BVwG W201 1411105-1

BVwGW201 1411105-18.7.2014

AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2014:W201.1411105.1.00

 

Spruch:

W201 1411105-1/21E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin, Mag. Angela Schidlof, als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, afghanischer Staatsangehöriger, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 21.12. 2009, Zahl XXXX, beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, XXXX, afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 07.09.2009 den Antrag, ihm internationalen Schutz zu gewähren. Bei der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Stadtpolizeikommando Linz) am selben Tag gab er an, am XXXXgeboren zu sein und in XXXX in Afghanistan gelebt zu haben. Er sei Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen. Er habe eine 7-jährige Schulausbildung und als Teppichknüpfer gearbeitet. Er sei vor den Taliban geflüchtet.

In der vor dem Bundesasylamt am 25.09.2009 durchgeführten Einvernahme gab der Beschwerdeführer an, er habe in Pakistan seinen Lebensunterhalt als Teppichknüpfer bestritten. Er habe gemeinsam mit seiner Familie, seinen Eltern und sieben Geschwistern, in Pakistan gelebt. Nur sein älterer Bruder sei in XXXX gewesen und habe dort für eine ausländische Firma XXXX gearbeitet. Der Beschwerdeführer selbst und seine Familie hätten hauptsächlich in Pakistan gewohnt, da sie Nomaden seien. Im Jahr 2007 sei die gesamte Familie nach XXXX in Afghanistan zurückgekehrt. Sein älterer Bruder sei kaum zuhause gewesen und habe auch öfters in der Firma, für die er gearbeitet habe, übernachtet. Etwa einen Monat nach der Rückkehr nach Afghanistan hätte die Familie in Ihrem Haus einen Zettel gefunden, mit dem sie aufgefordert worden sei, dass der Bruder des Beschwerdeführers seine Tätigkeit für die ausländische Firma aufgeben müsse. Dieser Zettel sei von den Taliban unterschrieben gewesen. Die Familie sowie auch sein Bruder hätten diese Drohung nicht sehr ernst genommen. Einige Zeit später hätten sie ein zweites Schreiben von den Taliban bekommen, welches ein eindeutiger Drohbrief gewesen sei. Die Taliban hätten gefordert, sein Bruder müsse sofort mit seiner Tätigkeit aufhören oder es werde die gesamte Familie vernichtet. Der ältere Bruder des Beschwerdeführers habe mit seiner Tätigkeit nicht aufhören wollen. Der Beschwerdeführer habe von seinem Vater Geld erhalten und sei sodann nach XXXX gefahren, um dort mit seinem Bruder zu sprechen. Dies sei im Jahr 2008 im dritten oder vierten Monat des Jahres gewesen. Er hätte nur eine Telefonnummer seines Bruders gehabt. In XXXX sei er in ein Taxi eingestiegen und habe dem Taxifahrer die Telefonnummer des Bruders genannt und ihn aufgefordert, den Bruder anzurufen und ihn dorthin zu bringen. Den Weg vom XXXXnach XXXX sei er von den Taliban verfolgt worden, wie er später erfahren habe. Auch der Taxilenker sei Taliban gewesen. Die Taxifahrt hätte ungefähr 2 Stunden gedauert und er sei nach XXXX gebracht worden. Ein Cousin des Beschwerdeführers, der in XXXX wohne und bei dem sein Bruder manchmal übernachtet habe, hätte erfahren, dass der Beschwerdeführer von den Taliban als Geisel genommen worden sei. Die Taliban hätten den Cousin kontaktiert und ihm mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer in Haft der Taliban sei. Sie hätten ihn aufgefordert, dass sich der Bruder den Taliban stellen solle, erst danach würde der Beschwerdeführer entlassen werden. Der Cousin habe die Familie des Beschwerdeführers benachrichtigt, woraufhin zwei Tage später die Familie wiederum Afghanistan verlassen habe und nach Pakistan geflüchtet sei. Der Beschwerdeführer habe sich etwa 28 Tage in Haft befunden. Er habe auch mehrere andere Häftlinge gesehen. Die Taliban hätten auch mehrere Personen vor seinen Augen geköpft. Eines Nachts sei es ihm gelungen mit einem Koch, der sich auch dort befunden habe, zu flüchten. Er habe sich ungefähr zwei Monate in Share No in XXXX versteckt. Mit seinem älteren Bruder sei er dann gemeinsam nach Pakistan geflüchtet. Sein Bruder lebe nach wie vor versteckt in Pakistan. Von Pakistan aus sei der Beschwerdeführer vor zehn oder elf Monaten nach Europa geflüchtet. Unterwegs habe er mehrere Monate im Iran und in der Türkei verbracht. Er habe für den Schlepper Euro 7000 bezahlt. Die Hälfte dieses Geldes stamme aus seinen Ersparnissen, die zweite Hälfte habe er sich ausgeliehen. Die einzigen Probleme in seinem Herkunftsland habe er mit den Taliban gehabt. Er befürchte, im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat von den Taliban ermordet zu werden. Auch sein Bruder, der momentan in Pakistan lebe, sei nicht in Sicherheit und werde sicher weiterfliehen.

