BVwG W228 2106423-1

BVwGW228 2106423-17.9.2015

BSVG §2 Abs1 Z1
BSVG §23
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs2 Z1
BSVG §2 Abs1 Z1
BSVG §23
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs2 Z1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2015:W228.2106423.1.00

 

Spruch:

W228 2106423-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald WÖGERBAUER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, 2074 Unterretzbach, gegen den Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der Bauern (in der Folge: SVB) vom 16.02.2015, Zl. XXXX, betreffend Pflichtversicherung für die Tätigkeit der Be- und Verarbeitung überwiegend eigener Naturprodukte sowie die Höhe der Beitragsgrundlage gem. § 2 Abs. 1 Z 1 letzter Satz BSVG in Verbindung mit § 23 BSVG und der Anlage 2 zum BSVG zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG stattgegeben und der Bescheid wird ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die SVB hat mit Bescheid vom 16.02.2015, Zl. XXXX, festgestellt, dass die von XXXX für das Jahr 2009 bis 2013 gemeldete Tätigkeit der Be- und Verarbeitung überwiegend eigener Naturprodukte als Nebengewerbe der Land- und Forstwirtschaft unter den Tatbestand der Pflichtversicherung nach dem Bauern-Sozialversicherungsgesetz (BSVG) fällt. Rechtsgrundlage seien: § 2 Abs. 1 Z 1 letzter Satz, § 23 BSVG, Anlage 2 zum BSVG. Für Herrn XXXX ist in der Kranken- und Pensionsversicherung der Bauern jeweils folgende Beitragsgrundlage der Beitragsbemessung zugrunde zu legen:

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Folgender Sachverhalt wurde von der SVB festgestellt: "Außer Streit steht, dass Sie seit 17.05.2002 einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb auf gemeinsame Rechnung und Gefahr mit Ihrer Gattin, Frau XXXX, führen. Aufgrund Ihrer Meldung vom 18.12.2014 geben Sie bekannt, dass Sie ab dem Jahr 2009 bereits auch schon eine land(forst)wirtschaftliche Nebentätigkeit, Be- und Verarbeitung überwiegend eigener Naturprodukte - Erzeugung von Perlwein - ausüben." Die Beweiswürdigung ergebe sich aus dem Beitragsakt.

Rechtlich führt die SVB aus: "Nebentätigkeiten unterliegen der Pflichtversicherung nach dem BSVG. Gemäß Pkt. 3.1 der Anlage 2 zum BSVG besteht Beitragspflicht für Einnahmen aus Be- und Verarbeitung unter Anwendung eines einmaligen Freibetrages. Zur Abgrenzung Urproduktion - Be-und Verarbeitung zieht die SVB die Urprodukteverordnung BGBl. II Nr. 410/2008 heran. Gemäß Urprodukteverordnung Punkt 5. Getränke ist lediglich Wein in seiner ursprünglichen Form ein Urprodukt. Schaumwein, Sekt, Perlwein waren seit jeher Produkte, die nach der Rechtsauffassung der Sozialversicherungsanstalt der Bauern unter Be- und Verarbeitung zu subsumieren waren. In einem Erkenntnis (ZI. 2005/08/0140-8) hat der VwGH ausgesprochen, dass unter Urproduktion im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauches die Herstellung der ersten vermarktbaren Form eines Produktes (hier: Wein) vor allen weiteren Be- und Verarbeitungsschritten zu verstehen ist. Be- und Verarbeitung bedeutet daher das Entstehen eines neuen marktgängigen Produktes aus dem Urprodukt (hier: Perlwein) in der übermittelten Liste der verkauften Perlweinflaschen wurden folgende Einnahmen errechnet:

im Jahr 2009

624 verkaufte Perlweinflaschen zu je EUR 4,50 ergibt EUR 2.808,00

im Jahr 2010

838 verkaufte Perlweinflaschen zu je EUR 4,50 ergibt EUR 3.771,00

im Jahr 2011

883 verkaufte Perlweinflaschen zu je EUR 4,50 ergibt EUR 3.973,50

im Jahr 2012

1150 verkaufte Perlweinflaschen zu je EUR 5,00 ergibt EUR 5.750,00

im Jahr 2013

1883 verkaufte Perlweinflaschen zu je EUR 5,00 ergibt EUR 9.415,00.

