OGH 10Ob1530/96

OGH10Ob1530/9612.3.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer, Dr.Ehmayr, Dr.Steinbauer und Dr.Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ingeborg S*****, Pensionistin, ***** vertreten durch Dr.Roman Moser, Rechtsanwalt in Thalgau, gegen die beklagte Partei Land S*****, dieses vertreten durch Dr.Reinhold Möbius, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Feststellung (Streitinteresse S 300.000,-) infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 13.Dezember 1995, GZ 1 R 236/95-47, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508

a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO

zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1.) Unbestritten ist, daß der gegenständliche Rechtsfall von den

Vorinstanzen nach österreichischem Recht beurteilt wurde

(Schuldstatut nach § 36 IPRG, welches das gesamte Schuldverhältnis

der Parteien, also auch daraus abgeleitete Schadenersatzansprüche

wegen Verletzung rechtsgeschäftlicher Nebenpflichten umfaßt:

Schwimann in Rummel, ABGB II2, Rz 4 vor § 35 IPRG).

2.) In welchem Umfang ein Arzt den Patienten - als Teil des

Behandlungsvertrages (JBl 1982, 491, JBl 1990, 459, 1 Ob 532/94,

4 Ob 509/95; Gschnitzer/Faistenberger, Schuldrecht BT und

Schadenersatz2, 488) - aufklären muß, damit dieser die Tragweite

seiner Erklärung, in eine Operation einzuwilligen, überschauen kann,

ist eine stets anhand der zu den konkreten Umständen des Einzelfalles

getroffenen Feststellungen zu beurteilende Rechtsfrage (1 Ob 743/80,

JBl 1983, 373 = SZ 55/114, JBl 1990, 459). Der Umfang der

Aufklärung muß hiebei auf Grund gewissenhafter ärztlicher Übung und

Erfahrung nach den Umständen des Einzelfalles unter Bedachtnahme auf

die Besonderheiten des Krankheitsbildes beurteilt werden (JBl 1991,

316, 4 Ob 509/95). Daraus folgt, daß der Umfang der ärztlichen

Aufklärungspflicht grundsätzlich eine Frage des Einzelfalles ist (RZ

1973/167, JBl 1983, 373 = SZ 55/114). Bei welcher

Wahrscheinlichkeit von Schädigungen eine Aufklärungspflicht nicht

(mehr) besteht, dafür können keine Prozent(Promille)sätze angegeben

werden (SZ 59/18). Auf typische Risken einer Operation ist

allerdings ganz unabhängig von der prozentmäßigen statistischen

Wahrscheinlichkeit, also auch bei einer allfälligen Seltenheit ihres

Eintrittes, hinzuweisen (8 Ob 620/91, 1 Ob 532/94, SZ 62/154). Der

Patient muß unterrichtet werden, daß dieses Risiko speziell dem

geplanten Eingriff anhaftet und auch bei Anwendung allergrößter

Sorgfalt und fehlerfreier Durchführung nicht sicher zu vermeiden ist

(Haslinger, Probleme der ärztlichen Aufklärung und

Patienteneinwilligung, AnwBl 1994, 866 [871]). Wenn der Arzt

erkennt, daß bestimmte ärztliche Maßnahmen erforderlich sind, dann

hat er den Patienten auf deren Notwendigkeit und die Risken ihrer

Unterlassung hinzuweisen (JBl 1982, 491, EvBl 1990/87, SZ

55/114). Den Nachweis einer solchen rechtswirksamen Zustimmung des

Patienten und damit den Nachweis der gebotenen Aufklärung hat hiebei

der Arzt und/oder der Rechtsträger der Krankenanstalt zu erbringen

(JBl 1994, 336; 4 Ob 509/95). Ebenso ist es eine Frage des

Einzelfalles, inwieweit - wie dies hier seitens des

Berufungsgerichtes geschehen ist - aus dem Verhalten eines

Patienten geschlossen werden kann, ob er an einer bestimmten Form

dieser wie vor umschriebenen Aufklärung mehr oder weniger

interessiert ist (SZ 55/114).

3.) Unter Zugrundelegung der von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen einerseits sowie des Umstandes, daß die Aufklärungsanforderungen nicht überspannt werden dürfen (JBl 1991, 316; idS auch Haslinger aaO 871) andererseits wurde eine Verletzung der Aufklärungspflicht durch die behandelnden (operierenden) Ärzte im konkreten Fall verneint. Beide gleichzeitig durchgeführten Operationen erfolgten lege artis. Bei einer Chancenabwägung zwischen Operation und Nichtoperation sprachen die zu erwartenden Risken für diese; die eingetretene Lähmung ist ein typisches Operationsrisiko, das auch bei Anwendung allergrößter Sorgfalt und fehlerfreier Durchführung nicht sicher zu vermeiden ist (alle Feststellungen sind dem Ersturteil ON 41 entnommen). Soweit in der Revision unterstellt wird, die Klägerin sei zum Zeitpunkt der Klinikeinweisung "völlig mobil und ohne irgendeine Bewegungseinschränkung" gewesen, entfernt sich das Rechtsmittel allerdings von den getroffenen und maßgeblichen Feststellungen, litt sie doch bereits Wochen vorher an auch in beide Beine ausstrahlenden und von einem sensiblen Querschnittsyndrom (!) ausgehenden Schmerzen und Gefühlsstörungen.

Das Berufungsgericht hat die von ihm zitierte und einleitend nochmals zusammengefaßt wiedergegebene Judikatur des Obersten Gerichtshofes durchaus falladäquat angewandt und - als Einzelfallbeurteilung - die außerordentliche Revision demnach zutreffend nicht zugelassen.

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