BVwG W203 2015085-1

BVwGW203 2015085-112.12.2014

B-VG Art.130 Abs3
B-VG Art.133 Abs4
Schulpflichtgesetz 1985 §1
Schulpflichtgesetz 1985 §9
Schulpflichtgesetz 1985 §9 Abs1
Schulpflichtgesetz 1985 §9 Abs3
Schulpflichtgesetz 1985 §9 Abs3 Z4
Schulpflichtgesetz 1985 §9 Abs4
Schulpflichtgesetz 1985 §9 Abs6
VwGVG §28 Abs2
B-VG Art.130 Abs3
B-VG Art.133 Abs4
Schulpflichtgesetz 1985 §1
Schulpflichtgesetz 1985 §9
Schulpflichtgesetz 1985 §9 Abs1
Schulpflichtgesetz 1985 §9 Abs3
Schulpflichtgesetz 1985 §9 Abs3 Z4
Schulpflichtgesetz 1985 §9 Abs4
Schulpflichtgesetz 1985 §9 Abs6
VwGVG §28 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2014:W203.2015085.1.00

 

Spruch:

W203 2015085-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gottfried Schlöglhofer über die Beschwerde von XXXX und XXXX als Erziehungsberechtigte und Vertreter von XXXX , geboren am XXXX , Schüler der 1b-Klasse der Volksschule XXXX , gegen den Bescheid des Landesschulrates für Steiermark vom 18.11.2014, Zl. 601331/4-2014 Zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF (VwGVG) iVm § 9 Abs. 1 und 6 Schulpflichtgesetz, BGBl. Nr. 76/1985 idgF (SchPflG) stattgegeben und dem Schüler XXXX die Erlaubnis zum Fernbleiben vom Unterricht für den Zeitraum 08.12.2014 bis 15.03.2015 erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Der XXXX geborene XXXX (im Folgenden: Erstbeschwerdeführer bzw. BF 1) besucht im Schuljahr 2014/15 die 1b-Klasse der Volksschule

XXXX , eine Schule mit Sprachen- und Integrationsschwerpunkt, in der neben der Unterrichtssprache Deutsch auch die Arbeitssprache Englisch eingesetzt wird.

2. Am 11.11.2014 suchten die Vertreter des BF 1, XXXX (im Folgenden: Zweitbeschwerdeführer bzw. BF 2) und XXXX (im Folgenden: Drittbeschwerdeführerin bzw. BF 3) um Freistellung des BF 1 vom Unterricht für die Zeit vom 08.12.2014 bis zum 15.03.2015. Begründet wird das Ansuchen mit der beruflich bedingten Abwesenheit beider Elternteile des BF 1. Es wird darauf hingewiesen, dass der BF 1 während seines Auslandsaufenthaltes in Australien eine Schule besuchen und dass dafür gesorgt werde, dass er bei seiner Rückkehr den versäumten Lehrstoff beherrscht.

3. Aus einer Bestätigung des XXXX vom 05.11.2014 und einer in englischer Sprache abgefassten Bestätigung der University of Sydney vom 16.10.2014 geht hervor, dass die BF 3 vom 08.12.2014 bis zum 08.03.2015 bzw. bis zum 06.03.2015 einen Forschungsaufenthalt an der University of Sydney in Australien absolvieren würde.

Mit Schreiben von XXXX vom XXXX vom 24.11.2014 wird bestätigt, dass die BF 3 im Rahmen ihrer Leistungsvereinbarung mit der XXXX einen dreimonatigen Forschungsaufenthalt in Sidney absolvieren werde. Der Forschungsaufenthalt, der von der XXXX vorbehaltlos unterstützt werde, wäre für die BF 3 von wesentlicher Bedeutung für die weitere wissenschaftliche Karriere und Voraussetzung für ihr unbefristetes Arbeitsverhältnis an der XXXX .

