LG Feldkirch 3R348/10i

LG Feldkirch3R348/10i2.11.2010

Das Landesgericht Feldkirch als Rekursgericht hat durch die Richterin des Landesgerichtes Dr. Kempf als Vorsitzende sowie die Richterin Dr. Ciresa und den Richter Dr. Weißenbach als weitere Senatsmitglieder in der Familienrechtssache des Antragstellers G*****, vertreten durch Dr. Eva Maria Ölz, Rechtsanwältin in Dornbirn, gegen den Antragsgegner C*****, vertreten durch den Sachwalter A*****, wegen Unterhaltsbefreiung, infolge Rekurses des Antragstellers gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 30. August 2010, 10 Fam 5/10d 21, in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass er einschließlich des bestätigten Teiles insgesamt lautet:

Text

„Die Unterhaltspflicht des Antragstellers G***** gegenüber dem Antragsgegner C***** wird ab 1.1.2008 wie folgt herabgesetzt:

Vom 1.1. bis 31.12.2008 auf monatlich EUR 240,--

vom 1.1. bis 31.8.2009 auf monatlich EUR 260,--

ab 1.9.2009 auf monatlich EUR 65,--

Das darüber hinausgehende Begehren, den Antragsteller G***** ab dem 1.1.2008 zur Gänze von seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Antragsgegner C***** zu befreien, wird abgewiesen.“

Die Kosten des Rekursverfahrens werden gegenseitig aufgehoben.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist zulässig.

Begründung

C***** ist das Kind der A***** und des G*****. C***** ist behindert und in der Wohngemeinschaft der Lebenshilfe in Feldkirch-Gisingen, Flurgasse 17, untergebracht. Er hat gegenüber seinem Vater einen titulierten Unterhaltsanspruch von monatlich EUR 330,--.

Mit dem beim Erstgericht am 7. April 2010 überreichten und mit Schriftsätzen vom 21.4.2010 (ON 5) bzw 26.5.2010 (ON 8) modifizierten Antrag beantragte der Vater, ihn von der Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinem Sohn Christoph ab 1.1.2008 zu befreien. Er begründete diesen Antrag im Wesentlichen damit, dass die Kosten für die Unterbringung seines Sohnes ab 1.1.2008 zur Gänze vom Land Vorarlberg getragen würden. Mit diesem Datum sei die Integrationshilfeverordnung des Landes Vorarlberg, LGBl Nr. 22/2007, 40/2008 in der Art und Weise geändert worden, dass gemäß § 7 dieser Verordnung bei vollständiger Betreuung (Pflege und Unterkunft) die sozialrechtlichen Bestimmungen anzuwenden seien. § 11 der Sozialhilfeverordnung besage, dass Eltern von nicht volljährigen Kindern Unterhalt zu bezahlen hätten. Im Umkehrschluss daraus ergebe sich, dass Eltern von volljährigen Kindern nicht zum Kostenersatz (Unterhalt) für die Betreuung von volljährigen Kindern im Rahmen der Sozialhilfe bzw Integrationshilfe verpflichtet seien. Das Land Vorarlberg habe beschlossen, die vollen Unterkunfts- und Verpflegskosten aus öffentlichen Mitteln zu tragen. Aus diesem Grund müsse er als Vater den bisher festgesetzten Unterhalt auch nicht mehr leisten, da die Lebensbedürfnisse von Christoph ausreichend gedeckt seien.

Der Sachwalter des Antragsgegners hat sich mit diesem Antrag nicht einverstanden erklärt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss vom 30.8.2010 hat das Erstgericht den Antrag des Vaters auf rückwirkende gänzliche Enthebung seiner Unterhaltspflicht ab dem 1.1.2008 zur Gänze abgewiesen.

Seiner Entscheidung legte das Erstgericht nachstehenden Sachverhalt zugrunde:

„Die Unterhaltsleistungen des Kindesvaters wurden zuletzt auf EUR 330,-- monatlich festgesetzt.

