OGH 10ObS10/19x

OGH10ObS10/19x19.2.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Wiesinger (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Wolfgang Kozak (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei H*****, vertreten durch Fritzsche Frank Fletzberger Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Wiener Gebietskrankenkasse, 1100 Wien, Wienerbergstraße 15–19, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Familienzeitbonus, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 16. November 2018, GZ 10 Rs 97/18k‑12, womit das Urteil des Arbeits‑ und Sozialgerichts Wien vom 25. Mai 2018, GZ 24 Cgs 13/18d‑8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:010OBS00010.19X.0219.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 418,78 EUR (darin enthalten 69,80 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Der Kläger steht seit 1. 10. 2015 als Angestellter in einem Dienstverhältnis. Aus Anlass der Geburt seiner Tochter am 12. 5. 2017 vereinbarte er mit seinem Dienstgeber, dass das Dienstverhältnis vom 12. 5. 2017 bis einschließlich 12. 6. 2017 (= 32 Kalendertage) zum Zweck der Inanspruchnahme von Familienzeit im Sinne des Familienzeitbonusgesetzes (FamZeitbG) karenziert wird.

Mit seinem am 18. 5. 2017 bei der beklagten Wiener Gebietskrankenkasse eingelangten Antrag beantragte der Kläger die Gewährung von Familienzeitbonus ab 12. 5. 2017 für eine Bezugsdauer von 28 Tagen (somit bis einschließlich 8. 6. 2017).

Der Kläger erbrachte im Zeitraum von 12. 5. 2017 bis einschließlich 12. 6. 2017 tatsächlich keine Arbeitsleistung und bezog in diesem Zeitraum kein Entgelt.

Mit Bescheid vom 3. 1. 2018 wies die Beklagte diesen Antrag mit der Begründung ab, dass die Anspruchsvoraussetzungen des § 2 Abs 1 Z 3 iVm § 2 Abs 4 FamZeitbG nicht erfüllt seien.

In seiner dagegen erhobenen Klage brachte der Kläger vor, der Umstand, dass der Anspruchszeitraum von 28 Tagen und die Familienzeit von 31 Tagen nicht exakt übereinstimmen, berechtige die Beklagte nicht zur Abweisung des Antrags.

Die Beklagte wendete zusammengefasst ein, im Informationsblatt zum Familienzeitbonusgesetz werde darauf hingewiesen, dass die Erwerbstätigkeit direkt im Anschluss an den Anspruchszeitraum wieder aufgenommen werden müsse und die Dauer der Familienzeit dem beantragten Zeitraum des Bezugs von Familienzeitbonus exakt zu entsprechen habe. Da der Kläger den Familienzeitbonus für einen Zeitraum von 28 Tagen beantragt habe, jedoch mit seinem Dienstgeber eine Vereinbarung über die Inanspruchnahme der Familienzeit für einen längeren als 28‑tägigen Zeitraum getroffen habe, sei der Anspruch auf Familienzeitbonus zur Gänze zu verneinen.

Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte, dem Kläger Familienzeitbonus anlässlich der Geburt seines Kindes für den Zeitraum von 12. 5. 2017 bis 8. 6. 2017 in der Höhe von 22,60 EUR pro Tag zu leisten.

