Spruch:
Dem Revisionsrekurs der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird mit der Maßgabe bestätigt, dass er insgesamt zu lauten hat:
„Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die von der Beklagten erhobene Einrede der sachlichen Unzuständigkeit verworfen wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 16.478,36 (darin enthalten EUR 1.349,58 USt und EUR 6.693,91 Barauslagen) bestimmten Kosten für den Zwischenstreit erster Instanz sowie die mit EUR 1.493,50 (darin enthalten EUR 205,97 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen."
Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 1.531,92 (darin enthalten EUR 244,59 USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die in Hamburg ansässige Klägerin ist der Transportversicherer der B***** S.A. (im Folgenden: Versicherungsnehmerin) mit Sitz in Barcelona, welche am 5. 12. 2000 über die ebenfalls in Spanien ansässige beklagte Partei Maschinenanlagenteile im Wert von EUR
91.764 per LKW zur Reparatur nach Österreich bringen ließ, wo sie jedoch mit unbekanntem Verbleib nie angekommen sind. In Erfüllung des Versicherungsvertrages hat die Klägerin ihrer Versicherungsnehmerin in der Folge den Betrag von EUR 88.632 zur Auszahlung gebracht. Die Klägerin begehrt nunmehr im Regressweg (gestützt auf Art 17 CMR und § 67 dVersVG) sowie aus dem Titel des Schadenersatzes von der beklagten Partei die Zahlung eines Teilbetrages von EUR 72.672,83 (= ATS 1 Mio). Darüber hinaus habe ihr ihre Versicherungsnehmerin deren Ansprüche gegen die beklagte Partei aus dem gegenständlichen Transportauftrag abgetreten. Die beklagte Partei treffe ein schwerwiegendes Organisationsverschulden samt grober Fahrlässigkeit. Die beklagte Partei wendete in ihrer Klagebeantwortung die (sachliche) Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts ein, weil in zwei zwischen der Versicherungsnehmerin und ihr abgeschlossenen Rahmenvereinbarungen die (ausschließliche) Zuständigkeit eines spanischen Schiedsgerichtes vereinbart worden sei. Diese Schiedsgerichtsvereinbarung erfülle insbesondere auch die Anforderungen im Sinne des Art 33 CMR.
Nach abgesonderter Verhandlung über die Einrede der (sachlichen) Unzuständigkeit wies das Erstgericht die Klage zurück. Nach seinen - für das Revisionsrekursverfahren noch bedeutsamen - Feststellungen standen die Versicherungsnehmerin und die Beklagte seit 1998 in Geschäftsbeziehung. Sie schlossen zu diesem Zweck am 22. 1. 1998 - in der Form einer Rahmenvereinbarung - ein Handelsabkommen samt den angeschlossenen allgemeinen Bedingungen. Punkt 9 dieser allgemeinen Bedingungen lautet (übersetzt):
„9. Im Falle einer Beschädigung, eines Verlustes oder einer Verspätung bei der Zustellung der Ware, den U***** (= Beklagte) zu verantworten hat, leistet U***** dem Kunden den entsprechenden Schadenersatz, wobei die gesetzlich festgelegten oder vereinbarten und im Frachtbrief oder den allgemeinen Geschäftsbedingungen unseres Tarifs enthaltenen Höchstgrenzen der Haftung berücksichtigt werden. U***** erkennt nur dann Forderungen nach einer höheren als der gesetzlich festgelegten Haftung an, wenn der Kunde zuvor die Erhöhung der Haftungssumme von U***** vertraglich vereinbart hat. Um Streitigkeiten, die im Zusammenhang mit der Erfüllung des Beförderungsvertrags auftreten könnten, unabhängig von ihrem Streitwert zu entscheiden, unterwerfen sich beide Parteien ausdrücklich der Zuständigkeit der „Junta Arbitral de Transporte" (Schiedsrat für das Beförderungswesen) von Madrid gemäß den Bestimmungen, die in den Art 37 und 38 des Beförderungsgesetzes (L.O.T.T.) und in den Art 6 bis 12 der entsprechenden Verordnung enthalten sind. Weiters erklären die Parteien ausdrücklich, dass sie sich verpflichten, dem Schiedsspruch Folge zu leisten."
