeiten etc bestmöglich unterstützen, um den Zusammenhalt in der Familie von Anfang an zu stärken. Bezieher von Familienzeitbonus sind in der gesetzlichen Krankenversicherung teilversichert, sofern nicht eine Leistungszugehörigkeit zu einer Krankenfürsorgeeinrichtung (§ 2 Abs 1 Z 2 B-KUVG) besteht (§ 4 Abs 2 FamZeitbG).

2.1 Das FamZeitbG selbst definiert den in § 2 Abs 4 FamZeitbG enthaltenen Begriff der „Unterbrechung“ der vor Bezugsbeginn tatsächlich ausgeübten Erwerbstätigkeit (§ 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG) nicht. Aus dem Gesetzeszweck und dem Gesamtzusammenhang, insbesondere dem Erfordernis, sich „ausschließlich seiner Familie“ zu widmen und auch keine andere Erwerbstätigkeit auszuüben, lässt sich aber entnehmen, dass die Erwerbstätigkeit während des Bezugszeitraums zur Gänze zu unterbleiben hat und keine (seien es auch nur geringfügige) Teiltätigkeiten derselben verrichtet werden dürfen. Nach dem Gesetzestext genügt somit die tatsächliche Nichtausübung der Erwerbstätigkeit während der Familienbonuszeit. Dafür spricht auch, dass § 2 Abs 4 FamZeitbG auf § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG verweist und diese Bestimmung auf eine „tatsächlich“ ausgeübte Tätigkeit abstellt. Hingegen findet die Ansicht der beklagten Partei, schon die theoretische Möglichkeit zur (weiteren) Ausübung der Erwerbstätigkeit stehe der Annahme einer Unterbrechung der Erwerbstätigkeit (§ 2 Abs 4 FamZeitbG) entgegen, im Gesetzeswortlaut keine Stütze.

2.2 In den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP  2) wird dazu ausgeführt, dass der Vater – um ausschließlich und ganz intensiv Zeit mit der Familie zu verbringen – alle Erwerbstätigkeiten vorübergehend einstellen muss. Als Beispiele werden die Inanspruchnahme von Sonderurlaub, die Unterbrechung der selbständigen Tätigkeit samt Sozialversicherungsabmeldung, die Ruhendmeldung des Gewerbes sowie – für den vorliegenden Fall relevant – die Streichung von der Rechtsanwaltsliste genannt.

2.3 Im Schrifttum werden die Gesetzesmaterialien teils ohne Anmerkungen zitiert (Holzmann-Windhofer in Holzmann-Windhofer/Weißenböck, Kinderbetreuungsgeldgesetz, § 2 FamZeitbG Pkt 3.7; Sonntag in Sonntag/Schober/Konezny,KBGG2 § 2 FamZeitbG Rz 18). Burger-Ehrnhofer (Kinderbetreuungsgeldgesetz und Familienzeitbonusgesetz3 [2017] § 2 FamZeitbG Rz 11) weist jedoch darauf hin, dass gerade bei selbständig erwerbstätigen Personen eine derart kurzfristige Erwerbsunterbrechung einerseits kaum machbar sei (zB bei Selbständigen in der Landwirtschaft) und andererseits mit hohen Kosten verbunden sei, weil zB die Streichung aus der Liste der Rechtsanwälte zwar kostenfrei sei, bei der neuerlichen Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte jedoch hohe Kosten entstehen.

3.1 Mit der – lediglich in den Gesetzesmaterialien genannten – Streichung von der Liste der Rechtsanwälte ist offenbar die in § 34 Abs 1 Z 3 RAO genannte Verzichtserklärung angesprochen, bei deren Abgabe die Zugehörigkeit zum Rechtsanwaltsstand erlischt und der Rechtsanwalt nicht mehr zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft berechtigt ist (VwGH Ra 2017/03/0091 uva). In diesem Fall ist – ebenso wie in den in § 34 Abs 1 RAO weiters taxativ aufgezählten Gründen (zB Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft, rechtskräftige Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, rechtskräftiges Disziplinarerkenntnis oder Tod) – durch den Ausschuss der Rechtsanwaltskammer grundsätzlich ein Kammerkommissär zu bestellen (§ 34a Abs 2 RAO). Dieser ist nicht Substitut des Rechtsanwalts, für den er bestellt wurde, und daher auch nicht befugt, in dessen Namen in Verfahren als Parteienvertreter einzuschreiten, sondern wird als Organ der Rechtsanwaltskammer tätig. Er hat die in § 34a Abs 2 RAO genannten Aufgaben zu erfüllen, wie die Mandanten des Rechtsanwalts über seine Bestellung und deren Rechtsfolgen zu belehren und gegebenenfalls bei der Überleitung von Aufträgen an andere Rechtsanwälte zu beraten, Treuhandschaften festzustellen etc. Eine Bestellung eines Kammerkommissärs hat dann zu unterbleiben, wenn innerhalb einer Woche nach dem Erlöschen der Berufsberechtigung ein anderer Rechtsanwalt bei der Rechtsanwaltskammer bekanntgibt, dass er die – an sich dem Kammerkommissär zukommenden – Aufgaben erfüllen wird (§ 34a Abs 5 RAO).

