Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Der am 17. 9. 1983 geborene Antragsteller ist der Sohn des Antragsgegners. Er hat zunächst die Handelsschule absolviert, in der Folge den Präsenzdienst abgeleistet und im Juni 2007 die Reife- und Diplomprüfung an der Handelsakademie für Berufstätige erfolgreich abgelegt. Während der Zeit des Besuchs der Handelsakademie für Berufstätige hat er bei verschiedenen Unternehmen gearbeitet. Der Antragsgegner hat nach Vollendung des 19. Lebensjahres seines Sohnes und nach Abschluss der Handelsschule die Unterhaltsleistungen eingestellt. Er ist als Detektiv beschäftigt und hat im Jahr 2006 unter Einbeziehung der Hälfte der Diäten ein durchschnittliches Nettoeinkommen von ca 2.000 EUR monatlich erzielt. Der Antragsteller begann im Wintersemester 2007/2008 als ordentlicher Hörer an der Universität Salzburg mit dem Bachelorstudium der Studienrichtung Kommunikationswissenschaften.
Der Antragsteller beantragt, seinen Vater beginnend mit 1. 9. 2007 bis auf weiteres zu einem monatlichen Unterhalt von 320 EUR zu verpflichten. Er sei bestrebt, sein Studium möglichst rasch erfolgreich abzuschließen und gehe daher derzeit keiner Erwerbstätigkeit nach. Das Einkommen seines Vaters rechtfertige den von ihm begehrten monatlichen Unterhaltsbetrag. Seine Mutter unterstütze ihn seit geraumer Zeit im bestmöglichen Umfang.
Der Antragsgegner beantragt die Abweisung des Unterhaltsfestsetzungsantrags und wendet im Wesentlichen ein, sein Sohn sei selbsterhaltungsfähig und habe in den letzten fünf Jahren auch tatsächlich verschiedene berufliche Tätigkeiten ausgeübt. Ein Wiederaufleben seiner Unterhaltspflicht sei aufgrund der Möglichkeit eines Fernstudiums und der Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit neben dem Studium nicht eingetreten. Aufgrund der beabsichtigten Wohnungsnahme seines Sohnes in Salzburg treffe auch die Mutter die Hälfte der Unterhaltspflicht. Schließlich beziehe er als Detektiv ein Bruttoeinkommen von 1.950 EUR monatlich. Die Diäten seien nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen, weil er sie für seine ständigen Reisen und Aufenthalte (Übernachtungen etc) in ganz Österreich verwenden müsse.
Das Erstgericht gab dem Unterhaltsbegehren des Antragstellers vollinhaltlich statt. Ausgehend von dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt führte es in rechtlicher Hinsicht aus, der Antragsteller habe den Anspruch auf Unterhalt für die Zeit seines Studiums durch Ablegung der Reifeprüfung erworben. Solange ein Student sein Studium ernsthaft und zielstrebig betreibe, habe er - unabhängig von seinem Alter - Anspruch auf Unterhalt. Der Antragsteller erfülle diese Voraussetzungen, weshalb ihm im Hinblick auf die festgestellten Einkommensverhältnisse des Antragsgegners ein Unterhaltsanspruch in der geltend gemachten Höhe zustehe.
