OGH 10Ob65/10x

OGH10Ob65/10x5.10.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon.-Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj P*****, geboren am 27. November 2009, vertreten durch das Land Wien als Jugendwohlfahrtsträger (Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, Rechtsvertretung Bezirk 10, 1100 Wien, Van-der-Nüll-Gasse 20), über den Revisionsrekurs des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 18. Mai 2010, GZ 48 R 116/10d-16, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom 9. März 2010, GZ 8 PU 69/10k-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Beginndatum in Punkt 1. des erstgerichtlichen Beschlusses vom 9. 3. 2010 statt „01. 02. 2010“ „01. 03. 2010“ zu lauten hat.

Das auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG auch für den Monat Februar 2010 gerichtete Mehrbegehren des Kindes wird abgewiesen.

Text

Begründung

Der am 27. 11. 2009 geborene Kläger P***** ist der Sohn von B***** und C*****. Letzterer ist aufgrund einer am 25. 2. 2010 vor dem Jugendwohlfahrtsträger abgeschlossenen Unterhaltsvereinbarung zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 170 EUR ab 1. 2. 2010 an den Minderjährigen verpflichtet.

Am 26. 2. 2010 brachte der Minderjährige, vertreten durch den Jugendwohlfahrtsträger, bei Gericht einen Antrag auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen in Titelhöhe gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG ein.

Mit Beschluss vom 9. 3. 2010, GZ 8 PU 69/10k-14, bewilligte das Erstgericht dem Minderjährigen Unterhaltsvorschüsse gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG in Titelhöhe für den Zeitraum vom 1. 2. 2010 bis 31. 1. 2015. Zur Begründung wurde angegeben, dass der Unterhaltsschuldner nach der am 26. 2. 2010 eingetretenen Vollstreckbarkeit den laufenden Unterhalt für Februar und März 2010 nicht geleistet habe. Die Führung einer Exekution erscheine aussichtslos, weil der Unterhaltsschuldner lediglich Notstandshilfe und Sozialhilfe in Höhe von monatlich insgesamt 500 EUR beziehe.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Bundes nicht Folge. Es führte zu der im Revisionsrekursverfahren allein noch strittigen Frage des Beginns der Unterhaltsvorschusszahlungen aus, Vorschüsse seien nach § 8 UVG vom Beginn des Monats, in dem das Kind sie beantrage, zu gewähren. Da der Minderjährige seinen Antrag auf Unterhaltsvorschüsse am 26. 2. 2010 bei Gericht eingebracht habe und zu diesem Zeitpunkt der Titel für den laufenden Unterhalt für Februar 2010 bereits vollstreckbar gewesen sei, bestehe ein Vorschussanspruch bereits ab 1. 2. 2010.

Das Rekursgericht sprach über Zulassungsvorstellung des Minderjährigen aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs gegen seine Entscheidung doch zulässig sei, weil auch eine Auslegung des Ausdrucks „laufender Unterhaltsbeitrag“ in § 3 Z 2 UVG im Sinne des Standpunkts des Bundes denkbar sei und höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage noch nicht vorliege.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Bundes mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn einer Gewährung der Unterhaltsvorschüsse erst ab 1. 3. 2010. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Der Minderjährige, vertreten durch den Jugendwohlfahrtsträger, beantragt in seiner Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Entscheidung des Rekursgerichts im Widerspruch zu der mittlerweile vorliegenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Auslegung des § 3 Z 2 UVG idF FamRÄG 2009 steht. Er ist auch berechtigt.

Wie der erkennende Senat in den Entscheidungen 10 Ob 38/10a, 10 Ob 39/10y, 10 Ob 40/10a ua jeweils vom 17. 8. 2010 näher dargelegt hat, setzt die Vorschussgewährung nach § 3 Z 2 UVG idF FamRÄG 2009 voraus, dass der Unterhaltsschuldner „nach Eintritt der Vollstreckbarkeit“ den laufenden Unterhaltsbeitrag nicht zur Gänze leistet. Auch bei einer Unterhaltsvorschussgewährung nach § 4 Z 1 UVG ist - neben dem Vorliegen eines vollstreckbaren Unterhaltstitels - Voraussetzung, dass der Unterhaltsschuldner nach Eintritt der Vollstreckbarkeit den laufenden Unterhaltsbeitrag nicht zur Gänze leistet. Darunter ist zu verstehen, dass der dem Eintritt der Vollstreckbarkeit folgende Fälligkeitstermin erfolglos verstreichen muss, damit ein Anspruch auf Unterhaltsvorschüsse nach den §§ 3 Z 2, 4 Z 1 UVG entsteht. Die bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit fällig gewordenen Unterhaltsbeiträge sind insoweit unterhaltsvorschussrechtlich unbeachtlich. Wird daher vom geldunterhaltspflichtigen Elternteil an dem dem Eintritt der Vollstreckbarkeit folgenden Monatsersten der fällige Unterhaltsbetrag nicht geleistet, steht der Unterhaltsvorschuss monatsbezogen ab diesem Monatsersten zu.

Da im vorliegenden Fall die Vollstreckbarkeit des Unterhaltstitels erst im Februar 2010 eingetreten ist, konnte ein Verzug mit der Zahlung des nach Eintritt der Vollstreckbarkeit fälligen laufenden Unterhalts frühestens im März 2010 eintreten, weshalb auch ein Vorschussanspruch erst am 1. 3. 2010 besteht. Es war daher in Stattgebung des Revisionsrekurses des Bundes das Beginndatum der Vorschussgewährung auf 1. 3. 2010 abzuändern.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte