OGH 10Ob8/16y

OGH10Ob8/16y15.3.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Neumayr, Dr. Schramm, die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L*****, vertreten durch Mag. Maximilian Kocher, Rechtsanwalt in Brunn am Gebirge, gegen die beklagten Parteien 1. P*****, 2. C*****, 3. I*****, 4. E*****, 5. V*****, 6. J*****, 7. B*****, alle *****, alle vertreten durch Dr. Elisabeth Zimmert, Rechtsanwältin in Neunkirchen, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 10. Dezember 2015, GZ 19 R 63/15y‑43, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0100OB00008.16Y.0315.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1 Wie sich aus den erstgerichtlichen Feststellungen im Zusammenhalt mit der Beweiswürdigung ergibt, hat die Klägerin gegenüber der Erst‑ und dem Zweitbeklagten (ihrer Tochter und dem Schwiegersohn) ausdrücklich erklärt, damit einverstanden zu sein, dass diese sowie deren gemeinsame Kinder (die Dritt‑ bis Siebentbeklagten) in der noch auszubauenden Wohnung im Obergeschoß des im Eigentum der Klägerin stehenden Hauses E***** auf Dauer wohnen können. Die gegen diese Feststellung gerichtete Tatsachenrüge hat das Berufungsgericht als nicht berechtigt angesehen. Dass sich das Berufungsgericht nicht mehr mit der Rechtsrüge gegen die ‑ lediglich hilfsweise ‑ Begründung des Erstgerichts befasst hat, aufgrund des Verhaltens der Klägerin wäre auch von einer schlüssigen Zusage eines Wohnungsgebrauchsrechts iSd § 863 ABGB auszugehen, stellt keinen Mangel des Berufungsverfahrens dar.

1.2 Eine Aktenwidrigkeit liegt nur vor, wenn Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen wurden (RIS‑Justiz RS0043347), nicht aber wenn das Berufungsgericht im Rahmen der rechtlichen Beurteilung rechtliche Schlussfolgerungen zieht.

2.1 Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass dingliche und obligatorische Wohnungsrechte ganz allgemein ‑ und damit auch im familiären Bereich ‑ wie jedes andere Dauerschuldverhältnis aus wichtigem Grund aufgelöst werden können (RIS‑Justiz RS0018813 [T7]).

2.2 Welche schwerwiegenden Gründe im Einzelfall die Unzumutbarkeit der Fortsetzung eines Dauerschuldverhältnisses bewirken und zu dessen Auflösung berechtigen, ist eine Frage der Abwägung im Anlassfall und kann nur aus einer umfassenden Sicht aller dafür und dagegen sprechenden Gegebenheiten des Einzelfalls beantwortet werden (RIS‑Justiz RS0018305 [T52]; RS0042834; RS0111817).

2.3 Ein wichtiger Auflösungsgrund ist insbesondere zu bejahen, wenn ein gedeihliches Zusammenleben der Vertragspartner nicht mehr möglich ist, wobei dem überwiegend Schuldlosen das Lösungsrecht zukommt. Gründe, mit denen bei Vertragsabschluss bereits gerechnet werden musste, können prinzipiell nicht herangezogen werden. Daran, ob ein wichtiger Grund für die vorzeitige Auflösung vorliegt, ist ein strenger Maßstab anzulegen; die Gründe müssen ein erhebliches Gewicht haben (RIS‑Justiz RS0018813).

2.4 Die Vorinstanzen haben eine Abwägung des Auflösungsinteresses der Klägerin und des Bestandinteresses der Beklagten im Sinne der dargelegten Ausführungen vorgenommen und dem Interesse der Beklagten eine größere Beachtlichkeit zugemessen. Diese stets von den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängige Beurteilung ist in der Regel einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen, es sei denn, es läge ein Fall einer unvertretbaren Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts vor. Dass die Ansicht des Berufungsgerichts, die von der Klägerin geltend gemachten Auflösungsgründe bzw die festgestellten Vorfälle und Äußerungen seien nicht so schwerwiegend, um deren Räumungsbegehren stattzugeben, eine unvertretbare Fehlbeurteilung darstellt, wird jedoch in der Revision nicht aufgezeigt. Mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO war die Revision der Klägerin daher als unzulässig zurückzuweisen.

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