Das Rekursgericht hob in Stattgebung des Rekurses des Antragsgegners den Beschluss des Erstgerichts auf und trug diesem die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es verwies insbesondere darauf, dass der Abschluss der Handelsschule grundsätzlich zur Selbsterhaltungsfähigkeit geführt habe, die vom Antragsteller absolvierte Handelsakademie für Berufstätige jedoch nicht als zweiter Bildungsgang zu qualifizieren sei, da es sich dabei nur um die Vermittlung des gleichen Bildungsinhalts bei verschiedener Bildungshöhe gehandelt habe. Nach der Rechtsprechung habe der Vater zu einer höherwertigen weiteren Berufsausbildung (Studium) seines Kindes beizutragen, wenn dieses die zum Studium erforderlichen Fähigkeiten besitze, dieses Studium ernsthaft und zielstrebig betreibe und dem Vater nach seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen eine solche Beteiligung an den Kosten des Studiums möglich und zumutbar sei. Die erforderliche Eignung für ein Universitätsstudium werde bereits durch die erfolgreiche Ablegung der Reifeprüfung dokumentiert. Entscheidend sei letztlich, ob ein maßstabgerechter Elternteil bei intakten Familienverhältnissen seinem Kind für den Zeitraum des Studiums weiterhin Unterhalt gewähren würde. Diese Frage könne aufgrund der vom Erstgericht bisher getroffenen Feststellungen nicht beurteilt werden. Das Erstgericht werde den Antragsgegner im fortzusetzenden Verfahren aufzufordern haben, seine Behauptungen über den gänzlichen Verbrauch der Diäten durch berufsbedingte Mehraufwendungen zu konkretisieren und nachzuweisen, und sodann darüber sowie zur behaupteten Eigenpflege des Antragstellers Beweise aufzunehmen und entsprechende Feststellungen zu treffen haben. Erst danach könne beurteilt werden, ob und in welchem Ausmaß dem Antragsgegner unter Berücksichtigung seiner Einkommensverhältnisse, welche auch für das Jahr 2007 festzustellen sein werden, und seiner weiteren Sorgepflichten die Unterhaltsleistung an seinen Sohn zur (teilweisen) Finanzierung des Studiums zugemutet werden könne.
Das Rekursgericht sprach die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses im Hinblick auf das Fehlen einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage aus, ob ein Unterhaltspflichtiger ein Studium des Unterhaltsberechtigten auch dann (teilweise) finanzieren müsse, wenn dieser bereits fünf Jahre selbsterhaltungsfähig gewesen sei und während dieser Zeit die Matura an einer Schule für Berufstätige abgelegt habe, oder ob dies nicht oder nur unter der Voraussetzung, dass er eine überdurchschnittliche Begabung für das Studium aufweise und mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine nicht unbedeutende Verbesserung seines Fortkommens eintreten werde, der Fall sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs des Antragsgegners wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Abweisung des Unterhaltsbegehrens abzuändern.
Der Antragsteller beantragt in seiner Revisionsrekursbeantwortung, dem Rechtsmittel keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht bezeichneten Grund zulässig, im Ergebnis aber nicht berechtigt.
Der Antragsgegner macht weiterhin geltend, ein Unterhaltsanspruch des Antragstellers bestehe schon deshalb nicht, weil dieser bereits seit fünf Jahren selbsterhaltungsfähig sei. Er hätte nur dann weiter Unterhalt leisten müssen, wenn der Antragsteller nach Abschluss der Handelsschule und Ableistung des Präsenzdienstes einen Aufbaulehrgang besucht und danach maturiert hätte. Eine Zeitdauer von mehr als fünf Jahren für eine Überlegungs- oder Korrekturfrist zum Wechsel in ein Studium sei nicht geeignet, um in der Folge noch ein Aufleben der Unterhaltsverpflichtung für den Antragsgegner annehmen zu können. Im Übrigen käme ein Unterhaltsanspruch nach der Rechtsprechung nur dann in Betracht, wenn der Antragsteller eine überdurchschnittliche Begabung für das Studium nachweise und darüber hinaus auch unter Beweis stelle, dass durch das Studium mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine nicht unbedeutende Verbesserung seines Fortkommens eintreten werde. Auch diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Schließlich sei davon auszugehen, dass der Antragsteller das neue Ausbildungsziel nicht ernstlich und strebsam verfolgen werde, zumal von ihm auch keine entsprechenden Leistungsgarantien angeboten worden seien.