Da die Einnahmen aufgrund der landwirtschaftlichen Nebentätigkeit im Jahr 2009 unter dem Freibetrag von EUR 3.700,00 liegen ergibt sich keine Beitragsänderung. Das für Zwecke der Beitragsbemessung heranzuziehende Flächenausmaß und der daraus resultierende Einheitswert im Sinne des § 23 BSVG beträgt:

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Weiters sind nachstehende Einnahmen aus einer land(forst)wirtschaftlichen Nebentätigkeit zu berücksichtigen:

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Von diesem Einheitswert sowie den angeführten weiteren Nebeneinkünften war die im Spruch angeführte Beitragsgrundlage zu errechnen. Es wird darauf hingewiesen, dass der Inhalt dieses Bescheides auch Grundlage für das Leistungsrecht ist."

Gegen diesen Bescheid erhob XXXX fristgerecht mit Schriftsatz vom 10.03.2015, Beschwerde und brachte darin vor: "Zunächst können die im bekämpften Bescheid für den Zeitraum 2009 bis 2013 angeführten Einnahmen aus dem Verkauf von Perlwein (Frizzante) außer Streit gestellt werden. Zur rechtlichen Qualifikation des Perlweins:

Allerdings irrt die Sozialversicherungsanstalt der Bauern, wenn sie das Produkt Perlwein dem Pkt. 3.1 der Anlage 2 zum BSVG (Be- und Verarbeitung überwiegend eigener Naturprodukte) subsumiert. Perlwein stellt - so wie Wein - ein Urprodukt dar, dessen Vermarktung gem. Pkt. 1 der Anlage 2 zum BSVG zu keiner (zusätzlichen) Beitragspflicht nach dem BSVG führt. Zunächst ist hierzu auszuführen, dass die Herstellung des Perlweins - im Gegensatz zu Schaumwein bzw. Sekt - exakt denselben Erzeugungsschritten folgt wie gewöhnlicher Wein, also nach derselben Produktionsmethode hergestellt wird. Es wird lediglich etwas mehr Kohlensäure als beim ‚normalen' Wein zugesetzt. Da dies lediglich einen quantitativen, aber keinen qualitativen Unterschied in Bezug auf die ‚Zutaten' bedeutet, vermag dieser Umstand nach Auffassung des Beschwerdeführers keine vom ‚normalen' Wein abweichende Beurteilung des Perlweines zu rechtfertigen. Die Herstellung von - nach dem BSVG beitragspflichtigen - Schaumwein (Sekt) der im Pkt. 11 der Anlage 2 zum BSVG ausdrücklich angeführt wird, erfolgt hingegen nach anderen Produktionsmethoden. Darüber hinaus unterscheidet sich dieser auch hinsichtlich des Überdruckes, der bei 20 Grad mindestens 3 bar betragen muss, wogegen dieser beim Perlwein lediglich 1 bis 2,5 bar betragen darf [Vergleiche Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 922/72, (EWG) Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und (EG) Nr. 1234/2007]. Die Gleichsetzung des Perlweines mit dem ‚normalen' Wein sowie der grundlegende qualitative Unterschied zum Schaumwein (Sekt) zeigen sich unter anderem in der steuerlichen Behandlung. Dort wird Perlwein nämlich im Umsatzsteuerrecht genauso wie der ‚normale' Wein besteuert und unterliegt - sofern aus eigenen Trauben produziert - bei landwirtschaftlichen Betrieben dem begünstigten Umsatzsteuersatz von 12 %. Schaumwein (Sekt) hingegen ist zolltariflich als ein anderes Produkt zu qualifizieren und unterliegt dem Normalsteuersatz von 20 % massiv gestützt wird diese Auffassung in der einschlägigen Fachliteratur. So ist im von Univ.-Prof. Dr. Gottfried Holzer herausgegebenen und im Neuen Wissenschaftlichen Verlag erschienen Buch ‚Bäuerliche Direktvermarktung' zum Thema landwirtschaftliches Urprodukt auf Seite 24 Folgendes nachzulesen: ‚Bei Getränken ist neben Mischen auch das Versetzen mit Wasser zulässig, nicht jedoch mit Kohlensäure oder mit kohlensäurehaltigen Produkten. Ausgenommen hiervon ist der Perlwein (Frizzante) auf Wein- oder Obstweinbasis, da die Zugabe von Kohlensäure hier ein im Sinne des Weingesetzes anerkanntes önologisches Verfahren der Weinherstellung darstellt. Das heißt, Perlwein (Frizzante) ist so wie Wein, egal ob auf Trauben- oder Obstbasis, Urprodukt, während Schaumwein (Sekt) aufgrund der ausdrücklichen Anführung in der Gewerbeordnung Produkt des Nebengewerbes ist.' Beim Perlwein handelt es sich im Ergebnis nicht um einen - gegenüber der ersten vermarkt-baren Form - weiteren Be- und Verarbeitungsschritt, sondern um eine von mehreren Varian-ten des (Ur)Produktes Wein. Zur Verjährungsfrist: Unabhängig von der Beurteilung des Perlweins als Urprodukt bzw. Produkt der Be- und Verarbeitung nimmt die Sozialversicherungsanstalt der Bauern mit der Anwendung der 5-jährigen Verjährungsfrist gern. § 39 Abs. 1 2. Satz BSVG jedenfalls eine unrichtige rechtliche Beurteilung vor. Die 5-jährige Verjährungsfrist gelangt lediglich bei schuldhaften Meldeverstößen zur Anwendung. Da die einzige derzeit vorhandene Fachliteratur den Perlwein - wie oben zitiert - als Urprodukt ausweist, kann keinesfalls davon ausgegangen werden, dass ich bei der nicht rechtzeitigen Meldung meiner Einnahmen aus dem Verkauf von Perlwein die gehörige Sorgfalt außer Acht gelassen hätte. Korrekterweise hätte die Sozialversicherungsanstalt der Bauern die Beitragsgrundlagen bzw. meine Beitragspflicht lediglich unter Anwendung der 3-jährigen Verjährungsfrist gem. § 39 Abs. 1 1. Satz BSVG feststellen dürfen."