In einer weiteren Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 17.12.2009 gab der Beschwerdeführer an, in XXXX geboren worden zu sein und mit seiner Familie in einem Haus in XXXXgemeinsam mit dem Bruder seines Vaters gelebt zu haben. Als der Beschwerdeführer zehn Jahre alt gewesen sei, sei die Familie nach Pakistan verzogen, da es dort bessere Arbeitsmöglichkeiten gegeben habe. Sie seien durch mehrere Jahre hindurch in unregelmäßigen Abständen zwischen Afghanistan und Pakistan hin und her gependelt. Gelebt hätte die Familie in Pakistan. Die Besuche in Afghanistan seien nur im Urlaub erfolgt. Der ältere Bruder seines Vaters lebe mit seiner Familie ständig in Afghanistan. Dieser Onkel sei bereits alt und arbeite seit acht Jahren nicht mehr. Im Jahr 2007 sei sein ältester Bruder, nach Afghanistan zurückgekehrt. Er habe bei einer Firma in XXXX gearbeitet, die unter anderem auch für die Polizei Ausweiskarten herstelle. Etwa im März oder April 2008 sei die ganze Familie nach Afghanistan zurückgekehrt und habe bei seinem Onkel gelebt. Der ältere Bruder habe in einem Dienstzimmer innerhalb der Firma "XXXX" in XXXX gewohnt. Im Juni 2008 sei die Familie wieder nach Pakistan zurückgekehrt, der Beschwerdeführer selbst habe Afghanistan im Juli 2008 verlassen. Sein älterer Bruder sei weiter in XXXX geblieben. Die Familie habe Afghanistan verlassen, da die Taliban ihr die Tätigkeit des Bruders für die ausländische Firma vorgeworfen habe.

Etwa zweieinhalb Monate nach der Rückkehr der Familie nach Afghanistan sei der erste Brief der Taliban ins Haus des Onkels gekommen. In dem Brief sei gestanden, dass der Bruder des Beschwerdeführers nicht mehr für die Firma arbeiten solle und wenn die Familie weiter leben möchte, dann solle sie ihn bewegen, die Firma zu verlassen. Die Familie habe diesen Brief ignoriert und ca. 20 Tage später noch einen Brief gleichen Inhaltes erhalten. Daraufhin habe sein Vater den Bruder telefonisch gebeten, die Arbeit aufzugeben. Der Bruder habe dies verweigert und gemeint, falls die Familie Angst hätte, sollte sie nach Pakistan gehen. Der Vater habe den Beschwerdeführer gebeten, zu seinem Bruder nach XXXX zu fahren und ihm die Briefe zu zeigen. Der Beschwerdeführer sei mit einem Kleinbus nach XXXX gefahren und habe am Busbahnhof ein Taxi genommen um zu seinem Cousin zu fahren, bei welchem sich sein Bruder öfters aufgehalten habe. Der Taxifahrer habe ihn jedoch nach zwei Stunden Fahrt außerhalb von XXXX in ein Dorf XXXX in eine Höhle am Berg gebracht. Dort sei er von ca. 15 Taliban erwartet worden. Es seien dort auch noch weitere 3-4 Personen festgehalten worden. Die Taliban hätten seinen Cousin angerufen und verlangt, dass sein Bruder die Arbeit kündige, dann würden sie den Beschwerdeführer freilassen. Er habe später erfahren, dass sein Cousin die Eltern des Beschwerdeführers angerufen habe und diese daraufhin Afghanistan in Richtung Pakistan verlassen hätten. Nachdem sein Bruder den Ernst der Lage erkannt habe, habe er gekündigt und sei ebenfalls nach Pakistan gegangen.