Dazu ist Folgendes auszuführen:
Auszugehen ist davon, dass der positive Abschluss der Handelsschule grundsätzlich zur Selbsterhaltungsfähigkeit des Antragstellers geführt hat (vgl 1 Ob 703/87). Der Antragsteller war auch in der Folge tatsächlich fünf Jahre lang berufstätig und hat dadurch unbestritten die zur Deckung seines Unterhalts erforderlichen Mittel aus eigenen Kräften erworben. Auch wenn die vom Antragsteller neben dieser Berufstätigkeit absolvierte Ausbildung an der Handelsakademie für Berufstätige vom Rekursgericht durchaus zutreffend nicht als zweiter Bildungsgang, sondern bloß als weiterführende Berufsausbildung mit gleichem Bildungsinhalt bei verschiedener Bildungshöhe gewertet wurde (vgl 1 Ob 703/87), so ist doch zu berücksichtigen, dass der Antragsteller nach Erreichen der Selbsterhaltungsfähigkeit durch den positiven Abschluss der Handelsschule und den anschließenden Besuch der Handelsakademie für Berufstätige nunmehr ein Bachelorstudium für Kommunikationswissenschaften aufgenommen und damit einen zweiten von seiner bisherigen Ausbildung doch gänzlich verschiedenen Bildungsgang ergriffen hat. Auch von einem Weiterbestehen der elterlichen Unterhaltspflicht wegen eines mehrstufigen Ausbildungsgangs kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden, da dies voraussetzen würde, dass die einzelnen Stufen soweit zusammenhängen, dass der vom Unterhaltsberechtigten angestrebte Beruf eine fachliche Ergänzung, Weiterführung oder Vertiefung der schon auf der Vorstufe erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten wäre (1 Ob 49/02s = SZ 2002/39). Es kann daher die vom Rekursgericht zitierte Rechtsprechung, wonach ein Vater auch nach Ablegung der Reifeprüfung an einer berufsbildenden mittleren Schule zu einer höherwertigen weiteren Berufsausbildung seines Kindes (Studium) beizutragen hat, wenn dieses die zum Studium erforderlichen Fähigkeiten besitzt, dieses Studium ernsthaft und zielstrebig betreibt und dem Vater nach seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen eine solche Beteiligung an den Kosten des Studiums möglich und zumutbar ist, und damit der Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes hinausgeschoben wird, nicht ohne weitere Einschränkungen auf den vorliegenden Fall übertragen werden (vgl Gitschthaler, Unterhaltsrecht² Rz 371 E 10 sowie Rz 373 E 2 f mwN).
Im gegenständlichen Fall ist auch zu berücksichtigen, dass der Antragsteller mit seinem Eintritt in das Erwerbsleben als selbsterhaltungsfähig im Sinn des § 140 Abs 3 ABGB gilt, sodass die Unterhaltspflicht der Eltern erloschen ist. Es stellt sich somit die Frage des Wiederauflebens der Unterhaltspflicht. Die bereits eingetretene Selbsterhaltungsfähigkeit kann aus verschiedenen Gründen wieder verloren gehen und damit die Unterhaltspflicht der Eltern wieder aufleben (SZ 60/250). Nach der Rechtsprechung kommt es aber nicht bereits dadurch zum Wegfall der Selbsterhaltungsfähigkeit und damit zum Wiederaufleben der Unterhaltspflicht, dass jemand, aus welchen Gründen auch immer, seine bisherige Berufstätigkeit freiwillig durch eine weitere Ausbildung ersetzen will. Eine Berufswahl gegen den Willen des Unterhaltspflichtigen, die diesen zu weiteren Unterhaltsleistungen zwingt, kann dem bereits selbsterhaltungsfähigen Unterhaltsberechtigten vielmehr nur bei besonderer Eignung für den gewählten Beruf gestattet werden, wenn die angestrebte Ausbildung ein besseres Fortkommen im neuen Beruf erwarten lässt (vgl Gitschthaler aaO Rz 361 E 2 und 5 mwN). Es kann daher eine bereits eingetretene Selbsterhaltungsfähigkeit wieder verloren gehen und es können die Unterhaltspflichten der Eltern wieder aufleben, wenn sich der Unterhaltsberechtigte nach abgeschlossener Berufsausbildung zu einer weiteren Ausbildung entschließt, um offenkundig bessere berufliche Fortkommensmöglichkeiten zu erlangen. Die Beurteilung, ob ein Studium ein besseres Fortkommen erwarten lässt, hat