Mit Schreiben vom 21.04.2015 (eingelangt am 23.04.2015) legte die SVB die Beschwerde sowie die bezughabenden Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Außer Streit steht, dass der Beschwerdeführer seit 17.05.2002 einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb auf gemeinsame Rechnung und Gefahr mit seiner Gattin führt. Aufgrund seiner Meldung vom 18.12.2014 gab er bekannt, dass er ab dem Jahr 2009 bereits auch schon eine land(forst)wirtschaftliche Nebentätigkeit, Be- und Verarbeitung überwiegend eigener Naturprodukte - Erzeugung von Perlwein - ausübte.

2. Beweiswürdigung:

Die Beweiswürdigung ergibt sich aus dem Beitragsakt und wurde vom Beschwerdeführer außer Streit gestellt

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 182 Z 7 BSVG gelten hinsichtlich des Verfahrens zur Durchführung dieses Bundesgesetzes die Bestimmungen des Siebenten Teiles des ASVG mit der Maßgabe, dass § 414 Abs. 2 und 3 ASVG nicht anzuwenden ist. Daher liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Zu A) Stattgebung der Beschwerde

Hinsichtlich der Beschwerde betreffend die unrichtige Anwendung der Verjährungsfrist ist auf den Rechtssatz des VwGH betreffend das Erkenntnis vom 22.03.1994, Zl. 93/08/0177, zu verweisen: "Einen solchen Meldepflichtigen trifft vielmehr eine Erkundigungspflicht, sofern er seine - objektiv unrichtige - Rechtsauffassung nicht etwa auf höchstgerichtliche (und erst später geänderte) Rechtsprechung oder bei Fehlen einer solchen auf eine ständige Verwaltungsübung zu stützen vermag." Da es an höchstgerichtlicher Judikatur zu diesem Thema mangelt, hätte der Beschwerdeführer die ständige Verwaltungsübung erforschen müssen. Da er in der Beschwerde nicht konkret behauptet hat, dies getan zu haben, bringt ihm sein Vorbringen inhaltlich in diesem Punkt keinen Erfolg.