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass der Familienzeitbonus nach dem Wortlaut des § 2 Abs 1 Z 3 FamZeitbG dem Grunde nach dann zustehe, wenn an jedem einzelnen Tag des Anspruchszeitraums, für welchen der Familienzeitbonus begehrt werde, gleichzeitig auch ein Tag der Familienzeit gegeben sei. Umgekehrt sei der Anspruch auf Familienzeitbonus zur Gänze ausgeschlossen, wenn nicht an jedem einzelnen Tag des gewählten Anspruchszeitraums das Erfordernis einer aufrechten Familienzeit im Sinne des § 2 Abs 4 FamZeitbG erfüllt sei. Dem Gesetz sei jedoch nicht zu entnehmen, dass eine Unterbrechung der Erwerbstätigkeit, die sich über die Dauer des gewählten Anspruchszeitraums (von 28 bis 31 Tagen) oder über das in § 2 Abs 4 FamZeitbG genannte Höchstausmaß von 31 Tagen hinaus erstrecke, den Anspruch auf Familienzeitbonus ausschließen würde. Aus dem Gesetz könne auch nicht abgeleitet werden, dass jene Erwerbstätigkeit, die zur Inanspruchnahme von Familienzeit unterbrochen worden sei, bei sonstigem Anspruchsverlust unmittelbar (taggleich) nach Ablauf der gewählten Anspruchsdauer wieder aufzunehmen wäre. Ebenso sei aus dem Gesetz nicht ableitbar, dass dem Zeitraum der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit zur Gänze die Qualifikation als Familienzeit im Sinne des § 2 Abs 4 FamZeitbG abzusprechen wäre, wenn er länger als der gewählte Bezugszeitraum oder wenn er länger als das in § 2 Abs 4 FamZeitbG genannte Höchstausmaß von 31 Tagen (nämlich wie hier insgesamt 32 Tage) dauere. Gefordert werde lediglich, dass in dem bestimmten Zeitraum der Familienzeit die Erwerbstätigkeit unterbrochen werde. Auch dem Begriff der „Unterbrechung der Erwerbstätigkeit“ sei nicht immanent, dass die Erwerbstätigkeit jedenfalls am ersten Tag nach dem Bezugszeitraum oder spätestens am 32. Tag nach der Unterbrechung wieder aufgenommen werden müsse. Dem Standpunkt der Beklagten, dass sich die Familienzeit exakt mit der gewählten (Zeit‑)Variante des Familienzeitbonus decken müsse, sei somit nicht zu folgen. Dass die Erwerbstätigkeit nach dem Ende des Bezugszeitraums am 8. 6. 2017 noch für vier weitere Tage (bis 12. 6. 2017) unterbrochen geblieben sei, schade somit nicht.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichts und führte ergänzend aus, dass das Familienzeitbonusgesetz nur einen Anspruch auf die Geldleistung schaffe, nicht aber einen Anspruch auf Gewährung einer Familienzeit. Der Kläger habe daher als unselbständig Erwerbstätiger eine Freistellungsvereinbarung mit seinem Arbeitgeber treffen müssen. Weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus den Gesetzesmaterialien könne abgeleitet werden, dass die Unterbrechung der Erwerbstätigkeit zum Zweck der Inanspruchnahme von Familienzeit nicht länger dauern dürfe als jener Zeitraum, für den Familienzeitbonus begehrt werde, sofern diesbezüglich jeweils eine ununterbrochene (Bezugs‑)Dauer von 28 bis 31 Tagen vorliege. Wann die Fortsetzung der Erwerbstätigkeit zu erfolgen habe, sei dem Gesetz nicht zu entnehmen. Vom Gesetzeswortlaut nicht gedeckt wäre nur der – hier nicht gegebene – Fall, dass die Unterbrechung der Erwerbstätigkeit kürzer andauere als der Bezug des Familienzeitbonus. In diesem Fall würde die Anspruchsvoraussetzung der „Unterbrechung der Erwerbstätigkeit“ während des Bezugs des Familienbonus wegfallen. Eine zeitliche Inkongruenz könne sich lediglich insofern negativ auf den Kranken‑ und Pensionsversicherungsschutz auswirken, als nach dem Anspruchszeitraum liegende Familienzeiten zu einer Versicherungslücke führen könnten.

Das Berufungsgericht ließ die Revision wegen des Fehlens höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu der hier zu beurteilenden Rechtsfrage zu.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

1.1 Als Familienzeit im Sinne des § 2 Abs 4

FamZeitbG versteht man den Zeitraum zwischen 28 und 31 Tagen, in dem sich ein Vater aufgrund der kürzlich erfolgten Geburt seines Kindes ausschließlich seiner Familie widmet und dazu die Erwerbstätigkeit unterbricht, keine andere Erwerbstätigkeit ausübt, keine Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung sowie keine Entgeltfortzahlung aufgrund von oder Leistungen bei Krankheit erhält.

1.2 Wie sich dazu aus den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP  1) ergibt, sollen erwerbstätige Väter, die sich direkt nach der Geburt ihres Kindes intensiv und ausschließlich der Familie widmen, eine finanzielle Unterstützung erhalten.

1.3 Das

FamZeitbG selbst definiert den in § 2 Abs 4

FamZeitbG enthaltenen Begriff der „Unterbrechung“ der vor Bezugsbeginn tatsächlich ausgeübten Erwerbstätigkeit (§ 2 Abs 1 Z 5

FamZeitbG) nicht. Aus dem Gesetzeszweck und dem Gesamtzusammenhang lässt sich aber entnehmen, dass die Erwerbstätigkeit während des Bezugszeitraums zur Gänze zu unterbleiben hat. Entsprechend der Definition der Familienzeit in § 2 Abs 4 FamZeitbG muss der Vater die Erwerbstätigkeit zum Beispiel durch Inanspruchnahme von Sonderurlaub unterbrechen oder sein Gewerbe ruhend melden und dem Krankenversicherungsträger die entsprechenden Nachweise vorlegen.