Vom 1.1.2008 bis 31.12.2008 wurde ein täglicher Kostenbeitrag von Christoph von EUR 41,29, ab dem 1.1.2009 EUR 42,65 festgesetzt. Dies unter Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen des Kindesvaters von EUR 330,--. Vom 1.7.2009 bis 30.6.2012 wurde ursprünglich ein Kostenersatzbetrag von EUR 42,65 festgesetzt. Wiederum waren Unterhaltsleistungen von EUR 330,-- des Kindesvaters berücksichtigt. Obwohl der Kindesvater nicht von seiner Unterhaltsverpflichtung enthoben worden war, aber tatsächlich keine Leistungen mehr erbrachte, wurde ein Kostenersatzbeitrag von gesamt EUR 31,65 rückwirkend ab 1.9.2009 bis 30.6.2012 festgesetzt und die Integrationshilfe vom Land erhöht.

Der Geldunterhaltsbedarf von Christoph beläuft sich eigentlich auf die Kosten der Unterbringung von EUR 143,-- täglich. Dies entspricht monatlich EUR 4.290,-- für das Wohnen und Verpflegung. Zusätzlich sind noch ca EUR 350,-- für sonstige Bedürfnisse (Bekleidung, Rezeptgebühr, Hygieneartikel, Freizeitaktivitäten) monatlich zu rechnen. Ergibt ca EUR 4.640,--. Abgezogen werden das Pflegegeld von ca EUR 840,-- monatlich sowie Familienbeihilfe ca EUR 340,-- monatlich (EUR 689,80 alle zwei Monate). Dies ergibt monatlich EUR 3.460,--. Dieser Betrag wäre von den Kindeseltern zu tragen (sofern es keine Integrationshilfe gäbe).

Der Kindesvater bezieht derzeit ein Einkommen von ca netto EUR 2.750,-- inklusive der anteiligen Sonderzahlungen. In den Jahren 2008 bis 2010 war das Einkommen des Kindesvaters nie unter EUR 2.150,-- netto inklusive der anteiligen Sonderzahlungen.

Die Kindesmutter hat bis zum 31.3.2010 ein Einkommen von ca EUR 2.100,-- netto monatlich inklusive der anteiligen Sonderzahlungen bezogen. Per 31.3.2010 wurde sie vom Dienstgeber gekündigt. Eine Abfertigung von EUR 9.468,53 wurde ausbezahlt. Seit 1.4.2010 erhält sie Arbeitslosengeld von nunmehr EUR 38,05 täglich. Dies entspricht EUR 1.160,-- monatlich netto. Auch sie leistet keine Pflege und Erziehung für C*****. Sowohl der Kindesvater als auch die Kindesmutter haben keine weiteren Sorgepflichten.“

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, dass die Eltern zur Deckung der Bedürfnisse des Kindes gemäß § 140 Abs 1 ABGB nach ihren Kräften anteilig beizutragen haben. Da sich der zwischenzeitlich volljährige Antragsgegner in Drittpflege befinde, seien beide Elternteile geldunterhaltspflichtig. Die Kosten der Unterbringung und Betreuung des Antragsgegners seien nie zur Gänze vom Land Vorarlberg übernommen worden. Es werde - entsprechend der Integrationshilfeverordnung - ein Kostenbeitrag vorgeschrieben, der sich aus den Einkünften (Pflegegeld, erhöhte Familienbeihilfe, Erwerbseinkommen, Pension, Unterhalt) errechne. Beide Elternteile seien nach der vom Erstgericht angeführten Berechnungsformel zum Unterhalt des Kindes heranzuziehen. Da der Antragsteller immer mehr als die Kindesmutter verdient habe, müsse er daher mindestens die Hälfte des Unterhaltsbedarfs von Christoph tragen. Aufgrund der Prozentwertmethode sei der festgesetzte Unterhaltsbetrag von EUR 330,-- monatlich jedenfalls vom Kindesvater zu bezahlen. Zu bedenken sei, dass die Integrationshilfe des Landes Vorarlberg lediglich als Darlehen gewährt werde, und somit von Christoph im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens (falls Vermögen vorhanden sei) zurückzuerstatten wäre. Es könne somit nicht sein, dass die Elternteile von der Unterhaltspflicht enthoben werden, und das Land deswegen eine höhere Integrationshilfe gewähren müsse. Dies wäre Sozialbetrug bzw eine Schädigung des Unterhaltspflichtigen selbst, da dieser die Beträge eventuell zu erstatten habe. Ob eine Geldunterhaltsleistung gegen die Kindesmutter auch tatsächlich festgesetzt werde, habe keinen weiteren Einfluss auf den Unterhalt des Kindesvaters. Der Sachwalter habe die Interessen von Christoph zu vertreten. Es liege daher an ihm, eine allfällige Unterhaltsfestsetzung gegen die Kindesmutter zu beantragen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Antragstellers mit dem Begehren, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, dass die Unterhaltspflicht des Antragstellers ab 1.1.200 auf Null herabgesetzt und der Antragsteller von der Unterhaltspflicht gegenüber seinem Sohn Christoph enthoben wird. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Antragsgegner hat sich nicht am Rekursverfahren beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist teilweise berechtigt.

