Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S
7.605 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.267,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit 10.5.1990 mietete der Kläger von der beklagten Partei das Bestandobjekt top Nr 38 in Wien, Zieglergasse 29, zum Zwecke der gewerblichen Nutzung für 20 bis 25 Schlafstellen (Betrieb einer Pension) auf unbestimmte Zeit an. Der Kläger zahlte den monatlichen Mietzins von je S 11.564,85 für Mai und Juni 1990 nicht, weshalb die Beklagte eine Mietzins- und Räumungsklage einbrachte. In diesem Verfahren wurde am 8.7.1992 ein gerichtlicher Vergleich geschlossen, mit dem sich der Kläger verpflichtete, den rückständigen Mietzins samt Zinsen und Kosten, insgesamt S 33.492,42, in drei gleichen Monatsraten am 15.7., 15.8. und 15.9.1992 bei Terminsverlust zu zahlen. Der Kläger zahlte nur eine Rate, in der Folge jedoch nichts mehr. Auch im Jahr 1991 geriet der Kläger mit einigen Zahlungen in Rückstand, sodaß zu Beginn 1992 ein solcher von insgesamt S 34.469,49 aushaftete. Am 15.7.1992 wurde dem Kläger eine Betriebskostennachzahlung in Höhe von S 2.207,34 vorgeschrieben, vom Kläger aber nicht bezahlt. Als auch im August 1992 weder dieser Betrag noch der August-Mietzins gezahlt wurde, brachte die hier Beklagte am 27.8.1992 gegen den Kläger eine Klage auf Räumung des Objektes sowie auf Zahlung des rückständigen Mietzinses von S 24.033,62 ein. Am Tag der ersten Tagsatzung vom 29.10.1992 hafteten noch die Mietzinse für Juli und August 1992 sowie die Betriebskostennachzahlung 1991 als unberichtigt aus. Es erging ein Versäumungsurteil, das am 30.11.1992 hinterlegt und vom Postbevollmächtigten des Klägers auch tatsächlich behoben wurde. Am 7.1.1993 wurde die Rechtskraft und Vollstreckbarkeit dieses Versäumungsurteils bestätigt; aufgrund dieses Exekutionstitels wurde am 9.3.1993 die zwangsweise Räumung des Bestandobjektes durchgeführt. Aufgrund eines in der Folge vom Kläger erhobenen Widerspruches wurde das Versäumungsurteil in der Tagsatzung vom 6.10.1995 aufgehoben; das Klagebegehren wurde daraufhin um das Räumungsbegehren eingeschränkt. Beendet wurde dieser Prozeß durch ein Urteil vom 18.6.1997, mit dem der Kläger schuldig erkannt wurde, der Beklagten S 32.088,65 zu zahlen.
Mit der vorliegenden am 3.11.1995 bei Gericht eingelangten Klage stellte der Kläger das Urteilsbegehren, er sei Mieter des gegenständlichen Bestandobjektes und die Beklagte sei schuldig, ihm dieses Objekt, insbesondere durch Ausfolgung zweier passender Schlüssel, binnen 14 Tagen bei Exekution zu übergeben und sich in Hinkunft weiteren Eingriffen in das aufrechte Mietverhältnis zu enthalten. Dazu brachte er im wesentlichen vor, das genannte Versäumungsurteil sei mangels gültiger Zustellung an ihn nicht wirksam und nicht rechtskräftig geworden, weshalb das Bestandverhältnis auch nicht aufgelöst worden und er nach wie vor Mieter sei.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und beurteilte den eingangs festgestellten Sachverhalt rechtlich dahin, daß die Frage, ob der Kläger noch Mieter sei, vorerst davon abhänge, ob die im Vorverfahren in der Klage abgegebene Auflösungserklärung wirksam erfolgt sei. Hinsichtlich der dort verfahrensgegenständlichen Mietzinsforderungen habe sich der Kläger zum Zeitpunkt der Klagseinbringung mit der Forderung Betriebskostennachzahlung für 1991, die am 15.7.1992 vorgeschrieben und trotz Mahnung im August 1992 noch nicht bezahlt