Die rechtliche Rüge des Beschwerdeführers, dass Perlwein wie Wein zu behandeln sei, was sich auch in der steuerlichen Behandlung zeige, führt den Beschwerdeführer jedoch zum Erfolg.

Diesbezüglich bedarf es eines Exkurses zum Erkenntnis des VfGH vom 18.06.2015, Zl. G28/2015, G175/2015. Dieses lautet in den wesentlichen Passagen: "[...] 2.2.2.2. Eine Definition der vom Bundesfinanzgericht mit ‚Prosecco-Frizzante/ Perlwein' bezeichneten Produktgruppe enthalten die oben zitierten Richtlinien nicht. Diese findet sich im Anhang III der Verordnung (EG) Nr. 491/2009 , die wie die Vorgängerregelung Perlwein als ein Erzeugnis definiert, das aus Wein hergestellt wird, sofern dieser Wein einen Gesamtalkoholgehalt von mindestens 9 % vol. aufweist, einen vorhandenen Alkoholgehalt von mindestens 7 % vol. aufweist, in geschlossenen Behältnissen bei 20° Celsius einen auf endogenes Kohlendioxid zurückzuführenden Überdruck von mindestens 1 bar und höchstens 2,5 bar aufweist und in Behältnissen mit einem Inhalt von höchstens 60 Litern abgefüllt ist. Derartige Weine rechnen somit - unter der Voraussetzung, dass sie nicht in Flaschen mit Schaumweinstopfen, die durch eine besondere Haltevorrichtung befestigt sind, abgefüllt sind - im Sinne der Strukturrichtlinie-Alkohol zur Gruppe der nicht schäumenden Weine. Werden sie in Flaschen mit Schaumweinstopfen abgefüllt, sind sie ungeachtet eines Überdrucks von weniger als 3 bar im Sinne der Strukturrichtlinie-Alkohol als Schaumwein zu qualifizieren. 2.2.2.3. Der Gesetzgeber hat die unionsrechtlichen Vorgaben anlässlich des Beitritts zur Europäischen Union in der Weise umgesetzt, dass er die bis zum Beitritt zur Europäischen Union gesetzlich vorgesehene Besteuerung von Schaumwein nach dem Schaumweinsteuergesetz 1960, BGBl. 247, im Schaumweinsteuergesetz 1995, BGBl. 702/1994 beibehalten hat. Für Wein hat der Gesetzgeber hingegen von einer Besteuerung abgesehen. In den §§ 43 ff. SchwStG 1995 werden zwar aufsichtsrechtliche Vorschriften für das Inverkehrbringen von Wein verankert und ‚Wein' damit zum Gegenstand der Steueraufsicht gemacht, ohne aber einen Steuersatz festzulegen. Damit hat der Gesetzgeber das in der Steuersatzrichtlinie vorgesehene Wahlrecht, den Steuersatz für Wein - mit Ausnahme des gesondert geregelten Schaumweines - mit € 0,- festzusetzen, ausgeübt. Unionsrechtlich folgt aus der Nichtbesteuerung von Wein, dass diese - wegen der unionsrechtlich gebotenen Gleichbehandlung nicht schäumender Weine - auch für Perlweine, die ohne Schaumweinstopfen abgefüllt werden, Geltung beansprucht. [...] In Anbetracht einer historisch nach Alkoholerzeugnissen stark differenzierenden Besteuerung, die auch das Unionsrecht im Rahmen der Harmonisierung der Verbrauchsteuern auf alkoholische Produkte weitgehend bestehen lässt, steht die Nichtbesteuerung einer Erzeugnisgruppe (wie im gegebenen Fall von stillem Wein und folglich unionsrechtlich auch des Perlweins) daher der Besteuerung eines möglicherweise in einem Substitutionsverhältnis stehenden Erzeugnisses nicht entgegen, zumal ein solches Verhältnis durch eine Reihe außersteuerlicher Faktoren, die zum Teil auch dem Produzenten eine Einflussnahme auf das Verbraucherverhalten ermöglichen, bestimmt ist. [...]"