Der Rechtsmittelwerber macht im Wesentlichen geltend, dass die Kosten der Unterbringung von Christoph zur Gänze von der Integrationshilfe des Landes Vorarlberg abgedeckt werden. Der im Bescheid genannte Kostenbeitrag in Höhe von EUR 31,65 täglich setze sich aus 80 % des Pflegegeldes der Stufe 5 sowie dem Zuschlag zur Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag zusammen. Darüber hinaus erhalte Christoph gemäß Bundespflegegeldgesetz ein Taschengeld in Höhe von 10 % der Stufe 3. Die darüber hinausgehenden Ausgaben könnten problemlos mit der von ihm bzw seiner Mutter erhaltenen Familienbeihilfe bestritten werden, wobei der Antragsteller ausdrücklich die Anrechnung der Familienbeihilfe beantrage. Der Antragsgegner sei daher entgegen der Rechtsauffassung des Erstgerichtes selbsterhaltungsfähig. Das Vorarlberger Chancengesetz habe ua zum Ziel, die Familien zu entlasten. § 7 Abs 1 der Integrationshilfeverordnung bestimme, dass für volljährige Kinder kein Unterhalt herangezogen werde. Ebenso bestimme § 10 Abs 1 Sozialhilfegesetz, dass Eltern von volljährigen Kindern nicht im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht zum Ersatz der Kosten der Sozialhilfe herangezogen werden können. Auch die darauf basierende Sozialhilfeverordnung regle in ihrem § 11 die Ermittlung des Kostenersatzes von Eltern für ihre nicht volljährigen Kinder. Ein Kostenersatz von Eltern für ihre volljährigen Kinder sei ebenfalls nicht vorgesehen. Daraus lasse sich der Schluss ziehen, dass Unterhaltsleistungen für volljährige Kinder zur Bemessung der Integrationshilfe nicht zu berücksichtigen seien. Spätestens ab 1.9.2009 - das ist der Zeitpunkt, ab dem die Integrationshilfe ohne Berücksichtigung einer Unterhaltszahlung festgesetzt wurde - würden die Kosten für die Unterbringung von Christoph zur Gänze vom Land getragen, und sei aus diesem Grund die Unterhaltsverpflichtung des Antragstellers auf Null herabzusetzen. Dass die Integrationshilfe als Darlehen gewährt werde und im Rahmen der Verlassenschaft zurückgefordert werden könne, beziehe sich nur auf das Vermögen der behinderten Person. Dieses vermehre sich nicht, wenn regelmäßig Unterhalt geleistet werde, weil Unterhalt in der Regel die Lebenshaltungskosten abdecken solle und somit regelmäßig sofort verbraucht werde.

Diesen Ausführungen ist teilweise zuzustimmen.

Zwei wesentliche Fragen sind zu lösen:

1. Schmälert (oder beseitigt) die vom Land Vorarlberg gewährte Integrationshilfe die Unterhaltsverpflichtung der Eltern?

2. Wie sind die darüber hinaus bezogenen öffentlich-rechtlichen Leistungen (Landespflegegeld und erhöhte Familienbeihilfe) bei der hier vorliegenden „Vollpflege“ im Wohnheim der Lebenshilfe zu berücksichtigen?

Dazu wurde erwogen:

Zur ersten Frage:

In der Entscheidung 7 Ob 225/04w hatte das Höchstgericht zu beantworten, ob sich der Bezug einer laufenden Geldleistung nach Maßgabe des steiermärkischen Behindertengesetzes gegenüber dem nach Privatrecht Unterhaltspflichtigen unterhaltsmindernd auswirkt. Bei Lösung dieser Frage wurde die Erwägung, dass eine Doppelversorgung des Unterhaltsberechtigten jedenfalls zu vermeiden ist, wenn eine solche Doppelversorgung nicht dem Gesetzeszweck entspricht, in den Vordergrund gestellt. Anhaltspunkte für die betreffende Absicht des Gesetzgebers sollen sich dabei aus den gesetzlichen Regelungen über den Rechtsübergang der Unterhaltsansprüche und die Kostenbeitragspflicht des privatrechtlich Unterhaltsverpflichteten ableiten lassen.

