OGH 10Ob63/01i

OGH10Ob63/01i8.5.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer, Dr. Fellinger, Dr. Hoch und Dr. Neumayr als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei M***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Weiss-Tessbach Rechtsanwälte GmbH, Wien, gegen die Gegnerin der gefährdeten Partei Alfred W***** AG, *****, vertreten durch Rechtsanwälte Kaan Cronenberg & Partner, Graz, wegen Unterlassung (S 1,000.000,--), infolge Revisionsrekurses der Gegnerin der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 23. Jänner 2001, GZ 17 R 10/01t-9, womit infolge Rekurses der gefährdeten Partei der Beschluss des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 4. Dezember 2000, GZ 4 C 2326/00w-5, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs der Gegnerin der gefährdeten Partei wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass er einschließlich des bestätigten Teils insgesamt zu lauten hat:

Einstweilige Verfügung:

Zur Sicherung der Ansprüche der gefährdeten Partei auf Unterlassung des Bruches des Kooperationsvertrages vom 23. 12. 1996 durch die Gegnerin der gefährdeten Partei wird der Gegnerin der gefährdeten Partei aufgetragen, es zu unterlassen, die Geschäftsleitung oder Mitarbeiter der W***** MM G***** Krakow Sp.z.o.o. mit dem Sitz in Krakau oder der P***** P*****-GmbH mit dem Sitz in Graz dazu aufzufordern, Informationen an die Gegnerin der gefährdeten Partei herauszugeben, mit dem Zweck, diese an Dritte, insbesondere W***** Corporation, N*****, weiterzugeben oder ähnliche Handlungen zu setzen, die mit dem Gegenstand und Zweck der Kooperation gemäß Kooperationsvertrag vom 23. 12. 1996 unvereinbar sind, oder Dritte zu solchen Handlungen zu verleiten oder zu unterstützen.

Diese einstweilige Verfügung wird bis zur Beendigung des Rechtsstreites über die im Wege der Schiedsklage einzubringende Rechtfertigungsklage betreffend den Anspruch der gefährdeten Partei auf Unterlassung von Eingriffen in das Kooperationsverhältnis erlassen.

Hingegen wird das Mehrbegehren, der Gegnerin der gefährdeten Partei aufzutragen, es ab sofort zu unterlassen, Handlungen mit der Zielsetzung des Abschlusses eines Joint Ventures mit einem russischen Partner oder der Errichtung einer Betriebsstätte in Russland ohne Berücksichtigung der Interessen und Rechte der gefährdeten Partei als Partner des Kooperationsvertrages vom 23.12.1996 zu setzen, einschließlich des Abschlusses entsprechender, auf diesen Zweck gerichteter Verträge, abgewiesen.

Die gefährdete Partei hat die halben Kosten des Provisorialverfahrens vorläufig selbst zu tragen; die halben Kosten hat sie endgültig selbst zu tragen.

Die gefährdete Partei ist schuldig, ihrer Gegnerin die mit S 7.570,80 (darin S 1.261,80 USt) bestimmten anteiligen Kosten der Äußerung binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die gefährdete Partei hat die Kosten ihres Rekurses sowie ihrer Revisionsrekursbeantwortung zu einer Hälfte endgültig und zur weiteren Hälfte vorläufig selbst zu tragen.

Die gefährdete Partei ist schuldig, ihrer Gegnerin die mit S 20.828,70 (darin S 3.471,45 USt) bestimmten anteiligen Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Streitparteien (im folgenden auch kurz MM AG und W***** AG genannt) haben am 23. 12. 1996 einen Kooperationsvertrag geschlossen. Darin wird die Absicht geäußert, insbesondere durch die Gründung einer Holding-Gesellschaft sowie die Errichtung und den Betrieb eines Produktionsstandortes in Polen im Wege einer Tochtergesellschaft eine Kooperation im Bereich Zigarettenverpackungen für ein "Territorium" einzugehen. Dieses "Territorium" ist mit allen Staaten der Welt, ausgenommen die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, Nord- und Südamerika umschrieben. Ziel ist die Erschließung der Märkte des "Territoriums" im Bereich Produktion und Vertrieb von Zigarettenverpackungen zum gemeinsamen Nutzen.

