BVwG W215 2161923-1

BVwGW215 2161923-111.1.2019

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2019:W215.2161923.1.00

 

Spruch:

W215 2161923-1/15E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. STARK über die Beschwerde von XXXX, Staatsangehörigkeit Bundesrepublik Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.05.2017, Zahl 1050666307-150085840, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.12.2018 zu Recht:

 

A)

 

Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG), in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG, § 57 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017,

 

§ 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, § 52 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG), in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, und § 55 FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, als unbegründet abgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz,

 

BGBl Nr. 1/1930 (B-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Der Beschwerdeführer war mit einem Zugticket von Venedig nach München unterwegs, als er am 23.01.2015 wegen seines illegalen Aufenthalts im Bundesgebiet angehalten wurde. Daraufhin wies er sich mit einem gefälschten italienischen Fremdenpass aus, bei dem es sich um eine Totalfälschung handelt. Erst nachdem das gefälschte Dokument sichergestellt worden war, stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz. Noch am selben Tag erfolgte die Erstbefragung des Beschwerdeführers und dieser gab nach seinem Fluchtgrund gefragt zusammengefasst an, dass er aus einer extrem armen Familie stamme, welche keine Rechte in Somalia hätte. Der Beschwerdeführer werde von anderen Stämmen bedroht und geschlagen, sei deshalb zur Polizei gegangen, wo er ebenfalls misshandelt worden sei, wovon er sichtbare Verletzungen am linken Oberarm davongetragen, bevor man ihn rausgeschmissen, habe. Der Beschwerdeführer fürchte in Somalia von anderen Stämmen umgebracht zu werden. In Italien habe sich der Beschwerdeführer neun Tage aufgehalten, aber keinen Asylantrag gestellt, weil die dortige Lage sehr schlecht sei.

 

Der Beschwerdeführer wurde am 24.05.2017 im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich befragt. Er gab nach seinem Fluchtgrund gefragt zusammengefasst an, dass er sein Heimatland verlassen habe, weil er als Angehöriger des Clans der Gabooye diskriminiert worden sei. Sein Vater sei nach einer körperlichen Auseinandersetzung mit zwei Männern Anfang Juni 2013, diese hätten dem Vater dessen Lohn nicht bezahlen wollen, auf dem Weg ins Krankenhaus an einem Asthmaanfall verstorben. Der Beschwerdeführer sei, nachdem er eine Anzeige bei der Polizei gemacht habe, dort körperlich misshandelt und einen Tag inhaftiert worden. Der Beschwerdeführer habe als Schuhputzer gearbeitet und andere Jugendliche hätte nichts mit ihm zu tun haben wollen. Er sei von anderen Jugendlichen geschlagen worden. Nachdem ihm Jugendliche am 08.06.2013 seine Tageseinnahmen weggenommen hätten, habe er einen davon mit einem Nagel gestochen, daraufhin sei der Beschwerdeführer in Haft genommen worden. Seine Mutter habe den Beschwerdeführer am nächsten Tag, nachdem sie US-$ 50.- bezahlt habe, aus dem Gefängnis geholt und ihm

 

US-$ 100.- gegeben; mit diesem Geld habe der Beschwerdeführer die Bundesrepublik Somalia verlassen.

 

Mit Urteil eines österreichischen Landesgerichts vom XXXX, wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach den §§ 223 Abs. 2, 224 StGB verurteilt und gemäß § 13 Abs. 1 JGG der Ausspruch einer zu verhängenden Strafe für eine Probezeit von zwei Jahren vorbehalten.

 

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.05.2017, Zahl 1050666307-150085840, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm

 

§ 2 Abs. 1 Z 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somaliland/Somalia (Spruchpunkt II.) abgewiesen, sowie dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß

 

§ 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Somaliland/Somalia zulässig ist (Spruchpunkt III.). In Spruchpunkt IV. wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

 

Gegen diesen Bescheid, zugestellt am 01.06.2017, erhob der Beschwerdeführer fristgerecht am 13.06.2017 die gegenständliche Beschwerde. Darin wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers glaubhaft sei und der Beschwerdeführer wegen seiner Clanzugehörigkeit im Herkunftsstaat verfolgt wird.

 

2. Die Beschwerdevorlage vom 16.06.2017 langte am 20.06.2017 im Bundesverwaltungsgericht ein.

 

Auf Grund eines Fristsetzungsantrages wurde dem Bundesverwaltungsgericht mit verfahrensleitender Anordnung des Verwaltungsgerichtshofes vom 18.10.2018, Zahl

 

Fr 2018/20/0036-3, eingelangt im Bundesverwaltungsgericht am 23.10.2018, gemäß

 

§ 38 Abs. 4 VwGG aufgetragen, binnen drei Monaten die Entscheidung (Erkenntnis/Beschluss) zu erlassen.

 

Zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde für den 18.12.2018 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anberaumt. Es erschienen der Beschwerdeführer und sein Rechtsanwalt. Das ordnungsgemäß geladene Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hatte sich mit Schreiben vom 29.10.2018 für die Verhandlung entschuldigt und die Übermittlung der Verhandlungsschrift beantragt. In der Verhandlung wurden die Quellen der zur Entscheidungsfindung herangezogenen Länderinformationen dargetan. Der Beschwerdeführer und sein Rechtsanwalt verzichteten auf Einsichtnahme und Ausfolgung. Das Bundesverwaltungsgericht räumte den Verfahrensparteien vor Schluss der Verhandlung eine zweiwöchige Frist zur Abgabe von Stellungnahmen ein.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

1. Die Identität und das tatsächliche Alter des Beschwerdeführers können nicht festgestellt werden. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Bundesrepublik Somalia, moslemischem (sunnitischen) Glaubens und stammt aus XXXX Somaliland.

 

2. Es kann weder festgestellt werden, wann der Beschwerdeführer seinen Herkunftsstaat verlassen hat und auf welcher Reiseroute der Beschwerdeführer tatsächlich mit welchen Verkehrsmitteln nach Europa reisen konnte noch, wie lange die Reise tatsächlich gedauert hat. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer für sein Zugticket von Venedig nach München und den verwendeten gefälschten italienischen Fremdenpass nichts bezahlen musste. Zudem kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise aus der Bundesrepublik Somalia als Schuhputzer und/oder Schuhmacher gearbeitet hat und ebenso wenig, dass er Schuhe repariert hat. Es kann weder festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer dem Clan der Gabooye angehört noch, dass er die Bundesrepublik Somalia verlassen hat, weil er wegen seiner Clanzugehörigkeit von Jugendlichen und/oder der Polizei diskriminiert und misshandelt wurde. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Somaliland zwei Mal von der Polizei inhaftiert wurde. Ebenso wenig, dass die Mutter des Beschwerdeführers den Beschwerdeführer aus einer polizeilichen Haftaufenthalte für US $ 50.- freigekauft hat.

 

3. Der Beschwerdeführer ist ein gesunder Mann im arbeitsfähigen Alter, der in der Bundesrepublik Somalia immer in Somaliland gelebt hat. Der Beschwerdeführer hat vor der Ausreise im Elternhaus gelebt, ist in Somaliland zur Schule gegangen und alle Familienangehörigen leben nach wie vor dort. Der Beschwerdeführer konnte mit Hilfe seiner Familie immer seinen Lebensunterhalt erwirtschaften und sogar die Reise nach Österreich finanzieren.

 

4. Der ledige, kinderlose Beschwerdeführer wurde am 23.01.2015 wegen seines illegal Aufenthaltes in Österreich aufgegriffen. In Österreich leben keine Angehörigen des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer hat in Österreich einen Schulabschluss und konnte sich im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 18.12.2018 in Deutsch verständlich machen. Der Beschwerdeführer macht derzeit XXXX.

 

5. Zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers wird festgestellt:

 

Allgemein

 

Somalia entstand im Jahr 1960 aus dem Zusammenschluss von Britischund

 

Italienisch-Somaliland. 1969 kam Mohamed Siad Barre mittels eines Putsches an die Macht, bis er 1991 von bewaffneten oppositionellen Gruppen gestürzt wurde. Darauf folgte ein jahrzehntelanger Bürgerkrieg zwischen rivalisierenden Clan-Warlords. Kurz nach dem Ausbruch des Bürgerkriegs erklärte Somaliland einseitig seine Unabhängigkeit, die aber von keiner ausländischen Regierung anerkannt wurde. Puntland erklärte sich im Jahr 1998 zu einem autonomen Staat, strebt aber in Gegensatz zu Somaliland keine Unabhängigkeit an (Accord 31.10.2018).

 

Das Gebiet von Somalia ist de facto in drei unterschiedliche administrative Einheiten unterteilt:

 

a) In Süd- und Zentralsomalia, wo auch die Hauptstadt Mogadischu liegt, herrscht in vielen Gebieten Bürgerkrieg. Die somalischen Sicherheitskräfte kämpfen mit Unterstützung der vom VN-Sicherheitsrat mandatierten Friedensmission der Afrikanischen Union AMISOM (African Union Mission in Somalia) gegen die radikalislamistische, al-Qaida-affiliierte al-Schabaab-Miliz. Die Gebiete sind nur teilweise unter der Kontrolle der Regierung, wobei zwischen der im Wesentlichen auf Mogadischu beschränkten Kontrolle der somalischen Bundesregierung und der Kontrolle anderer urbaner und ländlicher Gebiete durch die Regierungen der föderalen Gliedstaaten Somalias, die der Bundesregierung de facto nur formal unterstehen, unterschieden werden muss. Weite Gebiete stehen aber auch unter der Kontrolle der al-Schabaab-Miliz oder anderer Milizen. Diese anderen Milizen sind entweder entlang von Clan-Linien organisiert oder, im Falle der Ahlu Sunna Wal Jama'a, auf Grundlage einer bestimmten religiösen Ausrichtung. Zumindest den al-Schabaab-Kräften kommen als de facto-Regime Schutzpflichten gegenüber der Bevölkerung in den von ihnen kontrollierten Gebieten gemäß des 2. Zusatzprotokolls zu den Genfer Konventionen zu.

 

b) Der so genannte Puntland State of Somalia, der das Horn von Afrika im engeren Sinne umfasst, hat sich 1998 mit internationaler Unterstützung konstituiert. Er strebt keine Unabhängigkeit von Somalia an und ist einer der fünf offiziellen föderalen Gliedstaaten Somalias, wenngleich mit größerer Autonomie. Es konnten einigermaßen stabile staatliche Strukturen etabliert werden. Al-Schabaab kontrolliert hier keine Gebiete mehr, sondern ist nur noch in wenigen schwer zugänglichen Bergregionen mit Lagern vertreten, ebenso wie der somalische Ableger des sog. "Islamischen Staats". Stammesmilizen spielen im Vergleich zum Süden eine untergeordnete Rolle. Allerdings ist die Grenzziehung im Süden sowie im Nordwesten nicht eindeutig, was immer wieder zu kleineren Scharmützeln, im Süden auch zu schwereren gewaltsamen Auseinandersetzungen führt.

 

c) Das Gebiet der früheren Kolonie Britisch-Somaliland im Nordwesten Somalias hat sich 1991 für unabhängig erklärt, wird aber bisher von keinem Staat anerkannt. Allerdings bemühen sich die Nachbarn in der Region sowie zunehmend weitere Staaten in Anerkennung der bisherigen Stabilisierungs- und Entwicklungsfortschritte um pragmatische Zusammenarbeit. Das Vertrauen der internationalen Gemeinschaft wurde durch die mehrfache Verschiebung der Parlamentswahlen und schwerwiegende Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit dem Abkommen zum Betrieb des Hafens von Berbera auf die Probe gestellt. Mit der für Mitte November erwarteten Präsidentschaftswahl dürfte der demokratische Prozess jedoch wieder an Momentum gewinnen. Al-Schabaab kontrolliert in Somaliland keine Gebiete. Die Grenze zu Puntland ist allerdings umstritten.

 

Vor diesem Hintergrund ist zu beinahe allen folgenden Abschnitten eine Dreiteilung notwendig. Grundsätzlich gilt, dass die vorhanden staatlichen Strukturen sehr schwach sind und wesentliche Staatsfunktionen von ihnen nicht ausgeübt werden können. Von einer flächendeckenden effektiven Staatsgewalt kann nicht gesprochen werden.

 

ad c) Somaliland

 

Somaliland setzt sich weiterhin für Demokratie ein, aber es gibt nach wie vor erhebliche Herausforderungen. Während Süd- und Zentralsomalia zeitweilig von gewalttätigen Konflikten betroffen sind, hat sich Nordsomalia anders entwickelt. Im Nordwesten erklärte die Republik Somaliland im Mai 1991 die Unabhängigkeit und hat nach und nach grundlegende staatlichen Strukturen wiederaufgebaut. Obwohl Somaliland einfache Regierungsstrukturen entwickelt und den Weg in Richtung Demokratisierung fortgeführt hat, erhält es keine internationale Anerkennung (BTI 2018).

 

Somaliland hat seit der Erklärung der Unabhängigkeit 1991 mehrere allgemeine Wahlen erlebt. Aufgrund dieser Wahlen gab es friedliche Machtwechsel, zuletzt 2010. Die eigentlich für 2015 vorgesehenen Parlamentswahlen wurden mehrfach verschoben und waren für Herbst 2018 vorgesehen. Das Oberhaus, die Guurti, geht damit in das zwölfte Amtsjahr, ohne wiedergewählt zu sein. Auch die Präsidentschaftswahl hatte sich mehrfach verzögert, bevor sie Mitte November 2017 stattfand. Die Kulmiye Partei bleibt demnach führende Partei, jedoch stellte Amtsinhaber Silanyo sich nicht erneut zur Wahl und wurde von Muse Bihi Abdi abgelöst. Obwohl in der Vergangenheit alle Wahlen international begleitet wurden, war im Vorfeld regelmäßig eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit zu beobachten (AA 07.03.2018).

 

Das Verhältnis zwischen dem im Nordwesten gelegenen Somaliland, das sich 1991 für unabhängig erklärt hat, und dem Rest des Landes ist problematisch. Der in Somaliland etablierten de facto-Regierung ist es gelungen, ein für die Region durchaus bemerkenswertes Maß an Stabilität und Ordnung herzustellen - selbst wenn es an der Grenze zu Puntland immer wieder kleinere Scharmützel mit dort beheimateten Milizen und in letzter Zeit demokratische Rückschritte festzustellen gibt. Am 13.11.2017 erfolgten nach zweijähriger Verzögerung Präsidentschaftswahlen, die von Beobachtern als weitgehend frei und fair eingeschätzt wurden. Für März 2019 sind außerdem - zum ersten Mal seit 2005 - Parlamentswahlen geplant.

 

Somaliland hat trotz eines entsprechenden Antrags bei der Afrikanischen Union die angestrebte Anerkennung als unabhängiger Staat nicht erreichen können. Von einer Aussöhnung mit der Regierung in Mogadischu im Kontext einer friedlichen und definitiven Lösung der Statusfrage sind beide Seiten noch weit entfernt. Bei dem von der Türkei unterstützten "Istanbuler Dialog" konnten atmosphärische Fortschritte zwischen den beiden Verhandlungsteams aus Hargeisa und Mogadischu erreicht werden. Der nach den letzten Präsidentschaftswahlen in 2017 erhoffte neue Dialog zum Status von Somaliland liegt derzeit wieder auf Eis nicht zuletzt im Zuge einer Vereinbarung Somaliland mit den Vereinigten Arabischen Emiraten und Äthiopien über den Ausbau des Hafens von Berbera, die zu erheblichen Spannungen mit der somalischen Bundesregierung in Mogadischu führte (AA Innenpolitik Stand Oktober 2018 abgefragt 08.01.2019).

 

(Accord, Sicherheitslage in Somalia, veröffentlicht 31.10.2018, https://www.ecoi.net/de/dokument/1448378.html

 

AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, Stand Januar 2018, 07.03.2018

 

BTI, Bertelsmann Stiftung, County Report, Somalia 2018, https://www.bti-project.org/en/reports/country-reports/detail/itc/som/ity/2018/itr/esa

 

AA, Auswärtiges Amt, Somalia, Innenpolitik, Stand Oktober 2018, abgefragt am 08.01.2019,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/somalia-node/-/203162 )

 

Parteiensystem

 

ad c) Somaliland

 

Gemäß der 2001 angenommenen Verfassung durften politische Parteien gegründet werden und an den Kommunalwahlen 2002 teilnehmen. Allerdings durften nur die drei in diesen Kommunalwahlen stärksten Parteien dauerhaft etabliert werden. Diese Vorgabe ist inspiriert vom nigerianischen Modell, um einer Zersplitterung der Parteienlandschaft vorzubeugen. Zunächst erhielten die UDUB (Ururka Dimuqraadiga Ummadda Bahawday, Union der Demokraten) sowie Kulmiye (Solidarität) und UCID (Ururka Caddaalada iyo Daryeelka, Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung) die dauerhafte Zulassung. Nach den Wahlen 2010 verlor die UDUB die Zulassung, stattdessen wurde die Waddani-Partei im Rahmen eines festgelegten Verfahrens zugelassen. Politisches Engagement im Rahmen anderer Gruppen wird staatlicherseits beobachtet. Ggf. werden strafrechtliche Maßnahmen ergriffen (AA 07.03.2018).