4. Mit einem an den Landesschulrat für Steiermark gerichteten Schreiben vom 24.09.2014 erklärte der BF 2, dass seine Firma über weltweit führendes Know-How auf dem Gebiet der Fertigteil-Segmentbauweise im Brückenbau verfüge, und dass beim Bau der Homebush Bay Bridge in Sidney erstmals ein neues Software-Modul zur Anwendung kommen solle. Zu diesem Zweck müsse er drei Monate vor Ort in Sydney sein. Das Projekt habe entscheidende wirtschaftliche Bedeutung für die Firma des BF 2.

Mit einem in englischer Sprache abgefassten Schreiben von XXXX , Managing Director bei XXXX , vom 24.11.2014 wird sinngemäß bestätigt, dass der BF 2 von der "Advanced Bridge Engineering Systems Pty Ltd Australia" zur Unterstützung eines Arbeitsprojekts in Australien engagiert worden wäre. Jüngste Entwicklungen würden dringend die Anwesenheit des BF 2 zum Bau der "Homebush Bay" - Fußgängerbrücke in Sydney erforderlich machen. Er sollte seine Tätigkeit vor Ort allerspätestens am 15.12.2014 beginnen und seine Anwesenheit würde für mindestens drei Monate erforderlich sein. Auf Grund seiner Fachkompetenz im Bereich Brückenbau wäre der BF 2 für das Projekt unabkömmlich.

Aus einem nicht datierten Förderungsvertrag geht hervor, dass die "Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft mbH (FFG)" das von der " XXXX GmbH", deren Geschäftsführer der BF 2 ist, betriebene Projekt "Geometriekontrolle beim Bau von Betonfertigteilbrücken" fördert.

5. Aus einer Stellungnahme von Dipl.Päd. XXXX , der Klassenlehrerin des BF 1, vom 10.11.2014 geht hervor, dass aus ihrer Sicht dem Ansuchen um Freistellung des BF 1 vom Unterricht nichts im Wege stehe. Der BF 1 wäre ein sehr interessiertes, aufgewecktes Kind, das zum Zeitpunkt des Schuleintritts bereits lesen und rechnen hätte können. Er würde seine Pflichten ausgesprochen ernst nehmen. Auf Grund seines sehr positiven Sozialverhaltens würde der BF 1 keine Probleme haben, sich in eine neue Gesellschaft einzufügen. Er wäre vielen Kindern im kognitiven Bereich weit voraus, und würde daher nach seiner Rückkehr keine Probleme haben, den Anschluss an den Leistungsstand der Klasse zu finden.

Mit einem nicht datierten Schreiben bestätigt Dipl.Päd. XXXX , die Schulleiterin der VS XXXX , dass der BF 1 in eine gewohnte Umgebung fahren und dort wieder alte Sozialkontakte aufnehmen und festigen und neue, sein Leben bereichernde Erfahrungen in einem anderen Schulsystem machen würde. Nach Rücksprache mit den betreuenden Lehrerinnen würde sie daher den dreimonatigen Auslandaufenthalt des BF 1 befürworten.

Mit Schreiben vom 01.12.2014 bestätigt XXXX , 10 Jahre lang Pädagogin im Schülerhort XXXX , dass an der Schule des BF 1 Kinder aus verschiedensten Nationen und Kulturen zweisprachig unterrichtet würden. Aus ihrer Erfahrung wisse sie, dass Kinder sich nach der Rückkehr nach einem Auslandsaufenthalt wieder sehr gut in die Klasse einfügen könnten. Sie würden durch ihre Erfahrungen im Ausland viel zu einem positiven Gruppengeschehen beitragen. Der BF 1 wäre ein kluger, selbstständiger und aufgeschlossener Junge, der die Anforderungen im Ausland sicher hervorragend meistern würde. Sie würde daher das Vorhaben der Familie des BF 1 voll und ganz unterstützen.

6. Mit Bescheid des Landesschulrates für Steiermark vom 18.11.2014 wurde dem BF 1 die Erlaubnis zum Fernbleiben für die Zeit vom 08.12.2014 bis 15.03.2015 nicht erteilt.