Punkt VII.7.2. des Kooperationsvertrages lautet: "Sollte eine Vertragspartei künftig alleine oder gemeinsam mit einem lokalen Partner die Entwicklung eines weiteren Projektes im Bereich des Unternehmensgegenstandes gemäß Punkt 2.2. mit Standpunkt im Territorium planen, so hat sie (= die "anbietende Partei") der anderen Partei die Möglichkeit einer gemeinsamen Realisierung anzubieten. Die andere Vertragspartei hat sodann das Recht, sich darüber innerhalb einer Frist von längstens sechs Wochen zu erklären. Dieser Fristenlauf beginnt jedoch jedenfalls erst zu dem Zeitpunkt, zu dem die Eckdaten des geplanten Projektes im Sinne des Projektplanes des Punkt 4.2.1. dem anderen Vertragsteil mitgeteilt wurden. Für den Fall der Zustimmung der anderen Vertragspartei besteht die Absicht, vorbehaltlich der rechtlichen und steuerlichen Optimierung der Struktur derartige weitere Projekte im Wege der Holding zu realisieren. Die Bestimmungen dieses Vertrages gelten für weitere gemeinsame Projekte der Vertragsparteien sinngemäß. ... Lehnt die andere Vertragspartei die gemeinsame Realisierung ab, so ist die anbietende Partei frei, das Projekt allein oder gemeinsam mit einem oder mehreren Dritten zu realisieren."

Ein Projektplan laut Punkt 4.2.1. umfasst die folgenden Inhalte:

In Punkt IX.9.1. ist unter anderem festgehalten, dass die Sorgfalt höchster österreichischer Geschäftsmoral gilt. In Punkt IX.9.2.1. des Kooperationsvertrags ist geregelt, dass hinsichtlich der Verletzungen des Kooperationsvertrages ein Schiedsrichtersenat unter Ausschluss der ordentlichen Gerichtsbarkeit zuständig ist.

Am Grundkapital der W***** AG waren damals Mag. Alfred W***** zu 90 %, Dr. Georg W***** zu 5,1 % und die MM AG zu 4,9 % beteiligt. Mit einer weiteren Vereinbarung vom 23. 12. 1996 räumten einander Mag. Alfred W***** und die MM AG für den Zeitraum, in dem sowohl Mag. W***** als auch die MM AG Aktionäre der W***** AG sind, wechselseitig das Vorkaufsrecht gemäß §§ 1072 ff ABGB hinsichtlich der sich in ihrem Eigentum befindlichen Aktien ein, wobei verschiedene Veräußerungsvorgänge, etwa innerhalb des Familienkreises, ausdrücklich ausgenommen sind.

Entsprechend dem Kooperationsvertrag gründeten die Streitparteien in der Folge eine Holding-Gesellschaft in der Rechtsform einer GmbH (kurz "P***** P*****"), an der sich die Parteien zu je 50 % des Stammkapitals beteiligten. Die Tätigkeit in Polen übernahm die W***** MM G***** Krakow Sp.z.o.o. (kurz "W***** MM G*****"), eine 100 %ige Tochtergesellschaft der P***** P*****. Diese polnische Gesellschaft hat drei Geschäftsführer, je einen von der MM AG und der W***** AG nominierten und den gemeinsam nominierten Mag. Krzysztof L*****.

Die Kooperation zwischen den Streitparteien entwickelte sich vertragsgemäß. Am 27. 6. 2000 fand in Graz eine Gesellschafterversammlung der P***** P***** statt, bei der weitere Expansionspläne, insbesondere auf dem russischen Markt erörtert wurden. Mag. Alfred W*****, Vorstandsmitglied der Gegnerin der gefährdeten Partei und einer der vier Geschäftsführer der P***** P*****, übernahm die Abklärung weiterer Detailfragen im Zusammenhang mit der Errichtung eines Produktionsstandortes in Russland, allenfalls gemeinsam mit einem lokalen Partner, zu dem er Kontakt hatte.