Nach den Bestimmungen des hier zu maßgeblichen (Vorarlberger) Gesetzes zur Förderung der Chancengleichheit von Menschen mit Behinderung („Chancengesetz“, LGBl Nr. 30/2006) und der dazu ergangenen Verordnung der Landesregierung über die Gewährung von Integrationshilfe (LGBl Nr. 22/2007, 40/2008) kann kein Zweifel daran bestehen, dass der Vorarlberger Landesgesetzgeber nicht die Absicht hatte, dem unterhaltsberechtigten behinderten Menschen eine Doppelversorgung zukommen zu lassen. Einerseits ist für die nach diesem Gesetz vom Land Vorarlberg zu erbringenden Geldleistungen keine Legalzession vorgesehen, wohl aber in § 13 die Heranziehung von eigenem Einkommen und Vermögen sowie die Berücksichtigung von Unterhaltsansprüchen. Als ein Ziel der Integrationshilfe wird die Entlastung der Familie angeführt (§ 8 Abs 1 lit e). Gemäß § 7 Abs 1 der Verordnung sind bei der Gewährung von Integrationshilfen, die im Rahmen einer vollstationären Betreuung (Verpflegung und Unterkunft) erfolgt, eigenes Einkommen und Vermögen sowie zivilrechtlich zustehende Unterhaltsansprüche grundsätzlich nach den sozialhilferechtlichen Bestimmungen zu berücksichtigen; abweichend davon ist Vermögen erst im Rahmen der Verlassenschaft einzusetzen. Integrationshilfe wird bis zu diesem Zeitpunkt in Form eines Darlehens gewährt (§ 7 Abs 1 lit b der Verordnung). Bei der Gewährung von Integrationshilfen, im Rahmen derer Betreuung und Hilfe geleistet werden, ist bei vollstationärer Betreuung und Hilfe vorgesehen, dass das gesamte Pflegegeld abzüglich eines Taschengeldes im Ausmaß von 10 vH des Pflegegeldes der Stufe 3 anzurechnen ist (§ 7 Abs 3 lit a der Verordnung).

§ 7 Abs 1 erster Satz der Verordnung bringt klar zum Ausdruck, dass zivilrechtlich zustehende Unterhaltsansprüche grundsätzlich nur nach den sozialhilferechtlichen Bestimmungen zu berücksichtigen sind. Dieser Hinweis bezieht sich auf das Vorarlberger Landesgesetz über die Sozialhilfe (LGBl Nr. 1/1998 in der derzeit gültigen Fassung) und die dazu ergangene Verordnung der Landesregierung über Arten, Form und Ausmaß der Sozialhilfe, über den Einsatz eigenen Einkommens und Vermögens und Kostenersatz (LGBl Nr. 14/2006 in der derzeit gültigen Fassung).

§ 10 des Sozialhilfegesetzes lautet:

(1) Die zum Unterhalt verpflichteten Angehörigen, ausgenommen Eltern von volljährigen Kindern, Kinder, Großeltern und Enkelkinder, haben im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht die Kosten der Sozialhilfe einschließlich der Kosten im Sinne des § 13 Abs 3 zu ersetzen.

(2) Die Landesregierung kann das Ausmaß des Ersatzes nach Abs 1 durch Verordnung herabsetzen, soweit dies erforderlich ist, um mit der Aufgabe der Sozialhilfe unvereinbare Ergebnisse oder besondere Härten zu vermeiden.

Die dazu ergangene Verordnung sieht in ihrem § 9 Abs 1 vor, dass, soweit in den §§ 10 und 11 der Sozialhilfeverordnung für unterhaltspflichtige Angehörige nicht günstigere Kostenersatzregelungen festgelegt sind, die allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen gelten. In § 11 der Verordnung, die den Kostenersatz von Eltern regelt, ist in Abs 1 ausdrücklich (nur) von Kostenersatz von Eltern für ihre nicht volljährigen Kinder die Rede.