3.2 Bei einem Antrag auf neuerliche Eintragung in die Liste sind die Vertrauenswürdigkeit des Eintragungswerbers und die anderen Eintragungsvoraussetzungen wie bei der Ersteintragung zu überprüfen (19 Ob 3/14a; RIS‑Justiz RS0120674; Vitek in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO10 § 34 RAO Rz 9).

4. Die in § 34 Abs 1 Z 3 RAO vorgesehene Verzichtserklärung ist – wie der Kläger zutreffend vorbringt – darauf ausgerichtet, dass ein Rechtsanwalt dauernd in den Ruhestand tritt oder sich dazu entschließt, die Anwaltstätigkeit in absehbarer Zeit nicht mehr oder gar nicht mehr auszuüben, woran dementsprechend schwerwiegende Rechtsfolgen geknüpft sind. Die auf die Streichung Bezug nehmenden Gesetzesmaterialien vermitteln – vor allem bei einem Vergleich mit den sonst genannten Beispielen wie der Inanspruchnahme von Sonderurlaub oder der Ruhendmeldung des Gewerbes – den Eindruck, dass diese schwerwiegenden Konsequenzen nicht mitbedacht wurden. Da dieser Inhalt der Gesetzesmaterialien in § 2 Abs 4 FamZeitbG, wo nur von einer Unterbrechung der Erwerbstätigkeit die Rede ist, nicht abgebildet ist, kann das – nicht im Gesetzestext, sondern ausschließlich in den Gesetzesmaterialien – enthaltene Erfordernis der Streichung von der Liste der Rechtsanwälte als Voraussetzung dafür, dass eine Unterbrechung der Erwerbstätigkeit eines Rechtsanwalts iSd § 2 Abs 4 FamZeitbG angenommen werden kann, auch nicht im Weg der Auslegung Geltung erlangen (RIS-Justiz RS008799). Für die Rechtsansicht der beklagten Partei, allein die (berufsrechtliche) Unmöglichkeit der Ausübung des Rechtsanwaltsberufs während des Anspruchszeitraums stehe dem Anspruch auf Familienzeitbonus entgegen, besteht somit keine Rechtsgrundlage.

5. Zum Weiterbestehen des Krankenversicherungsschutzes

5.1 Nach § 5 Abs 1 GSVG sind von der Pflichtversicherung ua in der Krankenversicherung Personen ausgenommen, die aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer gesetzlichen beruflichen Vertretung (Kammer) und aufgrund der Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit nach dem GSVG gleichartig oder zumindest annähernd gleichartige Leistungen haben. § 50 Abs 4 RAO eröffnet die Möglichkeit, dass die Rechtsanwaltskammer für ihre Mitglieder und deren Angehörige Einrichtungen zur Versorgung für den Fall der Krankheit im Sinn einer Gruppenversicherung schafft, denen die Rechtsanwälte beitreten können. Daneben besteht für die Mitglieder die Möglichkeit einer Selbst- bzw Pflichtversicherung nach dem GSVG (§§ 14a, 14b GSVG) oder einer ASVG-Selbstversicherung nach § 16 ASVG (Rosenmayr‑Khoshideh in Sonntag, GSVG7 § 5 Rz 4).