Am 24. 11. 1998 wurde zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten eine Transportvereinbarung samt den angeschlossenen allgemeinen Bedingungen (Beilagen 1 und 3) abgeschlossen. Pkt 17. dieser allgemeinen Bedingungen (im Folgenden: Beförderungsbedingungen) lautet:
„17. Gerichtsstand
Alle Streitigkeiten, die wegen oder im Zusammenhang mit den vorstehenden Beförderungsbestimmungen auftreten, fallen unabhängig von ihrem Streitwert und dem Bestehen eines auf der Grundlage dieser Bestimmungen errichteten Vertrags in die Zuständigkeit der „Junta Arbitral de Transporte" (Schiedsrat für das Beförderungswesen) von Madrid gemäß den Bestimmungen, die in den Art 37 und 38 des Gesetzes 16/87 und in den Art 6 bis 12, beide einschließlich der Verordnung (Königliches Dekret 1211/90), enthalten sind."
Zum Zweck des Transportes der Maschinenanlagenteile nach Österreich wurde am 5. 12. 2000 ein Frachtbrief ausgestellt, auf dessen Rückseite wiederum die allgemeinen Beförderungsbedingungen abgedruckt sind. Pkt. 1 letzter Abs und Pkt. 18 dieser Beförderungsbedingungen lauten wie folgt:
„1. Allgemeine Information
....
Der internationale Landtransport wird geregelt - sofern es keine anderslautende Vertragsklausel gibt - durch die Bestimmungen im Abkommen „Convention on the Contract for the International Carriage of Goods by Road" (Abkommen über den Vertrag für den internationalen Gütertransport auf der Straße), das am 19. Mai 1956 in Genf unterzeichnet wurde, sowie durch die geltenden Abänderungen (in der Folge „CMR-Abkommen"). Außerdem kommen die folgenden Bestimmungen und Bedingungen zur Anwendung:
....
18. Anwendbares Gesetz
Das vorliegende Dokument „Transportbestimmungen und -bedingungen" sowie jeder andere Vertrag, der gemäß diesen abgeschlossen wird, wird in jeder Hinsicht entsprechend den Gesetzen des Ursprungslandes der Sendung interpretiert."
Das Erstgericht gelangte in rechtlicher Hinsicht zu dem Ergebnis, da beide Vertragsparteien ihren Sitz in Spanien hätten und beide Übereinkommen bzw der Frachtbrief in Spanien unterfertigt worden seien, sei für die Frage der Gültigkeit der Schiedsklausel spanisches Recht maßgebend. Danach sei zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten ein wirksamer Schiedsvertrag abgeschlossen worden, weshalb die Klage wegen Unzuständigkeit zurückzuweisen sei. Das Rekursgericht hob den Beschluss des Erstgerichtes ersatzlos auf und trug diesem die Durchführung des gesetzlichen Verfahrens über die Klage unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf. Nach seiner ausführlichen rechtlichen Beurteilung werde für die Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung nach Art 33 CMR verlangt, dass sie dem Schiedsgericht ausdrücklich die Anwendung der CMR vorschreibe bzw dieses dazu verpflichte. Bei dieser Beurteilung sei ein strenger Maßstab anzulegen. Eine dieser Bedingung widersprechende Schiedsabrede sei nach Art 41 CMR nichtig.