Nach Auffassung des Rekursgerichts hat der Vorarlberger Landesgesetzgeber mit dem Gesetz zur Förderung der Chancengleichheit von Menschen mit Behinderung (Chancengesetz) die Absicht verfolgt, Unterhaltspflichtige, die behinderte Menschen zu alimentieren haben, mit dem Eintritt deren Volljährigkeit zu entlasten. Dies wohl vor dem Hintergrund, dass sich der Mensch mit Behinderung dann in einem Alter befindet, in dem bei nicht behinderten Menschen in der Regel Selbsterhaltungsfähigkeit anzunehmen ist. Die unterhaltsrechtliche Konsequenz davon ist, dass die öffentlich-rechtlichen Leistungen nach dem Chancengesetz ein Einkommen des Empfängers - also des Kindes - darstellen und aus diesem Grund unterhaltsentlastend wirken. An diesem Ergebnis vermag auch nichts zu ändern, dass Integrationshilfe gemäß § 7 Abs 1 lit b der Verordnung über die Gewährung von Integrationshilfe in Form eines Darlehens gewährt wird und Vermögen (des behinderten Menschen) im Rahmen der Verlassenschaft einzusetzen ist. Aus dieser Regelung ist nämlich die Absicht des Landesgesetzgebers erkennbar, (gerade) nicht auf unterhaltspflichtige Angehörige von volljährigen Menschen mit Behinderung zu greifen, sondern (erst) bei deren Ableben von der öffentlichen Hand erbrachte Leistungen über ein allenfalls hinterlassenes Vermögen (zumindest teilweise) wieder zurückzuführen.

Die erste Frage ist somit dahingehend zu beantworten, dass Eltern von volljährigen Behinderten diesen nur insoweit Unterhalt zu leisten haben, als deren Bedürfnisse nicht bereits durch die Leistungen nach dem Vorarlberger Chancengesetz gedeckt sind.

Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass der Antragsteller durch die vom Land Vorarlberg geleistete Integrationshilfe entlastet wird.

Zur zweiten Frage:

Der Pflegegeldbezug stellt eine pauschalierte Abgeltung pflegebedingter Mehraufwendungen des Antragsgegners dar. Es handelt sich um eine öffentlich-rechtliche Leistung, die ausschließlich einen bestimmten Sonderbedarf des Unterhaltsberechtigten abdeckt. Da im vorliegenden Fall die erforderliche Pflege als bedarfserhöhend berücksichtigt wurde, ist es sachgerecht, das bezogenen Pflegegeld (auch) bei Ermittlung des Unterhaltsrestbedarfs in Anschlag zu bringen. Nur auf diese Weise kann eine vom Gesetzgeber nicht vorgesehene Doppelversorgung des Unterhaltsberechtigten vermieden werden. Zur Höhe: Das Pflegegeld der Stufe 5 beträgt EUR 902,30. Wird - wie hier - für das Kind (gleichzeitig) erhöhte Familienbeihilfe bezogen, wird ein Teil des Erhöhungsbetrages der Familienbeihilfe im Betrag von EUR 60,- monatlich auf das Pflegegeld angerechnet, sodass sich der Pflegegeldbezug auf monatlich EUR 842,30 verringert.

Dem Akteninhalt ist zu entnehmen, dass die Mutter des Antragsgegners für diesen die (erhöhte) Familienbeihilfe bezieht. Gemäß § 2 Abs 5 lit c Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) ist die Anspruchsberechtigung der Mutter davon abhängig, dass sie zu den Kosten der Unterbringung des Antragsgegners in Anstaltspflege - dem die Unterbringung des Antragsgegners im Wohnheim der Lebenshilfe gleichzusetzen ist - mindestens in Höhe der Familienbeihilfe (inklusive des Erhöhungsbetrages) beiträgt. Mit dieser Regelung bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass die unter den genannten Voraussetzungen gewährte Familienbeihilfe (samt Zuschlägen) der (teilweisen) Finanzierung der Unterbringung dienen soll. § 2 Abs 5 lit c FLAG regelt den spezielleren Sachverhalt und geht daher nach Auffassung des Rekursgerichtes der allgemeinen Regel des § 12a FLAG, wonach die Familienbeihilfe - unabhängig von wem sie bezogen wird - nicht als eigenes Einkommen des Kindes gilt, vor. Die ständige Rechtsprechung zu § 12a FLAG, dass der Familienbeihilfebezug lediglich im Rahmen der steuerlichen Entlastung des Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen ist, gelangt aus diesem Grund im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung. Daraus folgt, dass der Familienbeihilfebezug ebenfalls als Abzugspost zu berücksichtigen ist.