5.2 Nach den Feststellungen hat der Kläger einen privaten Gruppenkrankenversicherungsvertrag bei der Uniqa Versicherung abgeschlossen, dessen Aufkündigung von der beklagten Partei – ausgehend von ihrer Rechtsansicht, Voraussetzung für den Anspruch auf Familienzeitbonus sei die Streichung aus der Liste der Rechtsanwälte – gefordert wird. Ist aber die Streichung nicht nötig, um von einer Unterbrechung der Erwerbstätigkeit iSd § 2 Abs 4 FamZeitbG ausgehen zu können, bleibt der Anspruchswerber Mitglied der Rechtsanwaltskammer und muss als solches den Gruppenversicherungsvertrag aufrechterhalten, ansonsten er eine Berufspflichtverletzung begeht (§ 24 der Richtlinien für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes – RL‑BA 2015; 20 Os 2/15t; RIS-Justiz RS0125817 [T3, T4]). Konsequenterweise kann daher auch der Umstand des Weiterbestehens der Gruppenkrankenversicherung des Klägers im Anspruchszeitraum seinem Anspruch auf Familienzeitbonus nicht entgegenstehen, würde doch der Vater sonst zu einer Berufspflichtverletzung gezwungen werden.

6. Dass der Kläger seine gewerbliche Tätigkeit in der Veranstaltungsbranche (Mobildisco) iSd § 2 Abs 4 FamZeitbG unterbrochen hat, wird von der beklagten Partei nicht in Frage gestellt. Anzumerken ist aber, dass während der Ruhenszeit (§ 93 GewO) nur für bestimmte Gewerbe, für deren Ausübung eine aufrechte Haftpflichtversicherung erforderlich ist (etwa Baumeister, gewerbliche Vermögensberater, Immobilientreuhänder etc), ein ausdrückliches gewerberechtliches Ausübungsverbot besteht (Stolzlechner/Seider/Vogelsang, GewO2 [2018] § 93 Rz 2). Somit bestand für den Kläger (theoretisch) die Möglichkeit, auch seine gewerbliche Tätigkeit im Zeitraum der Ruhendmeldung (im Anspruchszeitraum) weiterhin auszuüben. Dass bereits das Bestehen dieser Möglichkeit anspruchsschädlich wäre, wird – anders als in Bezug auf den Rechtsanwaltsberuf – von der beklagten Partei aber nicht ins Treffen geführt.

7.1 Zusammenfassend ergibt sich somit, dass für einen selbständigen Rechtsanwalt der Anspruch auf Familienzeitbonus weder daran gebunden ist, dass er für die Dauer des Anspruchszeitraums von der Liste der Rechtsanwälte gestrichen ist, noch steht diesem Anspruch der Umstand des Weiterbestehens der Gruppenkranken‑ versicherung im Anspruchszeitraum entgegen.

7.2 Wenngleich die Streichung aus der Liste der Rechtsanwälte keine Voraussetzung für den Anspruch auf Familienzeitbonus sein kann, lässt sich aus den in den Gesetzesmaterialien genannten Beispielen (Inanspruchnahme von Sonderurlaub, die Unterbrechung der selbständigen Tätigkeit samt Sozialversicherungsabmeldung, die Ruhendmeldung des Gewerbes) und dem Hinweis, dass dem Krankenversicherungsträger entsprechende Nachweise darüber vorzulegen sind, jedenfalls der Grundsatz ableiten, dass die Unterbrechung der Erwerbstätigkeit bei allen Berufsgruppen nach außen erkennbar in Erscheinung treten und dokumentierbar sein muss, um dem Interesse der beklagten Partei an einer möglichst effizienten Administrierbarkeit zu entsprechen.

7.3 Die Parteien dürfen von einer neuen – bisher nicht Gegenstand des Verfahrens gewesenen – Rechtsansicht nicht überrascht werden, sondern müssen Gelegenheit haben, zur neuen Rechtslage ein Vorbringen zu erstatten (RIS-Justiz RS0037300). Wenngleich aufgrund der im vorliegenden Verfahren erzielten Ergebnisse bisher fest steht, dass der Kläger im Anspruchszeitraum keine Tätigkeit als Rechtsanwalt ausgeübt hat, wird ihm im fortzusetzenden Verfahren noch Gelegenheit zu geben sein, auf geeignete Weise zu dokumentieren, ob und wie die Unterbrechung seiner Erwerbstätigkeit nach außen in Erscheinung trat. Welche konkreten Nachweise dazu geeignet sind, wird von den Tatsacheninstanzen im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden sein. Beispielhaft sind etwa entsprechende Mitteilungen an Klienten oder die Substituierung eines anderen Rechtsanwalts zu nennen.

8. Die Entscheidungen beider Vorinstanzen sind daher aufzuheben; dem Erstgericht ist die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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