European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E121923
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 501,91 EUR (darin enthalten 83,65 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist seit 2012 Alleineigentümerin einer Liegenschaft, auf der sie 2014/2015 ihr Wohnhaus errichten ließ. Die Beklagte ist gemeinsam mit ihrem Ehemann seit 1994 Mieterin eines Hauses, das (auch) über den U*weg (in der Folge: Almweg) zu erreichen ist. Der asphaltierte untere Teil dieses Almwegs erschließt die Linie K*weg – M*Weg und durchschneidet das Grundstück der Klägerin. Wegehalter des seit 2000 bis zur Kreuzung K*weg – M*Weg asphaltierten Almwegs ist der Stadtmagistrat Innsbruck (Forstabteilung). Im näheren Umfeld dieser Kreuzung gibt es ca 20 private Häuser und Hütten. Am 6. 5. 1998 fasste der dazu befugte Stadtsenat der Stadt Innsbruck einen Beschluss, mit dem den jeweiligen Eigentümern oder Mietern und deren Besuchern die Zufahrt zu ständig bewohnten Häusern über Forststraßen gestattet wurde. Das Forstamt verständigte die Beklagte mit Schreiben vom 13. Juli 1998 von diesem Beschluss.
Auf dem Almweg war seit Jahrzehnten ein Schild „Fahrverbot“ mit der Aufschrift Forststraße aufgestellt. Das Forstamt ließ dieses Schild immer weiter nach oben versetzen, wenn ein am Almweg neu errichtetes Haus das Wohngebiet vom Wald neu abgrenzte. Seit Errichtung des Hauses der Klägerin ist dieses Schild oberhalb ihrer Grundstückseinfahrt aufgestellt. Etwa im Herbst 2016 stellte die Klägerin knapp unter dem Fahrverbotsschild auf einem Metallständer das Schild „Fahrverbot“ mit der Beschriftung „Privatweg“ auf. Darunter wurde eine Zusatztafel mit dem Text „Bei rechtswidrigem Befahren erfolgt Besitzstörungsklage“ angebracht.
Die Beklagte fuhr seit 1994 täglich mit Pkw und Leichtmotorrad über den Almweg zu und von der Liegenschaft, auf der sich das von ihr und ihrem Mann gemietete Haus befindet. Auch andere Anrainer fuhren – teils seit Jahrzehnten – auf dem U*weg über das nun im Eigentum der Klägerin stehende Grundstück.
Die Klägerin begehrt mit ihrer am 7. 12. 2016 eingebrachten Eigentumsfreiheitsklage von der Beklagten, dass diese das Befahren des asphaltierten Almwegs auf ihrem Grundstück zu unterlassen habe. Die Beklagte habe kein Geh- und Fahrrecht ersessen. Aufgrund der Kennzeichnung des Wegs als Forstweg scheide Gutgläubigkeit aus. Das Grundstück der Klägerin befinde sich im gewidmeten Freiland. Nach dem Forstgesetz sei nur das Betreten des Waldes zu Erholungszwecken erlaubt, jede darüber hinaus gehende Benutzung jedoch nur mit der Zustimmung des Grundeigentümers und der Straßenerhalterin. Die ohne vorangegangene Befragung der betroffenen Grundeigentümer vom Forstamt erteilte Fahrerlaubnis könne die Rechte der Grundeigentümer nicht beseitigen. Eine Forststraße sei keine Zufahrt zu Privatgrundstücken, weil sie keine öffentliche Straße sei. Die 30‑jährige Ersitzungszeit sei jedenfalls nicht abgelaufen. Selbst eine allenfalls doch bestehende Grunddienstbarkeit sei schonend auszuüben. Die Beklagte könne über einen anderen Weg fahren, den sie mangels Räumung des Almwegs ohnehin den ganzen Winter nutze.