gewesen sei, in qualifiziertem Rückstand befunden. Die Auflösungserklärung durch die Klage sei daher zu Recht erfolgt. Im übrigen könne der Auffassung des Klägers, er sei deshalb noch Mieter, weil die Beklagte im Vorverfahren ihr Begehren um das Räumungsbegehren eingeschränkt habe, nicht gefolgt werden. Diese Einschränkung am 6.10.1995 sei ausdrücklich infolge der bereits längst erfolgten zwangsweisen Räumung geschehen und habe sich deshalb als notwendig erwiesen, da in diesem Punkte die Beklagte durch die tatsächliche Räumung bereits befriedigt gewesen sei. Das Klagebegehren sei aber auch deshalb unberechtigt, da das Gesamtverhalten des Klägers nach dem Empfängerhorizont der Beklagten als Vermieterin in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise als Verzicht auf das Mietrecht angesehen werden könne: Trotz Kenntnis des bestehenden Räumungsverfahrens habe der Kläger keine Schritte zur Verhinderung der Räumung gesetzt, insbesondere habe er auch nach erfolgter Räumung keinesfalls die Rückgabe des Objektes verlangt, sondern ausdrücklich einen Investititionskostenersatz gemäß § 10 MRG begehrt, somit einen Anspruch, der erst nach Beendigung des Mietverhältnisses geltend gemacht werden könne.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes mit Ausnahme jener über die Einmahnung der in der Klage geltend gemachten Mietzinse und führte in rechtlicher Hinsicht aus:
Inwieweit die in der Mietzins- und Räumungsklage abgegebene Auflösungserklärung nach § 1118 ABGB infolge Vorliegens eines qualifizierten Mietzinsrückstandes berechtigt gewesen sei oder nicht, könne dahingestellt bleiben. In diesem Prozeß sei bei der ersten Tagsatzung ein Versäumungsurteil über das Räumungsbegehren im klagsstattgebenden Sinne gefällt worden. Dieses Versäumungsurteil sei am 30.11.1992 hinterlegt und innerhalb der Abholfrist vom Postbevollmächtigten der hier klagenden Partei auch tatsächlich behoben worden. Innerhalb der Berufungsfrist ab der Abholung sei jedenfalls kein Rechtsmittel erhoben worden. Am 13.7.1993 habe der Kläger den Antrag auf neuerliche Zustellung und einen Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung gestellt, erst am 25.10.1993 habe er die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und eine Berufung erhoben. Mit Beschluß vom 17.1.1994 sei dieser Antrag auf neuerliche Zustellung sowie auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung und auch der Wiedereinsetzungsantrag gegen die Versäumung der Berufungsfrist abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen worden. Einem dagegen erhobenen Rekurs sei nicht Folge gegeben worden. Erst infolge des am 25.1.1995 erhobenen Widerspruchs des Klägers sei in der Verhandlung vom 6.10.1995 das genannte Versäumungsurteil aufgehoben worden; daraufhin sei die Klage um das Räumungsbegehren eingeschränkt worden. Entgegen der im Vorprozeß vertretenen Auffassung sei das Versäumungsurteil vom 29.10.1992 mangels fristgerechter Bekämpfung und Nichtbewilligung der Wiedereinsetzung in Rechtskraft erwachsen. Dies ergebe sich zwingend daraus, daß die Ausfolgung an den Postbevollmächtigten der Ausfolgung an den Empfänger gleichzuhalten sei und selbst dann eine Zustellung bewirke, wenn die Hinterlegung nicht dem Gesetz entsprochen habe. Die von der ersten Instanz im Vorprozeß ohne Rücksicht auf diese Rechtskraft der Entscheidung verfügte Aufhebung des Versäumungsurteils infolge Widerspruchs sei infolge ihres gravierenden