In den hier zu beurteilenden Schiedsklauseln (Pkt. 17 der Beförderungsbedingungen und Pkt. 9 der allgemeinen Bedingungen zum Handelsabkommen) sei eine Anordnung zur Anwendung der CMR nicht enthalten. Die Beklagte berufe sich diesbezüglich auf den letzten Absatz in Punkt 1 der Beförderungsbedingungen. Diese Regelung mit dem allgemeinen Hinweis auf die CMR sei zunächst nicht in der Schiedsklausel (Punkt 17 der Beförderungsbedingungen) oder einer in unmittelbarem Zusammenhang mit dieser geregelten Bestimmung enthalten. In der Schiedsklausel finde sich auch kein Verweis auf die Regelung in Pkt. 1. der Beförderungsbedingungen. Damit sei nicht sichergestellt, dass das Schiedsgericht den in Rede stehenden Hinweis auf die CMR im Pkt. 1. der Beförderungsbedingungen überhaupt zur Kenntnis nehme. Darüber hinaus finde sich im Pkt. 1. der Beförderungsbedingungen auch nicht die notwendige Anordnung gegenüber dem Schiedsgericht, zwingend die CMR anzuwenden. Es werde vielmehr nur ganz allgemein darauf hingewiesen, dass der internationale Landtransport durch die CMR geregelt werde. Gleichzeitig finde sich in dieser Bestimmung ein Vorbehalt zugunsten anders lautender Vertragsklauseln. Schließlich werde im Pkt. 18. der Beförderungsbedingungen hinsichtlich der Auslegung der Vertragsbestimmungen zudem die Maßgeblichkeit des Rechts des Ursprungsstaates der Sendung (hier: Spanien) festgelegt. Für das Schiedsgericht bestehe somit keine eindeutige Anordnung, dass es zwingend die CMR - soweit diese entsprechende Regelungen enthalte - anzuwenden habe. Da somit die in Rede stehende Schiedsklausel die Voraussetzungen nach Art 33 CMR nicht erfülle, sei sie nichtig und rechtsunwirksam. Das Erstgericht habe somit mangels wirksamer Schiedsvereinbarung die Klage zu Unrecht zurückgewiesen. Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil - soweit überblickbar - eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur rechtserheblichen Frage, welche Anforderungen an eine Schiedsklausel in Bezug auf die Anwendung der CMR durch das Schiedsgericht bzw den Vorrang der CMR im Sinne des Art 33 CMR bestünden, noch nicht vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Der von der Beklagten dagegen erhobene Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt. Die Beklagte macht im Wesentlichen geltend, Pkt. 1 letzter Absatz der Beförderungsbedingungen bestimme ausdrücklich, dass auf die Beförderungen im internationalen Straßengüterverkehr die CMR anzuwenden sei. Das Schiedsgericht sei somit gemäß Parteienvereinbarung ausdrücklich verpflichtet, die CMR anzuwenden. Eine Nichtanwendung würde gegen diese vertragliche Parteienvereinbarung verstoßen. Der (juristische) Mehrwert einer Aufnahme dieser Regelung direkt in Pkt 17. der Beförderungsbedingungen über die Zuständigkeit des Schiedsgerichtes sei nicht ersichtlich. Ein solches Ergebnis würde nicht nur auf einer unüblich formalen Betrachtungsweise beruhen, sondern auch der Praxis widersprechen, nach der es durchaus gängig sei, das anwendbare Recht und die (Schieds-)Gerichtszuständigkeit in getrennten Bestimmungen zu regeln. Entgegen der Rechtsansicht des Rekursgerichtes bestehe daher im vorliegenden Fall eine unmissverständliche Anordnung gegenüber dem Schiedsgericht, die CMR anzuwenden.
Diesen Ausführungen ist Folgendes entgegenzuhalten:
Nach Art 33 CMR kann der Beförderungsvertrag eine Bestimmung enthalten, durch die die Zuständigkeit eines Schiedsgerichtes begründet wird, jedoch nur, wenn die Bestimmung vorsieht, dass das Schiedsgericht dieses Übereinkommen anzuwenden hat. In der Literatur wird ganz allgemein die Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung daran geknüpft, dass in der Schiedsabrede ausdrücklich vorgesehen ist, dass das Schiedsgericht die CMR anzuwenden hat. Eine generelle Verweisung auf ein nationales Recht, dessen Teil die CMR ist, genügt hingegen nicht (Demuth in Thume, Komm zur CMR [1995] Art 33 Rz 3; Thume in Fremuth/Thume, Komm zum Transportrecht [2000] Art 33 CMR Rz 2; Gass in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB [2001] Art 33 CMR Rz 5; Staub/Helm, Großkomm HGB4 Art 33 CMR Rz 5; Basedow in MünchKomm, HGB Band 7 Art 33 CMR Rz 1; Loewe, Die Bestimmungen der CMR über Reklamationen und Klagen, TranspR 1988, 309 ff [319] ua; OLG Köln vom 5. 