 

Die Organisation politischer Parteien auf clanbasierter Ebene ist in Somaliland verfassungsrechtlich verboten, aber die Clanzugehörigkeit dominiert weiterhin Politik und Entscheidungsfindung. In Somaliland funktionieren die traditionellen Normen und Institutionen zusammen mit demokratischen Institutionen. Auch wenn staatliche Gesetzgebung und traditionelle Regeln einander widersprechen können (zum Beispiel bei Rechten der Frauen), werden sie nicht als widerstreitend, sondern eher als ergänzend wahrgenommen. Das Bekenntnis zur Demokratie in Somaliland ist hoch, aber das demokratische System bleibt anfällig für Einmischung und Clan-Politik (BTI 2018). Das Beispiel eines friedlichen demokratischen Übergangs in Somaliland deutet auf eine allgemeine Akzeptanz demokratischer Prinzipien hin (BTI 2018).

 

Wie in den restlichen Landesteilen bekennt sich die Verfassung zum Gebot der Nichtdiskriminierung, Clan-Zugehörigkeit spielt jedoch eine große Rolle. Repressiv gehen die Sicherheitsorgane gegen die Bürger vor, die die Unabhängigkeit Somalilands ablehnen AA 07.03.2018).

 

Eine Besonderheit der Politik und Geschichte Somalias liegt in der Bedeutung der Clans. Clans sind auf gemeinsame Herkunft zurückgehende Großfamilienverbände mit einer bis zu siebenstelligen Zahl von Angehörigen. Die Kenntnis der Clanstrukturen und ihrer Bedeutung für die somalische Gesellschaft ist ein wichtiger Schlüssel zum Verständnis der politischen und historischen Entwicklungen in Somalia. Die übergeordneten Clans in Somalia sind die Hawiye, Darod, Issaq, Dir und der Clanverbund der Digil-Mirifle bzw. Rahanweyn. Aufgrund des jahrzehntelangen Bürgerkriegs ist es nicht möglich, die genauen Zahlenverhältnisse der einzelnen Clans anzugeben. Hawiye, Darod, Issaq und Digil-Mirifle stellen wohl je 20 bis 25 Prozent der Gesamtbevölkerung, die Dir deutlich weniger. Über 95 Prozent aller Somalier fühlen sich einem Sub-Clan zugehörig, der genealogisch zu einem der Clans gehört. Auch diese Sub-Clans teilen sich wiederum in Untereinheiten auf. Die Zugehörigkeit zu einem Clan bzw. Sub-Clan ist ein wichtiges Identifikationsmerkmal und bestimmt, welche Position eine Person oder Gruppe im politischen Diskurs oder auch in bewaffneten Auseinandersetzungen einnimmt. Die Issaq leben im Nordwesten des Landes (Somaliland). Die Dir leben vor allem im Nordwesten Somalias an der Grenze zu Djibouti (Somaliland) und im Süden des Landes (Jubaland [AA Innenpolitik Stand Oktober 2018 abgefragt 08.01.2019]).

 

(AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, Stand Januar 2018, 07.03.2018

 

BTI, Bertelsmann Stiftung, County Report, Somalia 2018, https://www.bti-project.org/en/reports/country-reports/detail/itc/som/ity/2018/itr/esa

 

AA, Auswärtiges Amt, Somalia, Innenpolitik, Stand Oktober 2018, abgefragt am 08.01.2019,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/somalia-node/-/203162 )

 

Gabooye/Gaboye/"Midgan"

 

Das kanadische Immigration and Refugee Board (IRB) erwähnt in einer Anfragebeantwortung vom Oktober 2013, dass nur wenige Informationen zu Unterscheidungsmerkmalen der Gabooye gefunden werden konnten. Das IRB bezieht sich auf die Angaben verschiedener Quellen. Die Quellen würden angegeben, dass die Gabooye über keine physischen Unterscheidungsmerkmale verfügen würden. Die Gabooye könnten physisch den Samaal, einer ethnisch dominanten Gruppe in Somalia, ähneln. Laut Angaben eines Mitarbeiters des Max-Planck-Instituts für ethnologische Forschung würden sich die Gabooye aufgrund ihrer Genealogie unterscheiden. Sie könnten in vier Untergruppen unterteilt werden: Madhiban, Muuse Deriyo, Tumaal, und Yibir. Der Mitarbeiter habe zudem angegeben, dass die Gabooye oftmals in bestimmten Wohngegenden leben würden, etwa dem Stadtteil Dhami in Hargeysa, in Somaliland, entfernt von den Mehrheitsclans, welche die Gabooye als "schmutzig" einstufen würden (Accord 27.11.2014).

 

"Midgan" oder Gabooye sind traditionell Jäger und arbeiten mit Leder, so zum Beispiel Schuhmacher (ARC 25.01.2018).

 

Es gibt es auch innerhalb der Berufsgruppen-Clans stärkere und schwächere Abstammungslinien, die schwächeren seien marginalisiert. Vertreter einer Nichtregierungsorganisation, die sich für Minderheiten einsetzt, widersprachen aber dieser Darstellung. Einer anderen Quelle zufolge sind die urbanen Gabooye generell bessergestellt als andere Berufsgruppen. Heute hat sich die Situation für die Gabooye im Vergleich zurzeit um die Jahrtausendwende, als sie nicht einmal normal die Schule besuchen konnten, gebessert (EJPD 31.05.2017).

 

Im Norden setzen sich die Gobooye aus den Tumaal (Schmiede), "Midgan" (Schuster, Jäger und Sammler, Giftmacher und Haarschneider) sowie den Yibir zusammen. Der Clan der Gabooye bezeichnet sich selbst als Gabooye, während andere Clans den "unhöflichen" Begriff "Midgan" verwenden. Die Gabooye sind primär im Norden Somalias (Somaliland) beheimatet, obwohl einige Mitglieder in Mogadischu leben. Das kanadische Immigration and Refugee Board (IRB) zitiert in einer Anfragebeantwortung vom Dezember 2012 die Vorsitzende der Gabooye Minority Organisation for Europe and North America. Diese habe angegeben, die Gabooye würden "nicht wirklich" mit Hauptclans verbündet sein, jedoch würden sie Berichten zufolge gut mit anderen Minderheitengruppen auskommen. Im Süden des Landes gebe es Diskriminierung von Gabooye, jedoch sei die "allgemeine Unsicherheit" eine größere Bedrohung als "gezielte Verfolgung". Obwohl die Regierung von Somaliland behaupte, dass sich die Lage gebessert habe, komme es weiterhin zu Diskriminierung von und Gewalt gegen Gabooye. Die Medien in Somaliland würden nur selten über Diskriminierung oder Gewalt gegen Mitglieder der Gabooye berichten, da sie nicht in Konflikt mit Mitgliedern des Hauptclans geraten wollten, die die Regierung und Gerichte dominieren würden. Das US-Außenministerium (US Department of State, USDOS) schreibt in seinem Jahresbericht zur Menschenrechtslage vom Februar 2014, dass unter anderem die Madhiban und Gabooye zu den Minderheitengruppen zählen würden. Minderheitengruppen, die oft über keine bewaffneten Milizen verfügen würden, seien unverhältnismäßig oft von Tötung, Folter, Vergewaltigung, Entführung und Plünderung durch Milizen und Angehörige von Hauptclans betroffen, die von diesen ungestraft verübt würden. Viele Minderheiten würden in großer Armut leben und von zahlreichen Formen von Diskriminierung und Ausgrenzung betroffen sein. Die Minority Rights Group International (MRG), die sich für die Rechte von ethnischen, religiösen und sprachlichen Minderheiten und indigenen Völkern weltweit einsetzt, erwähnt in einem Bericht vom Jänner 2015, dass eine von der Organisation interviewte Person angegeben habe, dass sich die gesellschaftliche Integration und Inklusion von Angehörigen der Gabooye in Somaliland im Vergleich zu ihrer Lage früher gebessert habe. 25 weitere interviewte Personen hätten jedoch angegeben, dass es weiterhin Ungleichheiten gebe und es zu Diskriminierung komme. Eine Organisation hätte beispielsweise angegeben, dass von insgesamt bis zu 10.000 Gabooye in Hargeisa nur zwischen 30 und 40 Angehörige der Gabooye an einer Universität studieren würden oder studiert hätten. Die Norwegian Organisation for Asylum Seekers (NOAS), eine NGO, die sich für die Interessen von Asylwerbern in Norwegen einsetzt, erwähnt in einem Bericht zu einer Fact-Finding-Mission vom April 2014, mehrere Quellen hätten angegeben, dass unter anderem die Gabooye zu den besonders gefährdeten Minderheiten ("particularly vulnerable minorities") in Somalia zählen würden. Die MRG berichtet im Juni 2012, dass Minderheitengruppen, wie etwa die Gabooye und Madhiban, zu Tausenden in Binnenvertriebenenlager in Somaliland, Puntland und Kenia ziehen würden, wo sie erneut von Diskriminierung betroffen seien. Minderheitengruppen würden außerhalb der traditionellen somalischen Clanstruktur stehen und deshalb über kein Schutzsystem verfügen. Aufgrund sozialer Segregation, Existenznot und politischer Manipulation seien Minderheitengruppen in größerem Ausmaß von Vergewaltigung, Angriffen, Entführung, Beschlagnahmung von Eigentum und den Konsequenzen von Dürre bedroht (Accord 12.06.2015).

 

Die internationale Organisation für Migration (IOM) schreibt im Februar 2014, dass die Gruppen der Bantu, Benadir, Gabooye und Bajuni einen Teil der ethnischen Minderheiten in Somalia bilden würden. Vor dem Konflikt seien sie Großteils isoliert und nicht mobil gewesen und hätten nur wenig mit den größeren Clans interagiert. Jedoch seien diese Minderheitengruppen traditionell in unterschiedlichem Ausmaß von Diskriminierung durch die größeren Clans betroffen gewesen und seien aufgrund ihrer traditionellen Berufe im Allgemeinen gesellschaftlich und politisch ausgeschlossen worden. Die Minderheitengruppen seien während des Konflikts [ab 1991, Anm. ACCORD] von einem steigenden Level von Vertreibungen auf Clanbasis ("clan-based expulsions") und gewaltsamer Vertreibung betroffen gewesen (Accord 12.07.2016).

 

Die "Midgan" stellen etwa 0,5% der Gesamtbevölkerung. Sie leben verteilt vor allem in Nord- und Zentralsomalia, Hiran, Mogadischu und Kismayo. Sie betätigen sich traditionell als Schuhmacher. Die "Midgan" sollen sich bemüht haben, den Begriff "Midgan" zugunsten der weniger abwertenden Bezeichnung Madhiban abzulegen. Andere Quellen führen jedoch die Madhiban als eine Untergruppe der "Midgan" auf. Es gibt zahlreiche weitere abwertende Benennungen für die "Midgan", die häufig auf ihre die Jagd Bezug nehmen wie Fallensteller oder Kadaveresser. Sie selbst sollen sich als Reer Gabooye (Menschen vom Pfeilköcher) oder Reer Boqon (Menschen von der Bogensehne) bezeichnen. Zu ihren traditionellen Beschäftigungen zählten die Jagd mit Pfeil und Bogen oder Gift und Fallen, das Häuten der Kadaver, die Lederherstellung, die Lederverarbeitung (Sandalen, Gürtel, Sättel, etc.). "Midgan" arbeiten als Schlachter, Wasserträger, Brunnengräber. Manche Gruppen sind auf Fischfang und Weben spezialisiert. Urbanisierte "Midgan" arbeiten als Zimmerleute, Mechaniker, Fliesenleger, Elektriker, Installateure oder Friseure (BAMF Juli 2010).

 

Das Immigration and Refugee Board of Canada (IRB) zitiert, in einer Anfragebeantwortung die Vorsitzende einer Gabooye-Organisation. Bei einem Vorfall in Somaliland sei die gesamte erweiterte Familie eines Gabooye-Mädchens zehn Monate inhaftiert worden, da ihr Verlobter (Mitglied eines Hauptclans) Selbstmord begangen habe, nachdem ihre Familie einer Heirat nicht zugestimmt habe. Die Familie sei für den Selbstmord verantwortlich gemacht worden. Im Oktober 2012 seien zwei Familienmitglieder zum Tod verurteilt und die restlichen Mitglieder freigelassen worden. Trotz des traditionellen Verbots der Clans von Mischehen mit einer Minderheit, sei es im Laufe der Geschichte immer, wenn auch selten, zu derartigen Beziehungen (zumindest im Geheimen) gekommen (Accord 27.02.2013).

 

Laut einem im Juli 2013 von Sabahi, einem vom United States Africa Command finanzierten Nachrichtenportal mit Schwerpunkt der Berichterstattung auf der Region Horn von Afrika, veröffentlichten Artikel zu den Gabooye in Somaliland habe ein Sprecher der Gabooye, Sultan Mohamed Muse Abu Sufyan, angegeben, dass die Gruppe der Gabooye vom Rest der Gesellschaft isoliert sei. Angehörige der Gabooye müssten sich auf Arbeitsplätze beschränken, die andere nicht haben möchten. Gabooye seien zudem hinsichtlich ihres Wohnortes isoliert. In Hargeisa etwa würden Gabooye in einem eigenen Stadtteil, Daami, leben (Accord 27.11.2014).

 

Weder das traditionelle Recht Xeer noch Polizei und Justiz benachteiligen gemäß Erkenntnissen der Fact Finding Mission die Minderheiten systematisch. Faktoren wie die Finanzkraft, das Bildungsniveau oder die zahlenmäßige Größe einer Gruppe können Minderheiten dennoch den Zugang zur Justiz erschweren. So meinte beispielsweise eine Quelle der Fact Finding Mission in Hargeysa:

"Sie können nicht einfach eine Gabooye grundlos töten, da kommt die Polizei. Sie werden vom Gesetz geschützt..." Richtig ist aber auch, dass es

 

zumindest in Hargeysa in einem Minderheiten-Quartier keine Polizeistation gibt. Quellen der Fact-Finding Mission zeichneten ein teils neues Bild. So hat beispielsweise in Somaliland die Anerkennung von Gabooye-Suldaans zu einer Aufwertung der berufsständischen Gruppen geführt. Damit geht auch soziale Sicherheit einher. Die Gabooye haben im Xeer ihre Rechte. Zusätzlich sind Verfahren im Xeer meist nicht korrumpierbar und fairer.

Allerdings gibt es hier auch Ausnahmen: Laut einer Quelle der Fact Finding Mission macht es beispielsweise einen Unterschied, ob ein Gabooye oder ein Angehöriger eines Mehrheitsclans Täter bei einer Vergewaltigung ist - bzw. ob das Opfer Gabooye oder Mehrheitsangehörige ist. Der gesellschaftliche Umgang mit den Angehörigen von Minderheiten hat sich in den letzten Jahren verbessert. Insbesondere unter jungen Leuten ist die Einstellung zu ihnen gemäß Erkenntnissen der Fact-Finding Mission positiver geworden. Obwohl ein gewisses Stigma weiterhin besteht, ist es mittlerweile für viele Angehörige der Mehrheitsclans üblich, auch mit Angehörigen berufsständischer Gruppen zu sprechen, zu essen, zu arbeiten und Freundschaften zu unterhalten, wie mehrere befragte

Quellen übereinstimmend aussagten: "Wir haben Umgang miteinander, wir haben Freunde, sie sagen dir auch, dass sie Gabooye sind..."

Früher kam es vor, dass Angehörige der Mehrheitsclans Minderheiten-Angehörige aufgrund von Vorurteilen beschimpften. Die soziale Interaktion mit Angehörigen berufsständischer Gruppen wie z. B. das Grüßen oder gemeinsame Mahlzeiten war eingeschränkt. Nach Einschätzung einer westlichen Botschaft kommt es im Allgemeinen zu keinen gezielten Angriffen oder Misshandlungen der Gabooye (EJPD 31.05.2017).