Aus dem VfGH Erkenntnis lässt sich ableiten, dass es eine steuerrechtliche Erzeugnisgruppe gibt, die Perlwein und stillen Wein gleich behandelt. Doch weshalb bekommt dies Bedeutung im gegenständlichen Fall, in dem es um Sozialversicherungsabgaben geht?

Der Gesetzgeber hat in der Punkt 11 der Anlage 2 zum BSVG, die auf die Bestimmung des § 2 Abs. 4 Z 2 GewO 1994 Bezug nimmt, eine eigenständige Regelung der Beitragsgrundlagenberechnung für Verarbeitung von Wein zu Sekt (Obstschaumwein), wenn dies durch einen gewerblich befugtem Schaumweinerzeuger im Lohnverfahren erfolgt, vorgenommen. Hingegen hat der Gesetzgeber nichts zu Perlweinerzeugern gesagt.

Die SVB gelangt über die Anwendung der Urprodukteverordnung, die ihre Grundlage in § 2 Abs. 3a GewO 1994 hat, zum Ergebnis, dass Perlwein mangels Anführung kein Urprodukt sei. Die SVB hat es dabei jedoch unterlassen, die Überlegung anzustellen, ob eine Lücke vorliegt und falls ja, ob diese zu schließen sei, was der SVB jedoch mangels des damaligen Vorliegens des VfGH Erkenntnisses nicht vorwerfbar ist. Durch das rezente VfGH Erkenntnis wurde der erkennende Richter jedoch auf die Möglichkeit des Vorliegens einer Lücke aufmerksam.

Die Unterscheidung von Wein - Perlwein - Schaumwein ist eine, die erst in den letzten Jahren zunehmend genauer erfolgte. Von daher ist nicht verwunderlich, dass die 2008 ausgegebene Urprodukteverordnung durch ausdrückliche Aufzählung noch nicht darauf reagieren konnte. Mangels einer eindeutigen Erwähnung des Perlweins sowohl in der Urprodukteverordnung, als auch in der GewO 1994 als auch in der Anlage 2 zum BSVG geht der erkennende Richter von einer Lücke aus. Da diese Lücke, wie beschrieben, aufgrund einer aktuellen Entwicklung entstanden ist, ist davon auszugehen, dass diese planwidrig ist.

Der VfGH liefert auch schon einen Hinweis, wie diese Lücke zu schließen ist, nämlich interpretativ. So wie er bei der Nichtbesteuerung eine Erzeugnisgruppe (stiller Wein und Perlwein) bildet, so ist auch in der Urprodukteverordnung in den Begriff "Wein" die Erzeugnisgruppe "stiller Wein und Perlwein" hineinzulesen, da entsprechend VfGH Perlwein zur Gruppe der nicht schäumenden Weine zuordenbar ist. Diese Interpretation stellt sicher, dass es steuerlich wie auch sozialversicherungsrechtlich - einheitlich - zu einer unterschiedlichen Behandlung der Erzeugnisse Perlwein und Schaumwein kommt, Perlwein somit sozialversicherungsrechtlich wie auch steuerrechtlich gleich behandelt wird und somit auch Perlwein mit Wein als Urprodukt gleichgesetzt wird. Somit sollten auch die in der Beschwerde angedeuteten, verfassungsrechtlichen Bedenken betreffend den Gleichheitsgrundsatz ausgeräumt sein.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt.

Das Thema der sozialversicherungsrechtlichen Einordnung von Perlwein als Urprodukt oder be- und verarbeitetes Produkt im Nebengewerbe wurde seitens des VwGH bis dato nicht behandelt.

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