Verstoßes gegen die Rechtskraft unwirksam und unbeachtlich. Eine derartige Unwirksamkeit der Aufhebung wegen Verstoßes gegen die Rechtskraft sei wegen der im Gesetz verfügten Unanfechtbarkeit der Aufhebung (§ 397 a Abs 3 ZPO) die einzige Möglichkeit der Wahrnehmbarkeit solcher Eingriffe. Infolge der eingetretenen und noch immer vorliegenden Rechtskraft sei jedoch das Versäumungsurteil vom 29.10.1992 für die Fällung der hier gegenständlichen Entscheidung zu beachten. Hier stehe der Klage auf Zuhaltung des Bestandvertrages jedenfalls der rechtskräftig entschiedene Räumungsanspruch der hier beklagten Partei entgegen. Auch hinsichtlich der Frage der Feststellung der Mietereigenschaft verhindere der Sachzusammenhang zwischen diesem Begehren und der rechtskräftigen Entscheidung über die Rückstellung des Bestandgegenstandes wegen Auflösung des Mietverhältnisses gemäß § 1118 ABGB eine selbständige Beurteilung der Vorfrage der noch bestehenden Mietereigenschaft. Ein Verfahren, das einen Räumungsanspruch nach § 1118 ABGB geltend machte, stehe mit einem Verfahren auf Weiterbestehen der Mietereigenschaft in so engem inhaltlichen Zusammenhang, daß Rechtssicherheit und Entscheidungsharmonie keine einander widersprechenden Entscheidungen gestatten würden. In einem Verfahren nach § 1118 ABGB erfolge jedenfalls stets auch eine Entscheidung über die Wirksamkeit einer bereits vor dem oder auch im Verfahren erfolgten Auflösungserklärung des Mietverhältnisses, sodaß eine über den aus dem Gesetz ableitbaren Umfang hinausgehende Rechtskraftwirkung der Entscheidung hier ohnehin nicht angenommen worden sei. Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, da eine einschlägige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht vorhanden sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache. Er beantragt die Abänderung im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens und stellt hilfsweise einen Aufhebungsantrag.
Die beklagte Partei beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Die Revision ist zulässig, aber im Ergebnis nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Nach § 1118 ABGB kann der Bestandgeber die frühere Aufhebung des Vertrages fordern, wenn der Bestandnehmer der Sache einen erheblich nachteiligen Gebrauch davon macht, wenn er nach geschehener Einmahnung mit der Bezahlung des Zinses dergestalt säumig ist, daß er mit Ablauf des Termines den rückständigen Bestandzins nicht vollständig entrichtet hat, oder wenn ein vermietetes Gebäude neu aufgeführt werden muß. Dies ist Folge des Prinzips, daß Dauerschuldverhältnisse aus wichtigen Gründen jederzeit durch außergerichtliche Erklärung vorzeitig, das heißt entgegen den Vereinbarungen aufgelöst werden können (Würth in Rummel, ABGB2 Rz 1 zu § 1118). Die Vertragsaufhebung erfolgt durch einseitige empfangsbedürftige Erklärung und wird mit dem Zeitpunkt des Zuganges der Auflösungserklärung an den Bestandnehmer wirksam (Würth aaO Rz 6 mwN). Die Auflösungserklärung kann außergerichtlich formfrei oder gerichtlich in Form der Räumungsklage erfolgen (Binder in Schwimann, ABGB2 IV Rz 89 zu § 1118). Für den Auflösungstatbestand des qualifizierten Zinsrückstandes genügt immer objekiver Verzug, wobei lediglich bei dem Mietrechtsgesetz unterliegenden Bestandverhältnissen dem Mieter ein Privileg eingeräumt wird, den Rückstand bei Fehlen groben Verschuldens noch nachträglich zu tilgen (Würth aaO Rz 16 und 20 mwN; Binder aaO Rz 90).
Im vorliegenden Fall ist die gerichtlich in Form einer Räumungsklage erfolgte Auflösungserklärung - ohne Rücksicht auf die strittige Frage, ob diese Klage nach den für Klagszustellungen geltenden Bestimmungen des Zustellgesetzes zugestellt wurde - dem dortigen, hier als Kläger auftretenden Beklagten zur Kenntnis gelangt, und zwar spätestens durch Zustellung des Versäumungsurteiles. Zu Unrecht wird in der Revision die Auffassung vertreten, eine wirksame Zustellung dieses Versäumungsurteiles sei nicht erfolgt. Der Kläger habe sich nämlich zur Zeit der Hinterlegung dieses Urteils im Ausland befunden und sei innerhalb der Abholfrist nicht an die Abgabestelle zurückgekehrt. Nach § 7 ZustG gelte die Zustellung aber erst in dem Zeitpunkt als vollzogen, zu dem das Schriftstück der Person, für die es bestimmt sei (Empfänger) tatsächlich zugekommen sei.
Mit diesen Ausführungen verkennt der Kläger, daß das Berufungsgericht
nicht eine Heilung der mangelhaften Zustellung gemäß § 7 ZustG
angenommen, sondern in der Abholung der hinterlegten Sendung einen
weiteren, nunmehr wirksamen Zustellvorgang erblickt hat. Zustellung
ist der an eine gesetzliche Form geknüpfte beurkundete Vorgang, durch
den dem als Empfänger des Schrifstücks Bezeichneten (Adressaten)
Gelegenheit geboten wird, von einem im Auftrag des Gerichts an ihn
gerichtetes Schriftstück Kenntnis zu nehmen. Unter diese
Begriffsbestimmung fällt aber auch die Ausfolgung einer hinterlegten
Sendung durch das Postamt, bei dem sie hinterlegt wurde. Sie ist in §
187 PostO geregelt, wobei die Regelung jener der Zustellung gemäß den
§§ 13 ff ZustG entspricht. Nach § 13 Abs 5 kann auch außerhalb der
Abgabestelle rechtswirksam zugestellt werden, wenn die Annahme der
Sendung nicht verweigert wird. Dies ist aber bei der Abholung einer
Sendung nicht der Fall. Es besteht daher kein Grund, die Ausfolgung
der Sendung nach der Hinterlegung beim Postamt an den Empfänger
anders zu behandeln, wie wenn sie ihm von vornherein durch das
Zustellorgan ausgefolgt worden wäre. Da die Zustellung an einen
Postbevollmächtigten, wie sich aus § 13 Abs 2 iVm Abs 5 ZustG ergibt,
ebenfalls außerhalb der Abgabestelle vorgenommen werden darf, ist die
Aussfolgung einer hinterlegten Sendung an den Postbevollmächtigten
der Ausfolgung an den Empfänger gleichzuhalten. Sie bewirkt daher
ebenfalls die Zustellung. Dafür spricht auch § 187 PostO, in dem der
postordnungsmäßige Übernahmsberechtigte ebenfalls dem Empfänger
gleichgestellt wird (3 Ob 116/95 = RZ 1996/74 mwN; ähnlich auch 5 Ob
2270/96a = ecolex 1997, 20). Von diesen Rechtsgrundsätzen ist das
Berufungsgericht zutreffend ausgegangen.
Die solcherart anzunehmende Zustellung des Versäumungsurteils vom 29.10.1992 an den Kläger führte, da das Vorliegen eines qualifizierten Mietzinsrückstandes hier gar nicht mehr strittig ist, zur Aufhebung des Bestandvertrages nach § 1118 ABGB. Damit erweist sich aber das vorliegende, auf Vertragszuhaltung abzielende Klagebegehren jedenfalls als unberechtigt. Keinen Einfluß auf diese Beurteilung hat der Umstand, daß das Gericht im Vorprozeß dieses Versäumungsurteil am 6.10.1995 infolge Widerspruches des dortigen Beklagten aufhob. Da die Räumung des Bestandobjektes bereits im März 1993 erfolgt war, war die dort klagende Partei gezwungen, die Klage um dieses Räumungsbegehren einzuschränken. An der bereits erfolgten Auflösung des Bestandvertrages trat jedoch dadurch keine Änderung ein. Auf die vom Berufungsgericht erörterte Bindungsproblematik braucht nicht weiter eingegangen zu werden.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)