Mit Schreiben vom 31. August 2000 teilte Mag. Alfred W***** gemeinsam mit seinem Bruder Dr. Georg W***** der gefährdeten Partei unter anderem mit, dass er 85,1 % des Grundkapitals der Alfred W***** KG durch Anteilstausch an die amerikanische W*****-Corporation - eine Konkurrentin der gefährdeten Partei insbesonders auch hinsichtlich Zigarettenverpackungen - veräußert habe. Laut dem "Aktieneinlagevertrag" vom 31. August 2000 bleibt Mag. W***** auf zumindest weitere drei Jahre Vorstandsmitglied bei der W***** AG; außerdem erhält er eine Funktion im Board oder im strategischen Konzernsteuerungsbereich der W***** Corporation. Weiters ist festgehalten: "Sollte das sich noch im Verhandlungsstadium befindliche Joint Venture mit einem russischen Partner von W***** AG realisiert werden, bekommt Mag. W***** eine 10%ige Beteiligung daran."

Im Mai 1999 wurde der Geschäftsführer der W***** MM G***** Krakow Sp.z.o.o., Mag. Krzysztof L*****, darüber informiert, dass er auf Wunsch von Mag. W***** zwei Besucher zu einer Werksbesichtigung zu empfangen habe. Dabei handelte es sich um Angehörige der W***** Corporation, die beim Betriebsrundgang besonderes Interesse an Details der maschinellen Ausstattung zeigten. Weiters forderte die Personalchefin der W***** AG bei Mag. L***** detaillierte Fragen über das Unternehmen in Polen an, die von Mag. L***** aber nicht beantwortet wurden, da er sie für vertraulich und schutzwürdig hielt.

Aus Sicht der gefährdeten Partei ist in der Kooperation mit der W***** AG insofern eine unerträgliche Situation entstanden, als es ihr nicht möglich erscheint, die geplanten Projekte voranzubringen, da sie damit rechnet, dass Informationen betreffend Russland von der W***** AG umgehend an die an solchen Informationen interessierte W***** Corporation weitergegeben werden.

Die gefährdete Partei hat im erstinstanzlichen Verfahren ausgeführt, dass betreffend den behaupteten Unterlassungsanspruch die Wiederholungsgefahr im Hinblick auf die vertragswidrige Vorbereitung, Verhandlung und Durchführung eines Joint Ventures mit einem russischen Partner ohne Einbeziehung der gefährdeten Partei sowie auf die Abforderung von betriebsinternen Informationen sowie deren Weitergabe an W***** evident sei. Die Gefährdung des Unterlassungsanspruches ergebe sich schon aus seiner Natur. Auf Grund des bisherigen Verhaltens der W***** AG sei praktisch täglich mit neuen ähnlichen Eingriffen in die Kooperation zu rechnen.

Demgegenüber hat die Gegnerin der gefährdeten Partei einen Anspruch auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung bestritten. Insbesondere sei eine Verletzung des Kooperationsvertrages nicht bescheinigt.

Während das Erstgericht den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen hat, dass die W***** AG die Verpflichtungen aus dem Kooperationsvertrag wahrscheinlich nicht brechen werde, hat das Rekursgericht dem Antrag ausgehend von dem eingangs zusammengefasst dargestellten Sachverhalt stattgegeben. In rechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht aus, dass die Voraussetzungen des § 381 Z 2 EO vorlägen. Die gefährdete Partei habe sowohl den Anspruch als auch die Gefahr bescheinigt. Die Prüfung, ob tatsächlich eine Verletzung des Kooperationsvertrages vorliege, sei auf Grund der Schiedsvereinbarung der ordentlichen Gerichtsbarkeit entzogen, weshalb sich ein Eingehen auf die von der gefährdeten Partei behaupteten Vertragsverletzungen erübrige.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung erhobene Revisionsrekurs der Gegnerin der gefährdeten Partei ist zulässig; er ist teilweise berechtigt.

Die klagende Partei hat folgenden Verfügungsantrag gestellt:

"Zur Sicherung der Ansprüche der gefährdeten Partei auf Unterlassung des Bruches des Kooperationsvertrages vom 23. 12. 1996 durch die Gegnerin der gefährdeten Partei wird der Gegnerin der gefährdeten Partei aufgetragen,

Wird eine einstweilige Verfügung außerhalb eines Prozesses bewilligt, ist im Beschluss eine angemessene Frist für die Einbringung der Klage zu bestimmen (§ 391 Abs 2 EO). Schon daraus ergibt sich, dass die gefährdete Partei angeben muss, welchen Anspruch sie behaupten und mit der Klage geltend machen will (RIS-Justiz RS0004906, zuletzt 1 Ob 294/98m = ÖBA 1999/821). Nach ständiger Rechtsprechung muss sich nämlich eine einstweilige Verfügung immer im Rahmen des Hauptanspruchs halten (RIS-Justiz RS0004861). Ist das angestrebte Begehren nicht klar erkennbar, ist der Sicherungsantrag abzuweisen (6 Ob 238/00v; Zechner, Sicherungsexekution und einstweilige Verfügung, § 378 Rz 3 mwN aus der Rechtsprechung).