Der Beschwerdeführer sei 28 Tage festgehalten worden und während dieser Haft von den Taliban geschlagen und nach Informationen bezüglich seines Bruders und seiner eigenen politischen Einstellung befragt worden. Es sei ihm dann gelungen mit einem weiteren Festgehaltenen, der für die Taliban als Koch habe arbeiten müssen, zu flüchten. An einem Abend als nur wenige Taliban in der Höhle aufhältig gewesen seien, sei es dem Beschwerdeführer und dem Koch gelungen, das Lager zu verlassen. Nach einem Fußmarsch von etwa 4 Stunden hätten sie sich getrennt und der Beschwerdeführer sei zuerst nach XXXX und dann weiter nach Pakistan zu seiner Familie gegangen.

Der Onkel in XXXX sei zwischenzeitig verstorben. Die Familie des Beschwerdeführers lebe weiterhin in Pakistan.

Mit Bescheid vom 21.12.2009, Zl XXXX, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 idgF abgewiesen (Spruchpunkt I.). Der Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde ihm gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg.cit. nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.) Diese Entscheidung wurde gemäß § 10 Abs. 1 leg.cit. (in der Folge AsylG) mit einer Ausweisung nach Afghanistan verbunden (Spruchpunkt III.).

Nach Wiedergabe des Verfahrensganges stellte das Bundesasylamt fest, dass der Beschwerdeführer afghanischer Staatsbürger sei. Der von ihm zur Begründung des Asylantrags vorgebrachte Fluchtgrund habe mangels Glaubhaftmachung nicht als entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden können. Es habe auch nicht festgestellt werden können, dass eine Zurückweisung, Zurück-oder Abschiebung nach Afghanistan für den Beschwerdeführer eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 MRK, Art. 3 MRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde. Laut den Angaben des Beschwerdeführers lebten seine Eltern, fünf Brüder und zwei Schwestern in Pakistan und ein Bruder sei in der Heimat aufhältig. Es sei auch nicht festgestellt worden, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsland die Lebensgrundlage gänzlich entzogen gewesen wäre oder dass er im Falle einer Rückkehr in eine die Existenz bedrohende Notlage gedrängt würde.

Beweiswürdigend führte die 1. Instanz aus, die Angaben des Beschwerdeführers, dass sich die Taliban an seine Familie gewandt hätten, nicht jedoch an den in XXXX lebenden Bruder, seien absolut unglaubwürdig. Ebenso unglaubwürdig sei, dass der Beschwerdeführer auf seiner Busfahrt nach XXXX von den Taliban verfolgt bzw. beobachtet worden sein solle und es den Taliban möglich gewesen sei, in kurzer Zeit, auf Verdacht, in XXXX an dem dortigen Taxistandplatz ein als Taxifahrer getarntes Mitglied zu postieren, um den Beschwerdeführer zu entführen. Aufgrund der äußerst vagen und pauschalen Angaben des Beschwerdeführers, können es auch nicht Aufgabe der Behörde sein, die vagen Andeutungen insoweit durch Schlussfolgerungen vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen zu ergänzen, um zu einem konkreten, schlüssigen asylrelevanten Sachverhalt zu gelangen.