Die Beklagte berief sich auf eine ersessene Wegeservitut, die in Tirol nicht ins Grundbuch einzutragen sei. Der von der Klägerin abgeschlossene Kaufvertrag halte den Verlauf des Almwegs über ihr Grundstück fest. Die Dienstbarkeit sei offenkundig gewesen. Radfahrer und zahlreiche andere Personen im Umkreis hätten den Weg seit mehr als 30 Jahren gutgläubig befahren, sodass eine öffentliche Wegeservitut ersessen worden sei. Eine über den Erholungszweck hinausgehende Benützung einer Forststraße habe nach § 33 Abs 3 ForstG die Straßenerhalterin zu gestatten. Eine solche Fahrerlaubnis sei erteilt worden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Rechtlich folgerte es, das Ersitzungsverbot des § 33 Abs 5 ForstG erfasse nur die Benutzung des Waldes zur Erholung, nicht aber das hier umstrittene Fahrtrecht zu Gunsten von Anrainern. Die Ersitzungszeit zu Gunsten der von der Beklagten und ihrer Familie bewohnten Liegenschaft sei zwar noch nicht abgelaufen, weil regelmäßige Fahrten erst seit 1994 festgestellt werden könnten. Jedoch hätten andere Eigentümer und deren Rechtsvorgänger den umstrittenen Weg teils seit 1957 und spätestens seit 1982/1983 regelmäßig befahren.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts. Es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigend und ließ die Revision zu. Der Straßenerhalter habe die Erlaubnis zum Befahren der Forststraße erteilt. Diese Zustimmung reiche nach § 33 Abs 3 ForstG aus. Die Rechtsfrage, ob und in welchem Umfang der Forststraßenerhalter alleine zu Lasten des Waldeigentümers die Benutzung von Forststraßen erlauben dürfe, sei von erheblicher Bedeutung.
Rechtliche Beurteilung
Die – beantwortete – Revision der Klägerin ist zulässig, aber nicht berechtigt.
1. Nach § 33 Abs 1 ForstG darf jedermann, unbeschadet der Bestimmungen der Absätze 2 und 3 und des § 34 ForstG, den Wald zu Erholungszwecken betreten und sich dort aufhalten. Eine darüber hinausgehende Benutzung, wie Lagern bei Dunkelheit, Zelten, Befahren oder Reiten, ist nach § 33 Abs 3 ForstG nur mit Zustimmung des Waldeigentümers, und hinsichtlich der Forststraßen mit Zustimmung jener Person, der die Erhaltung der Forststraße obliegt, zulässig.
1.1 Die Legalservitut (1 Ob 56/03x) des § 33 Abs 1 ForstG ist somit auf zweifache Weise beschränkt, nämlich auf eine bestimmte Benützungsart (Betreten, Aufhalten) und auf einen bestimmten Benutzungszweck (zur Erholung). Beide Voraussetzungen müssen erfüllt sein.
1.2 So ist das Begehen und Betreten nicht zulässig, wenn es nicht zu Erholungszwecken, sondern zu kommerziellen Zwecken (1 Ob 56/03x [Schluchtwanderung]; 1 Ob 211/17m [gewerblich geführte Canyoning‑Tour]; Brawenz/Kind/Wieser, ForstG 1975 [2015] 326, 329 f; Jäger, Forstrecht [2003] § 33 Abs 3 Anm 1) oder aus beruflichen Gründen (Probst, Betretungsrechte und ‑verbote, ZVR 2016, 519 [520]) oder wegen des Zugangs zu einer anderen Liegenschaft erfolgt (Reindl, Die Wegefreiheit im Wald, ZVR 1977, 193 [194 f]; Brawenz/Kind/Wieser, ForstG 324). Das Befahren des Waldes oder einer Forststraße ist nach § 33 Abs 1 ForstG unabhängig davon unzulässig, ob es zu Erholungszwecken erfolgt oder nicht. Verboten ist daher zB Radfahren, auch wenn es der Erholung dient (7 Ob 80/17s mwN; Pepelnik, Zur historischen Entwicklung der Wegefreiheit im Forstgesetz, ZVR 2016, 514 [515]; Brawenz/Kind/Wieser, ForstG 334).