 

Am 03.07.2018 ernannte der Präsident von Somaliland sieben Mitglieder in die somalische Nationale Menschenrechtskommission, darunter zwei Frauen und eine Person aus einem Minderheitsclan (Gabooye [UNSOM 20.08.2018]).

 

Schon Anfang der 2000er, als einige europäische Regierungen davon ausgingen, dass in Somalia die schlimmste Zeit überstanden sei, war die Angabe der Zugehörigkeit zu einer Minderheitengruppe in Somalia ein relativ sicheres Mittel, um in Europa Asyl zu bekommen. Klarerweise haben auch Angehörige von "noblen" Clans von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, und sich als Minderheitenangehörige (z.B. "Midgan" oder Ashraf) ausgegeben (BFA Anfragebeantwortung (Staatendoku 23.01.2017).

 

(ARC, Asylum Research Consultancy, Situation in South and Central Somalia (including Mogadishu), 25.01.2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1423361/90_1517484171_2018-01-arc-country-report-on-south-and-central-somalia-incl-mogadishu.pdf

 

Accord, Anfragebeantwortung zu Somalia, Informationen zur Lage der Gaboye/Midgan, Zahl a-9202-2 (9229), 12.06.2015, http://www.ecoi.net/local_link/309154/448404_de.html

 

BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Informationszentrum für Asyl und Migration, Minderheiten in Somalia, Juli 2010, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/693991/697672/697677/6029534/13604856/13565580/Deutschland___Bundesamt_für_Migration_und_Flüchtlinge,_Minderheiten_in_Somalia,_Juli_2010.pdf?nodeid=13904432&vernum=-2

 

Accord, Anfragebeantwortung zu Somalia, Aktuelle Lage von Angehörigen der Madhiban/Midgan, Zahl a- 8293, 27.02.2013, https://www.ecoi.net/de/dokument/1211137.html

 

Accord, Anfragebeantwortung zu Somalia, Informationen zur Lage von Angehörigen des Clans der Gaboye [auch: Midgan, Madhiban, Zahl a-8956, 27.11.2014,

http://www.ecoi.net/local_link/291401/426097_de.html

 

Accord, Anfragebeantwortung zu Somalia, Informationen zum Clan der Bajuni, Zahl a-9735-1, 12.07.2016, https://www.ecoi.net/de/dokument/1255124.html

 

Staatendoku, Anfragebeantwortung der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Somalia, Madhiban in Kismayo, 23.01.2017

 

EJPD, Schweizerische Eidgenossenschaft, Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Staatssekretariat für Migration SEM, Focus Somalia, Clans und Minderheiten, 31.05.2017, https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/herkunftslaender/afrika/som/SOM-clans-d.pdf

 

UNSOM, United Nations Assistance Mission in Somalia, Monatliches Update zu Menschenrechten und Schutz, Berichtszeitraum Juli 2018, 20.08.2018,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1442009/1226_1535625123_deutschland-bundesamt-fuer-migration-und-fluechtlinge-briefing-notes-20-08-2018-englisch.pdf )

 

Sicherheitslage

 

Das Verhältnis zwischen dem im Nordwesten gelegenen Somaliland, das sich 1991 für unabhängig erklärt hat, und dem Rest des Landes ist problematisch. Der in Somaliland etablierten de facto-Regierung ist es gelungen, ein für die Region durchaus bemerkenswertes Maß an Stabilität und Ordnung herzustellen - selbst wenn es an der Grenze zu Puntland immer wieder kleinere Scharmützel mit dort beheimateten Milizen und in letzter Zeit demokratische Rückschritte festzustellen gibt. Am 13.11.2017 erfolgten nach zweijähriger Verzögerung Präsidentschaftswahlen, die von Beobachtern als weitgehend frei und fair eingeschätzt wurden. Für März 2019 sind außerdem - zum ersten Mal seit 2005 - Parlamentswahlen geplant. Somaliland hat trotz eines entsprechenden Antrags bei der Afrikanischen Union die angestrebte Anerkennung als unabhängiger Staat nicht erreichen können. Von einer Aussöhnung mit der Regierung in Mogadischu im Kontext einer friedlichen und definitiven Lösung der Statusfrage sind beide Seiten noch weit entfernt. Bei dem von der Türkei unterstützten "Istanbuler Dialog" konnten atmosphärische Fortschritte zwischen den beiden Verhandlungsteams aus Hargeisa und Mogadischu erreicht werden. Der nach den letzten Präsidentschaftswahlen in 2017 erhoffte neue Dialog zum Status von Somaliland liegt derzeit wieder auf Eis nicht zuletzt im Zuge einer Vereinbarung Somalilands mit den Vereinigten Arabischen Emiraten und Äthiopien über den Ausbau des Hafens von Berbera, die zu erheblichen Spannungen mit der somalischen Bundesregierung in Mogadischu führte (AA Innenpolitik Stand Oktober 2018, abgefragt am 08.01.2019).

 

Für westliche Staatsangehörige besteht in ganz Somalia (dies gilt auch für Somaliland und Puntland) ein sehr hohes Entführungsrisiko, ausländische Staatsangehörige werden auch immer wieder Opfer von Mordanschlägen (BMEIA Stand 08.01.2019).

 

Somalia hat den Zustand eines failed state überwunden, bleibt aber ein fragiler Staat. Gleichwohl gibt es keine flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind fragil und schwach. Die Autorität der Zentralregierung wird vom nach Unabhängigkeit strebenden Somaliland (Regionen Awdaal, Wooqoi Galbeed, Toghdeer, Sool, Sanaag) im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal-islamistischen al-Schabaab-Miliz in Frage gestellt (AA 07.03.2018).

 

Entwicklung von Konfliktvorfällen von Juni 2016 bis Juni 2018 in der gesamten Bundesrepublik Somalia:

 

Bild kann nicht dargestellt werden

 

(Accord zweites Quartal 2018, 05.09.2018)

 

Berichtete zu Konfliktvorfälle nach Provinzen im zweiten Quartal 2018: XXXX (Accord zweites Quartal 2018, 05.09.2018).

 

Entwicklung von Konfliktvorfällen von September 2016 bis September 2018 in der gesamten Bundesrepublik Somalia:

 

Bild kann nicht dargestellt werden

 

(Accord drittes Quartal 2018, 12.11.2018)

 

Berichtete zu Konfliktvorfälle nach Provinzen im dritten Quartal 2018: In Woqooyi Galbeed wurden 05 Vorfälle mit 0 Toten erfasst und an folgenden Orten lokalisiert: Bahdoon, Berbera, Hargeysa, Wajaale (Accord drittes Quartal 2018, 12.11.2018).

 

ad c) Somaliland

 

In Somaliland, das sich 1991 unabhängig erklärt hat, aber bislang von keinem Staat anerkannt wird, wurde im somaliaweiten Vergleich das bislang größte Maß an Sicherheit, Stabilität und Entwicklung erreicht. Die erneute Verschiebung der Parlamentswahlen wirft einen Schatten auf das vergleichsweise demokratische Somaliland (AA 07.03.2018).

 

Die somaliländische Polizei nahm am 28.05.2018 in Las Anod (Region Sool) mehr als 40 Demonstranten und zwei Journalisten fest, die sich für eine Wiedervereinigung Somalilands mit Somalia eingesetzt hatten. Das Präsidialbüro Puntlands veröffentlichte daraufhin am 30.05.2018 eine Stellungnahme, in der es die somaliländischen Sicherheitskräfte beschuldigte, die Menschenrechte der Zivilbevölkerung in Las Anod zu verletzen. Die somaliländische Regierung schloss am 30.05.2018 zwei Fernsehsender wegen der Berichterstattung über den Konflikt mit Puntland (BAMF 04.06.2018).

 

Der ehemalige Finanzchef der islamistischen Miliz Hizbul Islam wurde von einem mutmaßlichen al-Schabaab-Selbstmordattentäter am 01.08.2018 in Budhole (Region Todgheer, Somaliland) ermordet. Die Hizbul Islam hatte sich im Dezember 2010 mit der al-Schabaab verbündet. Der Ermordete hatte sich später von der al-Schabaab getrennt. Die Explosion tötete auch den früheren Innenminister des "Regionalstaats Khatumo" und verletzte vier Zivilisten. Khatumo erhebt Ansprüche auf die somaliländischen Regionen Sool, Sanaag und Cayn, die überwiegend von Angehörigen des Clans der Dulbahante bewohnt werden (BAMF 06.08.2018).

 

Die Macht von Somaliland reicht nicht bis an die Ostgrenzen von Somaliland. Vor allem die Regionen Sool, Sanaag und Cayn zwischen Somaliland und Puntland werden umkämpft, wobei Somaliland und Puntland diese Regionen als Teil ihres Staatsgebiets beanspruchten. Allerdings haben weder Somaliland noch Puntland echte Kontrolle über diese Regionen geschaffen. Somaliland war im überwiegenden Teil der umkämpften Gebiete nicht in der Lage, Wahlen durchzuführen. Trotz des allgemeinen Erfolgs Somalilands bei der Friedens- und Staatsbildung bleibt die Republik Somaliland in ihrer effektiven und materiellen Kapazität begrenzt und hat nur wenige Maßnahmen zur Regulierung der Wirtschaftstätigkeit festgelegt. Der Staat ist auch in hohem Maße von einer aufstrebenden Business-Class abhängig, Korruption und Gönnernetzwerke auf Clan-basierten Patronage durchdringen alle Regierungsebenen. Somaliland, im Nordwesten Somalias, hat kein voll funktionierendes Gewaltmonopol eingeführt, es war während der Überprüfungsphase aber vergleichsweise friedlich. Es wurde jedoch die militärische Präsenz in den umkämpften östlichen Grenzgebieten zu Puntland verstärkt, wo eine abtrünnige Bewegung, die als Khaatumo-Staat bekannt ist, gegen die Streitkräfte von Somaliland und Puntland gekämpft hat. Angeblich soll al-Schabaab die Präsenz in der Grenzregion ausgebaut haben (BTI 2018).

 

Die Kämpfe und Zwischenfälle zwischen Al-Schabaab-Milizen und Clan-Milizen sind weit verbreitet, was zu erheblichen Opfern und Vertreibungen führt. Bei Clan-Zusammenstößen im Distrikt Dumar, der Region Sool, einem umstrittenen Gebiet zwischen den Staaten Puntland und Somaliland, wurden am 22.10.2018 mindestens 50 Menschen getötet und über 100 verletzt. Die Region Galgaduud ist auch von Clanauseinandersetzungen und damit verbundener Vertreibung betroffen (Accord 31.10.2018).

 

In ihrem Abschlussbericht im Jahr 2017 berichtete die Beobachtungsgruppe, dass die Einrichtung einer ausländischen Militärbasis in Berbera, welche einen Transport von militärischem Material in das Gebiet impliziert, eine Verletzung des Waffenembargos gegen Somalia darstellt. Am 22.11.2017 berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg, dass die in den Vereinigten Arabischen Emiraten ansässige Divers Marine Contracting LLC mit dem Bau der Militärbasis beauftragt worden sei. Am 15.03.2018 berichtete die Nachrichtenagentur Reuters, dass die Vereinigten Arabischen Emirate Somaliland-Truppen im Rahmen des Abkommens ausbilden sollen. Am 07.09.2018 erklärten die Vereinigten Arabischen Emirate im Rahmen einer vorangegangenen Anfrage: "Die Vereinigten Arabischen Emirate haben mit Somaliland ein Abkommen über die Entwicklung und Verwaltung des Hafens von Berbera geschlossen. Alle Abkommen, die die Vereinigten Arabischen Emirate mit den somalischen Regionen geschlossen haben, wurden auf der Grundlage der verfassungsmäßigen Befugnisse geschlossen, welche den Regierungschefs dieser Regionen übertragen wurden, um Sicherheit, Stabilität und Wohlstand für die Bundesrepublik Somalia und seine Bevölkerung zu erreichen."

Satellitenbilder, die am 21.09.2018 aufgenommen wurden, deuten darauf hin, dass der Bau der Anlagen in Berbera im Gange war (UNSC 09.11.2018).

 

Tukaraq, 75 km westlich von Garowe, der Hauptstadt Puntlands, gelegen, war seit 2007 unter der Kontrolle der Behörden Puntlands und diente als wichtiger Checkpoint für die Sicherheits- und Einnahmenerhebung der Verwaltung. Am 08.01.2018 drangen Sicherheitskräfte von Somaliland in das Grenzgebiet zu Puntland ein und überrannten den strategischen Checkpoint in Tukaraq. Puntland reagierte mit einer Verstärkung der Truppen im Grenzgebiet. Im Laufe des Jahres 2018 festigten beide Verwaltungen ihre militärischen Stellungen in der Region durch eine Pufferzone, etwa 2 km voneinander getrennt. Internationale Organisationen berichteten von Dutzenden von Opfern auf beiden Seiten und der Vertreibung von schätzungsweise 2.500 Zivilisten in Tukaraq und den umliegenden Dörfern, darunter Godgabobe, Falidyale, Higlo, Bocame und Gambadhe, in der Sool Region. Der Streit hat für al-Schabaab zusätzliche Möglichkeiten geschaffen sich in den Golis Bergen Vorteile zu verschaffen. Am 11.04.2018 teilte ein Vertreter der Puntland-Verwaltung der Beobachtungsgruppe mit, dass jede Entscheidung zur Eskalation des Konflikts vollständig in den Händen Somalilands liegen würde und darüber hinaus, dass Puntland nicht bereit wäre, Verhandlungen aufzunehmen, bevor sich die Kräfte Somalilands aus der Region zurückziehen. Am 14.05.2018 kam es erneut zu Konflikten zwischen Streitkräften von Somaliland und Puntland. Schweren Artilleriegefechte auf beiden Seiten, sowie beidseitige Truppenverstärkungen auf beiden Seiten dauerten bis Ende des Mai 2018 an. Weitere Zusammenstöße und ein Anstieg des Artilleriefeuers zwischen den beiden Streitkräften wurden am 22.06.2018 gemeldet. Der Konflikt führte zu weiterer Instabilität, die Vertreibung der Anwohner nahm zu und al-Schabaab sowie ISIL (Islamic State in Iraq and the Levant) die weitere Verankerung in der Region ermöglicht. Beispielsweise führte al-Schabaab am 01.06.2018 einen großen Angriff auf einen Puntland-Stützpunkt in der Region Bari durch, was zu sechs Kausalitäten und dem Rückzug der Puntland-Streitkräfte führte. Von

28. bis 30.07.2018 führten die zwischenstaatliche Entwicklungsbehörde und die Hilfsmission der Vereinten Nationen in Somalia (UNSOM) eine gemeinsame Vermittlungsmission in Somaliland und Puntland durch, die sich auf die sofortige Einstellung der Feindseligkeiten und die Entmilitarisierung des Gebietes konzentrierte (UNSC 09.11.2018).

 

Äthiopische Truppen wurden am 07.11.2018 nach Dhumey und Qansaxdheere (Region Sool, Somaliland) verlegt, um in die dort Ende Oktober 2018 ausgebrochenen Clankämpfe einzugreifen. Bisher sollen etwa 40 Menschen ums Leben gekommen sein (BAMF 12.11.2018).