7. 2005, TranspR 2005, 472; OLG Hamm vom 29. 6. 1998, TranspR 1999, 201 ua). Eine Schiedsgerichtsvereinbarung ist gemäß Art 41 CMR nichtig, wenn sie nicht die in Art 33 CMR bestimmte ausdrückliche Verweisung auf die CMR enthält, durch die das Schiedsgericht verpflichtet wird, die CMR anzuwenden (Staub/Helm aaO Art 33 CMR Rz 5; Koller, TranspR5 1332). Diese Formstrenge ist notwendig, um die Anwendung der CMR in sämtlichen Vertragsstaaten sicherzustellen, da nicht alle Mitgliedsstaaten (wohl aber die überwältigende Mehrheit) die CMR als unabhängig vom Parteiwillen geltendes innerstaatliches Recht begreifen und mit der expliziten Verpflichtung zur Anwendung der CMR Auslegungsunsicherheiten vorgebeugt werden soll (Demuth in Thume, Komm zur CMR Art 33 Rz 3). Auch die Funktion des Art 41 Abs 1 CMR, wonach unbeschadet der Bestimmungen des Art 40 jede Vereinbarung, die unmittelbar oder mittelbar von den Bestimmungen dieses Übereinkommens abweicht, nichtig und ohne Rechtswirkung ist, liegt zum einen darin, zu verhindern, dass der mühsame gesetzgeberische Kompromiss der Vertragsstaaten durch privatautonome Vereinbarungen außer Kraft gesetzt wird. Zum anderen wird durch die Vereinheitlichung der vertraglichen Grundlagen ein zu starker Konkurrenzkampf zwischen den Beförderungsunternehmen vermieden, da Konditionen und Beförderungsrahmenbedingungen verbindlich für alle Vertragsparteien zwingend festgelegt wurden. Damit dominiert die CMR nicht nur nationales Recht, sondern alle Parteivereinbarungen und widersprechende Klauseln von allgemeinen Geschäftsbedingungen (vgl Schmid/Seltmann in Thume, Komm zur CMR Art 41 Rz 2 ff; Koller aaO Art 41 CMR Rz 1 ua).
Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt an, hat bereits das Rekursgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass die gegenständliche Schiedsklausel selbst keinerlei Bestimmung enthält, nach welcher das Schiedsgericht die CMR zwingend anzuwenden hätte. In der Schiedsklausel findet sich auch kein Verweis auf Pkt. 1 der Beförderungsbedingungen. Zudem ist Pkt. 1 der Beförderungsbedingungen, wie auch in der Revisionsrekursbeantwortung zutreffend aufgezeigt wird, lediglich als allgemeine vertragliche Präambel zu verstehen, die zwar grundsätzlich und ganz generell die CMR als Rechtsquelle erwähnt, jedoch einerseits einen Vorbehalt zugunsten abweichender, allenfalls sogar konventionswidriger vertraglicher Vereinbarungen normiert und andererseits nicht an das Schiedsgericht selbst gerichtet ist. Auch aufgrund dieses Anwendungsvorbehaltes zugunsten abweichender vertraglicher Bestimmungen ist eine zwingende Anwendung der CMR durch das Schiedsgericht in konventionswidriger Weise nachhaltig in Frage gestellt. In Pkt. 18 der Beförderungsbedingungen wird hinsichtlich der Auslegung der Vertragsbestimmungen zudem die Maßgeblichkeit des Rechts des Ursprungsstaates der Sendung (hier: Spanien) festgelegt. Im Ergebnis stellen daher die Beförderungsbedingungen der Beklagten - am strengen Maßstab der CMR gemessen - die zwingende Anwendung der CMR durch das Schiedsgericht nicht hinreichend sicher. Somit entspricht die gegenständliche Schiedsklausel nach zutreffender Rechtsansicht des Rekursgerichtes nicht den Erfordernissen des Art 33 CMR und ist daher gemäß Art 41 Abs 1 CMR nichtig und rechtsunwirksam. Dem Revisionsrekurs der Beklagten ist somit ein Erfolg zu versagen. Da es in der Sache jedoch nicht um die ersatzlose Aufhebung einer vom Erstgericht von Amts wegen ausgesprochenen Zurückweisung der Klage, sondern um die Abänderung der Entscheidung über die von der Beklagten erhobene Unzuständigkeitseinrede ging, war der angefochtene Beschluss mit einer entsprechenden Maßgabe zu bestätigen (vgl 4 Ob 330/00h ua). Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO. Die Klägerin hat im Zwischenstreit über eine Prozesseinrede obsiegt und hat daher Anspruch auf Kostenersatz in der verzeichneten Höhe (§ 405 ZPO).
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