Spruch:
Die Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 12.194,- bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten S 2.032,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Klägerin führte im Jahr 1992 für die Beklagte in deren Auftrag verschiedene Bauarbeiten in deren Gasthof durch. Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites ist ihr Begehren auf Zahlung des restlichen Werklohnes. Die Beklagte, die schon vorher einen wesentlichen Teil (nämlich rund S 584.000,-) gezahlt hat, verweigert die Zahlung des Restes von S 242.338,81 mit dem Einwand mangelnder Fälligkeit wegen nicht behobener Mängel.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren in der Hauptsache statt. Es traf Feststellungen über verschiedene Mängel der Bauausführung, hielt diese aber für nicht wesentlich. So wurde etwa im Zuge der Arbeiten auch die Terrasse umgebaut. Der von der Klägerin aufgebrachte Gefällebeton weist insofern einen Mangel auf, als er vor der Abflußöffnung ein Gegengefälle hat, so daß es zu stehendem Wasser kommt. Dieser Mangel des Gefällebetons ist von der Klägerin zu verantworten, er hat mit den Arbeiten der Abdichtungsfirma nichts zu tun. Für die Behebung dieses Mangels ist es nötig, die etwa 3 m2 große Mulde, in der sich das Wasser staut, zu sanieren. Die Isolierung muß dazu auf etwa 5 m2 entfernt, der Beton aufgerauht und durch einen neuen Gefällebeton ersetzt werden. Die Kosten für die Sanierung betragen etwa S 5.256,-- (ohne Umsatzsteuer). Ohne Sanierung rinnt das Regenwasser nicht ab, sondern bleibt an dieser etwa 3 m2 großen Stelle maximal 2 cm hoch stehen. Das Erstgericht meinte, dieser Mangel bringe - ebenso wie weitere Mängel - für die Beklagte keinen Nachteil, es handle sich also nicht um einen wesentlichen Mangel. Mangels wesentlicher anrechenbarer Mängel sei die Beklagte als Werkbestellerin verpflichtet, der Klägerin den restlichen Werklohn zu zahlen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies das restliche Klagebegehren ab. Der Beklagten stehe das Leistungsverweigerungsrecht auch bei geringen Mängeln zu, es dürfe nur nicht wegen ganz unwesentlicher Mängel oder schikanös ausgeübt werden. Davon sei hier keine Rede. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei: Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sei Schikane nicht nur dann anzunehmen, wenn dem Besteller Schädigungsabsicht zu Last falle, sondern schon dann, wenn zwischen dem Interesse des Bestellers an der Verbesserung und dem Interesse des Unternehmens an der Zahlung ein großes (gemeint offenbar: krasses) Mißverhältnis bestehe, ein solches bei einem Verbesserungsaufwand von 5 % der zurückbehaltenen Summe verneint worden sei, hier jedoch ein solches Prozentverhältnis von lediglich 2,17 (richtig 2,6) vorliege und der Oberste Gerichtshof bei der Berechnung des Prozentsatzes auch auf den gesamten Werklohn abgestellt habe.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei wegen Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache. Sie beantragt die Abänderung im Sinne einer Wiederherstellung des Urteils erster Instanz, hilfsweise die Aufhebung und Zurückverweisung.
Die beklagte Partei beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung die Zurückweisung der Revision mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO, hilfsweise die Bestätigung des angefochtenen Urteils.
Die Revision ist unzulässig.
Rechtliche Beurteilung
Nach § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision ist das Revisionsgericht an einen Ausspruch des Berufungsgerichtes nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO).
Das Berufungsgericht ging zutreffend davon aus, daß dem Werkbesteller bis zur vollständigen Verbesserung bestehender behebbarer, wenn auch nur geringer Mängel ein Leistungsverweigerungsrecht zusteht, das ihn nach ständiger und trotz der Bedenken Koziols (ÖJZ 1985, 737 ff) aufrechterhaltener Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes dazu berechtigt, die gesamte, noch offene Gegenleistung und nicht bloß einen dem Mangel entsprechenden Teil davon bis zur Verbesserung des mangelhaften Werkes durch den Unternehmer zu verweigern, weil der Werkvertrag vor der gehörigen Erbringung der zugesagten Leistung noch nicht erfüllt und der Werklohnanspruch daher gemäß § 1170 ABGB noch nicht fällig ist. Ein derartiges Zurückbehaltungsrecht besteht nach herrschender Rechtsprechung nur nicht bei ganz unerheblichen Mängeln, vor allem, wenn die Ausübung dieses Rechts zur Schikane ausartet (RdW 1997, 449; ecolex 1990, 677; SZ 62/169; EvBl 1987/49; SZ 56/59; SZ 56/106; EvBl 1979/198 ua).