Es sei glaubhaft, dass der Beschwerdeführer in seiner Heimat bzw. in Pakistan Familienangehörige habe. Daher sei es nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr aufgrund der familiären Anknüpfungspunkte in eine ausweglose Lage geraten würde. Es sei dem Beschwerdeführer auch nicht gelungen, glaubhaft darzutun, dass er im Falle der Rückkehr keine Lebensgrundlage mehr hätte, weil ihm zugemutet werden könne, dass er im Falle der Rückkehr selbst für seinen Lebensunterhalt aufkommen könne, da seinem Fluchtvorbringen die gesamte Glaubwürdigkeit abgesprochen werden müsse. Der Beschwerdeführer habe auch im Verlaufe des Verfahrens mit seinem Vorbringen keine konkrete und aktuelle Verfolgung oder drohende Verfolgung aus Gründen, wie sie in der Genfer Flüchtlingskonvention taxativ aufgezählt sind, glaubhaft machen können; ebenso wenig wie eine wohlbegründete Furcht im Sinne der Grundaussage der internationalen Normen. Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Sachverhalt sei in seiner Gesamtheit nicht als glaubhaft zu beurteilen, womit auch ein asylrelevanter Sachverhalt als Grundlage für eine Subsumierung unter den Tatbestand des § 3 AsylG nicht festgestellt habe werden können.

Zur Frage der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs.1 Z 1 AsylG führte die Behörde aus, der Beschwerdeführer habe keine Verfolgung oder Verfolgungsgefahr im Sinne der Flüchtlingskonvention glaubhaft machen können. Es weise auch nichts darauf hin, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in die Heimat einer konkreten Gefährdung durch die Staatsmacht unterliegen würde. Der Beschwerdeführer habe auch nicht glaubhaft darstellen können, dass ihm bei einem Verbleib in Afghanistan die Lebensgrundlage entzogen wäre. Bei Berücksichtigung individueller, den Beschwerdeführer betreffender Faktoren wie Alter, Bildungsgrad, Berufsausübung, Volksgruppe, Anknüpfungspunkte usw., käme die Behörde zum Ergebnis, dass im Fall des Beschwerdeführers die Kriterien einer ausweglosen Lage nicht vorlägen. Überdies würden Angehörige des Beschwerdeführers ohne nennenswerte Probleme offensichtlich in Afghanistan leben. Von einer existenzgefährdenden Lebenssituation seiner Familienangehörigen habe der Beschwerdeführer nichts berichtet und sei auch amtswegig nichts bekannt. Aus den vorigen Ausführungen ergebe sich somit, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan mangels substantiierter, glaubhafter und für das Bundesasylamt nachvollziehbarer Angaben zur individuellen Situation, im Hinblick auf die behauptete Verfolgungsgefahr zulässig sei.

Gegen den am 04.01.2010 zugestellten Bescheid des Bundesasylamtes erhob der BF fristgerecht am 11.015.2010 Beschwerde, mit welcher der Bescheid gesamtinhaltlich angefochten wurde. Begründend führte der Beschwerdeführer aus, die Sicherheitslage in Afghanistan habe sich in den letzten zwei Jahren in weiten Teilen des Landes drastisch verschlechtert. Wegen der Verschärfung des Sicherheitslage und der Intensivierung der Kämpfe blieben auch die sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungen weit hinter den Erwartungen zurück.

Der Anteil an zivilen Opfern habe stark zugenommen. Die Gewalt gehe unter anderem von regierungsfeindlich eingestellten, bewaffneten Gruppierungen aus. Es bestehe eine hohe Arbeitslosenrate (32 %), Unterkünfte seien sehr teuer. Der Zugang zu Trinkwasser sei in ländlichen Gebieten nur für 26 % der Bevölkerung gewährleistet. Wegen des kaum funktionierenden Justizsystems sei der afghanische Staat in den meisten Fällen nicht fähig, Besitzrechte zu schützen. Flüchtlinge könnten bei einer Rückkehr diesbezüglich auf erhebliche Probleme stoßen. Der Gesundheitszustand der afghanischen Bevölkerung gehöre zu den schlechtesten weltweit, die Lebenserwartung betrage lediglich 42 Jahre.

Die traditionelle Familie und die Gemeinschaftsstruktur des Stammessystems schützten Rückkehrer in den Gebieten, wo sich der Stamm oder die Familie aufhalte. Alleinstehende Personen seien bei der Rückkehr besonderen Problemen ausgesetzt. Eine Rückkehr in andere Gebiete konfrontiere sie mit nicht zu bewältigenden Problemen, nicht nur in Bezug auf die Sicherung der Lebensgrundbedürfnisse, sondern auch in Bezug auf die Sicherheit. Die Sicherheit sei durch willkürliche Verhaftungen und Anhaltungen sowie durch Angriffe auf das Leben wegen ethnischer Streitigkeiten oder Familienkonflikte gefährdet.

Mit "Berufungsergänzung" vom 09.08.2010 brachte der Beschwerdeführer vor, im Protokoll über seine Einvernahme stehe, dass er auf die Frage, ob er Dokumente hätte, die seine Identität belegen würden, geantwortet habe, er besitze einen pakistanischen Ausweis. Dies habe er niemals gesagt, dies müsse vom Übersetzer falsch übersetzt worden sein. Weiters stehe im Protokoll, er habe angegeben, fünf Schwestern zu habe. Tatsächlich habe er jedoch sechs Brüder und drei Schwestern. Er gehöre der Volksgruppe der Paschtunen an. Er habe zwar in der Schule Farsi gelernt, jedoch in der Familie und im Alltagsleben diese Sprache nie gesprochen. Daher habe er während der Einvernahme mit dem Dialekt des iranischen Übersetzers große Schwierigkeiten gehabt und es sei ihm nicht gelungen, seine Anliegen so verständlich zu machen, wie es ihm in seiner Muttersprache Paschtu möglich gewesen wäre.

Mit Schriftsatz vom 21.10.2011 zog der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers seine gegen Spruchpunkt I des Bescheides erhobene Beschwerde zurück. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte II und III wurde aufrechterhalten. Begründend wurde in diesem Schriftsatz ausgeführt, seit September 2011 komme es gehäuft zu Attentaten in XXXX. Es sei eine relevante Verschlechterung der Lage festzustellen. Die afghanischen Sicherheitskräfte seien nicht in der Lage, die Sicherheit der afghanischen Bevölkerung zu garantieren, die zentrale Regierung verfüge nicht über das Machtmonopol, um die Bürger ausreichend zu schützen. Ausgehend von den aktuellen Ereignissen in XXXX sei zu erkennen, dass der Beschwerdeführer von der allgemeinen prekären Sicherheitslage in Afghanistan im Falle einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit individuell betroffen wäre und dass es dem Beschwerdeführer nicht möglich sei, sich ohne reale Gefährdung insbesondere seiner durch Art. 2 und Art. 3 EMRK geschützten Güter nach Afghanistan zu begeben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Anzuwendendes Recht:

Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der geltenden Fassung) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013, entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBL I Nr. 122/2013, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes - AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 28 VwGVG lautet:

(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

§ 1 BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG, BGBl I Nr. 87/2012 in der Fassung BGBl. I Nr. 144/2013, bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG 2005 und Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG bleiben unberührt.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 in der geltenden Fassung, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das BVwG.

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Gemäß § 75 Abs. 17 AsylG sind alle mit Ablauf des 31.12.2013 beim Bundesasylamt anhängigen Verfahren ab 01.01.2014 vom BFA zu Ende zu führen.

Gemäß § 75 Abs. 19 AsylG sind alle mit Ablauf des 31.12.2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren ab 01.01.2014 vom BvWG nach Maßgabe des Abs. 20 zu Ende zu führen.