2. Jede Nutzung, die nicht von § 33 Abs 1 ForstG gedeckt ist, weil sie entweder nicht der Erholung dient oder nicht auf das Betreten und den Aufenthalt beschränkt ist, ist nach § 33 Abs 3 ForstG nur mit Zustimmung zulässig. Diese Zustimmung erteilt nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung grundsätzlich der Waldeigentümer und hinsichtlich der Forststraßen jene Person, der die Erhaltung der Forststraße obliegt. Diese Differenzierung erklären die Gesetzesmaterialien (ErläutRV 1266 BlgNR 13. GP 96) damit, dass der Straßenerhalter häufig mit dem Waldeigentümer nicht identisch ist. Eine derartige vom Erhalter der Forststraße (auch individuell: Brawenz/Kind/Wieser, ForstG 334) erteilte Fahrerlaubnis, steht nach der Rechtsprechung einem Begehren des Waldeigentümers auf Unterlassen des Befahrens einer Forststraße entgegen (1 Ob 2224/96g [Zufahrt zu einer vermieteten Almhütte]; 6 Ob 218/01d [Versorgung von gastgewerblich geführten Skihütten]).
2.1 Die Klägerin sieht in dieser vom Gesetzgeber ausdrücklich nur dem Erhalter der Forststraße eingeräumten Befugnis, das Befahren von Forststraßen zu erlauben, einen verfassungsrechtlich unzulässigen Eingriff in das Eigentumsrecht des Waldeigentümers.
2.2 Die dazu zitierte Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (27. 2. 1992, B 617/91) behandelt diese Frage jedoch nicht. Der Verfassungsgerichtshof sah in der Bestrafung eines Radfahrers, der eine Forststraße ohne Zustimmung des Forststraßenerhalters (§ 33 Abs 3 ForstG) befahren hatte, keine Verletzung von verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten des Radfahrers.
2.3 § 59 Abs 2 Z 1 ForstG definiert eine Forststraße (forstliche Bringungsanlage: § 59 Abs 1 ForstG) als eine für den Verkehr von Kraftfahrzeugen oder Fuhrwerken bestimmte nichtöffentliche Straße samt den zugehörigen Bauwerken, die der Bringung und dem wirtschaftlichen Verkehr innerhalb der Wälder sowie deren Verbindung zum öffentlichen Verkehrsnetz dient.
2.4 Diese Zweckbestimmung einer Forststraße als forstliche Bringungsanlage iSd § 59 Abs 1 ForstG bedeutet allerdings nicht, dass das Zustimmungsrecht des Erhalters einer Forststraße (§ 33 Abs 3 ForstG) auf forstwirtschaftliche Zwecke zu beschränken ist. Waldeigentümer sind forstwirtschaftliche Unternehmer, die im Interesse der Forstwirtschaft den Rohstoff Holz produzieren sollten (vgl Brawenz/Kind/Wieser, ForstG 322 mit Hinweis auf die ErläutRV), können aber dennoch die Nutzung des Waldes gestatten, wenn diese weder der Erholung noch forstwirtschaftlichen Zwecken dient. Halter einer Forststraße ist der, der die Kosten für die Errichtung und Erhaltung der Forststraße trägt und entsprechende Maßnahmen setzen kann (Jäger, Forstrecht [2003] § 33 Abs 3 Anm 10). Es ist folgerichtig, dass der mit der Errichtung und Erhaltung wirtschaftlich Belastete anstelle des Waldeigentümers, der durchaus auch von einer Forststraße profitiert, eine Fahrerlaubnis erteilen darf.
2.5 Unstrittig ist, dass der (auch) über das Waldgrundstück der Klägerin führende Almweg eine Forststraße im Sinn der Legaldefinition des § 59 Abs 1 und Abs 2 ForstG 1975 ist und vom Stadtmagistrat Innsbruck erhalten wird. Dieser hat Anrainern einschließlich der Beklagten die Zufahrt zu ständig bewohnten Häusern über Forststraßen gestattet. Dem Umstand, dass das Schreiben des Stadtmagistrats bei der Adresse der Beklagten eine falsche Hausnummer nennt (7 statt 8) kommt nicht die Bedeutung zu, welche ihr die Revision zubilligt. Der Stadtsenat gestattete nämlich die Zufahrt zu ständig bewohnten Häusern über Forststraßen generell für den jeweiligen Eigentümer, Mieter oder deren Besucher, worüber die Beklagte im genannten Schreiben informiert wurde.
3. Die Halterin der Forststraße hat nach § 33 Abs 3 ForstG 1975 dem Befahren der Forststraße (auch) durch die Beklagte zugestimmt. Das Unterlassungsbegehren der klagenden Waldeigentümerin ist somit in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht berechtigt.
4. Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, die Voraussetzungen für eine Ersitzung eines Wegerechts zu erörtern.
5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
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