Begründend wird ausgeführt, dass die Erlaubnis zum Fernbleiben einen begründeten Anlass voraussetze und gemeinsame Urlaubsfahrten, die vorzeitige Heimfahrt und/oder verspätete Rückkunft ausländischer Schüler in bzw. aus ihrem Heimatland und die Heranziehung zu häuslicher Mitarbeit grundsätzlich keinen begründeten Anlass darstellen. Die in § 9 Abs. 3 SchPflG aufgezählten Fälle würden alle in der Interessenslage des Schülers liegen. Da Abs. 6 leg.cit. ebenfalls von begründeten Anlassfällen spreche, müssten daher für eine Genehmigung des Fernbleibens Gründe vergleichbarer Art und Schwere vorliegen, die die Interessenslage des Schülers betreffen und nicht anders als durch Fernbleiben des Schülers gelöst werden können.

Das berufliche Engagement der Eltern wäre kein tauglicher Grund, das Fernbleiben zu rechtfertigen, da das Interesse primär in der Sphäre der Eltern und nicht in der des Schülers liege.

Im Übrigen wäre aus dem Ansuchen lediglich ein berufliches Engagement der BF 3, nicht aber des BF 2 ersichtlich, sodass auch aus diesem Grund die Notwendigkeit des Fernbleibens nicht ersichtlich wäre.

Im Rahmen des Ermessensspielraumes wäre daher abschlägig zu entscheiden gewesen.

7. Am 02.12.2014 langte beim Landesschulrat für Steiermark eine als Einspruch bezeichnete Beschwerde des BF 2 und der BF 3 gegen den Bescheid des Landesschulrates vom 18.11.2014 ein.

Begründet wird die Beschwerde damit, dass erstens sämtliche befasste Pädagogen bestätigen würden, dass der BF 1 vom Auslandsaufenthalt profitieren und nach seiner Rückkehr nicht darunter leiden würde, dass zweitens sehr wohl beide Elternteile einem beruflichen Engagement im Ausland nachkommen würden, und dass drittens dieser Auslandsaufenthalt der Eltern ein "außergewöhnliches Ereignis im Leben des Schülers, in der Familie oder im Hauswesen des Schülers" im Sinne des § 9 Abs. 3 SchPflG darstellen würde.

Es wird auch darauf hingewiesen, dass dem Antrag auf Freistellung für XXXX , den Bruder des BF 1, bei Identität der beigestellten Unterlagen stattgegeben worden wäre. Der Auslandsaufenthalt würde auch im Interesse des BF 1 liegen, weil er so wertvolle Erfahrungen sammeln, bestehende Freundschaften pflegen und neue Kontakte knüpfen könnte. Die theoretische Möglichkeit des Zurücklassens des BF 1 könne schwerlich im Kindesinteresse sein.

8. Die belangte Behörde hat von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Abstand genommen und die Beschwerde am 02.12.2014 an das Bundesverwaltungsgericht weitergeleitet, wo diese am 05.12.2014 einlangte.

Im Rahmen der Weiterleitung der Beschwerde wiederholt die belangte Behörde noch einmal ihren Standpunkt, dass das berufliche Engagement der Eltern kein tauglicher Grund für die Rechtfertigung eines Fernbleibens wäre. Selbst dann, wenn man diesbezüglich vom Vorliegen eines begründeten Anlassfalls ausginge, liege die Entscheidung auf Grund der Verwendung des Wortes "kann" ausschließlich im Ermessen der Behörde, sodass der Antragsteller auch bei Vorliegen eines begründeten Anlassfalles keinen Rechtsanspruch auf eine stattgebende Entscheidung hätte.

Es werde daher die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF 1 besucht im Schuljahr 2014/15 die erste Klasse der VS XXXX . Die Klassenlehrerin und die Schulleiterin sowie eine weitere an der Schule tätige Lehrerin bestätigen, dass es sich beim BF 1 um einen sehr guten Schüler handelt, sowohl was dessen Lernfähigkeit als auch dessen Sozialverhalten betrifft.

