Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 17.1.1940 geborene Kläger war von 21.1.1970 bis 23.3.1973 bei der Ersten Donaudampfschiffahrtsgesellschaft als Matrose und vom 4.9.1973 bis 31.1.1984 als Matrose und provisorischer Warenboot- und Tankbootsteuermann beschäftigt. Als solcher übte der Kläger folgende Tätigkeiten aus: Verheften, Überwachung bei der Instandhaltung und Konservierung des Fahrzeuges, Fahrzeugreinigung, Überwachung und Mitwirkung bei der Aus- und Einladung, Führung des Schlepptagebuches mit Ladeaufzeichnungen, Inventarkontrolle, Steuern des Waren- und Tankbootes. Hinweise auf eine Anlernung des Klägers in der Wasserstraßendirektion, auf die Absolvierung eines Kurses in der Verwaltungsakademie oder auf die Ablegung der Facharbeiterprüfung im Bundeskanzleramt bestehen nicht. Die Ausbildung zum Matrosen unterscheidet sich von der Ausbildung zum Lehrberuf Binnenschiffer dadurch, daß der Matrose überwiegend praktische Fertigkeiten vermittelt bekommt. Erst nach einjähriger Anlernung, nach der eine erste Beurteilung erfolgte, weiteren zwei Jahren der Verwendung und Absolvierung eines Kurses in der Verwaltungsakademie sowie Ablegung der Facharbeiterprüfung wird die Ausbildung zum Binnenschiffer erreicht. Die Tätigkeit eines Matrosen ist für alle anderen nautischen Berufe Voraussetzung. Während die Tätigkeit des Matrosen eine manuelle ist, geht der Beruf des Binnenschiffers darüber hinaus. Dieser Beruf verlangt auch höherwertige Tätigkeiten, wie beispielsweise die Führung des Schiffes, nicht nur die Beladung und Überwachung derselben, sondern auch die Beachtung des Ladetiefganges, Verstellarbeiten, Verankerung, Vorbereitung für die Fahrt und Obsorge für Ausrüstung und Betriebssicherheit, Zusammenstellen von Schiffkonvois, Verwaltung der Schiffs- und Zollpapiere, Schiffsdienstbücher, Aufsichtstätigkeit, Signal-, Flaggen-, Wach- und Sicherheitsdienst sowie alle nautischen Manöver. Die Tätigkeiten, die der Kläger bei der DDSG verrichtete, entsprechen nicht dem Berufsbild des Binnenschiffers, es waren, ausgenommen die Führung des Schlepptagebuches und das Steuern des Waren- oder Tankbootes, die Tätigkeiten eines Matrosen. Zufolge gesundheitsbedingter Einschränkungen seiner Leistungsfähigkeit ist der Kläger nur mehr in der Lage, leichte und mittelschwere Arbeiten in jeder Lage in den normalen Arbeitszeiten unter Einhaltung der üblichen Pausen zu verrichten. Tätigkeiten, die in Nässe und Kälte zu verrichten oder solche, die mit gehäuftem Bücken verbunden sind, sind ausgeschlossen. Die Anmarschwege sind nicht eingeschränkt. Die Fingerbeweglichkeit ist außer für Feinarbeiten erhalten. Der Kläger ist durch Unterweisung oder Anlernung umstellbar. Dieser Zustand besteht seit Antragstellung.
Mit der gegen den seinen Antrag auf Invaliditätspension abweisenden Bescheid erhobenen Klage begehrt der Kläger, die beklagte Partei zur Gewährung dieser Leistung zu verpflichten. Er habe als Matrose und Steuermann einen angelernten Beruf ausgeübt und sei nicht mehr in der Lage, diese Tätigkeit zu verrichten; er könne auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt kein Einkommen mehr erzielen.
Die beklagte Partei beantragt die Abweisung der Klage.
Das Erstgericht wies das Begehren des Klägers ab. Der Kläger könne zwar als Matrose nicht mehr tätig sein, doch sei dies nicht entscheidend. Einem Matrosen würden überwiegend praktische Fertigkeiten vermittelt, während erst durch den festgestellten Ausbildungsgang die Qualifikation als Binnenschiffer erworben werde. Die Tätigkeiten, die der Kläger verrichtet habe, entsprächen nicht dem Beruf des Binnenschiffers, sondern mit Ausnahme der Führung des Schlepptagebuches und des Steuerns des Waren- oder Tankbootes nur den Tätigkeiten eines Matrosen. Die Tätigkeit eines Steuermannes könne der Kläger aber noch weiter ausüben. Da die Voraussetzungen des § 255 Abs 2 ASVG nicht erfüllt seien, sei der Kläger auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar. Die Voraussetzungen des § 255 Abs 3 ASVG seien jedoch nicht gegeben, weil der Kläger leichte Kontrolltätigkeiten in der Industrie, aber auch die Tätigkeit eines Stanzers oder Pressers in der Metallindustrie verrichten könne.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es erachtete die gerügten Verfahrensmängel nicht für gegeben, übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und trat dessen rechtlicher Beurteilung im wesentlichen bei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Unterlassung der Beweisaufnahme durch Parteienvernehmung durch das Erstgericht war bereits Gegenstand der Mängelrüge der Berufung. Das Berufungsgericht hat sich mit diesen Ausführungen auseinandergesetzt und ist zum Ergebnis gelangt, daß der gerügte Mangel nicht vorliege. Nach ständiger Judikatur (SSV-NF 3/115 mwN ua) können aber Mängel des Verfahrens erster Instanz, deren Vorliegen das Berufungsgericht verneint hat, im Revisionsverfahren nicht mehr geltend gemacht werden. Auch die Begründung, die das Berufungsgericht für das Nichtvorliegen des Verfahrensmangels gegeben hat, ist der Überprüfung durch das Revisionsgericht entzogen.