Wenn man davon ausgeht, dass die gefährdete Partei den Hauptanspruch auf Unterlassung gegenüber ihrer Gegnerin - und nicht gegen Mag. Alfred W***** - ausreichend substantiiert hat ("Anspruch der gefährdeten Partei auf Unterlassung der dargestellten Eingriffe sowie allfälliger ähnlicher Handlungen", Seite 20 des Antrags; "Der primäre Anspruch der gefährdeten Partei hinsichtlich des Joint Ventures in Russland ... ist ... auf das Unterlassen einer Realisierung eines Joint Ventures mit dem Hauptkonkurrenten der gefährdeten Partei, W*****, gerichtet.", Seite 3 der Gegenäußerung), ist die beantragte einstweilige Verfügung zum Teil zu erlassen.

1. Unterlassung von Handlungen betreffend Joint Venture oder Betriebsstätte in Russland:

Das Rekursgericht hat ohne nähere Begründung ausgeführt, dass die gefährdete Partei sowohl den Anspruch als auch die Gefahr bescheinigt habe; es sei "nur zu prüfen, ob der Anspruch bescheinigt ist, nicht jedoch, ob tatsächlich eine Verletzung des Kooperationsvertrages vorliegt oder nicht, weil dies unter Ausschluss der ordentlichen Gerichtsbarkeit von einem Schiedsrichtersenat zu prüfen" sei; für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sei die Bescheinigung ausreichend.

Zu Recht weist die Gegnerin der gefährdeten Partei in ihrem Revisionsrekurs darauf hin, dass die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen zum einen entweder rechtsgeschäftliche Unterlassungspflichten oder rechtswidrige Eingriffe in geschützte Rechtsgüter voraussetzt, zum anderen aber auch Wiederholungsgefahr (Rechberger in Rechberger, ZPO**2, § 406 Rz 14). Selbst wenn eine Schiedsvereinbarung getroffen wurde und das ordentliche Gericht nur den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zu behandeln hat, ist der (Unterlassungs-)Anspruch durch konkrete Darlegung etwa rechtswidriger Eingriffe sowie der Wiederholungsgefahr zu bescheinigen. Ein vorbeugender Unterlassungsanspruch wird von der Rechtsprechung nur dann bejaht, wenn ein Eingriff in eine fremde Rechtssphäre unmittelbar und konkret droht (Verletzungsgefahr; SZ 42/184; Rechberger in Rechberger, ZPO**2, § 406 Rz 16). Dies wäre vor allem dann anzunehmen, wenn die Gegnerin den behaupteten, aus dem Kooperationsvertrag resultierenden Anspruch bestreiten würde, was aber hier nicht der Fall ist. Den (Rechts-)Ausführungen der gefährdeten Partei in ihrem Antrag (Seite 20), dem Gläubiger werde eine vorbeugende Unterlassungsklage gewährt, wenn eine künftige Verletzung der Unterlassungspflicht zu befürchten sei, entbehrt es an einem materiellen Substrat, warum dies in concreto anzunehmen ist.

Die gefährdete Partei hat den Kooperationsvertrag mit einer Aktiengesellschaft geschlossen, bei der die Möglichkeit eines Wechsels vertretungsbefugter Personen, aber auch der Aktionäre von vornherein einzukalkulieren ist. Dem hat die gefährdete Partei durch Vereinbarung eines Vorkaufsrechts auch gegenzusteuern versucht.

Kommt es nun aber tatsächlich zu einem Aktionärswechsel ohne Missachtung des Vorkaufsrechts, ist es nicht möglich, unter Berufung auf eine dadurch geschaffene - aus Sicht der Antragstellerin verständliche - "unzumutbare Situation" (abstrakt) anzunehmen, der Kooperationsvertrag werde nicht erfüllt werden.