Beide Elternteile des BF 1 haben im Zeitraum Dezember 2014 bis März 2015 die Möglichkeit, beruflich in Australien tätig zu sein bzw. sich beruflich durch dieses Engagement weiter zu entwickeln.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, dem Verfahren vor der belangten Behörde und der Beschwerde. Die im Akt aufliegenden Unterlagen sind plausibel, frei von Widersprüchen und schlüssig.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 i.V.m. Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das Bundesverwaltungs-gericht über Beschwerden gegen Bescheide des Landesschulrates wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I. Nr. 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels Anordnung einer Senatszuständigkeit liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 MRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

3.2. Zu Spruchpunkt A:

Gemäß § 1 Abs. 1 SchPflG besteht allgemeine Schulpflicht für alle Kinder, die sich in Österreich dauernd aufhalten.

Gemäß § 9 Abs. 1, 1. Teilsatz SchPflG haben die in eine im § 5 genannte Schule aufgenommenen Schüler den Unterricht währen der vorgeschriebenen Schulzeit regelmäßig und pünktlich zu besuchen.

Gemäß Abs. 2 leg.cit. Ist ein Fernbleiben von der Schule während der Schulzeit nur im Falle gerechtfertigter Verhinderung des Schülers zulässig.

Gemäß Abs. 3 leg.cit. gelten als Rechtfertigungsgründe für die Verhinderung insbesondere:

1. Erkrankung des Schülers,

2. mit der Gefahr der Übertragung verbundene Erkrankungen von Hausangehörigen des Schülers,

3. Erkrankung der Eltern oder anderer Angehöriger, wenn sie der Hilfe des Schülers bedürfen,

4. außergewöhnliche Ereignisse im Leben des Schülers, in der Familie oder im Hauswesen des Schülers,

5. Ungangbarkeit des Schulweges oder schlechte Witterung, wenn die Gesundheit des Schülers dadurch gefährdet ist.

Gemäß Abs. 4 leg.cit. ist die Verwendung von Schülern zu häuslichen, landwirtschaftlichen, gewerblichen oder sonstigen Arbeiten sowie die Mitnahme von Schülern auf die Wanderschaft durch Personen, die eine Wanderbeschäftigung ausüben, nicht als Rechtfertigungsgrund für eine Verhinderung anzusehen.

Gemäß Abs. 5 leg.cit. haben die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten des Kindes den Klassenlehrer (Klassenvorstand) oder den Schulleiter von jeder Verhinderung des Schülers ohne Aufschub mündlich oder schriftlich unter Angabe des Grundes zu benachrichtigen. Auf Verlangen des Schulleiters hat die Benachrichtigung jedenfalls schriftlich und bei einer länger als eine Woche dauernden Erkrankung oder Erholungsbedürftigkeit allenfalls unter Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses zu erfolgen.

Gemäß Abs. 6 leg.cit. kann im Übrigen die Erlaubnis zum Fernbleiben aus begründetem Anlass für einzelne Stunden bis zu einem Tag der Klassenlehrer (Klassenvorstand) und für mehrere Tage bis zu einer Woche der Schulleiter erteilen. Die Entscheidung des Klassenlehrers (Klassenvorstandes) bzw. des Schulleiters ist durch Widerspruch nicht anfechtbar. Für die Erlaubnis zu längerem Fernbleiben ist die zuständige Schulbehörde, für die allgemeinbildenden Praxisschulen gemäß § 33a Abs. 1 des Schulorganisationsgesetzes, BGBl. Nr. 242/1962, in der jeweils geltenden Fassung, jedoch der Landesschulrat zuständig.

Zunächst ist zu prüfen, ob die Bestimmungen des § 9 Abs. 6 SchPflG über das Fernbleiben vom Unterricht auf den BF 1 anzuwenden sind. Der BF 1 ist - obwohl er auf Grund seines Alters noch nicht der allgemeinen Schulpflicht unterliegt - in die Volksschule XXXX aufgenommen worden, somit in eine allgemeinbildende Pflichtschule im Sinne des § 5 SchPflG, auf den § 9 Abs. 1 SchPflG verweist.