Gemäß § 15 AsylG hat der Asylwerber am Verfahren nach diesem Bundesgesetz mitzuwirken und insbesondere ohne unnötigen Aufschub seinen Antrag zu begründen und alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen.

Gemäß § 18 AsylG hat die Behörde in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für die Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen.

2. Rechtlich folgt daraus:

Die gegenständliche - noch an den Asylgerichtshof gerichtete, zulässige und rechtzeitige - Beschwerde wurde am 11.01.2010 beim Bundesasylamt eingebracht und ist beim Asylgerichtshof am 19.01.2010 eingelangt. Da sie sich gegen einen Bescheid des Bundesasylamtes richtet, der vor dem 31.12.2013 erlassen wurde, ist die erkennende Einzelrichterin des BVwG für die Entscheidung zuständig.

Zu Spruchpunkt A):

Gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, sofern die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat.

Zur Anwendung der Vorgängerbestimmung des § 66 Abs. 2 AVG durch den Unabhängigen Bundesasylsenat - an dessen Stelle als Rechtsmittelinstanz in Asylsachen mit 01.07.2008 der Asylgerichtshof und mit 01.01.2014 das Bundesverwaltungsgericht getreten ist - hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 21.11.2002, 2002/20/0315, ausgeführt:

"Im Berufungsverfahren vor der belangten Behörde ist gemäß § 23 AsylG und Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG (unter anderem) § 66 AVG anzuwenden. Nach § 66 Abs. 1 AVG in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998 hat die Berufungsbehörde notwendige Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durch eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde durchführen zu lassen oder selbst vorzunehmen. Außer dem in § 66 Abs. 2 AVG erwähnten Fall hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, gemäß § 66 Abs. 4 AVG immer in der Sache selbst zu entscheiden" (vgl. dazu unter dem besonderen Gesichtspunkt der Auslegung der Entscheidungsbefugnis der belangten Behörde im abgekürzten Berufungsverfahren nach § 32 AsylG die Ausführungen im hg Erkenntnis vom 23.07.1998, 98/20/0175, Slg. Nr. 14.945/A, die mehrfach vergleichend auf § 66 Abs. 2 AVG Bezug nehmen; zu diesem Erkenntnis siehe auch Wiederin, ZUV 2000/1, 20 f.).

Im vorliegenden Fall war es - nach Zurückziehung der Beschwerde zu Spruchpunkt I - Aufgabe der belangten Behörde zu klären, ob einer Rücküberstellung bzw. Ausweisung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat menschenrechtliche Gründe entgegenstehen würden und ihm der Status als subsidiär Schutzberechtigter zu gewähren wäre.

Nach der Judikatur des VwGH ist es Aufgabe der Behörde erste Instanz eine umfangreiche und detaillierte Erhebung des asylrechtlich relevanten Sachverhaltes durchzuführen. Von den Asylbehörden ist eine Einbeziehung des realen Hintergrundes der von einem Asylwerber vorgetragenen Fluchtgeschichte in das Ermittlungsverfahren zu erwarten. Die Behauptungen des Asylbewerbers sind auch im Verhältnis zu der Berichtslage in Bezug auf das Ereignis, von dem er betroffen gewesen sein will, zu messen (VwGH 30.9.2004, 2001/20/0135; 31.5.2005, 2005/20/70176). Der VfGH bewertete das Verhalten einer Behörde dann als willkürlich, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfand (vgl VfGH 7.11.2008, U 67/08-9). Vielmehr bedarf es fallbezogen konkreter Ermittlungen in Bezug auf das individuelle Vorbringen, um dieses einer Plausibilitätskontrolle unterziehen zu können. Diese Verpflichtung besteht selbst dann, wenn die vom BF gegebene Schilderung von vorneherein als kaum glaubwürdig und als irreal erscheint. Dies entbindet nämlich die Asylbehörde nicht von der Verpflichtung, die notwendigen Ermittlungen vorzunehmen (VfGH 2.10.2001, B 2136/00).

