Spruch:
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die Kläger haben die Kosten der Rekursbeantwortung selbst zu tragen.
Begründung
Die Kläger sind die Gesellschafter einer Gesellschaft mbH. Dieser räumte die beklagte Partei mit Kontokorrentkreditvertrag vom 23. 5. 2007 einen revolvierenden Kontokorrentkredit mit einem Rahmen von 200.000 EUR zu KontoNr ***** ein, der mit 20. 5. 2012 endfällig war. Mit Kontokorrentkreditvertrag vom 2. 11. 2009 gewährte die Beklagte der Gesellschaft mbH zum selben Konto einen weiteren revolvierenden, am 20. 5. 2012 endfälligen Kontokorrentkredit mit einem Rahmen von 50.000 EUR. Die Kläger bürgten jeweils für den Kredit und räumten der Beklagten Pfandrechte an Liegenschaften ein, verpfändeten ein Wertpapierdepot und zwei Versicherungspolizzen und begaben Deckungswechsel.
Beide Kontokorrentkreditverträge enthielten folgende Bestimmung:
„9. Bankgeschäftliche Zusammenarbeit
Der Kreditnehmer wickelt seinen Zahlungsverkehr ausschließlich, bei Bestehen sonstiger Bankverbindungen zumindest im Ausmaß des jeweils in Anspruch genommenen Kredits, und weitere Bankgeschäfte über den Kreditgeber ab; weitere Kreditaufnahmen sowie den Abschluss von Leasing‑ und Factoringverträgen wird er im Einvernehmen mit dem Kreditgeber vornehmen, der zustimmen wird, wenn nach seiner Einschätzung dadurch die Einbringlichkeit dieses Kredits nicht gefährdet erscheint.“
Nach den vereinbarten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten war diese berechtigt, zwischen sämtlichen Ansprüchen des Kunden, soweit sie pfändbar sind, und sämtlichen Verbindlichkeiten des Kunden ihr gegenüber aufzurechnen.
Neben dem Konto bei der Beklagten verfügte die Gesellschaft mbH über ein weiteres Konto bei einer anderen Bank.
Das Landesgericht Wiener Neustadt eröffnete aufgrund des Antrags der Gesellschaft mbH mit Beschluss vom 1. 9. 2011 das Konkursverfahren über deren Vermögen. Vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens waren die Kontokorrentkredite nicht fällig gestellt worden. Innerhalb der letzten 60 Tage vor Konkurseröffnung fanden auf dem Kreditkonto der Gesellschaft mbH, das zugleich Geschäfts‑ und Kreditkonto war, zahlreiche Kontobewegungen statt. Der höchste Sollstand wurde am 15. 7. 2011 erreicht und betrug ‑370.651,59 EUR. Danach erfolgten weitere Zahlungen und Ausleihungen, durch die sich der Sollstand bis zum 1. 9. 2011 auf ‑11.480,41 EUR reduzierte.
Die Masseverwalterin focht mit Schreiben vom 10. 5. 2012 gegenüber der Beklagten diese Zahlungen gemäß §§ 27 ff IO, insbesondere § 30 Abs 1 Z 1 IO an und forderte die Beklagte auf, ihr 589.719,27 EUR bis 30. 5. 2012 zu zahlen. Im Juli 2012 schloss die Beklagte, ohne die Kläger in die Vergleichsverhandlungen einzubinden, mit der Masseverwalterin einen Vergleich über die Anfechtungsansprüche, in dem sie sich verpflichtete, 225.000 EUR an die Insolvenzmasse zu zahlen. Die Zahlung erfolgte am 12. 7. 2012.