Punkt VII.7.2. des Kooperationsvertrages schließt nicht aus, dass eine der Vertragsparteien allein ein Projekt mit Standort im "Territorium" plant und vorbereitet; sie hat allerdings der anderen Partei die Möglichkeit einer gemeinsamen Realisierung anzubieten, worauf diese andere Partei das Recht hat, sich darüber innerhalb einer Frist von längstens sechs Wochen zu erklären. Aus der weiteren Regelung, dass dieser Fristenlauf frühestens zu dem Zeitpunkt beginnt, zu dem die Eckdaten des geplanten Projektes im Sinne des Projektplanes dem anderen Vertragsteil mitgeteilt wurden, ist zu schließen, dass die Initiative und Vorbereitung eines Projekts noch keine Verletzung des Kooperationsvertrags darstellt, solange nicht der Projektplan aufgestellt ist. Dass dies betreffend Russland bereits der Fall wäre wird von der gefährdeten Partei nicht behauptet und geht auch nicht aus der von Mag. Alfred W***** (nicht der Alfred W***** AG) - ohne Einbeziehung der gefährdeten Partei - mit der W***** Corporation getroffenen Vereinbarung hervor, wonach für den Fall der Realisierung des noch im Verhandlungsstadium befindlichen Joint Venture mit einem russischen Partner Mag. W***** eine 10 %ige Beteiligung daran erhält. Im derzeitigen Stadium ist völlig offen, ob die gefährdete Partei überhaupt ein Anbot der W***** AG annehmen würde, ein Projekt im Wege der Holdinggesellschaft zu realisieren; weiters ist offen, ob die W***** AG beabsichtigt, ein Joint Venture in Russland mit der W***** Corporation zu realisieren.

Die im Antragsvorbringen (Seite 22) angesprochene Unmöglichkeit der Annahme eines nunmehr konkret vorliegenden Beteiligungsanbots eines lokalen russischen Partners (an die gefährdete Partei) beruht auf dem Umstand, dass die gefährdete Partei offenbar das Vertrauen in die Gegnerin verloren hat; sie steht jedoch nicht in Zusammenhang damit, dass die Gegnerin der gefährdeten Partei durch ihre Aktivitäten in Russland den Kooperationsvertrag bereits gebrochen hätte oder dass ein Bruch unmittelbar drohen würde. Die gefährdete Partei weist in ihrem Antrag (Seite 12) selbst darauf hin, unter welchen Voraussetzungen dem Kooperationspartner die Möglichkeit einer Beteiligung an einem im Territorium geplanten Projekt anzubieten ist. Es wird aber gar nicht behauptet, dass diese Voraussetzungen bereits eingetreten sind oder dass eine Verletzung der entsprechenden Bestimmungen des Kooperationsvertrages wegen der Aktivitäten in Russland konkret und unmittelbar bevorstünde.

In diesem Sinne fehlt es an den erforderlichen Behauptungen für einen Bruch des Kooperationsvertrages. Die Frage einer allfälligen Sicherheitsleistung im Sinne des § 390 EO kann auf sich beruhen, da nach völlig einhelliger Rechtsprechung nur eine nicht ausreichende Bescheinigung des behaupteten Anspruchs, keineswegs aber das Fehlen ausreichenden Vorbringens zu den materiellen Voraussetzungen einer einstweiligen Verfügung durch eine Sicherheitsleistung ersetzt werden kann (Kodek in Angst, EO, § 390 Rz 2).

2. Unterlassung der Einholung von Informationen mit dem Zweck der Weitergabe an Dritte:

Auch wenn die Frage, welche - die polnische Gesellschaft betreffenden - Informationen an Dritte, darunter an eine Muttergesellschaft der alleinigen Gesellschafterin herauszugeben sind, nach polnischem Gesellschaftsrecht richtet, ist die Frage des Bruches der Kooperationsvereinbarung nach österreichischem Recht zu beurteilen.

Eine Verletzung vertraglicher Treuepflichten kann nicht in der Aufforderung der Gegnerin der gefährdeten Partei an die polnische Gesellschaft liegen, bestimmte Informationen herauszugeben, sondern in der Weitergabe dieses Wissens an Dritte. Ungeachtet des Aktionärswechsels bleibt die W***** AG in die gesellschaftsrechtlichen Strukturen mit der P***** P***** und deren polnische Tochter eingebunden, woraus - auch betreffend die polnische Gesellschaft als 100 %ige Tochter der P***** P***** - Informationsrechte resultieren (vgl 6 Ob 7/96 = SZ 69/216 = RdW 1997, 75; Nowotny, RdW 1997, 54; Koppensteiner GmbHG**2, § 22 Rz 39), die nicht schon deshalb beseitigt werden können, weil die Gefahr der Weitergabe von Informationen besteht.