Die zweite Frage ist somit dahingehend zu beantworten, dass sowohl das Pflegegeld als auch die (erhöhte) Familienbeihilfe als teilweise bedarfsdeckend zu berücksichtigen sind.

Nach Auskunft des Amtes der Vorarlberger Landesregierung (ON 12) sind für den Aufenthalt und die Betreuung des Antragsgegners im Wohnhaus der Lebenshilfe Vorarlberg vom 1.1.2008 bis 30.6.2009 täglich EUR 109,-- (monatlich durchschnittlich EUR 3.030,--) und ab 1.7.2009 täglich EUR 143,-- (monatlich durchschnittlich EUR 4.290,--) angefallen. Die Integrationshilfe des Landes hat bis 31.12.2008 täglich EUR 59,71 (monatlich durchschnittlich EUR 1.791,30), vom 1.1.2009 bis 30.6.2009 täglich EUR 58,35 (monatlich durchschnittlich EUR 1.750,50), vom 1.7.2009 bis 31.8.2009 täglich EUR 100,35 (durchschnittlich monatlich EUR 3.010,50) und ab 1.9.2009 täglich EUR 114,35 (durchschnittlich monatlich EUR 3.430,50). Vom 1.1.2008 bis 30.6.2009 hat der Kostenbeitrag (des Antragsgegners) unter Berücksichtigung der Unterhaltsleistung des Antragstellers täglich EUR 41,29 bzw ab 1.1.2009 EUR 42,65 betragen, vom 1.7.2009 bis 31.8.2009 täglich EUR 42,65 und ab 1.9.2009 täglich EUR 31,65. Dieser Kostenbeitrag beinhaltet das Pflegegeld der Stufe 5 von täglich EUR 26,60 und den Zuschlag zur Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag von täglich EUR 5,05. Bis 31.8.2009 wurde der Kostenbeitrag unter zusätzlicher Berücksichtigung der Unterhaltsleistung des Antragstellers von täglich EUR 11,-- berücksichtigt. Insoweit kann (auch) auf die unbekämpften Feststellungen des Erstgerichts verwiesen werden.

Die Familienbeihilfe beträgt derzeit EUR 152,70 zuzüglich eines Erhöhungszuschlages wegen Behinderung von derzeit EUR 138,30. Dazu kommt der Kinderabsetzbetrag von derzeit EUR 58,40 (bis 31.12.2008: EUR 50,90) monatlich. Es ist daher davon auszugehen, dass der Familienbeihilfebezug der Mutter (samt Erhöhungsbetrag und Absetzbetrag) bis 31.12.2008 monatlich EUR 341,90 und ab 1.1.2009 monatlich EUR 349,40 betragen hat.

Unter diesen Voraussetzungen errechnet sich ab 1.1.2008 nachstehender Deckungsmangel:

1.1.2008 bis 31.12.2008

Unterhaltsbedarf

Betreuung und Wohnen (EUR 101,-- x 30) EUR 3.030,--

Sonstige Bedürfnisse EUR 350,--

EUR 3.380,--

gedeckt durch:

Integrationshilfe (EUR 59,71 x 30) - EUR 1.791,30

Pflegegeld - EUR 842,30

Familienbeihilfe - EUR 341,90

Unterhaltsrestbedarf EUR 404,50

1.1.2009 bis 30.6.2009

Unterhaltsbedarf

wie oben EUR 3.380,--

gedeckt durch:

Integrationshilfe (EUR 58,35 x 30) - EUR 1.750,50

Pflegegeld - EUR 842,30

Familienbeihilfe - EUR 349,40

Unterhaltsrestbedarf EUR 437,80

1.7.2009 bis 31.8.2009

Unterhaltsbedarf

Betreuung und Wohnen (EUR 143,-- x 30) EUR 4.290,--

Sonstige Bedürfnisse EUR 350,--

EUR 4.640,--

gedeckt durch:

Integrationshilfe (EUR 100,35 x 30) - EUR 3.010,--

Pflegegeld - EUR 842,30

Familienbeihilfe - EUR 349,40

Unterhaltsrestbedarf EUR 438,30

1.9.2009 bis auf Weiteres

Unterhaltsbedarf

Betreuung und Wohnen (EUR 146,-- x 30) EUR 4.380,--

Sonstige Bedürfnisse EUR 350,--

EUR 4.730,--

gedeckt durch:

Integrationshilfe (EUR 114,35 x 30) - EUR 3.430,50

Pflegegeld - EUR 842,30

Familienbeihilfe - EUR 349,40

Unterhaltsrestbedarf EUR 107,80

Es ist somit in einem nächsten (und letzten) Schritt zu prüfen, in welchem Verhältnis die Eltern dafür aufzukommen haben. Wie bereits das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat, sind dann, wenn der haushaltsführende Elternteil keine (relevanten) Betreuungsleistungen mehr erbringt, weil das Kind entweder überhaupt keine Betreuung mehr benötigt (Eigenpflege) oder sich - wie hier - zur Gänze in Drittpflege befindet, nach der Grundregel des § 140 Abs 1 ABGB wieder beide Eltern im Verhältnis ihrer Leistungsfähigkeit geldunterhaltspflichtig. Anteilig im Sinne dieser Bestimmung bedeutet, dass jeder Elternteil unter Berücksichtigung seiner eigenen Leistungsfähigkeit zum Unterhalt des Kindes beizutragen hat (RIS-Justiz RS0047415). Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, dass in diesen Fällen die Unterhaltsbemessung nicht isoliert für einen Elternteil erfolgen kann; die Bestimmung der Höhe des Unterhaltsbeitrages hat vielmehr auch die Beurteilung der Leistungsfähigkeit des anderen Elternteils zur Voraussetzung. Wird nicht gegen beide Eltern ein gemeinsamer Titel geschaffen, ist die Leistungsfähigkeit beider Elternteile zu ermitteln, nach der die Unterhaltsquoten zu bestimmen sind. Bei unterschiedlicher Leistungsfähigkeit ist dabei von der Unterhaltsbemessungs-grundlage jeweils der Betrag abzuziehen, der für den eigenen Unterhalt erforderlich ist. Sodann sind die für den Gesamtunterhalt des Kindes erforderlichen Beträge im Verhältnis der Restsummen aufzuteilen (RIS-Justiz RS0047403). Die Leistungsfähigkeit der Eltern wird daher nicht nach Prozentsätzen des Nettoeinkommens, sondern derart berechnet, dass vom Nettoeinkommen jedes Elternteils zunächst das Unterhaltsexistenzminimum abgezogen und der Gesamtunterhaltsbedarf - hier der Restbedarf - im Verhältnis dieser Restsummen aufgeteilt wird. Die entsprechende Formel lautet daher:

Unterhalt (Elternteil) = Unterhaltsbedarf x (Nettoeinkommen Elternteil - Unterhaltsexistenzminimum) : (Nettoeinkommen Vater + Nettoeinkommen Mutter - zweimal Unterhaltsexistenzminimum).

Der Berechnung zugrunde zu legen ist ein durchschnittliches Nettoeinkommen des Vaters von EUR 2.750,-- und ein solches der Mutter von EUR 2.100,--. Ein Nettoeinkommen der Mutter in dieser Höhe ist auch über den 31.03.2010 hinaus zu veranschlagen, weil die anlässlich der Beendigung des Diesntverhältnisses bezogene Abfertigung (vorerst) zum „Auffüllen“ der Bezugsdifferenz herangezogen werden kann (Gitschthaler, Unterhaltsrecht2 Rz 101/7). Das Unterhaltsexistenzminimum beträgt dzt. monatlich EUR 686,--. Auf dieser Grundlage errechnen sich die (anteiligen) Unterhaltsbeiträge des Antragstellers wie folgt:

vom 1.1.2008 bis 31.12.2008 monatlich EUR 240,--

vom 1.1.2009 bis 31.8.2009 monatlich EUR 260,--

ab 1.9.2009 monatlich EUR 65,--.

Auf diese Beträge ist die Unterhaltsverpflichtung des Vaters in teilweiser Stattgebung seines Rekurses herabzusetzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 AußStrG. In Anbetracht des Teilerfolges im Rekursverfahren erscheint eine Kostenaufhebung gerechtfertigt.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist zulässig, weil eine höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu, wie sich Leistungen nach dem Vorarlberger Gesetz zur Förderung der Chancengleichheit von Menschen mit Behinderungen auf die Unterhaltspflicht von Eltern auswirken, nicht existiert. Außerdem ist - soweit ersichtlich - noch keine Entscheidung des Höchstgerichts zu § 2 Abs 5 lit c FLAG ergangen.

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