 

(BMEIA, Österreichisches Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres, Reiseinformation, Somalia, unverändert gültig seit 07.11.2018, Stand 08.01.2019,

https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/somalia

 

BTI, Bertelsmann Stiftung, County Report, Somalia 2018, https://www.bti-project.org/en/reports/country-reports/detail/itc/som/ity/2018/itr/esa

 

BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 06.08.2018,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1442581/1226_1536218530_deutschland-bundesamt-fuer-migration-und-fluechtlinge-briefing-notes-06-08-2018-deutsch.pdf

 

AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, Stand Januar 2018, 07.03.2018

 

BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 04.06.2018,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1442586/1226_1536218376_deutschland-bundesamt-fuer-migration-und-fluechtlinge-briefing-notes-04-06-2018-deutsch.pdf

 

AA, Auswärtiges Amt, Somalia, Innenpolitik, Stand Oktober 2018, abgefragt am 26.12.2018,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/somalia-node/-/203162

 

Accord, Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED), Berichtzeitraum 2. Quartal 2018, 05.09.2018,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1442612/1930_1536218362_2018q2somalia-en.pdf

 

Accord, Sicherheitslage in Somalia, veröffentlicht 31.10.2018, https://www.ecoi.net/de/dokument/1448378.html

 

UNSC, UN Security Council, Letter dated 7 November 2018 from the Chair of the Security Council Committee pursuant to resolutions 751 (1992) and 1907 (2009) concerning Somalia and Eritrea addressed to the President of the Security Council, 09.11.2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1452043/1226_1542897099_n1830165.pdf

 

BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 12.11.2018,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2001572/Deutschland _ Bundesamt für+Migration+und+Flüchtlinge%2C+Briefing+Notes%2C+12.11.2018+%28deutsch%29.pdf

 

Accord, Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED), Berichtzeitraum 3. Quartal 2018, 12.11.2018,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1450161/1226_1542094535_2018q3somalia-de.pdf )

 

Justiz und Sicherheitsbehörden

 

ad a) in Süd- und Zentralsomalia

 

Die Grundsätze der Gewaltenteilung sind in der Verfassung von 2012 niedergeschrieben. Allerdings ist die Verfassungsrealität eine andere. In den tatsächlich von der Regierung kontrollierten Gebieten sind die Richter einer vielfältigen politischen Einflussnahme durch staatliche Amtsträger ausgesetzt. In den unter Kontrolle der al-Schabaab-Miliz stehenden Gebieten wird das Prinzip der Gewaltenteilung gemäß der theokratischen Ideologie der al-Schabaab nicht anerkannt. Zu den anderen, weder von Regierung, noch von al-Schabaab, sondern von weiteren Clan- oder anderen Milizen kontrollierten Gebieten liegen keine gesicherten Erkenntnisse vor. Es ist aber nach Einschätzung von Beobachtern davon auszugehen, dass Rechtsetzung, Rechtsprechung und Rechtsdurchsetzung zumeist in der Hand einer kleinen Gruppe von Notabeln (z.B. "Clanältesten") liegen. Von einer Gewaltenteilung ist nicht auszugehen. Die Rolle des Staatsschutzes liegt in der Hand der National Intelligence and Security Agency (NISA). NISA ist mit exekutiven Vollmachten ausgestattet.

 

ad c) Somaliland

 

Die Ausführungen zu Süd-/Zentralsomalia gelten analog mit der Einschränkung, dass in Puntland und Somaliland keine Gebiete dauerhaft unter der Kontrolle der al-Schabaab-Miliz stehen. Die Einrichtung einer nachrichtendienstlich arbeitenden Innenbehörde ist rechtlich nicht geregelt. Allerdings gibt es dem Vernehmen nach eine Einheit mit vergleichbaren Aufgaben (AA 07.03.2018).

 

Obwohl es gerade in Somaliland eine viel klarere Gewaltenteilung gibt, neigt die Exekutive dennoch dazu, sowohl die Legislative als auch die Justiz in erheblichem Maße zu beeinflussen. Puntland und Somaliland haben beide ein unabhängiges und formal strukturiertes hierarchisches Gerichtssystem etabliert. Die Gerichte in Süd- und Zentralsomalia und Somaliland laufen parallel zu zwei anderen Rechtssystemen: Dem Gewohnheitsrecht (Xeer), das von Fall zu Fall verhandelt und von den Ältesten umgesetzt wird; sowie das islamische Scharia-Gesetz, das in verschiedenen Gerichten und Orten unterschiedlich ausgelegt wird. Es gibt also verschiedene Versionen des Scharia-Gesetzes, und es gibt Spannungen bezüglich der Auslegung des islamischen Rechts. Die Verfassung von Somaliland ermöglicht die Existenz eines zivilen Rechtsystems, dem Scharia-Recht und dem Gewohnheitsreicht, solange diese dem Scharia-Gesetz nicht widersprechen. Die drei Rechtssysteme widersprechen sich aber teilweise, und das Land hat es bisher nicht geschafft, sie zu harmonisieren. Dennoch hat Somaliland eine legale Infrastruktur und ein Gerichtssystem aufgebaut, das die meisten städtischen Zentren erreicht (BTI 2018).

 

Aufgrund des weiterhin ungeklärten internationalen Status Somalilands, einer möglichen Infiltration durch radikal-islamistische Gruppen und der ungeklärten Grenze zu Puntland haben die Sicherheitsorgane eine besonders starke Stellung. Ihre zivile Kontrolle durch die politischen Führer ist stärker als im Rest des Landes, aber gleichwohl lückenhaft. Auch in Somaliland wurden entgegen der Verfassung nach wie vor Zivilpersonen vor Militärgerichte gestellt und von diesen verurteilt. Im Kalenderjahr 2016 kam es zu 29 dokumentierten Fällen in Hargeisa. Die Verfahren der Militärgerichte waren in der Regel unzureichend, beschränkten das Recht auf Rechtsbeistand und ignorierten die grundlegenden Standards eines fairen zivilrechtlichen Strafverfahrens (AA 07.03.2018).

 

Die Verfassung von Somaliland erlaubt drei Rechtssysteme, die auf dem Scharia Recht, dem Zivilrecht und dem Gewohnheitsrecht basieren. Islamische Gerichte regeln in erster Linie Familienangelegenheiten, haben aber in der Wirtschaft, deren Vertreter schnelle Urteile zu schätzen wissen, zunehmend an Bedeutung gewonnen. Obwohl säkulare Gesetze, einschließlich des alten somalischen Strafgesetzbuches, landesweit angewendet werden, rangieren diese in der Wertigkeit unterhalb des traditionellen Rechts, da die Kapazitäten der Gerichte begrenzt sind und Richter und Anwälte mangelnde Ausbildung und Expertise bezüglich säkularer Gesetze aufweisen (BTI 2018).

 

(AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, Stand Januar 2018, 07.03.2018

 

BTI, Bertelsmann Stiftung, County Report, Somalia 2018, https://www.bti-project.org/en/reports/country-reports/detail/itc/som/ity/2018/itr/esa )

 

Folter/Unmenschliche Behandlung

 

ad a) in Süd- und Zentralsomalia

 

Die Aktionen der staatlichen Sicherheitskräfte und insbesondere der Nachrichtendienst NISA entziehen sich oftmals der öffentlichen Kontrolle. Gleichzeitig bekennt sich die Regierung zu ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen. Vorwürfe aufgrund systematischer Verfolgung werden nicht erhoben. Jedoch kann im Einzelfall nicht ausgeschlossen werden, dass Sicherheitskräfte den entsprechenden völkerrechtlichen Verpflichtungen nicht nachkommen und bei Verstößen straffrei davonkommen. In den von al-Schabaab kontrollierten Gebieten ist regelmäßig von unmenschlicher Behandlung im Sinne des Übereinkommens auszugehen, wenn einzelne Personen gegen die Interessen von al-Schabaab handeln oder dessen verdächtigt werden (AA 07.03.2018).

 

ad c) Somaliland

 

Auch die dortigen Sicherheitskräfte entziehen sich in ihrem Handeln weitgehend der öffentlichen Kontrolle. Vorwürfe aufgrund systematischer Verfolgung werden nicht erhoben (AA 07.03.2018).

 

Obwohl die demokratischen Institutionen in Somaliland relativ stabil sind, verfügen sie nicht über ausreichende Ressourcen und Fachwissen (BTI 2018).

 

(AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, Stand Januar 2018, 07.03.2018

 

BTI, Bertelsmann Stiftung, County Report, Somalia 2018, https://www.bti-project.org/en/reports/country-reports/detail/itc/som/ity/2018/itr/esa )

 

Korruption/Dokumente

 

In Somaliland ist die Korruption nach wie vor ein ernstes Problem und wird oft auf Clan-Basis praktiziert. Während unter der derzeitigen Präsidentschaft von Silanyo rechtliche Verbesserungen vorgenommen wurden, wurden Bedenken hinsichtlich internationaler Verträge geäußert, die von der Somaliland-Regierung für die Erneuerung und Verwaltung des Hafens in Berbera vergeben wurden. Auch das stark militarisierte Vorgehen in den unruhigen östlichen Teilen des Landes wird oft kritisiert, da dadurch auch Geschäftsinteressen der Regierungspartei unterstützt werden (BTI 2018).

 

Somalia stand im Jahr 2016 auf dem letzten Platz des Korruptionswahrnehmungsindexes von Transparency International 176 von 176 (TI 2016). Im Jahr 2017 belegte Somalia im Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International Platz 180 von 180 (TI 2017).

 

Für Somalier ist es einfach, echte Dokumente (fast jeden) unwahren Inhalts zu besorgen. Das gilt auch für unrichtige Pässe der Nachbarländer Dschibuti, Äthiopien und Kenia (AA 07.03.2018).

 

(BTI, Bertelsmann Stiftung, County Report, Somalia 2018, https://www.bti-project.org/en/reports/country-reports/detail/itc/som/ity/2018/itr/esa

 

TI, Transparency International, Corruption Perceptions Index 2016, Somalia, http://www.transparency.org/country/SOM

 

AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, Stand Januar 2018, 07.03.2018

 

TI, Transparency International, Corruption Perceptions Index 2017, Somalia, https://www.transparency.org/country/SOM )

 

Menschenrechte

 

Seit dem Ende der Übergangsperiode und dem Beginn des New Deal Prozesses 2013 wurde wiederholt der politische Wille zur umfassenden Reform des Staatswesens (Etablierung von Rechtsstaatlichkeit, Schutz von Menschenrechten, Demokratisierung, Föderalisierung) bekundet. Die Verfassungen für Gesamtsomalia, Puntland und Somaliland bestimmen den Islam zur Staatsreligion und das islamische Recht ("Schari'a") zur grundlegenden Quelle für die staatliche Gesetzgebung. Die Verfassungen bekennen sich aber gleichzeitig zu Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung. Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen hat 1993 das Mandat des Unabhängigen Experten zur Beobachtung der Menschenrechtslage in Somalia geschaffen. Fast jedes Jahr gab es seit her eine Besichtigungsreise. Seit 2014 wird das Amt von Herrn Bahame Nyanduga (TZA) YANDUGA. Er besuchte vier Mal das Land, zuletzt 2017 (AA 07.03.2018).

 

ad a) in Süd- und Zentralsomalia

 

Der Schutz der Menschenrechte ist in Süd- und Zentralsomalia in der Verfassung verankert, ebenso wie die prägende Rolle der Schari'a als Rechtsquelle. Somalia hat folgende Menschenrechtsabkommen ratifiziert:

 

Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung,

 

Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte,

 

Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte,

 

Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe,

 

Übereinkommen über die Rechte des Kindes,

 

Abkommen und Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge

 

ad c) Somaliland

 

Der Schutz der Menschenrechte ist in der Verfassung verankert - ebenso wie die prägende Rolle der Scharia als Rechtsquelle (AA 07.03.2018).

 

(AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, Stand Januar 2018, 07.03.2018)

 

Religion

 

Repressionen aufgrund der Religion spielen in der Bundesrepublik Somalia fast keine Rolle, da es außer den Entsandten, z.B. der Vereinten Nationen, praktisch keine Nicht-Muslime im Land gibt. Über 99% der Somalier sind sunnitische Muslime (AA 07.03.2018).

 

(AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, Stand Januar 2018, 07.03.2018)

 

Todesstrafe

 

Die Todesstrafe wird in allen Landesteilen verhängt und vollzogen, allerdings deutlich seltener in Gebieten unter der Kontrolle der jeweiligen Regierung/Behörden und dort nur für schwerste Verbrechen. In den von al-Schabaab beherrschten Landesteilen wird die Todesstrafe auch für Ehebruch und "Kooperation mit den Feinden des Islam" (d. h. mit der Regierung, der AU-Mission AMISOM, den VN oder Hilfsorganisationen) verhängt und öffentlich, z. T. durch Steinigung, vollzogen. Eine Zusicherung der Nichtverhängung oder des Nichtvollzugs der Todesstrafe erscheint im Hinblick auf die jeweiligen Regierungen sehr unwahrscheinlich, im Hinblick auf die von al-Schabaab kontrollierten Gebiete aussichtslos (AA 01.01.2017).

 

Es gab insgesamt 14 Exekutionen im Jahr 2016 in der Bundesrepublik Somalia, davon 01 in Puntland, 06 in Somaliland und 07 im Gebiet der Zentralregierung (AI 11.04.2017). Die Zahl der Exekutionen betrug im Jahr 2017 24, davon 12 in Puntland und 12 im Gebiet der Zentralregierung (AI 12.04.2018).

 

(AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, Stand November 2016, 01.01.2017

 

AI, Amnesty International, Death Sentences and Executions 2016, 11.04.2017, https://www.amnesty.org/en/documents/act50/5740/2017/en

 

AI, Amnesty International, Death Sentences and Executions 2017, 12.04.2018,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1429291/90_1523523827_act5079552018english.pdf )

 

Grundversorgung

 

ad a) in Süd- und Zentralsomalia

 

Somalia gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Der langjährige Bürgerkrieg sowie häufige Dürre- und Flutkatastrophen führen dazu, dass sich ein erheblicher Teil der Bevölkerung nicht ausreichend mit Lebensmitteln und Trinkwasser versorgen kann. Gerade in den letzten Jahren fielen die Niederschläge immer wieder deutlich unterdurchschnittlich aus, was die Nahrungsversorgung der Bevölkerung erschwerte. Die weitgehend nomadisch lebende Bevölkerung musste durch ein breit aufgestelltes Hilfsprogramm vor allem von Seiten des Welternährungsprogrammes unterstützt werden. Der humanitäre Bedarf wird in 2018 auf 1,5 Mrd. USD geschätzt. Bei den gängigen Indikatoren zur Messung der wirtschaftlichen Entwicklung liegt Somalia zumeist auf den letzten Plätzen: Bruttosozialprodukt, Lebenserwartung, Müttersterblichkeit, Kindersterblichkeit. Das Land ist seit Jahrzehnten auf Nothilfemaßnahmen aus dem Ausland angewiesen und ist der größte Empfänger von Nahrungsmittelhilfe weltweit. Gleichzeitig macht das Land in jüngster Zeit gute Fortschritte bei der Normalisierung seiner Beziehungen zu den internationalen Finanzinstitutionen: mit der Perspektive auf Schuldenerlass im IWF-Rahmen und dem anschließenden Zugang zu konzessionären Darlehen wird Somalia in den kommenden Monaten eine erste wichtige Etappe auf dem langfristigen Weg zu einer Anbindung an die globalen Finanzmärkte und die Eingliederung in den internationalen Zahlungsverkehr nehmen. Zusammen mit einer wachsenden Mobilisierung inländischer Steuereinnahmen sowie der bevorstehenden Bereitstellung von Budgethilfe durch die EU in Höhe von 100 Mio. Euro (und ähnlichen Programmen von Weltbank und Norwegen) hat Somalia nunmehr das Potenzial einen positiven makroökonomischen Kurs einzuschlagen (AA Wirtschaft Stand Oktober 2018 abgefragt 08.01.2019).

 

ad c) Somaliland

 

Somaliland hat keine Steuer- oder Schuldenpolitik und regelt die Wirtschaft nicht aktiv. Die Umsatzbasis von Somaliland stieg von 84 Millionen Dollar im Jahr 2011 auf 114 Millionen Dollar im Jahr 2014. Wie in Süd- und Zentralsomalia bestehen sich die Einnahmen weitgehend aus Gebühren und Gewerbesteuern. In Somaliland werden Privatunternehmen als Hauptmotor der Wirtschaftstätigkeit angesehen, nur der Hafen von Berbera und die Flughäfen befinden sich in Staatsbesitz. Die Wirtschaftsstruktur von Somaliland unterscheidet sich nicht wesentlich von Süd- und Zentralsomalia. Die Weltbank schätzte das BIP von Somaliland im Jahr 2012 auf 1,6 Milliarden Dollar. Auch hier sind Nutztiere und Dienstleistungen der Hauptantrieb des BIP, während die Wirtschaft im Allgemeinen vom Konsum angetrieben wird und von Importen abhängig ist (BTI 2018).

 

In der früheren britischen Kolonie Somaliland, die sich 1991 für unabhängig erklärt hat (international aber nicht anerkannt wird) und in der ein gewisser Grad an Stabilität erreicht wurde, sind durchweg bessere Entwicklungsindikatoren als im restlichen Teil Somalias zu verzeichnen. Mehr Mütter überleben Schwangerschaft und Geburt, mehr Kinder gehen zur Schule, mehr Menschen haben Zugang zu Trinkwasser und medizinischer Versorgung. Ähnliches gilt für den Gliedstaat Puntland. Gleichwohl ist die Datenbasis für Gesamtsomalia dürftig. Alle Schätzungen internationaler Organisationen sind nur bedingt aussagekräftig. In den vergleichsweise sicheren Regionen im Norden des Landes, vor allem in Somaliland, hat der Handel über die Seehäfen (Berbera, Bosasso) und die wirtschaftliche Betätigung insgesamt einen spürbaren Aufschwung genommen. Davon profitiert jedoch bislang fast ausschließlich die dort lebende Stadtbevölkerung. (AA Wirtschaft Stand Oktober 2018 abgefragt 08.01.2019).