Über diese Informationsrechte hinausgehend hat jedoch das Vorstandsmitglied der Gegnerin der gefährdeten Partei, Mag. Alfred W*****, Herrn Mag. L*****, den Geschäftsführer der W***** MM G*****, informiert, er möge zwei Besucher empfangen, die das Werk in Polen besichtigen sollten. Dabei handelte es sich um einen Herrn Z***** von der W***** USA und Herrn D*****, nach dem Wissensstand von Mag. L***** Leiter der W***** Betriebsstätte in Tschechien. Beim Betriebsrundgang zeigten die beiden Herren besonderes Interesse an einem speziellen Stapelgerät am Ende der Tiefdruckmaschine.

Dieser Wunsch von Herrn Mag. W***** ist der Gegnerin der gefährdeten Partei zuzurechnen, da er im Zusammenhang mit der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung der W***** AG an der P***** P***** zu sehen ist, die wiederum Alleingesellschafterin der polnischen W***** MM G***** ist. Mit der Einräumung der Möglichkeit an Mitarbeiter eines Konkurrenzunternehmens, den auf Grund der Kooperationsvereinbarung (über die gemeinsame Tochter P***** P*****) geführten Betrieb in Polen zu besichtigen, hat die Gegnerin der gefährdeten Partei die aus der Kooperationsvereinbarung resultierende Pflicht verletzt, (auch) die Interessen des Kooperationspartners zu wahren. Damit hat die Gegnerin der gefährdeten Partei rechtswidrig in ein geschütztes Rechtsgut der gefährdeten Partei eingegriffen. Das Bestehen der Wiederholungsgefahr wurde nicht ausgeräumt, weil keine ausreichenden Sicherungen vorhanden sind, die Schutz gegen weitere vergleichbare Rechtsverletzungen bieten würden.

Im Hinblick darauf, dass der Begriff der Bestimmtheit des Unterlassungsbegehrens nicht allzu eng ausgelegt werden darf, da es praktisch unmöglich ist, alle nur denkbaren Eingriffshandlungen zu beschreiben, kann die von der gefährdeten Partei gewählte weite Fassung des zweiten Teils des Unterlassungsgebots übernommen werden, die - im Zusammenhang mit dem Antragsvorbringen - auch den geschilderten Besuch von W*****-Mitarbeitern bei W***** MM G***** in Polen abdeckt. Eine gewisse allgemeine Fassung des Unterlassungsgebotes - allerdings im Verein mit konkreten Einzelverboten - ist notwendig, um Umgehungen nicht allzu leicht zu machen (RIS-Justiz RS0000845), weshalb ganz allgemein auf das Einholen von Informationen zum Zwecke der Weitergabe an W***** abzustellen ist.

Dem Revisionsrekurs der Gegnerin der gefährdeten Partei kommt daher nur insoweit Berechtigung zu, als er sich gegen den ersten Teil der vom Gericht zweiter Instanz erlassenen einstweiligen Verfügung wendet.

Die Entscheidung über die Kosten der gefährdeten Partei beruht auf § 393 Abs 1 EO, jene über die Kosten ihrer Gegnerin auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 41, 50, 52 Abs 1 ZPO. Die gefährdete Partei hat das Sicherungsbegehren einheitlich mit S 1,000.000,-- bewertet. Mangels tauglicher Anhaltspunkte für eine konkrete Bewertung der beiden Teilbegehren ist von einer gleichteiligen Bewertung (mit je S 500.000,--) auszugehen.

Die gefährdete Partei ist mit ihrem Antrag zur Hälfte durchgedrungen, so dass sie ihre Kosten zur Hälfte vorläufig, zur Hälfte endgültig selbst zu tragen hat. Ihrer Gegnerin hat sie die Hälfte der dieser entstandenen Kosten auf der Bemessungsgrundlage von S 1,000.000,-- zu ersetzen. Gerichtsgebühren nach TP 3 GGG fallen unter Bedachtnahme auf die taxative Aufzählung der gerichtsgebührenrelevanten Tatbestände des GGG nicht an.

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