Die Bestimmungen des § 9 SchPflG sind daher auf den BF 1 unter der Voraussetzung anzuwenden, dass durch den angestrebten dreimonatigen Aufenthalt in Australien das im § 1 Abs. 1 SchPflG genannte Kriterium des dauernden Aufenthalts in Österreich nicht verletzt wird. Der hier verwendete Begriff des "dauernden Aufenthalts" ist gesetzlich nicht näher definiert und ist nicht identisch mit dem Wohnsitz einer Person. Der dauernde Aufenthalt des BF 1 in Österreich wird jedenfalls durch eine vorübergehende Unterbrechung des Aufenthalts nicht beendet, sondern würde erst dann enden, wenn weder die körperliche Anwesenheit noch die Absicht zur Rückkehr vorhanden sind. (vgl. dazu Jonak/Kövesi, Das Österreichische Schulrecht, 13. Auflage, FN 2 [S. 486] zu § 1 SchPflG). Wie sich aus allen im Akt aufliegenden Unterlagen und den Erklärungen des BF 2 und der BF 3 eindeutig ergibt, ist die erkennbare Absicht, nach Ablauf der 3 Monate gemeinsam mit dem BF 1 nach Österreich zurückzukehren, ohne Zweifel vorhanden.

Zur Frage, bis zu welcher Dauer ein Auslandsaufenthalt noch als bloß vorübergehend angesehen werden kann, ist festzuhalten, dass ein Aufenthalt in der Dauer von etwa einem Semester - selbst wenn dessen Ende vorhersehbar ist - keinesfalls mehr als bloß vorübergehend zu werten ist. (vgl. VwGH vom 13.05.2011, 20102/10/0139). Diese Bewertung deckt sich auch mit der vom zuständigen Ministerium in dessen Erlass MVBl. Nr. 104/1968 zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht, dass ein Schulbesuch auch in seiner Dauer sinnvoll sein soll und dies dann der Fall wäre, wenn er mindestens etwa eine Beurteilungsperiode - also ein Semester - lang dauert, und dass dies als Maßstab für die Begründung der Schulpflicht dienen kann, für die eben ein dauernder und nicht bloß ein vorübergehender Aufenthalt gesetzlich vorgesehen ist (vgl. in diesem Sinne auch wiederum Jonak/Kövesi, Das Österreichische Schulrecht, 13. Auflage, FN 2 [S. 486] zu § 1 SchPflG).

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der BF 1 auch während des geplanten dreimonatigen Auslandsaufenthalts in Österreich weiterhin schulpflichtig ist und daher im Sinne des § 9 Abs. 1 SchPflG den Unterricht regelmäßig und pünktlich zu besuchen hat, es sei denn, er erhält die Erlaubnis zum Fernbleiben aus begründetem Anlass.

Der belangten Behörde ist zu folgen, wenn sie festhält, dass es sich bei § 9 Abs. 6 SchPflG um eine Kann-Bestimmung handelt, die ihr ein Ermessen bei der Erteilung einer Erlaubnis zum Fernbleiben vom Unterricht einräumt. Sie verkennt aber die Rechtslage, wenn sie in ihrer Stellungnahme vom 02.12.2014 davon ausgeht, dass der Antragsteller auch bei Vorliegen eines begründeten Anlassfalles auf Grund des der Behörde zukommenden Ermessens keinen Rechtsanspruch auf eine stattgebende Erledigung hätte. Um Willkür vorzubeugen bestimmt Art. 130 Abs. 3 B-VG sinngemäß nämlich, dass ein Ermessen, das nicht im Sinne des Gesetzes geübt wird, eine Entscheidung durchaus mit Rechtswidrigkeit belasten kann.

Es bleibt daher zu prüfen, ob die Entscheidung der belangten Behörde, dem BF 1 die Erlaubnis zum Fernbleiben vom Unterricht nicht zu erteilen, dem Sinn des Schulpflichtgesetzes entspricht.

Das Schulpflichtgesetz, das in seiner Stammfassung aus dem Jahr 1962 stammt und im Jahr 1985 wiederverlautbart worden ist, sieht keine "Schulpflicht" im wörtlichen Sinn vor, sondern richtigerweise ist darunter eine "Unterrichtspflicht" zu verstehen. Dies ergibt sich daraus, dass die Schulpflicht nicht nur durch den Besuch einer Schule, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch durch die Teilnahme an einem gleichwertigen Unterricht (vgl. §§ 11 bis 13 SchPflG) erfüllt werden kann (vgl. RV 732, IX. GP, zu Abschnitt I Schulpflichtgesetz 1962). Das Rechtsinstitut der allgemeinen Schulpflicht beruht unter anderem auch auf der Auffassung, dass die Erwerbung der Elementarbildung ein allgemeines Menschenrecht darstellt, das keinem Kind vorenthalten werden darf. Insofern entspricht der Schulpflicht auch ein sehr bedeutendes Recht auf Schule (vgl. RV 732, IX. GP, zu § 1 Schulpflichtgesetz 1962).

