Spruch:
Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften über den vom Obersten Gerichtshof am 15. Februar 2000 zu 5 Nd 522/99 gestellten und dort unter der Rechtssachennummer C-96/00 eingetragenen Antrag auf Vorabentscheidung unterbrochen.
Nach Einlangen der Vorabentscheidung wird das Verfahren von Amts wegen fortgesetzt werden.
Text
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Der in Österreich ansässige Antragsteller beabsichtigt eine auf § 5j KSchG idF des Fernabsatzgesetzes BGBl I 185/1999 gestützte Klage gegen die in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Gesellschaft mbH. Er bringt dazu vor, dass mit mehreren an ihn persönlich adressierten Zuschriften von dieser Gesellschaft der Eindruck erweckt worden sei, dass auf Grund von Gewinnspielen ein Bargeldguthaben von insgesamt ATS 127.500 für ihn bereit stehe, das er nur noch anzufordern brauche. Bedingung dafür sei die Bestellung von Waren. Er beabsichtige, diesen Betrag gerichtlich zu fordern. Die inländische Gerichtsbarkeit ergebe sich aus Art 13 ff EuGVÜ, da es sich primär um einen Anspruch aus bzw im Zusammenhang mit einem Verbrauchervertrag handle.
Nach § 28 JN hat der Oberste Gerichtshof unter anderem dann, wenn Österreich auf Grund eines völkerrechtlichen Vertrags zur Ausübung der Gerichtsbarkeit verpflichtet ist, aber die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichtes nicht gegeben oder nicht zu ermitteln sind, aus den sachlich zuständigen Gerichten eines zu bestimmen, welches für die fragliche Rechtssache als örtlich zuständig zu gelten hat. Die Verpflichtung zur Bestimmung eines örtlich zuständigen Gerichtes im Sinne des § 28 Abs 1 Z 1 JN ist auch dann gegeben, wenn nach dem EuGVÜ zwar die inländische Gerichtsbarkeit (internationale Zuständigkeit) gegeben ist, aber keine konkrete örtliche Zuständigkeit festgelegt wird und sich diese auch nicht aus den Zuständigkeitsvorschriften ableiten lässt (vgl zum LGVÜ SZ 69/227; Mayr in Rechberger ZPO2; § 28 JN Rz 3). Die Regelungen des EuGVÜ gehen nationalem Recht vor und sind für die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit maßgeblich (SZ 71/31 ua).
§ 5j KSchG bestimmt, dass Unternehmer, die Gewinnzusagen oder andere vergleichbare Mitteilungen an bestimmte Verbraucher senden und durch die Gestaltung dieser Zusendungen den Eindruck erwecken, dass der Verbraucher einen bestimmten Preis gewonnen habe, dem Verbraucher diesen Preis zu leisten haben und dieser das auch gerichtlich einfordern kann.
Die erste Voraussetzung für die begehrte Ordination nach § 28 JN liegt nun darin, dass sich aus dem EuGVÜ überhaupt eine internationale Zuständigkeit der österreichischen Gerichte ableiten lässt. Nur als Ausnahme vom allgemeinen Grundsatz, dass entsprechend Art 2 Abs 1 des EuGVÜ Gerichte des Vertragsstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Beklagte seinen Wohnsitz hat, zuständig sind, sieht Art 14 EuGVÜ für den Verbraucher die Möglichkeit vor, gegen den anderen Vertragspartner auch bei Gerichten des Vertragsstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, Klage zu erheben. Der Begriff der Verbrauchersache wird nun in Art 13 EuGVÜ dahin festgelegt, dass es sich um die Klage aus einem Vertrag handelt, den eine Person zu einem Zweck abgeschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person (Verbraucher) zugerechnet werden kann, 1. wenn es sich um den Kauf beweglicher Sachen auf Teilzahlungen handelt, 2. wenn es sich um ein in Raten zurückzuzahlendes Darlehen oder ein anderes Kreditgeschäft handelt, das zur Finanzierung eines Kaufs derartiger Sachen bestimmt ist, oder 3. für andere Verträge, wenn sie die Erbringung einer Dienstleistung oder die Lieferung beweglicher Sachen zum Gegenstand haben, sofern a) dem Vertragsabschluss in dem Wohnsitzstaat des Verbrauchers ein Angebot oder eine Werbung vorausgegangen ist und b) der Verbraucher dort die zum Abschluss des Vertrags erforderliche Rechtshandlungen vorgenommen hat. Die Auslegung der dabei verwendeten Begriffe erfolgt autonom, insbesondere nach der Systematik und der Zielsetzung des Übereinkommens (vgl Czernich/Tiefenthaler, Die Übereinkommen von Lugano und Brüssel Art 13 Rz 6; Schlosser, EuGVÜ Art 13 Rz 3 uva). Nach den Antragsbehauptungen wurde hier gemeinsam mit dem Vertrieb von Waren die für den geltend gemachten Anspruch nach § 5j KSchG maßgebliche Erklärung über das Gewinnspiel getätigt, da für die Teilnahme daran eine Bestellung von Waren erforderlich war. Konkret in Betracht kommen käme Art 13 Nr 3 EuGVÜ. Danach könnte wohl die Warenlieferung als Verbrauchersache beurteilt werden, jedoch ist unklar, ob dies auch für die Ansprüche aus dem Gewinnspiel gilt, die damit im Zusammenhang stehen.
Im Hinblick auf die in Art 3 des EuGVÜ-Auslegungsprotokolls dargelegte Verpflichtung, eine Vorabentscheidung einzuholen, kann daher das Verfahren erst nach dem Vorliegen einer Entscheidung des EuGH zur Frage der Einordnung des geltend gemachten Anspruches als solchen nach Art 13 EuGVÜ getroffen werden.
Dieses Problem ist aber bereits Gegenstand eines Ersuchens des Obersten Gerichtshofes vom 15. 2. 2000, 5 Nd 522/99, eingetragen unter der Rechtssachennummer C-96/00 , mit welchem dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt wurden:
"Ist der in § 5j des österreichischen Konsumentenschutzgesetzes (KSchG), BGBl 1979/140, in der Fassung des Art I Z 2 des österreichischen Fernabsatz-Gesetzes, BGBl I 1999/185, den Verbrauchern eingeräumte Anspruch, von Unternehmern den scheinbar gewonnenen Preis gerichtlich einfordern zu können, wenn letztere Gewinnzusagen oder andere vergleichbare Mitteilungen an bestimmte Verbraucher senden (gesendet haben) und durch die Gestaltung dieser Zusendungen den Eindruck erwecken (erweckt haben), dass der Verbraucher einen bestimmten Preis gewonnen habe, im Sinn des Brüsseler Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. 9. 1968 (EuGVÜ) 1. ein vertraglicher Anspruch nach Art 13 Nr 3 oder 2. ein vertraglicher Anspruch nach Art 5 Nr 1 oder 3. ein Anspruch aus unerlaubter Handlung nach Art 5 Nr 3?"
Da dieselben Erwägungen auch für den vorliegenden (übrigens dieselbe in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Gesellschaft mbH betreffenden) Antrag gelten, ist es zweckmäßig und geboten, mit der Entscheidung bis zu jener des Europäischen Gerichtshofes über das dort gestellte Vorabentscheidungsersuchen zuzuwarten und das Verfahren zu unterbrechen (ebenso 7 Nd 520/99). Dies ist prozessökonomisch sinnvoll, weil die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes alle Gerichte der Mitgliedstaaten auch für andere Fälle binden und objektives Recht schaffen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)