1.4 Die Familienzeit muss zudem innerhalb eines Zeitraums von 91 Tagen ab Geburt des Kindes liegen (§ 3 Abs 2 FamZeitbG).

2.1 Ein gesetzlicher Anspruch auf Gewährung von Familienzeit lässt sich aus dem FamZeitbG nicht ableiten (Sonntag in Sonntag/Schober/Konezny, KBGG2 § 2 FamZeitbG Rz 19).Unselbständig erwerbstätige Väter, die den Familienzeitbonus beziehen wollen, müssen sich daher um eine entsprechende Freistellungsvereinbarung mit ihren Arbeitgebern bemühen (Burger-Ehrnhofer, Kinderbetreuungsgeld und Familienzeitbonus für Geburten ab dem 1. 3. 2017 in Jahrbuch Sozialversicherungsrecht 2017, 111 [114]).

2.2 Im vorliegenden Fall hat der Kläger als unselbständig Erwerbstätiger eine entsprechende Freistellungsvereinbarung mit seinem Arbeitgeber dahin getroffen, dass der Entgeltanspruch und die Pflicht zur Arbeitsleistung vom 12. 5. 2017 bis 12. 6. 2017 ruhen sollte, um ihm zu ermöglichen, sich in diesem Zeitraum nach der Geburt seines Kindes der Familie zu widmen. In der Folge hat er beim Krankenversicherungsträger die Gewährung von Familienzeitbonus für 28 Tage (somit für den Zeitraum von 12. 5. 2017 bis 8. 6. 2017) beantragt.

3. Zu beurteilen ist daher, ob die Legaldefinition der Familienzeit in § 2 Abs 4 FamZeitbG – wie die beklagte Partei meint – dahin zu verstehen ist, dass der Anspruch auf Familienzeitbonus eine „exakte Deckung“ der Bezugsdauer mit der mit dem Dienstgeber vereinbarten Freistellung in dem Sinn voraussetzt, dass die beantragte Bezugsdauer nicht kürzer sein darf als die vereinbarte Freistellung.

4.1 In den Gesetzesmaterialien wird auf diese Fragen nicht ausdrücklich Bezug genommen. Ausgeführt wird, dass die vom Gesetz geforderte Familienzeit dann nicht erfüllt ist, wenn der Vater seine Erwerbstätigkeit zwar kurzfristig für 28 bis 31 Tage unterbricht (zB durch Inanspruchnahme von Sonderurlaub, Unterbrechung der selbständigen Tätigkeit samt SV-Abmeldung etc), „dies aber aus einem anderen Grund geschieht“. Der Familienbonus soll demnach etwa dann nicht gebühren, wenn der Vater Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung oder eine Entgeltfortzahlung des Dienstgebers, Krankengeld oder andere Leistungen bei Krankheit erhält. Auch Zeiten des Erholungsurlaubs sollen keine Unterbrechung darstellen. Die Erwerbstätigkeit müsse im Anschluss an die Familienzeit weitergeführt werden. Nicht möglich soll es zudem sein, eine andere als die unterbrochene Erwerbstätigkeit auszuüben, also zB eine neue Erwerbstätigkeit zu beginnen. Werde das Dienstverhältnis unmittelbar im Anschluss an das Bezugsende des Familienzeitbonus ungerechtfertigt durch den Dienstgeberbeendet und damit ein unberechtigter Bezug des Familienzeitbonus verursacht, so sei von der Rückforderung beim Dienstnehmer abzusehen (ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP  2).

4.2 Holzmann-Windhofer (in Holzmann-Windhofer/Weißenböck, Kinderbetreuungsgeldgesetz [2017] 287) führt – ohne weitere Begründung – aus, dass die Familienzeit nicht länger und nicht kürzer andauern dürfe als der Familienzeitbonus-Anspruchszeitraum, somit 28, 29, 30 oder 31 Tage. Die Erwerbstätigkeit müsse am Tag nach dem Ende der Familienzeit wieder aufgenommen und tatsächlich ausgeübt werden, andernfalls werde der Anspruch vernichtet.