 

In Somaliland, wo 1997 Friede und politische Stabilität geschaffen wurde, haben sich die Bildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten verbessert. Diese Möglichkeiten basieren auf der Zusammenarbeit von staatlichen Organen mit lokalen Gemeinschaften und externen Spendern, einschließlich der Diaspora. Der private Bildungssektor boomt und mehrere Universitäten und Hochschulen bieten Hochschulbildung in ganz Somaliland an. Auch in Puntland und Teilen Südsomalias, vor allem in Mogadischu, boomt die Ausbildung bis zum tertiären Niveau. Dennoch sind die Lehrpläne recht vielfältig, und ausreichende Ressourcen und Unterlagen sind oft knapp (BTI 2018).

 

Zwischen April und Anfang Juni führten schwere saisonale Regenfälle zu weit verbreiteten Überschwemmungen in der Bundesrepublik Somalia, wobei Fluss-und Sturmfluten etwa 830.000 Menschen betrafen und schätzungsweise 290.000 Personen vertrieben wurden, so die UNO. Darüber hinaus ist der Tropenzyklon Sagar am 19.05.2018 auf den Nordwesten Somalias getroffen, schätzungsweise 228.800 Menschen waren davon betroffen und es gab mehr als 50 Todesfälle. Trotz des Zyklons und hochwasserbedingter Schäden haben überdurchschnittliche saisonale Niederschläge zu einer signifikanten Verbesserung der Nahrungsmittelsicherheit in vielen Gebieten von der Bundesrepublik Somalia geführt, die davor von Dürre betroffen waren. Die Regenfälle haben die Regeneration der Weiden unterstützt und eine überdurchschnittliche Ernte im Juli sowie die überdurchschnittliche landwirtschaftliche Produktion im September werden voraussichtlich den Zugang zu Nahrungsmitteln verbessern. Einige Bewohner benötigen jedoch weiterhin Nahrungsmittelhilfe, insbesondere Binnenvertriebene (IDPs) und arme Pastoralisten (USAID, Fact Sheet 4, 13.07.2018).

 

Die Vorhersagen von FEWS NET (Famine Early Warning Systems Network) deuten auf eine Verbesserung der Nahrungssicherheit in jenen Gebieten, die 2016 bis 2017 von Dürre betroffen waren, hin (UN OCHA 05.07.2018 bis 31.07.2018). Dies gilt auch für Einkommensmöglichkeiten und Marktbedingungen. Zusätzliche Ernten und verbesserte Marktbedingungen werden zu weiteren Verbesserungen führen (FSNAU 01.09.2018).

 

In Nordsomalia werden aus einigen Gebieten immer noch Wasser- und Weidemangel berichtet, da die Gu-Regenzeit dort auch im Jahr 2018 nicht ertragreich ausgefallen ist. Es handelt sich um Teile der Regionen Bari und Nugaal (Puntland), sowie von Sool und Sanaag (Somaliland). Dort findet die Wasserversorgung teils immer noch mit Tanklastwagen statt, rund 48.000 Haushalte sind betroffen. Humanitäre Organisationen wie ACTED sind dort aktiv und konnten für über 31.000 Haushalte samt Vieh die Wasserversorgung wiederherstellen (ACTED 12.09.2018).

 

Nach der Gu-Regenzeit wird von FSNAU und FEWS NET bestätigt, dass sich die Lage bezüglich Nahrungsmittelsicherheit in Somalia insgesamt verbessert hat. Das ist die Folge der Gu-Niederschläge von April bis Juni 2018 und anhaltenden humanitären Maßnahmen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die prognostizierten Ernteerträge die besten seit dem Jahr 2010 werden könnten. Positiv ist auch der Ausblick für die kommenden Deyr-Regenzeit (Anmerkung: Oktober bis Dezember) mit im Mittel überdurchschnittlichen Regenprognosen. Allerdings übersteigt die Gesamtzahl der Bedürftigen noch immer das Niveau vor der Dürrekrise im Jahr 2016. Das kommt daher, dass es während der Dürre zu einer Zunahme der Binnenvertriebenen kam, als Menschen aus unzugänglichen, ländlichen Gebieten Hilfe ist besiedelten Gebieten suchten, weil in diesen Humanitäre Hilfe ankam. Die Gesamtzahl der Binnenvertriebenen wird auf 2,6 Millionen geschätzt. Vor allem vom Verlust ihres Viehs, von Überschwemmungen (im April/Mai 2018, Juba- und Shabelle-Täler) und vom Zyklon Sagar (Mai 2018, Nordsomalia) betroffene Gemeinden werden noch längere Zeit für eine Rehabilitation brauchen. Zwischen Februar und Juli 2018 konnten humanitäre Organisationen 1,9 Millionen Menschen pro Monat erreichen. Die Stufe für akute Unterernährung hat sich verbessert. Die Zahl von an schwerer akuter Unterernährung Betroffenen ist nur bei zwei Gruppen kritisch: Bei den IDPs in Mogadischu und in der Guban Pastoral Livelihood in West-Somaliland (UN OCHA 01.08.2018 bis 05.09.2018). Überhaupt bleiben IDPs die am meiste vulnerable Gruppe (UN OCHA 11.09.2018).

 

Die Preise für unterschiedliche Grundnahrungsmittel haben sich in Mogadischu gegenüber dem Vorjahr drastisch verbilligt und liegen nunmehr unter dem Fünfjahresmittel. Dies betrifft namentlich Bohnen (cowpea), rotes Sorghum und Mais (FEWS NET 31.08.2018).

 

Es wird prognostiziert, dass die erwarteten Regenfälle die Verfügbarkeit von Weiden und Wasser für Nutztiere weiter verbessern werden, ebenso den Zustand und die Vermehrung von Vieh. Der Anbau von Pflanzen in den von Regen betroffenen Anbaugebieten Somalias wird erleichtert, was dazu führen könnte, dass sich die Nahrungsmittelproduktion verbessert (UN OCHA 04.10.2018).

 

Dank der überdurchschnittlich hohen Gu-Regenfälle 2018 (April bis Juni) und einer nachhaltigen humanitären Reaktion waren die Ernten im ganzen Land die besten seit fast einem Jahrzehnt. Die Zahl der "lebensmittelunsicheren" Menschen sank von 6,7 Millionen auf den Höhepunkt der Krise 2017 auf 4,6 Millionen bis September 2018. Nach Angaben des von FAO geführten Somalia-Wasser-und Landinformationsmanagement (SWALIM) waren die Niederschläge im Oktober 2018 in den meisten Teilen Somalias unterdurchschnittlich. Die Niederschlagsleistung im November und Dezember wird die Auswirkungen der Deyr-Saison auf die Nahrungsmittelproduktion bestimmen. Obwohl es erhebliche Verbesserungen bei der Ernährungssicherheit gibt, waren die langfristigen Auswirkungen der Dürre 2017 auf die Existenzgrundlage beträchtlich und es wird mehrere gute Regenzeiten in Folge brauchen, damit sich betroffene Gemeinden erholen können (UN OCHA 05.11.2018).

 

Bild kann nicht dargestellt werden

 

(Karte UN OCHA 01.08.2018 bis 05.09.2018 Vorhersage bis Dezember 2018)

 

UN OCHA, UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs, Somalia, Humanitarian Bulletin, 05.07.2018 bis 31.07.2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1439602/1788_1533044298_3107.pdf

 

BTI, Bertelsmann Stiftung, County Report, Somalia 2018, https://www.bti-project.org/en/reports/country-reports/detail/itc/som/ity/2018/itr/esa

 

USAID, U.S. Agency for International Development, Fact Sheet 4, Kurzbericht zur humanitären Lage 13.07.2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1440482/1788_1534163650_1307.pdf

 

FEWS NET, Food Security and Nutrition Analysis Unit, Famine Early Warning Systems Network, Somalia, Seasonal Monitor, 31.08.2018, https://reliefweb.int/report/somalia/somalia-price-bulletin-august-2018

 

FSNAU, Food Security and Nutrition Analysis Unit, Famine Early Warning System Network, FSNAU-FEWS NET 2018 Post Gu Technical Release, 01.09.2018,

https://reliefweb.int/report/somalia/fsnau-fews-net-2018-post-gu-technical-release-01-sep-2018

 

ACTED, Weiterhin Dürre im Badhan Distrikt, 12.09.2018, https://www.acted.org/en/drought-conditions-continue-to-persist-in-badhan-district

 

UN OCHA, UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs, Somalia, Humanitarian Bulletin, 01.08.2018, bis 05.09.2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1442677/1788_1536238282_0509.pdf

 

UN OCHA, UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs, Somalia, Humanitarian Snapshot (as of 11 September 2018), 11.09.2018,

https://reliefweb.int/report/somalia/somalia-humanitarian-snapshot-11-september-2018

 

UN OCHA, UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs, Somalia, Humanitarian Bulletin, 05.09.2018, bis 04.10.2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1445376/1788_1538748527_0410.pdf

 

UN OCHA, UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs, Somalia, Humanitarian Bulletin, 04.10.2018, bis 05.11.2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1449589/1788_1541688141_0511.pdf

 

AA, Auswärtiges Amt, Somalia, Wirtschaft, Stand Oktober 2018, abgefragt am 08.01.2019,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/somalia-node/-/203134 )

 

Medizinische Versorgung

 

Die medizinische Versorgung ist im gesamten Land äußerst mangelhaft. Die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt nach Angaben der WHO 54 Jahre für Männer und 57 Jahre für Frauen. Mütter und Säuglingssterblichkeit sind laut UNICEF mit die höchsten weltweit. Erhebliche Teile der Bevölkerung haben keinen Zugang zu trinkbarem Wasser oder zu hinreichenden sanitären Einrichtungen. Die öffentlichen Krankenhäuser sind mangelhaft ausgestattet, was Ausrüstung/medizinische Geräte, Medikamente, ausgebildete Kräfte und Finanzierung angeht. Zudem behindert die unzureichende Sicherheitslage ihre Arbeit. Versorgungs- und Gesundheitsmaßnahmen internationaler Hilfsorganisationen mussten auch immer wieder wegen Kampfhandlungen oder aufgrund von Anordnungen örtlicher (islamistischer) Machthaber unterbrochen werden. Die Versorgungslücke, die der Abzug der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) im August 2013 hinterließ, ist nach wie vor nicht geschlossen. Im Mai 2017 hat MSF, zunächst begrenzt auf Puntland, seine Arbeit in Somalia wiederaufgenommen (AA 07.03.2018).

 

Medizinische Grunddienste stehen nicht ausreichend zur Verfügung (Wirtschaft, Stand Oktober 2018, abgefragt am 08.01.2019).

 

Im ganzen Land wurde in diesem Jahr ein deutlicher Rückgang der vorherrschend übertragbaren Krankheiten (AWD/Cholera, Masern und Malaria) verzeichnet. Überwachungsteams beobachten weiterhin Trends bei ausbrechenden Krankheiten. Der Rückgang wurde auf das Ende der Dürrebedingungen und präventive Maßnahmen zurückgeführt, die im letzten Quartal 2017 und Anfang 2018 durchgeführt wurden, wie die oralen Cholera-Impfung(OCV)-Kampagnen, Wasser, Verbesserungen bei Sanitärversorgung und Hygiene (WASH), sowie eine Hygiene-Werbekampagne (UN OCHA 05.11.2018).

 

(AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, Stand Januar 2018, 07.03.2018

 

AA, Auswärtiges Amt, Somalia, Wirtschaft, Stand Oktober 2018, abgefragt am 08.01.2019,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/somalia-node/-/203134

 

UN OCHA, UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs, Somalia, Humanitarian Bulletin, 04.10.2018, bis 05.11.2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1449589/1788_1541688141_0511.pdf )

 

Behandlung nach Rückkehr

 

ad a) in Süd- und Zentralsomalia

 

Über die Behandlung rückgeführter somalischer Staatsangehöriger liegen keine belastbaren Erkenntnisse vor, da insbesondere westliche Staaten Rückführungen nur in sehr begrenztem Ausmaß und ad hoc durchgeführt haben. Staatliche Repressionen sind nicht die Hauptsorge dieser Personengruppe, sondern das gelegentlich unvorhersehbare Verhalten der Sicherheitskräfte, die Sicherheits- und Versorgungslage allgemein sowie mögliche Übergriffe von al-Schabaab. Es gibt keine Aufnahmeeinrichtungen für unbegleitete Minderjährige. Es gibt nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes Rückübernahmeabkommen (MoUs) mit Belgien, Norwegen und Großbritannien, wobei die beiden letzteren Vereinbarungen noch nicht in Kraft sind bzw. noch nicht buchstabengetreu implementiert werden. Der erste Entwurf einer Nationalen Strategie für Migranten, Asylwerber und Flüchtlinge nimmt Bezug auf mögliche Rückübernahmeabkommen im Rahmen des Khartum-Prozesses und Valetta Aktionsplans (AA 07.03.2018).

 

ad c) Somaliland

 

Zu möglichen staatlichen Repressionen gegenüber rückgeführten Somaliern liegen keine Erkenntnisse vor (AA 07.03.2018).

 

Bisher kehrten im Jahr 2018 mehr als 1.300 Somalier aus dem Jemen an ihren Herkunftsort zurück; die Programme für unterstützte spontane Rückkehr wurde 2017 von UNHCR initiiert (UNHCR 07.08.2018). Insgesamt 123.399 somalische Flüchtlinge sind seit Dezember 2014 freiwillig nach Somalia zurückgekehrt. Darunter hat UNHCR 82.840 freiwillige Rückkehrer aus Kenia unterstützt und 3.053 geholfen, die seit 2017 spontan aus dem Jemen zurückgekehrt sind (UNHCR Fact Sheet 30.11.2018).

 

(AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, Stand Januar 2018, 07.03.2018

 

UNHCR, UN High Commissioner for Refugees, Somalia, 07.08.2018, http://www.unhcr.org/news/briefing/2018/8/5b6951b14/unhcr-aids-return-2000-somali-refugees-yemen.html

 

UNHCR, UN High Commissioner for Refugees, Somalia, Fact Sheet 30.11.2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/2001549/67182.pdf )

 

2. Beweiswürdigung:

 

1. Identität des Beschwerdeführers (siehe Feststellungen 1.) kann mangels Vorlage eines somalischen Identitätsdokuments mit Lichtbild nicht festgestellt werden. Sein Alter hat der Beschwerdeführer nur behauptet, in der niederschriftlichen Befragung am 23.01.2015 angegeben von XXXX im Herkunftsstaat zur Schule gegangen zu sein, in der Beschwerdeverhandlung jedoch widersprüchlich von XXXX, weshalb das Alter im Zweifel nicht festgestellt werden kann:

 

"... ? Unterricht zu Hause von bis in

 

Grundschule von XXXX

 

sonstige Ausbildung von bis in

 

Berufsausbildung: keinen

 

Letzter ausgeübter Beruf: keinen ..." (niederschriftliche Befragung 23.01.2015)

 

"... Von XXXX habe ich eine staatliche Schule in XXXX besucht ..."

(niederschriftliche Befragung 24.05.2017)

 

Die Feststellungen zum Glauben (siehe Feststellungen 1.) und zum Leben in XXXX Somaliland beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers.

 

2. Auf Grund des Umstandes, dass die Behauptungen des Beschwerdeführers zur angeblichen Gratisreise bis nach Österreich der allgemeinen Lebenserfahrung widersprechen, sind diese nicht glaubhaft und es kann nicht festgestellt werden, auf welcher Reiseroute, mit welchen Verkehrsmitteln der Beschwerdeführer tatsächlich nach Europa reisen konnte und wie lange die Reise tatsächlich gedauert hat. Das gilt auch für die Behauptung des Beschwerdeführers, dass er für sein Zugticket von Venedig nach München und den verwendeten gefälschten italienischen Fremdenpass nichts bezahlen musste:

 

"...R: Sie haben somit angegeben, dass Sie nur US-Dollar 100,- von Ihrer Mutter für die Reise mitbekommen haben, als Sie XXXX verlassen haben (Anmerkung: niederschriftliche Befragung am 24.05.2017 Seite 05 bzw. Akt BFA Seite 119). Das haben Sie aber schon für die Busreise in die Hauptstadt Äthiopiens, Addis Abeba, gebraucht. Sie mussten aber unterwegs Essen und Schlepper bezahlen. Ich habe Sie heute bereits mehrfach bezüglich des Umstandes belehrt, dass ich Ihre Glaubwürdigkeit beurteilen muss und wie wichtig es in Ihrem Interesse wäre, dass Sie die Wahrheit sagen.

 

P: Kann ich Ihnen etwas erklären. Der Schlepper, der in Addis Abeba war, den habe ich nicht bezahlt. Der Schlepper der in Äthiopien war, hat mich weiter an einen Schlepper im Sudan verkauft. Der sudanesische Schlepper hat mich an einen lybischen Schlepper verkauft. Als ich in Lybien war, musste ich dem Schlepper alles bezahlen. Der Schlepper hat mich geschlagen, und mich schlecht behandelt. Als der Schlepper erfahren hat, dass ich kein Geld habe, hat der Schlepper von mir verlangt, dass ich als Koch arbeite. Ich war dort ein Jahr lang und habe den Schlepper bedient. Nach einem Jahr hat er mich freigelassen und mir gesagt, ich soll weggehen.

 

R: Wir alle wissen, dass tausende und abertausende Menschen versuchen nach Europa zu kommen und die Schlepper versuchen diese Leute auszubeuten um reich zu werden. Aber ausgerechnet Ihnen, als mittellosen Angehörigen eines Minderheitenclans den niemand in der Bundesrepublik Somalia haben will, haben alle anderen Somalier, die selbst um jeden Preis nach Europa wollen, gratis geholfen, damit Sie tausende Kilometer nach Europa, dann auch noch durch ganz Italien über Venedig bis nach München kommen?

 

P: Welche Leute meinen Sie? Das habe ich nicht verstanden.

 

R: Sie mussten auch Ihre Überfahrt nach Italien bezahlen. Sie mussten essen und sind durch ganz Italien bis Venedig gereist und wurden in Ö mit einer Zugfahrkarte für München aufgegriffen. So etwas gibt es nicht gratis. Dafür braucht man Geld.

 

P: Die Leute, die mir geholfen haben, kannten mich und wussten welchem Clan ich angehöre. Als ich in Lybien war und mit dem Schlepper gearbeitet habe, habe ich ihnen geholfen. Sie haben mir nur das Geld für das Ticket gegeben, es war nicht teuer. Als ich in Italien war gab es eine Kirche in der ich gratis essen konnte. Da musste ich nichts bezahlen.

 

R: Sie haben für einen Schlepper gearbeitet? Haben Sie selbst auch als Schlepper gearbeitet?

 

P: Ich habe nicht als Schlepper gearbeitet, sondern nur für ihn gekocht.

 

R: Woher hatten Sie den von Ihnen in Österreich vorgelegte gefälschte italienische Fremdenpass, wenn Sie angeblich aus armen Verhältnissen stammen? So etwas bekommt man ja nicht überall gratis; für so etwas lassen sich die Fälscher bezahlen.

 

P: Eine Frau hat mir geholfen. Es hat nicht viel gekostet, sie hat bezahlt. Ich habe gehört, als ich in Ö angekommen bin, dass dieser gefälschte Pass nicht so teuer war.

 

R: Ich sehe es als Teil des Verständnisses der österreichischen Rechtsordnung, vor Behörden und Gerichten ausschließlich wahre Angaben zu machen. Wenn jemand dazu nicht bereit wäre, würde ich nicht davon ausgehen, dass er die österreichische Rechtsordnung respektiert; Letzteres ist meiner Meinung nach, aber ein Ausdruck dafür, ob jemand in Österreich integriert ist oder nicht.

 

P: Ich sage nur die Wahrheit..." (Verhandlungsschrift Seite 12f)

 

Zudem ist nicht zu übersehen, dass der Beschwerdeführer erst nachdem sein gefälschter italienischer Reisepass sichergestellt wurde, in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Von einer Person, die im Herkunftsstaat um ihr Leben fürchtet wäre jedoch zu erwarten, dass diese versucht vor der Ausreise eine Möglichkeit zu finden an einem anderen Ort im Herkunftsstaat zu bleiben, oder zumindest in einem Nachbarstaat bzw. noch am selben Kontinent, oder spätestens im ersten sicheren Land in Europa, somit in Italien, einen Antrag auf internationalen Schutz stellt. Aber selbstverständlich wäre dieses Verhalten für sich alleine nicht ausreichend gewesen, daraus automatisch darauf schließen zu können, dass die behaupteten Probleme im Herkunftsstaat nicht den Tatsachen entsprechen.

 

Der Beschwerdeführer hat im Verfahren angegeben, dass er dem Clan der Gabooye angehört und die Bundesrepublik Somalia verlassen hat, weil er wegen seiner Clanzugehörigkeit von Jugendlichen und/oder der Polizei diskriminiert und misshandelt, sowie von der Polizei zwei Mal inhaftiert wurde:

 

Der Beschwerdeführer hat angegeben aus XXXX, aber nicht aus XXXX, in dem die Gabooye üblicherweise leben (siehe Länderfeststellungen 5.) zu stammen:

 

"...A: Die sind immer noch in XXXX Somalialand..."

(niederschriftliche Befragung am 24.05.2017)

 

"...R: Ich habe XXXX nicht gefunden. Ich habe aber einen Ort namens XXXX gefunden. Das klang Ihren Angaben noch am Ähnlichsten. Kennen Sie XXXX?

 

P: Das sagt man so. Aber eigentlich stimmts auch XXXX..."

(Verhandlungsschrift Seite 07).

 

In der niederschriftlichen Befragung am 23.01.2015 behauptet der Beschwerdeführer bis XXXX die Schule besucht und nie gearbeitet zu haben, widersprüchlich dazu in der Befragung am 24.05.2017, am Nachmittag nach der Schule und ab 2013 Vollzeit immer als Schuhmacher und Schuhputzer gearbeitet zu haben. In der Beschwerdeverhandlung neu, dass er auch seinem Vater bei dessen Arbeit als Werkzeug-/Messermacher geholfen hat. In seinem, in der Beschwerdeverhandlung vorgelegte, Lebenslauf vom November 2016 gibt der Beschwerdeführer jedoch als einzige Berufserfahrung bis zum Jahr 2014 Gartenarbeit mit seiner Familie an:

 

"...Vormittags ging ich immer in die Schule und am Nachmittags arbeitete ich als Schuhmacher. Im Jahr 2013 als ich die Schule beendete arbeitet ich dann ganztägig als Schuhmacher [...]

 

Mein Vater arbeitete als Schmied. Mein Vater machte Werkzeuge (Messer) für jemanden und die Leute haben das Geld nicht gleich bezahlt..." (niederschriftliche Befragung 24.05.2017)

 

"...R: Sie haben in der niederschriftlichen Befragung am 24.05.2017 angegeben, dass Sie mir Ihrer Arbeit als Schuhmacher Ihren Lebensunterhalt in der Bundesrepublik Somalia finanzieren und auch noch Ihrer Familie helfen konnten (Anmerkung: Befragung Seite 03 bzw. Akt BFA Seite 117). Stimmt das?

 

P: Ja. [...]

 

R: Wer konkret sollte Ihnen warum konkret in der Bundesrepublik Somalia etwas antun wollen?

 

P: Ich habe keine Angst getötet zu werden. Ich wurde aber sehr stark diskriminiert. Ich konnte dies nicht mehr aushalten. Ich hatte keine Zukunft in Somalia. Ich konnte nicht arbeiten. Meine Arbeit war, dass ich Schuhmacher und Schuhputzer war. Ich möchte aber ein besseres Leben haben. [...]

 

R: Wann bzw. wie lange haben Sie welchen Beruf in der Bundesrepublik Somalia ausgeübt. Bitte machen Sie möglichst konkrete Angaben.

 

P: Ca. ein Jahr lang habe ich als Schuhmacher und Schuhputzer gearbeitet. Ich habe manchmal meinem Vater geholfen, bevor er gestorben ist. Nachgefragt wann mein Vater gestorben ist, gebe ich an, dass er im Juni 2013 gestorben ist.

 

R: Sie haben ca. ein Jahr vor Ihrer Ausreise als Schuhputzer und Schuhmacher gearbeitet?

 

P: Ja. [...]

 

R: Sie haben anlässlich der niederschriftlichen Befragung am 23.01.2015 angegeben, dass Sie nie einen Beruf ausgeübt haben in der Befragung am 24.05.2017 jedoch zunächst wiederholt, dass Sie als Schuhmacher und Schuhputer gearbeitet haben. In der Beschwerde jedoch, dass Sie gar kein Schuhmacher gewesen seien, sondern Schuhe repariert und geputzt haben. Wie passen diese unterschiedlichen Angaben zusammen?

 

"...Berufsausbildung: keinen

 

Letzter ausgeübter Beruf: keinen..." (Anmerkung: niederschriftliche Befragung am 23.10.2015 Seite 02 bzw. Akt BFA Seite 19).

 

"...Vormittags ging ich immer in die Schule und am Nachmittag arbeitet ich als Schuhmacher. Im Jahr 2013 als ich die Schule beendete arbeitet ich dann ganztätig als Schumacher und Schuhputer, das mache ich dann bis zu meiner Ausreise [...] Ich habe angefangen als Schumacher zu arbeiten..." (Anmerkung: niederschriftliche Befragung am 24.05.2017 Seiten 03 und 05 bzw. Akt BFA Seiten 117 und 119).

 

"...Der BF war auch nicht Schuhmacher", wie im Protokoll irrtümlich vermerkt, sondern er reparierte lediglich Schuhe auf der Straße, und putzte Schuhe..." (Anmerkung: Beschwerde Seite 05 bzw. Akt BFA Seite 239).

 

P: Es ist so wie ich heute beschrieben habe. Ich habe Schuhe repariert bzw. genäht und geputzt..." (Verhandlungsschrift Seiten 09 und 14 bis 16)

 

"...Lebenslauf [...]

 

Berufserfahrung/Schnuppertage [...]

 

bis 2014 Gartenarbeit mit meiner Familie..." (Lebenslauf vom November 2016)

 

Hätte der Beschwerdeführer - so wie ursprünglich von ihm angegeben - vor seiner Ausreise nicht arbeiten müssen, hätte das aufgezeigt, dass er einem wohlhabenden, angesehenen Clan angehört und es sich seine Familie leisten kann, dass er nicht arbeiten muss. Hätte er mit seiner Arbeit tatsächlich seinen Lebensunterhalt finanzieren müssen, hätte der Beschwerdeführer gewusst, ob er Schuhe repariert oder sogar gemacht hat und diesbezüglich gleichbleibende Angaben gemacht sowie im Lebenslauf nicht angegeben, dass er bis 2014 nur Gartenarbeit mit seiner Familie verrichte hat. Das Bundesverwaltungsgericht kann jedenfalls nicht feststellen, dass der Beschwerdeführer bis zu seiner Ausreise aus seinem Herkunftsstaat gearbeitet hat bzw. arbeiten musste, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.

 

Der Beschwerdeführer stellte im Jänner 2014 seinen Antrag auf internationalen Schutz, hat im erstinstanzlichen Verfahren behauptet, dass er immer schon Probleme wegen seiner Clanzugehörigkeit gehabt hat, der Anlass für seine Ausreise die letzte polizeiliche Anhaltung samt Misshandlungen am 08.06.2013 war, er aber weiterhin im Elternhaus lebte und erst acht Monate nach diesem Vorfall, im Februar 2013, ausreiste:

 

"... F: Schildern Sie die Gründe, warum Sie ihr Heimatland verlassen und eine Asylantrag gestellt haben [...]

 

Ich ging nach Hause und am Abend wurde ich dann von der Polizei abgeholt und inhaftiert. Ich wurde dann auch geschlagen. Am nächsten Tag kam dann meine Mutter zu mir ins Gefängnis. Sie wurde dann aufgefordert 50.- USD zu zahlen. Meine Mutter lieh sich das Geld von jemandem aus und bezahlte es im Gefängnis. So kam ich frei. Meine Mutter hat auch gesehen, dass ich von den Schlägen überall am Körper Beulen hatte. Sie war sehr traurig. Ich bin der älteste Sohn und sie liebt mich über alles. Meine Mutter hat mir dann vorgeschlagen wegzugehen um in ein besseres Land zu kommen wo ich eine bessere Zukunft habe. Meine Mutter gab mir dann 100.- USD, ich weiß nicht woher sie das Geld hatte, und ich verließ dann das Land.

 

F: Gibt es sonst noch andere Gründe, warum, Sie Somalia verlassen haben?

 

A: Nein. Das war alles..." (niederschriftliche Befragung 24.05.2017)

 

"...P: Haben Sie bis zur Ausreise aus der Bundesrepublik Somalia immer nur im Elternhaus gelebt?

 

P: Ja.

 

R: Sie haben in der zweiten Befragung angegeben, dass Sie drei Brüder und zwei Schwestern haben. Leben die immer noch bei Ihrer Mutter in der Bundesrepublik Somalia?

 

P: Ja. [...]

 

R: Sie haben angegeben, dass die fluchtauslösenden Ereignisse, die Schläge von der Polizei nach dem Tod Ihres Vaters Anfang Juni 2013 und die Haft wegen des Vorfalls mit dem Nagel danach ca. am 08.06.2013 war, Sie aber erst im Februar 2014 Ihren Entschluss gefasst haben auszureisen und das auch gemacht haben. Sie haben sich somit - nach den von Ihnen geschilderten fluchtauslösenden Vorfällen - noch acht Monate zu Hause aufgehalten:

 

"...Wann haben Sie den Entschluss zur Ausreise aus Ihrem Herkunftsstaat gefasst?

 

Im Februar 2014 [...]

 

Wann und womit haben Sie Ihre/n Heimat/Herkunftstat verlassen?

 

Im Februar 2014 in einem PKW..." (Anmerkung: niederschriftliche Befragung am 23.10.2015 Seite 03 bzw. Akt BFA Seite 21).

 

"...Wann habe Sie die Ausreise angetreten?

 

A: Im Februar 2014 [...]

 

F: Wann war der Vorfall als Sie einen anderen jungen Mann mit einem Nagel gestochen haben?

 

A: Mein Vater starb im Juni 2013. Der Vorfall als ich den anderen Burschen starb war glaube ich am 8. Juni. Nachgefragt der Vorfall als ich den Burschen gestochen habe war nachdem mein Vater gestorben ist.

 

F: Das bedeutet Ihr Vater ist dann Anfang Juni 2013 verstorben?

 

A: Ja das stimmt..." (Anmerkung: niederschriftliche Befragung am 24.05.2017 Seiten 04 und 05 bzw. Akt BFA Seite 118 und 119).

 

P: Es stimmt, ich war diese acht Monate in Somalia. Meine Mutter wollte immer, dass ich weggehe. Sie wollte mein Reisegeld organisieren. Meine Mutter hatte immer große Angst, dass ich so wie mein Vater getötet werde..." (Verhandlungsschrift Seiten 07 und 19).

 

Hätte die polizeiliche Anhaltung tatsächlich stattgefunden und wäre der Ausreisegrund, hätte der Beschwerdeführer nicht einfach acht Monate weiterhin im Elternhaus gelebt; es fehlt der zeitliche Konnex zwischen fluchtauslösendem Ereignis und Ausreise.

 

Der Beschwerdeführer hat im erstinstanzlichen Verfahren angegeben, dass er zwei Mal die Polizei von sich aus aufgesucht habe. Anlässlich des zweiten Besuchs sei er zum ersten Mal angehalten und misshandelt worden. Widersprüchlich dazu gab der Beschwerdeführer in der Beschwerdeverhandlung jedoch an, dass er nur einmal von sich aus zur Polizei gegangen sei.

 

"... Mein Vater war krank, er hatte Asthma. [...] Sie wollten aber das Geld nicht zahlen und schlugen meinen Vater. [...] Meinen Vater ging es schlecht, er konnte nicht richtig armen. Dann wurde er ins Krankenhaus eingeliefert. Am Weg ins Krankenhaus verstarb er aber. Wir waren alle traurig wie das ist wirklich unfair. Wir haben dann entschlossen zur Polizei zu gehen um eine Anzeige zu machen. Wir sind also zur Polizei gegangen aber es wurde uns nicht geholfen [...] Ich bin dann wieder zur Polizei gegangen und sagte der Polizei entweder werden sie die Männer verhaften oder ich werde diesen Männer etwas antun. Ich wurde dann von der Polizei mit einem Gürtel geschlagen und war dann auch einen Tag in Haft. Am nächsten Tag wurde ich freigelassen ..." (niederschriftliche Befragung 24.05.2017)

 

"...R: Wie oft waren Sie und/oder Familienmitglieder wann bei der somalischen Polizei und was konkret haben Sie dort gemacht? Bitte möglichst konkrete Angaben.

 

P: Meine Mutter war mehrmals bei der Polizei. Ich war nur einmal alleine bei der Polizei. Es war eine kleine Polizeistation.

 

R: Sie waren nur einmal alleine bei der Polizei, Ihre Mutter öfter ohne Sie?

 

P: Ja.

 

R: Was konkret haben Sie bei der Polizei gemacht?

 

P: Ich war wegen meines Vaters dort. Ich wollte fragen, warum sie bis jetzt nichts gemacht haben, wegen der Leute die meinen Vater getötet haben..." (Verhandlungsschrift Seite16)

 

Selbstverständlich ist der Umstand, dass der Beschwerdeführer zunächst angibt zwei Mal wegen des Todes seines Vaters Anfang Juni 2013 zu Polizei gegangen zu sein, später jedoch, nur einmal, zunächst nicht gravierend. Dazu kommt aber, dass der Beschwerdeführer in der erstinstanzlichen Befragung angegeben hat, dass er, als er zum zweiten Mal wegen seines Vaters freiwillig die Polizei aufgesucht hat, in Haft genommen, misshandelt wurde und am nächsten Tag einfach gehen konnte. Als er danach absichtlich jemanden mit einem Nagel verletzt hat, wurde er am 08.06.2013 zu Hause festgenommen, kam wieder in Haft, diesmal konnte er aber nur gehen, weil ihn seine Mutter gegen US $ 50.- freigekauft hat. In der Beschwerdeverhandlung schilderte der Beschwerdeführer den Vorfall jedoch genau umgekehrt. So soll ihn seine Mutter anlässlich der ersten Haft gegen US $ 50.- freigekauft haben:

 

"...Ich bin dann wieder zur Polizei gegangen und sagte der Polizei entweder werden sie die Männer verhaften oder ich werde diesen Männer etwas antun. Ich wurde dann von der Polizei mit einem Gürtel geschlagen und war dann auch einen Tag in Haft. Am nächsten Tag wurde ich freigelassen [...] Eines Tages habe ich mit einem Nagel - welchen ich normalerweise für die Schuhe verwende - jemanden gestochen. Ich ging nach Hause und am Abend wurde ich dann von der Polizei abgeholt und inhaftiert. Ich wurde dann auch geschlagen. Am nächsten Tag kam dann meine Mutter zu mir ins Gefängnis. Sie wurde dann aufgefordert 50.- USD zu zahlen. Meine Mutter lieh sich das Geld von jemandem aus und bezahlte es im Gefängnis. So kam ich frei ..." (niederschriftliche Befragung 24.05.2017)

 

"...R: Was konkret haben Sie bei der Polizei gemacht?

 

P: Ich war wegen meines Vaters dort. Ich wollte fragen, warum sie bis jetzt nichts gemacht haben, wegen der Leute die meinen Vater getötet haben. Ich weiß nicht, wie ich reagiert habe, aber sie haben mich schlecht behandelt und mit dem Gürtel geschlagen. Am nächsten Tag kam meine Mutter und hat 50 USD bezahlt, damit ich befreit werde. Ich weiß nicht woher sie das Geld hatte, ich glaube von ihrem Nachbarn. Ich kam frei, ging danach in die Schule, nein ich ging nicht mehr in die Schule.

 

R: Sie wurden wegen Ihres Vaters in der Polizeistation geschlagen und Ihre Mutter hat Sie gegen 50 USD ausgelöst?

 

P: Ja..." (Verhandlungsschrift Seiten 16f)

 

Wäre der Beschwerdeführer tatsächlich von der Polizei misshandelt worden und hätte seine Mutter gebraucht um freizukommen, würde er gleichbleibende Angaben machen.

 

Die Angaben des Rechtsanwaltes in der Beschwerdeverhandlung, wonach, wenn man einige Male auf der Straße straflos geschlagen und beleidigt werden könne, eine Haft von einem Tag keinesfalls ein herausragendes, besonders einprägsames Ereignis sei, weshalb man diese vergessen könne zu erwähnen, kann nicht überzeugen, führte der Beschwerdeführer die beiden polizeilichen Anhaltungen, vor allem die letzte, in der zweiten niederschriftlichen Befragung ausdrücklich als Ausreisegrund an:

 

"...R: Wann konkret waren Sie wie lange im Herkunftsstaat in Haft? Bitte möglichst konkrete Angaben.

 

P: Ich war in XXXX nur einen Tag in Haft. Als ich Lybien war, war ich beim Schlepper in einem Zimmer eingesperrt.

 

R: Sie waren in Ihrem Herkunftsstaat nur einmal einen Tag in Haft?

 

P: Ja, das ist richtig. Nein, nein, es gab noch andere Male. Ich habe einmal mit einem anderen Jugendlichen gestritten, weil sie mir mein Geld wegnehmen wollten. Einen habe ich verletzt.

 

R: Gut, dass Ihnen das doch noch eingefallen ist. Wie lange waren Sie in Haft?

 

P: Nur eine Nacht. Ich bin mir nicht sicher, da es schon lange her ist.

 

R: Bei einem dermaßen einprägsamen Erlebnis vergessen Sie es fast zu erwähnen und wissen dann nicht mehr sicher wie lange Sie in Haft waren?

 

P: Ich bin ein Mensch und ich kann vergessen.

 

R: Sie haben anlässlich der niederschriftlichen Befragung am 23.01.2015 zu Ihrem Fluchtgrund angegeben, dass Sie von der Polizei misshandelt und rausgeschmissen wurden, am 24.05.2017 jedoch, dass Sie auch noch in Haft waren. Warum haben Sie das nicht schon am 23.01.2015 angegeben, das wären doch nur drei Worte mehr gewesen und Haft ist doch ein dramatischer Umstand? "...11. Warum haben Sie ihr Land verlassen (Fluchtgrund).

 

Ich komme aus einer total armen Familie, welche keine Rechte in Somalia hat. Wir werden von anderen Stämmen in Somalia bedroht und geschlagen. Deshalb ging ich zur Polizei, und dort wurde ich auch misshandelt und rausgeschmissen. ..." (Anmerkung: niederschriftliche Befragung am 23.10.2015 Seite 05 bzw. Akt BFA Seite 25).

 

P: Es war nicht nur einmal, es war mehrmals. Ich habe die Polizei um Hilfe gebeten, sie haben mir nicht geholfen sondern mich rausgeschmissen. Als die Jugendlichen mir mein Geld wegnehmen wollten, habe ich einen auf der Straße befindlichen Polizisten um Hilfe gebeten.

 

R: Ich wollte jetzt nicht den Fluchtgrund hören, sondern habe gefragt, warum Sie so ein einprägsames Erlebnis mit keinem Wort erwähnt haben.

 

PV: Wenn man ein ganzes Leben Tag für Tag dermaßen ausgegrenzt, gedemütigt, erniedrigt an den Rand gedrängt, als Unrein betrachtet, als Mensch dritter Klasse, als Paria behandelt wird. Wenn der Schulalltag aus Misshandlungen, Demütigen und Beschimpfungen anderer Mitschüler besteht, wenn sich auch der Lehrer einreiht, wenn man nur eine niedrige Tätigkeit, die als unrein gilt verrichten darf, wenn man unzählige Male straflos geschlagen und beleidigt werden kann auf der Straße, dann ist eine Haft von einem Tag keinesfalls ein herausragendes, besonders einprägsames Ereignis.

 

R am P: PV ist laut und heftig bzw. emotional, er spricht aber in Ihrem Sinn, Sie müssen sich nicht fürchten. XXXX, bitte fahren Sie fort.

 

PV: Der Fristsetzungsantrag ist Ausdruck seines enormen Willens ein Leben zu haben. Es gibt schon berichte über die Situation über die Minderheitenclans, aber alle Berichte leiden unter einem großen Manko, niemand fragt die Betroffenen. Es gibt keine Feldstudien, Betroffene werden nicht gefragt. Einzige Ausnahme, ich verweise auf die Beschwerde Seite 8.

 

Anmerkung: PV betont nochmals ausdrücklich den vorletzten Absatz auf Seite 8 (teilweise in Fettschrift).

 

R: Auch zu Beginn der Befragung am 24.05.2017 haben Sie eine Haft und sogar die Probleme mit Behörden ausdrücklich verneint, nur um kurz danach von zwei Anhaltungen/Inhaftierungen zu erzählen:

 

"...F: Sind Sie vorbestraft oder waren Sie in Ihrem Heimaland inhaftiert oder hatten Sie Probleme mit den Behörden in der Heimat?

 

A: Nein. [...]

 

Ich bin dann wieder zur Polizei gegangen und sagte der Polizei entweder werden sie die Männer verhaften oder ich werde diese Männern etwas antun. Ich wurde dann von der Polizei mit einem Gürtel geschlagen und war dann auch einen Tag in Haft. Am nächsten Tag wurde ich frei gelassen [...]

 

Einen dieser Jungen habe ich mit dem Nagel gestochen. Ich wurde dann auch geschlagen. Am nächsten Tag kam dann meine Mutter zu mir ins Gefängnis. Sie wurde aufgefordert 50.- USD zu zahlen. Meine Mutter lieh sich das Geld von jemandem aus und bezahlte es im Gefängnis. So kam ich frei..." (Anmerkung: niederschriftliche Befragung am 24.05.2017 Seiten 04 und 05 bzw. Akt BFA Seiten 118 und 119).

 

P: Ich habe Nein gesagt, weil ich nicht lange in Haft war und nichts Verbotenes gemacht habe. Als ich diese Haft geschildert habe, das war mein Fluchtgrund, habe ich gesagt, dass ich einmal einen Tag und das zweite Mal eine Nacht dort verbracht habe..."

(Verhandlungsschrift Seite 17f)

 

Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass der Beschwerdeführer persönlich unglaubwürdig ist, die Clanzugehörigkeit und die damit in Verbindung stehenden Ausreisegründe nicht den Tatsachen entsprechen und, wie auch aus den Länderfeststellungen hervorgeht, die vom Beschwerdeführer bloß behauptete Zugehörigkeit zu einem Minderheitenclan als ein Mittel eingesetzt wird, Asyl zu bekommen. Das Bundesverwaltungsgericht geht in Folge davon aus, dass sämtliche vom Beschwerdeführer im Asylverfahren geschilderten Probleme wegen seiner angeblichen Clanzugehörigkeit nicht Tatsachen entsprechen.

 

3. Die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer ein gesunder Mann im arbeitsfähigen Alter ist und zu seiner Situation im Herkunftsstaat (siehe Feststellungen 3.), ergeben sich aus seinen Angaben in der Beschwerdeverhandlung. Ebenso die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise immer in Somaliland gelebt hat; diesbezüglich wird auf die nachfolgenden rechtlichen Ausführungen zu Spruchpunkt II. des erstinstanzlichen Bescheides verwiesen.

 

4. Das Alter des Beschwerdeführers konnte nicht festgestellt werden (siehe Beweiswürdigung 1.), er behauptet XXXX Jahre alt zu werden. Die Feststellungen zur Situation des Beschwerdeführers im Bundesgebiet (siehe Feststellungen 4.), gründen auf dessen Angaben im Verfahren, vorgelegte Bestätigungen sowie auf Abfragen in den entsprechenden amtlichen österreichischen Registern (Zentrales Melderegister, Zentrales Fremdenregister, Grundversorgungs-Informationssystem, Strafregister); diesbezüglich wird auf die nachfolgenden rechtlichen Ausführungen zu Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides verwiesen.

 

5. Die Feststellungen zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers (siehe Feststellungen 5.) beruhen auf dem in der Beschwerdeverhandlung am 18.12.2018 dargetanen Dokumentationsmaterial und etwas aktuelleren Berichten derselben Quellen. Die Parteien des Beschwerdeverfahrens haben keinen Einwand gegen die Heranziehung dieser Informationsquellen (deren Inhalt sich seit der letzten Beschwerdeverhandlung am 18.12.2018 nicht entscheidungswesentlich geändert hat) erhoben. Die herangezogenen Berichte und Informationsquellen stammen hauptsächlich von staatlichen Institutionen oder diesen nahestehenden Einrichtungen und es gibt keine Anhaltspunkte dafür, Zweifel an deren Objektivität und Unparteilichkeit aufkommen zu lassen.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Zu A) Abweisung der Beschwerde

 

Zu Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl

 

In Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm

 

§ 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen.

 

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des

 

Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention definiert, dass als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind (§ 11 Abs. 1 AsylG).

 

Der Beschwerdeführer hat in Verfahren angegeben ausschließlich wegen Problemen in Zusammenhang mit seiner Clanzugehörigkeit die Bundesrepublik Somalia verlassen zu haben. Der Rechtsanwalt hat in der Beschwerdeverhandlung wiederholt auf Seite 08 der Beschwerde verwiesen, worin zu den Gabooye zusammengefasst ausgeführt wird, dass aus einem Bericht aus dem Jahr 2012 hervorgeht, dass die Gabooye primär in Somaliland leben und aus einem anderen Bericht aus dem Jahr 2005 hervorgeht, dass sie damals als unrein, sündig und beschmutzt erachtet wurden; was mit den Länderfeststellungen des Bundesverwaltungsgerichts übereinstimmt (siehe Feststellungen 5.). Wie in der Beweiswürdigung ausgeführt (siehe Beweiswürdigung 2.), entspricht jedoch weder das Vorbringen zur Clanzugehörigkeit noch jenes zu den daraus entstandenen Problemen des Beschwerdeführers den Tatsachen.

 

Da der Beschwerdeführer keine wohlbegründete Furcht vor asylrelevanter Verfolgung in seinem Herkunftsstaat glaubhaft machen kann, ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des gegenständlichen Bescheides abzuweisen.

 

Zu Spruchpunkt II. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl

 

In Spruchpunkt II. des Bescheides wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen.

 

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist der Status des subsidiär Schutzberechtigen einem Fremden zuzuerkennen,

 

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, oder

 

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

 

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden (§ 8 Abs. 2 AsylG).

 

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 06.11.2018, Ra 2018/01/0106, unter anderem zusammengefasst ausgeführt, dass § 8 Abs. 1 AsylG - insoweit, als dass für die Gewährung des subsidiären Schutzstatus bereits jegliche reale Gefahr (real risk) einer Verletzung von Art. 3 MRK an sich, unabhängig von einer Verursachung von Akteuren oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat ausreicht - der Rechtsprechung des EuGH widerspricht und mit dieser Bestimmung die unionsrechtlichen Vorgaben der Statusrichtlinie zur Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten im Sinne der Auslegung der Bestimmung des Art. 15 lit. b der Statusrichtlinie iVm

 

Art. 3 Statusrichtlinie fehlerhaft umgesetzt wurden. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH obliegt die sich aus einer Richtlinie ergebende Verpflichtung der Mitgliedstaaten, das in der Richtlinie vorgesehene Ziel zu erreichen, sowie deren Pflicht, alle zur Erfüllung dieser Verpflichtung geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zu treffen, allen Trägern öffentlicher Gewalt der Mitgliedstaaten, einschließlich im Rahmen ihrer Zuständigkeiten den Gerichten (vgl. etwa jüngst EuGH 7.8.2018, C-122/17 , David Smith, Rn. 38, 39, mwN). Zur Erfüllung dieser Verpflichtung verlangt der Grundsatz der unionskonformen Auslegung von den mit der Auslegung des nationalen Rechts betrauten nationalen Gerichten, unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts und unter Anwendung der dort anerkannten Auslegungsmethoden alles zu tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem vom Unionsrecht verfolgten Ziel im Einklang steht. Allerdings findet die Verpflichtung des nationalen Richters, bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts den Inhalt des Unionsrechts heranzuziehen, ihre Schranken in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen und darf nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen (vgl. jüngst EuGH 4.10.2018, C-384/17 , Dooel Uvoz-Izvoz Skopje Link Logistic N&N, Rn. 57, 58, mwN). Das Erfordernis einer unionsrechtskonformen Auslegung umfasst jedoch auch die Verpflichtung der nationalen Gerichte, eine gefestigte Rechtsprechung gegebenenfalls abzuändern, wenn sie auf einer Auslegung des nationalen Rechts beruht, die mit den Zielen einer Richtlinie unvereinbar ist (vgl. jüngst EuGH 11.9.2018, C-68/17 , IR, Rn. 64, mwN).

 

Auch wenn somit davon auszugehen ist, dass § 8 Abs. 1 AsylG der Rechtsprechung des EuGH widerspricht und das Bundesverwaltungsgericht in solchen Fällen gegebenenfalls eine gefestigte Rechtsprechung abzuändern hat, ist dies auf Grund des eindeutigen Wortlauts des § 8 Abs. 1 AsylG nicht möglich bzw. findet hier die Methode der Interpretation ihre Grenze im eindeutigen Wortlaut des Gesetzes, weshalb sich das Bundesverwaltungsgericht nicht darauf beschränken kann auszuführen, dass wegen des nicht glaubhaften Vorbringens, wonach der Beschwerdeführer wegen Problemen in Zusammenhang mit einer Clanzugehörigkeit seinen Herkunftsstaat verlassen haben soll (siehe Beweiswürdigung 2.), im Fall seiner Rückkehr keine Verletzung des Art. 3 MRK erkannt werden kann.

 

Vor dem Hintergrund der genannten Erkenntnisquellen und den darauf basierenden Feststellungen finden sich weder Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer, nach seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat, mit der in diesem Zusammenhang maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer Gefährdungssituation im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG ausgesetzt sein wird noch, dass "außergewöhnliche Umstände" der Rückkehr des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat entgegenstehen. Es lässt sich in diesem konkreten Fall nicht ersehen, dass es dem Beschwerdeführer in der Bundesrepublik Somalia in Somaliland an der notdürftigsten Lebensgrundlage fehlt.

 

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt keineswegs die generell angespannte Lage in der Bundesrepublik Somalia (siehe Länderfeststellungen 5.), allerdings reicht die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK nicht aus. Der Beschwerdeführer behauptet im Herkunftsstaat ausschließlich in XXXX Somaliland gelebt zu haben. Der Beschwerdeführer wäre jedenfalls nicht obdachlos, könnte er doch auch nach seiner Rückkehr wieder mit seiner Mutter uns seinen Geschwistern im Elternhaus leben. Der gesunde, arbeitsfähige Beschwerdeführer hat im Verfahren nicht glaubhaft machen können im Fall der Rückkehr keine Lebensgrundlage vorzufinden bzw. dass seine Grundbedürfnisse nicht gedeckt werden könnten. Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass der Beschwerdeführer aus einem besser gestellten Clan stammt, der seine Reise Richtung Deutschland finanzieren und den Lebensunterhalt des Beschwerdeführers erwirtschaften konnte bzw. der Beschwerdeführer dafür nicht hart arbeiten musste (siehe Beweiswürdigung 2.). Er kann nach seiner Rückkehr wieder von seiner Familie finanziell unterstütz werden bzw. ist es dem gesunden jungen Mann zumutbar einer Arbeit nachzugehen. Wie aus den Länderfeststellungen hervorgeht hat Somaliland im somaliaweiten Vergleich das bislang größte Maß an Sicherheit, Stabilität und Entwicklung erreicht. An der Ostgrenze zu Puntland, in den Regionen Sanaag und Sool, zwischen Somaliland und Puntland kommt es zwar zu kämpfen, da sowohl Somaliland als auch Puntland diese Regionen als Teil ihres Staatsgebiets beanspruchen, wobei die Streitparteien durch eine Pufferzone von etwa 2 km voneinander getrennt sind und am 22.10.2018 ist es zu Clanauseinandersetzungen in der Region Sool gekommen (siehe Feststellungen 5.), allerdings stammt der Beschwerdeführer nicht aus dieser Gegend, sondern aus dem mehr als XXXX, weshalb er davon nicht betroffen ist. Aus den Länderfeststellungen geht zudem hervor, dass im zweiten Quartal 2018 XXXX. Im dritten Quartal 2018 wurden XXXX. Die Situation in XXXX, in Somaliland ist somit nicht derartig, dass jeder Mensch einem Risiko entsprechend Artikel 3 EMRK ausgesetzt wäre.

 

Der Beschwerdeführer hat im Asylverfahren angegeben, wegen seiner Clanzugehörigkeit verfolgt worden und deshalb ausgereist zu sein. Er hat im Verfahren aber nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer tatsächlich dem Clan der Gabooye angehört (siehe Beweiswürdigung 2.). Dass der Beschwerdeführer Hunger leiden müsste, konnte er ebenfalls nicht glaubhaft machen. Aus den Länderfeststellungen geht hervor, dass die Vorhersagen von FEWSNET auf eine Verbesserung der Nahrungssicherheit in jenen Gebieten, die 2016 bis 2017 von Dürre betroffen waren, hindeuten. Nach der Gu-Regenzeit wird bestätigt, dass sich die Lage bezüglich Nahrungsmittelsicherheit in der Bundesrepublik Somalia insgesamt verbessert hat. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die prognostizierten Ernteerträge die besten seit dem Jahr 2010 werden könnten. Positiv ist auch der Ausblick für die kommenden Deyr-Regenzeit (Anmerkung: Oktober bis Dezember) mit im Mittel überdurchschnittlichen Regenprognosen. Der Beschwerdeführer kommt aus einer Region mit der Bewertung gelb (Phase 02 von 04, Lage angespannt), laut Karte von UN OCHA 01.08.2018 bis 05.09.2018 mit Prognose August bis Dezember 2018. Da der Beschwerdeführer nicht aus der Region der Ostgrenze zu Puntland kommt, besteht auch keine Gefahr, dass er zum Binnenvertriebenen werden könnte, sondern kann zu seiner Familie ins Elternhaus nach XXXX zurückkehren, womit er nicht völlig auf sich alleine gestellt ist und nach seiner Rückkehr wieder alle familiären Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat hat.

 

Irgendein besonderes "real risk", dass es durch die Rückführung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat zu einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe kommen wird, kann somit nicht erkannt werden.

 

Im Ergebnis ist daher auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des Bescheides abzuweisen.

 

Zu Spruchpunkt III. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl

 

In Spruchpunkt III. des Bescheides wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus Berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm

 

§ 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Somalia/Somaliland gemäß § 46 FPG zulässig ist.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 des § 10 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wird.

 

Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015, liegen nicht vor, weil der Aufenthalt des Beschwerdeführers weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, geduldet ist, noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist, noch der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt gemäß § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015, wurde.

 

Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (§ 9 Abs. 1 BFA-VG).

 

Gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ist der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre. (§ 9 Abs. 3 BFA-VG, in der Fassung

 

BGBl. I Nr. 70/2015).

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig und in diesem Sinne auch verhältnismäßig ist.

 

Betreffend Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers ist Folgendes zu erwägen:

 

Da alle Verwandten des ledigen, alleinlebenden, kinderlosen Beschwerdeführers nach wie vor in der Bundesrepublik Somalia in Somaliland leben, kann im Fall seiner Rückkehr kein Eingriff in ein Familienleben erkannt werden.

 

Geht man im vorliegenden Fall von einem bestehenden Privatleben des Beschwerdeführers in Österreich aus, fällt die gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK gebotene Abwägung nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes zu Lasten des Beschwerdeführers aus und die Ausweisung stellt jedenfalls keinen unzulässigen Eingriff im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK dar.

 

Im Hinblick auf sein gemäß Art. 8 EMRK geschütztes Recht auf Achtung des Privatlebens ist zu berücksichtigen, dass sich der Beschwerdeführer seit Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides nur 28 Monate im Bundesgebiet aufgehalten hat. Diese Verfahrensdauer ist nicht der Sphäre des Beschwerdeführers zuzurechnen. Der Aufenthalt im Inland war dem Beschwerdeführer aber lediglich auf Grund des gegenständlichen Antrages erlaubt, der sich auf Grund der bewusst unwahren Behauptungen des Beschwerdeführers als unberechtigt erwiesen hat. Der Beschwerdeführer verfügte nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb dieses Asylverfahrens. Der mittlerweile bald vier Jahre dauernde Aufenthalt im Bundesgebiet steht zudem in keinerlei Verhältnis dazu, dass der Beschwerdeführer den bei weitem überwiegenden Teil seines Lebens in der Bundesrepublik Somalia verbracht hat. Der Beschwerdeführer ist nicht aus Furcht vor Verfolgung(sgefahr) aus seinem Herkunftsstaat ausgereist, sondern hat seine angeblichen Probleme im Herkunftsstaat erfunden. Bewusst unwahre Angaben vor einer österreichischen Behörde und bis zuletzt vor dem Bundesverwaltungsgericht bilden keine solide Basis für die Integration des Beschwerdeführers bzw. konnte er schon deshalb nie auf die Erteilung eines dauernden Aufenthaltsrechtes vertrauen und musste sich von Anbeginn der Unsicherheit des Aufenthaltsstatus bewusst sein.

 

Der Beschwerdeführer hat keine zum dauernden Aufenthalt berechtigten Angehörigen im Bundesgebiet. Er verfügt nach wie vor über sehr starke Bindungen zum Herkunftsstaat, hat er doch den bei weitem überwiegenden Teil seines Lebens in seinem Herkunftsstaat gelebt. Der Beschwerdeführer beherrscht seine Muttersprache Somali, sowie Arabisch und kann sich nunmehr auch noch in Deutsch und Englisch verständigen. Es ist jedenfalls davon auszugehen, dass er sich wieder in die somalische Gesellschaft eingliedern kann, wobei er auf die Unterstützung seiner Familienangehörigen zählen darf, womit er nicht völlig auf sich alleine gestellt ist. Nach alledem kann nicht gesagt werden, dass der Beschwerdeführer seinem Kulturkreis völlig entrückt wäre und sich in seiner Heimat überhaupt nicht mehr zurechtfindet.

 

Der Beschwerdeführer verfügt nach seinem bald vierjährigen Aufenthalt in Österreich über soziale Kontakte und hat im XXXX 16 Stunden an einem Erste-Hilfe-Grundkurs teilgenommen. Er hat zahlreiche Einzelkurszeugnisse aus den Jahren 2015 und 2016 in Vorlage gebracht, die er für seinen Pflichtschulabschluss benötigt hat. Im Pflichtschul-Abschlussprüfungszeugnis vom XXXX sind fünf

Prüfungsfächern mit Noten angeführt: Deutsch - Kommunikation und Gesellschaft: genügend grundlegend, Englisch - Globalität und Transkulturalität: gut vertiefend, Mathematik: genügend grundlegend,

Gesundheit und Soziales: gut und Natur und Technik: gut absolviert. Im Jänner und Februar 2018 hat der Beschwerdeführer an einem Deutschkurs auf Pflichtschulniveau teilgenommen. Aktuell hat der Beschwerdeführer das XXXX XXXX absolviert:

 

"...R an D: Bitte nicht übersetzen. [...]

 

R: Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft vor?

 

P: Ich will meine Berufabschluss machen. Danach ich will eigene Firma vielleicht.

 

[...]

 

R: Leben Verwandte in Österreich?

 

P: Wie bitte? Können Sie (Anmerkung: P ersucht D zu übersetzen).

[...]

 

R: Welche Deutschprüfungen haben Sie zuletzt bestanden?

 

P: Ich hab seit 2017, seit 2017 Am Anfang habe ich das erste Mal Deutschkurse besucht, war 9 Monat als sich deutsch gelenrt hab. Dann habe ich das Schulabschluss angefangen, habe geschafft, XXXX. Nach wollte ich Beruf eigentlich machen. Das war schwer zu finden. Ich habe ein Jahr besucht.

 

[...]

 

R: Wie verbringen Sie die Tage. Was machen Sie den ganzen Tag lang?

 

P: Arbeite ich oft. Und ich hab zwei Tage frei. Jetzt ist Winter, kann man nicht draußen spielen, aber gibt's Halle.

 

Anmerkung: P kann sich in Deutsch verständlich machen.

 

R an D: Ab jetzt bitte wieder übersetzen. [...]

 

R: Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft vor?

 

P: Ich möchte mich hier sehr gut integrieren, weiterarbeiten und mir eine Zukunft hier in Ö aufbauen. Ich möchte in Zukunft eine eigene Firma gründen. Ich möchte gerne selbstständig werden.

 

Nachgefragt gebe ich an, dass ich noch nicht weiß was genau ich machen will. Aber ich bin in Planung.

 

[...]

 

R: Sie sind nicht einmal vier Jahre in Österreich, werden im XXXX laut Ihren Behauptungen XXXX Jahre alt und sind erst am Beginn Ihres XXXX. Die Noten des ersten Zeugnisses vom XXXX sind nicht gerade herausragend, das einzige "sehr gut" haben Sie in Religion, das einzige "gut" in XXXX - Sie wollen XXXX werden und nicht XXXX. Bei XXXX, angeblich eines der wichtigsten Fächer für einen künftigen XXXX, zumindest hat mir das ein XXXX gesagt, nur "genügend". Derzeit gibt keine Garantie, dass Sie Ihre XXXX tatsächlich abschließen..."

(Verhandlungsschrift vom 18.12.2018)

 

Auf die Argumentation des Rechtsanwaltes in der Beschwerdeverhandlung, wonach der Beschwerdeführer eine XXXX, ist nicht näher einzugehen, da der Beschwerdeführer nicht vorhat, nach einem XXXX zu arbeiten, sondern stattdessen eine Firma gründen will.

 

Es ist dem illegal eingereisten Beschwerdeführer nicht verwehrt, bei Erfüllung der allgemeinen aufenthaltsrechtlichen Regelungen des FPG bzw. NAG in Zukunft rechtmäßig in das Bundesgebiet einzureisen. Es kann ein durch Missachtung der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften und Missbrauch des Asylverfahrens erwirkter Aufenthalt keinen Rechtsanspruch aus Art. 8 EMRK bewirken; eine andere Auffassung würde zu einer Bevorzugung dieser Gruppe - gegenüber den sich rechtstreu Verhaltenden - führen.

 

Nach Maßgabe einer Interessenabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG, in der Fassung

 

BGBl. I Nr. 56/2018, ist das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl somit zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sein persönliches Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordneten Rückkehrentscheidungen eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass in gegenständlichen Fällen eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.

 

Mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung ist gemäß § 52 Abs. 9 FPG, in der Fassung

 

BGBl. I Nr. 145/2017, gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung gemäß § 46 FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist.

 

Gemäß § 50 Abs. 1 FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre. Das entspricht dem Tatbestand des

 

§ 8 Abs. 1 AsylG. Das Vorliegen eines dementsprechenden Sachverhaltes wurde bereits verneint (siehe zu Spruchpunkt II. des Bescheides).

 

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 2 FPG, in der Fassung

 

BGBl. I Nr. 87/2012, unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben oder die Freiheit aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005). Das entspricht dem Tatbestand des § 3 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2016. Das Vorbringen des Beschwerdeführers zu sämtlichen behaupteten Ausreisegründen ist als nicht glaubhaft zu werten (siehe Beweiswürdigung 2.) und es bestehen keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass das Leben oder die Freiheit des Beschwerdeführers aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Ansichten bedroht wäre, weshalb kein Fall des § 50 Abs. 2 FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, vorliegt (siehe zu Spruchpunkt I. des Bescheides).

 

Die Abschiebung ist schließlich gemäß § 50 Abs. 3 FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009, unzulässig, solange dieser die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht. Eine derartige Empfehlung besteht für die Bundesrepublik Somalia nicht.

 

Insgesamt ist daher auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des Bescheides abzuweisen.

 

Zu Spruchpunkt IV. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl

 

In Spruchpunkt IV. wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

 

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011, wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt gemäß § 55 Abs. 2 FPG, in der Fassung

 

BGBl. I Nr. 87/2012, 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

 

Da derartige besondere Umstände vom Beschwerdeführer nicht vorgebracht wurden, ist die Frist zu Recht vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit 14 Tagen festgelegt worden.

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 (VwGG), in der Fassung BGBl. I Nr. 33/2013, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Im konkreten Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG, in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. In der Beweiswürdigung wurde ausgeführt, dass den Angaben des Beschwerdeführers keine Glaubwürdigkeit zuzubilligen ist (siehe Beweiswürdigung 2.) und sämtliche Angaben zu den behaupteten Ausreisegründen nicht den Tatsachen entsprechen. Dieses Erkenntnis beschäftigt sich vor allem mit der Erforschung und Feststellung von Tatsachen und es ergaben sich im Lauf der Verfahren keine Hinweise auf das Vorliegen von ungeklärten Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung.

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