Soweit sich der Revisionswerber gegen die Annahme der Vorinstanzen wendet, daß er nur mit den festgestellten Aufgaben befaßt gewesen sei und ins Treffen führt, daß er noch weitere qualifizierte Tätigkeiten verrichtet habe, bekämpft er in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung. Auf diese Ausführungen ist nicht einzugehen.
Auch die Rechtsrüge ist nicht begründet.
Daß der Kläger den vorgeschriebenen Ausbildungsgang für Binnenschiffer unter Besuch der vorgesehenen Kurse und Ablegung der Prüfungen absolviert hätte, wird nicht behauptet.
Nach § 255 Abs 2 ASVG liegt ein angelernter Beruf im Sinne des Abs 1 vor, wenn der Versicherte eine Tätigkeit ausübt, für die es erforderlich ist, durch praktische Arbeit qualifizierte Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwerben, welche jenen in einem erlernten Beruf gleichzuhalten sind. Der Versicherte muß hinsichtlich seiner Kenntnisse und Fähigkeiten den Anforderungen entsprechen, die üblicherweise an Absolventen eines Lehrberufes gestellt werden. Es reicht nicht aus, wenn die Fähigkeiten und Kenntnisse nur ein Teilgebiet eines Tätigkeitsbereiches umfassen, der von gelernten Arbeitern ganz allgemein in viel weiterem Umfang beherrscht wird (SSV-NF 3/55 mwN). Voraussetzung für die Annahme eines angelernten Berufes ist aber darüber hinaus nicht nur, daß der Versicherte über die einen Lehrberuf entsprechenden Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, diese müssen vielmehr für die Ausübung der konkreten, im Beobachtungszeitraum überwiegend verrichteten Tätigkeiten auch erforderlich gewesen sein (SSV-NF 3/70).
Der Kläger war in der maßgeblichen Zeit überwiegend als Matrose beschäftigt. Die Frage, ob er dabei eine angelernte Tätigkeit ausübte, ist am Lehrberuf des Binnenschiffers zu messen. Stellt man die Tätigkeit des Klägers, der Hilfstätigkeiten auf dem Schleppkahn verrichtete, der Tätigkeit des Binnenschiffers gegenüber, der vor allem auch organisatorische Aufgaben zu besorgen und alle Maßnahmen für die Sicherheit des gesamten Schleppverbandes zu treffen hat, so ergibt sich, daß die Qualifikation der Tätigkeit des Klägers erheblich darunter lag. Soweit er das Schlepptagebuch führte und das Waren- oder Tankboot steuerte, verrichtete er allenfalls Teiltätigkeiten des Berufes des Binnenschiffers, die jedoch zur Begründung des Berufsschutzes nicht ausreichen. Selbst wenn er über weitergehende Kenntnisse verfügt haben sollte, könnte die die Voraussetzungen des Berufsschutzes nicht begründen, weil solche Kenntnisse für seine Tätigkeit nicht erforderlich waren. Aus dem Hinweis darauf, daß es sich bei den Berufen des Matrosen und des Steuermannes um Berufe mit Zweckbestimmung handelt, ist für den Standpunkt des Revisionswerbers nichts gewonnen. Allein daß eine Tätigkeit zweckgerichtet ist - was im übrigen bei fast allen Tätigkeiten, die einer gewissen Unterweisung bedürfen, der Fall ist -, sagt über den Umfang der für ihre Verrichtung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nichts aus.
Soweit der Kläger auf die Rechtsprechung verweist, wonach die Voraussetzungen für den Berufsschutz auch bei Vorliegen eines Mischberufes bejaht werden, ist dem entgegenzuhalten, daß keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, daß der Kläger einen Mischberuf ausgeübt hätte. Alle Tätigkeiten, die der Kläger nach den Feststellungen verrichtete, waren Teiltätigkeiten des Berufes des Binnenschiffers, ohne daß allerdings dessen Qualifikation erreicht worden wäre.
Zutreffend sind daher die Vorinstanzen zu dem Ergebnis gelangt, daß die Prüfung der Frage, ob die Voraussetzungen für die begehrte Leistung erfüllt sind, ausgehend von der Bestimmung des § 255 Abs 3 ASVG zu erfolgen hat. Ob der Kläger unter Berücksichtigung seines Leistungskalküles imstande ist, als Steuermann tätig zu sein, ist nicht wesentlich, weil im Rahmen des § 255 Abs 3 ASVG der gesamte Arbeitsmarkt das Verweisungsfeld bildet. Dagegen, daß er die anderen von den Vorinstanzen herangezogenen Verweisungstätigkeiten verrichten könne, wird in der Revision nichts vorgebracht.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe, die einen Kostenzuspruch aus Billigkeit rechtfertigen würden, wurden weder geltend gemacht noch ergeben sich Hinweise auf solche Gründe aus dem Akt.
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