4.3 Burghofer-Ehrnhofer, Kinderbetreuungsgeldgesetz und Familienzeitbonusgesetz3 (2017), § 2 FamZeitbG Rz 14 führt aus, es ergebe sich bloß aus dem Informationsblatt sowie der Anlage 1 zum Antrag auf Familienzeitbonus (und nicht aus dem Gesetz), dass es infolge des Erfordernisses der lückenlosen Fortsetzung der bloß unterbrochenen Erwerbstätigkeit nicht möglich sein solle, direkt an eine Familienzeit eine Karenz oder sonstige Freistellung anzuschließen.

4.4 Sonntag (in Sonntag/Schober/Konezny, KBGG2 [2017] § 2 FamZeitbG)nimmt zu dieser Frage nicht Stellung.

5.1 Der Standpunkt der Revisionswerberin, Familienzeit liege nur unter der Voraussetzung vor, dass der Vater seine bisherige Erwerbstätigkeit exakt für die gewählte Dauer des Familienzeitbonus-Bezugszeitraums von 28, 29, 30 oder 31 Tagen unterbricht und nach dem beantragten Bezugsende die Erwerbstätigkeit unmittelbar am folgenden Tag („taggenau“) wieder tatsächlich ausübt, läuft darauf hinaus, dass ein Vater, der den Familienzeitbonus in Anspruch nehmen will, mit seinem Arbeitgeber keine über die gewählte Anspruchsdauer hinausgehende unbezahlte Freistellung vereinbaren darf (selbst wenn diese wie im vorliegenden Fall nur einige Tage umfasst), weil er ansonsten den Anspruch auf Familienzeitbonus zur Gänze verliert. Dem Kläger käme somit nach der Rechtsmeinung der beklagten Partei kein Anspruch auf Familienzeitbonus zu, weil er mit seinem Dienstgeber Familienzeit nur in der Zeit vom 12. 5. 2017 bis 8. 6. 2017 vereinbaren hätte dürfen.

5.2 Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden.

Nach § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG ist Voraussetzung für den Anspruch auf Familienzeitbonus, dass der Vater in den letzten 182 Tagen „unmittelbar“ vor Bezugsbeginn durchgehend eine kranken- und pensionsversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit ausgeübt hat. Eine Bestimmung, wonach – gleichsam spiegelbildlich – diese Erwerbstätigkeit „unmittelbar“ (taggenau) nach Bezugsende bzw Ende der Familienzeit (wieder) ausgeübt werden muss, um von einer Unterbrechung bzw einer Familienzeit im Sinne des Gesetzes sprechen zu können, ist im FamZeitbG nicht enthalten:

5.3 Die mit der Wortinterpretation zu beginnende Gesetzesauslegung ergibt, dass die in § 2 Abs 4 FamZeitbG enthaltene Definition der Familienzeit eine bereits erfolgte bzw gewährte Freistellung von der Arbeitspflicht durch den Dienstgeber im gewählten Anspruchszeitraum voraussetzt, ohne dass auf die zeitliche Dauer dieser Freistellung Bezug genommen wird. Insbesondere findet sich in § 2 Abs 4 FamZeitbG kein Beisatz, aus dem hervorginge, dass ein Vater – bei sonstigem gänzlichen Anspruchsverlust – seine bisherige Erwerbstätigkeit exakt nur für die Dauer des gewählten Familienzeitbonus-Bezugszeitraums (also für 28, 29, 30 oder 31 Tage und nicht länger) unterbrechen dürfe. Ein in diesem Sinn klarstellender Beisatz (etwa „nicht länger“ oder „exakt für die Dauer des gewählten Familienzeitbonus-Bezugszeitraums“) fehlt. Die von der beklagten Partei in diesem Sinn geforderte exakte Deckung von Bezugsdauer und (der mit dem Dienstgeber vereinbarten) Freistellung mit der Konsequenz, dass bei fehlender Deckung dem Zeitraum der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit zur Gänze die Qualifikation als Familienzeit im Sinne des § 2 Abs 4 FamZeitbG abzusprechen wäre, ergibt sich weder aus dem Wortlaut noch dem Bedeutungszusammenhang des § 2 Abs 4 FamZeitbG.