Unter diesen Erwägungen ergibt sich für den vorliegenden Fall Folgendes:

Voraussetzung für die Erteilung einer Erlaubnis zum Fernbleiben ist vorweg, dass ein begründeter Anlass vorliegt. Der Gesetzgeber hat es unterlassen, näher auszuführen, was unter einem begründeten Anlass in diesem Sinne zu verstehen wäre. Als Anhaltspunkt kann aber die demonstrative Aufzählung der Gründe, die gemäß § 9 Abs. 3 SchPflG als Rechtfertigung für eine Verhinderung, am Unterricht teilzunehmen, sowie die Aufzählung von Gründen, die gemäß Abs. 4 leg.cit. jedenfalls eine Verhinderung nicht zu rechtfertigen vermögen, dienen. Dies deshalb, da der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Bestimmungen über das Fernbleiben vom Unterricht lediglich darin besteht, dass es sich bei den in Abs. 3 genannten Gründen um solche handelt, die im Allgemeinen nicht vorhersehbar sind, während sich Abs. 6 auf vorhersehbare Umstände bezieht, die den Anlass zu einer vor dem Fernbleiben einzuholenden Erlaubnis bilden (vgl. Jonak/Kövesi, Das Österreichische Schulrecht, 13. Auflage, FN 20 [S. 502] zu § 9 SchPflG).

Wie die belangte Behörde zu Recht festgestellt hat, handelt es sich bei den Rechtfertigungsgründen für eine Verhinderung der Teilnahme am Unterricht um solche, die überwiegend im Interesse des Schülers gelegen sind. Allerdings sieht § 9 Abs. 3 Z 4 SchPflG auch "außergewöhnliche Ereignisse im Leben des Schülers, in der Familie oder im Hauswesen des Schülers" als Rechtfertigungsgrund vor. Die zukünftigen Möglichkeiten, die sich für die Eltern des BF 1, also seine engste Familie, durch das 3 Monate dauernde berufliche Engagement in Australien ergeben, stellen jedenfalls ein außergewöhnliches Ereignis in der Familie des BF 1 dar. Es wäre nur schwer nachvollziehbar, wenn den Eltern des BF 1 diese Möglichkeit genommen würde, weil sie in Befolgung ihrer Obsorgepflichten den Auslandsaufenthalt nicht antreten könnten, um bei ihrem Sohn zu bleiben, damit dieser seiner Verpflichtung zur Teilnahme am Unterricht nachkommen könnte. Umgekehrt erschiene es im Lichte eines funktionierenden Familienlebens auch nicht sinnvoll, wenn die Eltern gemeinsam mit dem älteren Bruder des BF 1, dessen dreimonatige Abwesenheit offenbar keine Verletzung der Schulpflicht darstellen würde, aber ohne den BF 1 selbst den Auslandsaufenthalt antreten würden. Unabhängig davon, ob sonstige geeignete Betreuungspersonen wie z.B. Großeltern vorhanden sind, bei denen sich der BF 1 während dieser Zeit aufhalten könnte, wäre eine Trennung eines sechsjährigen Kindes von beiden Elternteilen für 3 Monate eine massive Beeinträchtigung der Eltern-Kind-Beziehung, die das Familienleben mit hoher Wahrscheinlichkeit nachhaltig negativ beeinflussen würde. In Erfüllung des nachvollziehbaren und berechtigten Interesses beider Elternteile, die sich ihnen bietenden beruflichen Möglichkeiten im Ausland zu nützen, ist das vorübergehende Fernbleiben des BF 1 vom Unterricht auch die einzige verbleibende Möglichkeit, zu der es keine Alternativen gibt.