Das Berufungsgericht meinte, von einem solchen unerheblichen Mangel könne nach seiner Ansicht bei der im vorliegenden Fall fehlerhaften Aufbringung des Gefällebetons auf der Terrasse, wodurch der Regen nicht abfließen und es dann zu 3 m2 großen und bis zu 2 cm tiefen Wasserlachen auf der Terrasse kommt, keine Rede sein. Darin vermag der Oberste Gerichtshof keine grobe, im Interesse der Rechtssicherheit zu korrigierende Fehlbeurteilung zu erblicken. Die Annahme des Berufungsgerichtes, diese Terrasse sei von mehreren Fremdenzimmern aus "gleichzeitig" zu begehen, so daß das stehende Regenwasser eine arge Belästigung allfälliger Gäste der Beklagten bilde, kann sich allerdings, wie die Revisionswerberin an sich zutreffend aufzeigt, auf keine Tatsachengrundlage stützen, wurde doch vom Sachverständigen geradezu im Gegensatz zur Annahme des Berufungsgerichtes darauf hingewiesen, daß die Terrasse keinen "eigentlichen Zugang" habe, wie dies auch aus den Lichtbildern 5 und 5 des Gutachtens ON 20 hervorgeht, wo deutlich erkennbar ist, daß die an der Terrasse liegenden Zimmer zwar mit Fenstern, jedoch nicht mit Türen ausgestattet sind. Die Beklagte gibt in ihrer Revisionsbeantwortung zu, daß bei der Befundaufnahme keine Zugangstüren eingebaut waren. Die Ausführungen des Berufungsgerichtes sind daher insoweit aktenwidrig, jedoch letztlich für die Beurteilung der Rechtsfrage nicht erheblich. Da es sich bei der in Rede stehenden Terrasse ganz offensichtlich (Seite 16 iVm Lichtbild 4 des Gutachtens ON 20) um die Überdachung eines Vorbaues und nicht um eine ebenerdig liegende Terrasse handelt, kommt einem ungehinderten und raschen Abfluß des Regenwassers von dieser Überdachung besondere Bedeutung zu, weil wohl nicht auszuschließen ist, daß längere Zeit stehendes Wasser trotz Abdichtung Feuchtigkeitsschäden verursachen kann. Im Ergebnis kann daher die Auffassung des Berufungsgerichtes, der hier festgestellte Mangel sei nicht unerheblich, gebilligt werden.
Schikane liegt nach neuerer Rechtsprechung vor, wenn das unlautere Motiv der Handlung die lauteren Motive eindeutig übersteigt, es also augenscheinlich im Vordergrund steht, oder wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein krasses Mißverhältnis besteht (HS 25.536; EvBl 1993/101; SZ 62/169; WBl 1987, 37 ua; RIS-Justiz RS0026265, zuletzt 10 Ob 77/98s). Solche unlauteren Motive des Werkbestellers bzw ein krasses Mißverhältnis der Interessen können hier nicht gesehen werden. Die Beurteilung des (Miß-)Verhältnisses der Interessen hängt immer von den Umständen des Einzelfalles ab; es kann daher keine "fixe Prozentsatzgrenze" im Verhältnis zwischen (restlichem) Werklohn und Verbesserungsaufwand geben (so 10 Ob 77/98s). Eine damit im Zusammenhang stehende erhebliche Rechtsfrage, der Bedeutung über den Einzelfall hinaus zukäme, wird in der Revision nicht aufgezeigt. Die in der Revision erstmals angestellten Überlegungen, wonach die Beklagte nicht berechtigt sei, den gesamten noch offenen Werklohn zurückzubehalten, weil die Bauarbeiten in drei Etappen erbracht worden seien und gesondert abzurechnen gewesen wären, gehen nicht von den Feststellungen der Tatsacheninstanzen aus und widerstreiten auch dem Neuerungsverbot (§ 504 Abs 2 ZPO).
Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO ist bei diesem Sachverhalt nicht ersichtlich und wird in der Revision auch nicht dargetan. Ob bestimmte, näher festgestellte Baumängel den Werkbesteller berechtigen, einen offenen Teil des Werklohnes bis zur Mängelbehebung zurückzubehalten, kann jeweils nur nach den besonderen Umständen des Einzelfalls beurteilt werden und stellt im konkreten Fall keine erhebliche Rechtsfrage dar. Die Auffassung der Vorinstanz beruht auch nicht auf einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage oder einer unvertretbaren Auslegung, die im Interesse der Wahrung der Rechtssicherheit korrigiert werden müßte, sondern entspricht der ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofs. Die Kasuistik des Einzelfalles schließt eine richtungsweisende (beispielgebende) Entscheidung aus.
Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage war daher die Revision zurückzuweisen. Nach § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision mangels erheblicher Rechtsfrage auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
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