5.4 Auch aus dem Hinweis in den Gesetzesmaterialien, die Erwerbstätigkeit müsse „im Anschluss an die Familienzeit“ weitergeführt werden, lässt sich nichts anderes ableiten. Dieser Hinweis ist im Zusammenhang damit zu lesen, dass eine Beendigung der zuvor ausgeübten Erwerbstätigkeit oder der Beginn einer anderen Erwerbstätigkeit als der zuvor ausgeübten zum Anspruchsverlust führen soll (besonders angesprochen wird in den Materialien der Fall der ungerechtfertigten Beendigung des Dienstverhältnisses durch den Dienstgeber unmittelbar im Anschluss an das Bezugsende des Familienzeitbonus). Eine Bezugnahme auf die hier relevante Frage, welche Auswirkungen sich auf den Leistungsanspruch ergeben, wenn der Anspruchszeitraum geringfügig kürzer ist als die Dauer der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit, erfolgt nicht.

5.5 Wenn in den Gesetzesmaterialien weiters festgehalten wird, die gewählte Anspruchsdauer von 28, 29, 30 oder 31 Tagen sei nicht veränderbar, die Anspruchsdauer könne also nicht verlängert, verkürzt, verschoben etc werden (ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP  3), bezieht sich dies ausschließlich auf die Wahl des Bezugszeitraums (und nicht auf die mit dem Arbeitgeber getroffene Freistellungsvereinbarung). Die hier relevante Frage bleibt damit ebenfalls unerörtert.

6.1 Die von der beklagten Partei für ihren (gegenteiligen) Standpunkt ins Treffen geführte Kommentierung (Holzmann-Windhofer in Holzmann-Windhofer/Weißenböck, KBGG 286) erschöpft sich in der Äußerung einer bestimmten Rechtsansicht, ohne dass diese näher begründet würde.

6.2 Dass in dem Antragsformular ausdrücklich darauf hingewiesen wird, die Dauer der Familienzeit müsse dem beantragten Familienzeitbonus exakt entsprechen, ist nicht maßgeblich, weil mittels Formularvordrucken der in § 2 FamZeitbG eingeräumte Anspruch auf Familienzeitbonus nicht eingeschränkt oder gar aberkannt werden kann.

7. Zutreffend zeigt die Revisionswerberin auf, dass eine Versicherungslücke entstehen kann, wenn der Zeitraum, für den Familienzeitbonus beansprucht wird, kürzer ist als der Zeitraum, in dem der Vater mit seinem Dienstgeber die Familienzeit (die Unterbrechung seiner sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit) vereinbart hat. Dieser Effekt lässt aber nicht die Schlussfolgerung zu, dass zwingend eine zeitliche Deckung zwischen dem Zeitraum der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit und dem Zeitraum des Anspruchs auf Familienzeitbonus gegeben sein müsste, damit überhaupt der Familienzeitbonus bezogen werden kann.

8. Gegen das von der beklagten Partei angestrebte Auslegungsergebnis spricht im Übrigen auch der Zweck des Familienzeitbonus: Dem Vater soll ermöglicht werden, seine Partnerin nach der Geburt bei der Pflege und Betreuung des Neugeborenen bestmöglich zu unterstützen; dafür soll er, wenn er seine Erwerbstätigkeit aus diesem Grund unterbricht, eine finanzielle Unterstützung für eine ununterbrochene Anspruchsdauer von 28 bis 31 Tagen erhalten. Das dafür angebotene Zeitfenster zeigt, dass die Unterstützung durch den Vater innerhalb eines 91‑tägigen Zeitraums ab der Geburt als gesellschaftlich wertvoll angesehen wird. Die Reduktion des Anspruchszeitraums auf 28 bis 31 Tage hat demnach allein fiskalische Gründe. Kommen Dienstgeber und Dienstnehmer überein, die Erwerbstätigkeit eine gewisse Zeit länger als den Bezugszeitraum zu unterbrechen, wird der Wert der unterstützenden Tätigkeit des Vaters nicht geschmälert.

9. Daraus folgt: Der Anspruch eines unselbständig erwerbstätigen Vaters auf Familienzeitbonus geht nicht dadurch verloren, dass der mit dem Dienstgeber vereinbarte Zeitraum der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit wenige Tage über den Bezugszeitraum des Familienzeitbonus hinausgeht.

Im vorliegenden Fall schließt demnach die vom Kläger mit seinem Dienstgeber vereinbarte Unterbrechung der Erwerbstätigkeit im Zeitraum von 12. 5. 2017 bis 12. 6. 2017 (32 Kalendertage) den Anspruch auf Familienzeitbonus für den gewählten Bezugszeitraum von 28 Tagen (12. 5. 2017 bis 8. 6. 2017) nicht aus.

Die Revision muss daher erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a iVm Abs 2 ASGG.

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