Das Erstgericht wies das auf Feststellung gerichtete Klagebegehren, dass sämtliche Haftungen der Kläger für die Gesellschaft mbH gegenüber der Beklagten aus dem Titel der der Gesellschaft mbH gewährten Kredite, Überziehungsermächtigungen und Ausleihungen gemäß den von den Klägern gegebenen Sicherheiten, nämlich Bürgschaftserklärungen und Pfandbestellungsurkunden, im Umfang der Rückzahlung an die Konkursmasse in Höhe von 225.000 EUR samt den der Gesellschaft mbH aus den beiden Konten verrechneten Zinsen und Verzugszinsen seit 13. 7. 2012 erloschen seien, ab. Die Senkung der höchsten vereinbarten Kreditausnutzung von 250.000 EUR auf 11.480,41 EUR, insgesamt also eine Deckung innerhalb der kritischen Frist von 238.519,59 EUR, unterliege der Anfechtung nach § 30 Abs 1 Z 1 IO. Auch eine Aufrechnung durch die Beklagte hätte nichts an der Anfechtbarkeit geändert. Nur dann, wenn der Kreditnehmer nach den Kreditbedingungen sämtliche geschäftlichen Geldumsätze über das Kreditkonto führen müsse, hätte die Bank auch bei Zahlungen innerhalb der kritischen Frist einen klagbaren, anfechtungsfesten Anspruch auf Schaffung einer Aufrechnungslage. Derartiges lasse sich den Kreditverträgen nur für den Fall, dass keine sonstigen Bankverbindungen bestünden, entnehmen. Eine Verpflichtung aber, den Zahlungsverkehr bei bestehenden sonstigen Bankverbindungen bloß bevorzugt (nämlich zumindest im Ausmaß des in Anspruch genommenen Kredits) über die Beklagte abzuwickeln, reiche für einen kongruenten und klagbaren Anspruch nicht aus.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger Folge. Es hob das Urteil des Erstgerichts auf, an das es die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwies. Inkongruenz sei dann auszuschließen, wenn dem Gläubiger auf die Sicherstellung oder die Befriedigung bereits bei Beginn der Frist des § 30 Abs 1 Z 1 IO ein begründeter Anspruch zustehe. Ein solcher klagbarer und damit kongruenter Anspruch bestehe dann, wenn zwischen Gemeinschuldner und Bank vereinbart worden sei, dass der gesamte Zahlungsverkehr oder alle Zahlungen von Kunden während des Kreditverhältnisses über die betreffende Bank abzuwickeln seien und dies auch tatsächlich so gehandhabt worden sei. In diesem Fall habe die Bank Anspruch auf die Eingänge bzw auf die Schaffung von Aufrechnungslagen unabhängig von der normalen Fälligkeit des Kredits. Kongruenz der Sicherstellung oder Befriedigung sei aber auch dann anzunehmen, wenn aus anderen Gründen ein klagbarer Anspruch auf Vornahme dieser Sicherstellung bzw Befriedigung vor der kritischen Frist begründet worden sei. Nach der in den Kontokorrentkreditverträgen getroffenen Vereinbarung habe sich die Gesellschaft mbH verpflichtet, im Ausmaß des offenen Außenstands den Zahlungsverkehr ausschließlich über die Beklagte abzuwickeln. Der Beklagten stehe daher auch in diesem Fall ein klagbarer Anspruch zu. Die Vereinbarung sei zur Begründung der Kongruenz inhaltlich ausreichend bestimmt, weil sich der Umfang der Verpflichtung zur Schaffung einer Aufrechnungslage jeweils zugleich mit der Inanspruchnahme des Kredits ergebe. Bestehe daher eine Vereinbarung, wonach der gesamte Zahlungsverkehr oder zumindest im Ausmaß des jeweils aushaftenden Debets über das Kontokorrentkreditkonto abzuwickeln sei, könnten die Eingänge nicht nach § 30 Abs 1 Z 1 IO angefochten werden. Die bloße Existenz eines weiteren Kontos der Gesellschaft mbH bei einer anderen Bank reiche daher nicht aus, um einen klagbaren und damit kongruenten Anspruch der Beklagten zu verneinen. Das angefochtene Urteil sei aufzuheben, weil Feststellungen dazu fehlten, ob die Verpflichtung zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs im Ausmaß des offenen Außenstands auch tatsächlich so gehandhabt worden sei. Darüber hinaus habe die Debetminderung auch nach anderen Anfechtungstatbeständen der IO anfechtbar gewesen sein können. Das Erstgericht werde daher im fortgesetzten Verfahren zu prüfen haben, ob zumindest einer der behaupteten Anfechtungsgründe vorgelegen sei und dazu Feststellungen zu treffen haben.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Kongruenz der Befriedigung aus Einzahlungen während der Laufzeit des ungesicherten Kontokorrentkredits lediglich für den Fall der Vereinbarung, dass der gesamte Geldverkehr während des Kreditverhältnisses über die kreditierende Bank abzuwickeln sei, bestehe.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs der Beklagten, mit dem sie die Behebung des Aufhebungsbeschlusses und die Wiederherstellung des klagsabweisenden Ersturteils anstrebt, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 ZPO) Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 iVm § 519 Abs 2 ZPO nicht zulässig (RIS-Justiz RS0048272 [T8]).
1.1. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist das Berufungsgericht nicht von der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 2 Ob 128/99h abgewichen. Die Zulässigkeit des Rekurses ist auch nicht darin begründet, dass Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Auslegung der zwischen den Streitteilen in den Kontokorrentkreditverträgen vereinbarten Klausel „9. Bankgeschäftliche Zusammenarbeit“ fehlt. Die im vorliegenden Fall vereinbarte Klausel stimmt mit jener der Entscheidung 2 Ob 128/99h zugrunde liegenden Vereinbarung nicht überein („Der Kreditnehmer wickelt seine Bankgeschäfte vorwiegend über den Kreditgeber ab und sorgt für Überweisungen im Ausmaß des offenen Saldos; ...“).
1.2. Die Beurteilung der Kongruenz bzw Inkongruenz im Zusammenhang mit dem Anfechtungstatbestand nach § 30 Abs 1 IO ist stets und typisch einzelfallbezogen und auch bei Kreditgeschäften regelmäßig von der Kasuistik der Vertragsgestaltung zwischen Kreditnehmer (Schuldner) und Kreditgeber (Bank) geprägt (RIS‑Justiz RS0111989). Sie stellt daher regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage dar, es sei denn die Entscheidung des Berufungsgerichts bedarf einer Korrektur.
2.1. Nach § 30 Abs 1 Z 1 IO ist eine nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder nach einem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder in den letzten 60 Tagen vorher vorgenommene Sicherstellung oder Befriedigung eines Gläubigers anfechtbar, wenn er eine Sicherstellung oder Befriedigung erlangt hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht in der Zeit zu beanspruchen hatte, es sei denn, dass er durch diese Rechtshandlung vor den anderen Gläubigern nicht begünstigt worden ist.
2.2. Die (objektive) Begünstigung im Sinn des § 30 Abs 1 Z 1 IO setzt eine inkongruente Deckung, also eine inhaltlich „abweichende“ Sicherstellung oder Befriedigung voraus. Sie liegt nach dem Gesetz dann vor, wenn die Sicherstellung oder Befriedigung gar nicht oder nicht in der Art oder nicht in der Zeit zu beanspruchen war, wodurch der Gläubiger etwas erhält, was ihm nicht gebührt, was also wesentlich und in nicht üblichem Maß von der rechtlich gebührenden Sicherstellung oder Befriedigung abweicht (6 Ob 157/01h mwN). Inkongruenz ist aber dann auszuschließen, wenn dem Gläubiger auf die Sicherstellung oder Befriedigung ein bei Beginn der Frist des § 30 Abs 1 Z 1 IO begründeter Anspruch zusteht. „In der Zeit“ zu beanspruchen hat ein Gläubiger die Befriedigung (Sicherstellung) dann, wenn ein materiell‑rechtlicher Anspruch auf diese vor der kritischen Frist entstanden und im Zeitpunkt der Befriedigung (Sicherstellung) auch einklagbar ist (6 Ob 157/01h mwN).
3. Der Oberste Gerichtshof bejaht in seiner jüngeren, einheitlichen Judikatur die Kongruenz im Zusammenhang mit der Abdeckung eines Kontokorrentkredits jedenfalls dann, wenn sich der Kreditnehmer verpflichtet hatte, den gesamten Geldverkehr über die den Kredit gewährende Bank abzuwickeln, sodass diese (gemäß ihren Allgemeinen Bankbedingungen) durch Aufrechnung Befriedigung erlangen durfte (zB 3 Ob 575/86, ÖBA 1987, 186 [ Koziol ]); 6 Ob 256/99m; 6 Ob 157/01h mwN; vgl Bollenberger in Apathy/Iro/Koziol , Österreichisches Bankvertragsrecht IV² Rz 1/462 mwN), und dies tatsächlich so gehandhabt wurde (2 Ob128/99h, ÖBA 2000/848, 152 [ Bollenberger ]; RIS-Justiz RS0111990). Kongruenz der Sicherstellung oder Befriedigung ist aber auch dann anzunehmen, wenn aus anderen Gründen ein klagbarer Anspruch auf Vornahme dieser Sicherstellung bzw Befriedigung vor der kritischen Frist begründet wurde (6 Ob 157/01h mwN). So führt die Vereinbarung, einen Kreditbetrag „aus den Eingängen eines bestimmten Großauftrags zurückzuführen“, auch dann zu kongruenten Deckungen, wenn der Schuldner mehrere Bankverbindungen unterhielt (3 Ob 189/05y). Die Vereinbarung einer bloß „bevorzugten“ (5 Ob 312/81, JBl 1982, 380 [ Koziol ]) oder „vorwiegenden“ (2 Ob 128/99h, ÖBA 2000/848, 152 [ Bollenberger ]) Inanspruchnahme reicht hingegen nicht, weil eine solche Vereinbarung zur Begründung der Kongruenz inhaltlich zu unbestimmt ist (3 Ob 575/86, ÖBA 1987, 186 [ Koziol ]; Widhalm , Kontokorrentkredit und Konkursanfechtung 90 mwN).
4. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass ein klagbarer Anspruch und damit Kongruenz der Befriedigung aus Einzahlungen auch dann besteht, wenn vereinbart wurde, dass der Kreditnehmer bei Bestehen sonstiger Bankverbindungen seinen Zahlungsverkehr zumindest im Ausmaß des jeweils in Anspruch genommenen Kredits über den Kreditgeber abwickelt, und dies auch tatsächlich so gehandhabt wird, steht mit der referierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs im Einklang. Denn aus dieser vor der kritischen Zeit getroffenen Vereinbarung hätte die Beklagte bereits im Zeitpunkt des jeweiligen Eingangs auf Verschaffung einer Aufrechnungslage klagen können ( Widhalm , Kontokorrentkredit und Konkursanfechtung 90 mwN; Bollenberger , Anmerkung zu 2 Ob 128/99h, ÖBA 2000, 154 [156]; ders in Apathy/Iro/Koziol , Österreichisches Bankvertragsrecht IV 2 Rz 1/462).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 ZPO. Die Kläger zeigten in der Rekursbeantwortung die Unzulässigkeit des Rechtsmittels der Beklagten nicht auf.
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