regelmäßig nur nach allgemeinen Erfahrungsgrundsätzen zu erfolgen, wobei es ausreicht, dass die künftige Verbesserung der beruflichen Position des Unterhaltsberechtigten nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls überwiegend wahrscheinlich ist (Gitschthaler aaO Rz 362 E 1 und 3 sowie Rz 363 E 1 mwN). Weiters bedarf es nach der Rechtsprechung einer besonderen Eignung des Unterhaltsberechtigten für den gewählten Beruf (RIS-Justiz RS0047589). Gerade in den Fällen, in denen - wie hier - nach einer bereits abgeschlossenen Berufsausbildung die Selbsterhaltungsfähigkeit grundsätzlich zu bejahen ist, muss auch gefordert werden, dass die Finanzierung einer weiteren Ausbildung des Unterhaltsberechtigten jedenfalls auch den Eltern ihren Lebensverhältnissen entsprechend zugemutet werden kann (vgl Gitschthaler aaO Rz 367 mwN). Wesentlich ist dabei, ob ein maßstabgerechter Elternteil bei intakten Familienverhältnissen seinem Kind für diesen Zeitraum weiterhin Unterhalt gewährt hätte (9 Ob 87/06v; 1 Ob 49/02s = SZ 2002/39). In der Entscheidung 1 Ob 158/07b hat der Oberste Gerichtshof erst jüngst diese in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze dahin zusammengefasst, dass einem Unterhaltsberechtigten dann eine zweite Berufsausbildung gegen den Willen und auf Kosten des Unterhaltspflichtigen zugebilligt werden kann, wenn auf Seiten des Unterhaltsberechtigten eine ernsthafte Neigung und besondere Eignung (überdurchschnittliche Begabung) sowie ausreichender Fleiß für eine derartige weitere Ausbildung erkennbar sind, es dem Unterhaltspflichtigen zumutbar ist, dafür Leistungen zu erbringen, und mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass dadurch eine nicht unbedeutende Verbesserung des künftigen Einkommens des Unterhaltsberechtigten eintreten wird (RIS-Justiz RS0107722). Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen einerseits und die Verbesserung der Berufsaussichten und Verdienstmöglichkeiten des Unterhaltsberechtigten andererseits bilden in einem solchen Fall ein bewegliches System, das eine den jeweiligen Umständen des Einzelfalls angepasste Ausmittlung der weiterbestehenden Unterhaltspflicht ermöglichen soll. Je weniger die Berufsaussichten und Verdienstmöglichkeiten des Unterhaltsberechtigten durch die Zweitausbildung verbessert werden können, umso geringer ist die Verbindlichkeit des Unterhaltspflichtigen, die Zweitausbildung innerhalb der Grenzen seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit mitzufinanzieren.
Da diese für die Beurteilung der Unterhaltspflicht des Antragsgegners maßgebenden Kriterien mit den Parteien bisher nicht erörtert und dazu auch keine Feststellungen getroffen wurden, erweist sich das Verfahren über den Ergänzungsauftrag des Rekursgerichts hinaus auch in dieser Hinsicht als ergänzungsbedürftig. Der Umstand, dass der Antragsteller bereits seit fünf Jahren selbsterhaltungsfähig ist, schließt daher im Sinne der dargelegten Ausführungen einen Unterhaltsanspruch für die Dauer der Zweitausbildung nicht von vornherein aus. Der Antragsteller hat das Studium der Kommunikationswissenschaften unverzüglich nach Absolvierung der Reife- und Diplomprüfung aufgenommen, sodass sich die Frage der „Überlegungs- oder Korrekturfristen" beim Antritt eines Studiums nicht stellt. Aus den bisher vorliegenden Verfahrensergebnissen ergeben sich auch keine Hinweise darauf, dass der Antragsteller, der erst am Anfang seines Studiums (zweites Semester) steht, sein Studium nicht mit dem notwendigen Eifer und der vorauszusetzenden Zielstrebigkeit betreibt. Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren die Sachverhaltsgrundlage im Sinne des durch die vorstehenden Erwägungen ergänzten Aufhebungsbeschlusses des Rekursgerichts zu verbreitern und neuerlich über das Unterhaltsbegehren zu entscheiden haben.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 78 AußStrG.
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