Es kann auch nicht gesagt werden, dass der geplante dreimonatige Aufenthalt der ganzen Familie in Australien einzig und ausschließlich im Interesse der Eltern des BF 1 gelegen ist. Der BF 1 besucht eine bilinguale Volksschule, in der neben der Unterrichtssprache Deutsch auch Englisch als Arbeitssprache eingesetzt wird. Es wird für ihn somit kein Problem sein, dem Unterricht an einer im englischsprachigen Australien gelegenen Schule zu folgen, und er wird umgekehrt dadurch nach seiner Rückkehr an seine Stammschule sehr von den inzwischen erworbenen Sprachkenntnissen profitieren. Gemäß dem Lehrplan der Volksschule gehört zu den allgemeinen Bildungszielen auch, dass die Schüler dem weltanschaulichen Denken anderer aufgeschlossen werden, dass sie befähigt werden, am Wirtschafts- und Kulturleben nicht nur Österreichs, sondern auch Europas und der Welt teilzunehmen, und dass sie jene Weltoffenheit entwickeln, die vom Verständnis für die existenziellen Probleme der Menschheit und von Mitverantwortung getragen sind. Zur Erreichung dieser Ziele kann ein dreimonatiger Aufenthalt in Übersee nur positiv beitragen, sodass davon auszugehen ist, dass der geplante Auslandsaufenthalt nicht nur im alleinigen Interesse der Eltern gelegen, sondern durchaus auch für den BF 1 von hohem Interesse ist. Auf Grund der Rahmenumstände, insbesondere, dass es nicht der freien Disposition der Eltern des BF 1 unterliegt, wann sie den Auslandsaufenthalt antreten können, kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Aneignung der genannten Kompetenzen durchaus auch in der unterrichtsfreien Zeit möglich wäre.

Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der BF 1 durch die tatsächlich sehr lange Abwesenheit vom Unterricht an seiner Stammschule einen maßgeblichen Nachteil hinsichtlich seiner schulischen Entwicklung erleiden wird. Zum einen haben die Eltern glaubhaft angegeben, dass der BF 1 auch während des Aufenthalts in Australien die Schule besuchen werde, zum anderen wird von sämtlichen Personen im Umfeld das BF 1, insbesondere von dessen Klassenlehrerin, bestätigt, dass der BF 1 ein so guter Schüler ist, dass sich der Auslandsaufenthalt nicht nachteilig auf ihn auswirken und er nach der Rückkehr rasch wieder Anschluss an den Leistungsstand der Klasse finden wird.

Insgesamt betrachtet liegt somit ein begründeter Anlass im Sinne des § 9 Abs. 6 SchPflG vor.

Die dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Unterlagen reichen aus, um beurteilen zu können, dass die Voraussetzungen für eine Erteilung der Erlaubnis im Sinne des § 9 Abs. 6 SchPflG vorliegen. Eine mündliche Verhandlung wurde auch von keiner Verfahrenspartei beantragt und konnte somit gemäß § 24 Abs.1 i.V.m. Abs. 4 VwGVG entfallen.

Im Interesse der gebotenen Raschheit der Entscheidung war auch der Bescheid nicht zu beheben und zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückzuverweisen, sondern eine meritorische Entscheidung durch das erkennende Gericht zu treffen.

Es war daher dem BF 1 die Erlaubnis zum Fernbleiben vom Unterricht zu erteilen und gemäß Spruchpunkt A zu entscheiden.

3.3. Zu Spruchpunkt B:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Diese Frage lautet: Ist ein beruflich bedingter dreimonatiger Auslandsaufenthalt beider Elternteile ein begründeter Anlass für die Erteilung einer Erlaubnis zum Fernbleiben vom Unterricht eines Schülers der ersten Klasse einer bilingual geführten Volksschule? Da es zu dieser Frage an einer einschlägigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung mangelt und da auch nicht davon auszugehen ist, dass eine eindeutige Gesetzeslage, aus der sich die vorgenommenen Ableitungen zwingend ergeben, vorliegt, ist die Revision zuzulassen.

Es war daher gemäß Spruchpunkt B zu entscheiden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte