Spruch:
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Die Vorinstanzen haben die vom Obersten Gerichtshof und von der Lehre entwickelten Grundsätze zur Frage der Sittenwidrigkeit von Interzessionsverträgen naher Angehöriger richtig wiedergegeben. Danach sind das Vorliegen eines krassen Missverhältnisses zwischen der Vermögenssituation des Interzedenten und dem Umfang der eingegangenen Schuld, die Missbilligung des Zustandekommens des Interzessionsgeschäftes infolge verdünnter Entscheidungsfreiheit des Interzedenten sowie die Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis dieser Faktoren durch den Kreditgeber wichtige Kriterien für die Inhaltskontrolle derartiger Geschäfte, wobei die Erfüllung dieser Voraussetzungen im Zeitpunkt der Haftungsübernahme erforderlich ist, um die Sittenwidrigkeit bejahen zu können (JBl 2001, 715; ÖBA 2000, 619; EvBl 2000/197; ÖBA 2000, 626; SZ 71/117; SZ 68/64 - jüngst 1 Ob 136/02k). Die Anwendung dieser entwickelten Grundsätze auf den Einzelfall stellt keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dar (ecolex 2001, 199; 1998, 471 mwN ua), wenn die Vorinstanzen - was hier der Fall ist - das ihnen eingeräumte Ermessen in rechtlich vertretbarer Weise ausgeübt haben. Ausgehend von den getroffenen Feststellungen war ein krasses Missverhältnis des Haftungsumfanges und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der beklagten Interzedentin unzweifelhaft gegeben und der klagenden Partei auch bekannt. Es kommt dabei auf die im Zeitpunkt des Eingehens der Haftung gegebenen und in absehbarer Zeit zu erwartenden Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Interzedenten (und nicht auch des Hauptschuldners) an (ÖBA 2001/936, 170 ff mwN ua). So standen im vorliegenden Fall einer von der Beklagten übernommenen Mithaftung im Umfang von insgesamt ca S 540.000 und daraus resultierender Kreditrückzahlungen von monatlich ca S 3.000 lediglich ein monatliches Einkommen der Beklagten als Ausgleichszulagenbezieherin von ca S 8.000 sowie ein Liegenschaftsvermögen in dem im Verlassenschaftsverfahren nach dem Tod des Ehemannes der Beklagten im Jahr 1981 ermittelten Wert von S 300.000 gegenüber. Dass die im Grenzgebiet zu Tschechien gelegene Liegenschaft der Beklagten (mit Wohnhaus) in der Zwischenzeit eine derart hohe Wertsteigerung erfahren hätte, dass ein solches krasses Missverhältnis zwischen Haftungsumfang und wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit der Beklagten nicht mehr anzunehmen wäre, wurde weder von den Parteien behauptet noch von den Vorinstanzen festgestellt. Im Übrigen ist bei der Beurteilung einer Sittenwidrigkeit der von der Beklagten abgegebenen Mithaftungserklärung auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte bei einer Inanspruchnahme aus ihrer Haftungserklärung mit ihrem Liegenschaftsvermögen auch ihre einzige Wohnmöglichkeit verlieren würde und somit in ihrer Existenz bedroht wäre.
Ist aber - wie im gegenständlichen Fall - vom Vorliegen eines solchen krassen Missverhältnisses als objektives Element auszugehen, so bilden die weiteren für die Inhaltskontrolle rechtserheblichen Gesichtspunkte ein bewegliches Beurteilungssystem, dessen Anwendung ein Sittenwidrigkeitsurteil dann erlaubt, wenn entsprechende Indikatoren im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses in allen drei Systemelementen verwirklicht waren und diesen in der Gesamtschau - je nach den Umständen des Einzelfalls - erhebliches Gewicht beizumessen ist (ÖBA 2000/909, 922ff mwN ua).
Im hier zu beurteilenden Fall waren Indikatoren in allen drei der vom Berufungsgericht genannten Systemelementen verwirklicht. Die inhaltliche Missbilligung der Haftungsverträge resultiert aus dem schon erwähnten groben Missverhältnis zwischen der Leistungsfähigkeit der Beklagten und dem Verpflichtungsumfang, zu dem noch das Fehlen eines relevanten Eigeninteresses der Beklagten an der zu sichernden Kreditgewährung tritt. Anhaltspunkte für ein zu missbilligendes Zustandekommen der Verträge wegen verdünnter Willensfreiheit der Beklagten haben die Vorinstanzen zu Recht auch in der (für sich allein nicht ausreichenden) gefühlsmäßigen Bindung der Beklagten zu ihrem Sohn als Hauptschuldner erblickt, der sie unter Tränen ersucht hatte, die Kreditanträge mitzuunterfertigen, da es ansonsten nicht zu der von ihm unbedingt benötigten Kreditgewährung kommen könne. Die Einschränkung der Entscheidungsfreiheit ergibt sich im vorliegenden Fall auch daraus, dass das mit der Haftungsübernahme für die Beklagte verbundene Risiko, deren Liegenschaftsvermögen den einzigen realen Haftungsfonds bildete, durch den Mitarbeiter der klagenden Partei weitgehend verharmlost wurde.
Das krasse Missverhältnis zwischen der Vermögenssituation der Interzedentin und dem Umfang der eingegangenen Schuld war der klagenden Partei bekannt bzw musste jedenfalls auf Grund der von ihrem Mitarbeiter vorgenommenen Bonitätsprüfung bekannt sein. Eine "verdünnte Entscheidungsfreiheit" liegt bei Personen, die infolge eines nahen Verwandtschaftsverhältnisses Haftungserklärungen abgeben, geradezu auf der Hand. Daran kann auch der Umstand nichts ändern, dass die Beklagte über die wirtschaftlichen Verhältnisse ihres Sohnes Bescheid gewusst hat. Sofern die klagende Partei von dieser Einschränkung der Entscheidungsfreiheit (emotionale Abhängigkeit der Interzedentin vom Hauptschuldner, Verharmlosung der Haftungsübernahme) nicht positiv Kenntnis hatte, ist ihr die fahrlässige Unkenntnis dieses Umstandes anzulasten (1 Ob 136/02k ua). Wenn das Berufungsgericht bei Abwägung aller subjektiven Umstände des hier vorliegenden Einzelfalls unter Bedachtnahme auf die nach der Rechtsprechung als relevant angesehenen Umstände (auch die Revisionswerberin stellt die Richtigkeit der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu den hier aufgeworfenen Problemkreis nicht in Frage), die Haftung der Beklagten als sittenwidrig im Sinn des § 879 ABGB beurteilte, kann darin eine der Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürftige Fehlbeurteilung und eine darin liegende erhebliche Rechtsfrage nicht erblickt werden. Ein Verstoß gegen die hier bereits anwendbare Bestimmung des § 25c KSchG idF BGBl I 1997/6 sowie eine Verletzung der vorvertraglichen Warn- und Aufklärungspflicht wurden von den Vorinstanzen ohnehin nicht angenommen, sodass auf die diesbezüglichen Ausführungen in der Revision nicht weiter einzugehen ist.
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