Bezüglich der Frage der Gewährung von subsidiären Schutz (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides) ist nach der anzuwendenden Rechtslage und der dazu ergangenen Judikatur (sowohl des europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte als auch der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts und des Asylgerichtshofes) zusätzlich zu objektiven Kriterien (Lage im Land) das Vorliegen von subjektiven bzw. individuellen Kriterien (Situation des Antragsstellers) für die Erlangung des Status als subsidiär Schutzberechtigter zu prüfen.

Beim BF war daher neben seinen persönlichen Umständen in Prüfung seiner Lebensumstände zu klären, woher er stammt, wo sich seine Familie nun aufhält, ob der BF daher über ein soziales Netzwerk in seinem Herkunftsland verfügt und wie die Lage in diesen Regionen aktuell ist, bzw. über seine diesbezüglichen Angaben hinreichend beweiswürdigend abzusprechen.

Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist im Rahmen der Prüfung der Gefahrenprognose für den Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat auf den tatsächlichen Zielort des BF abzustellen. Im Fall der ihm dort drohenden Gefahr kann der BF nur unter Berücksichtigung der dortigen allgemeinen Gegebenheiten und seiner persönlichen Umstände auf eine andere Region des Landes verwiesen werden (VfGH 12.3.2013, U 1674/12; 12.6.2013, U 2087/2012). Dabei ist zu beachten, dass die Sicherheitslage in Afghanistan von Provinz zu Provinz variiert (vgl VfGH 11.12.2013, U 2643/2012; 7.6.2013, U 2436/2012).

Die Behörde ging im bekämpften Bescheid davon aus, dass der BF im Falle der Rückkehr nach Afghanistan, unter Berücksichtigung seines Alters, Bildungsgrad, Berufsausübung, Volksgruppe, Anknüpfung etc in keine ausweglose Lage geraten würde. Zudem würden Angehörige des Beschwerdeführers ohne nennenswerte Probleme in Afghanistan leben. Die belangte Behörde begnügt sich allein damit, ganz allgemeine Feststellungen zu treffen. Sie unterlässt es auf die individuellen, beim Beschwerdeführer konkret vorliegenden Problemstellungen einzugehen. Die belangte Behörde wäre jedoch verpflichtet gewesen, eine Einzelfallprüfung in Bezug auf die konkrete Situation des BF, anzustellen (VfGH 11.12.2013, U 2643/2012). Dies gilt insbesondere für die Frage, ob der BF noch über ein entsprechendes familiäres Netzwerk in Afghanistan verfügt, zumal er wiederholt ausführte, dass seine Familie ihren Wohnort zwischen Pakistan und Afghanistan wechselte und nunmehr, aufgrund der Gefährdungslage in Afghanistan, in Pakistan lebe. Wie aus den Einvernahmeprotokollen hervor geht, dürfte als einziges Familienmitglied des Beschwerdeführers ein Cousin in XXXX wohnhaft sein. Dies wurde jedoch von der belagerten Behörde nicht aufgeklärt. Auch aus den einen Bestandteil des Bescheides bildenden Länderfeststellungen geht hervor, dass Rückkehrer nach Afghanistan vor Ort mit großen Problemen konfrontiert sind. Sie benötigen das soziale Netzwerk der Familie, die eine soziale Absicherung übernehmen. Afghanen, die außerhalb des Familienverbandes oder nach einer längeren Abwesenheit im westlich geprägten Ausland zurückkehren, stoßen hingegen auf größere Schwierigkeiten als Rückkehrer, die in Familienverbänden geflüchtet sind oder in einen solchen zurückkehren, denen das notwendige soziale oder familiäre Netzwerk sowie die notwendigen Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen. Inwieweit der Beschwerdeführer konkret die Möglichkeit hätte, im Falle einer Rückkehr sich in einen Familienverband flüchten zu können, wurde durch die belangte Behörde nicht ermittelt.

Im fortgesetzten Verfahren wird auch die Einvernahme des Beschwerdeführers nochmals durchzuführen sein, da, wie aus seinem Schreiben vom 09.08.2010 hervorgeht, es zwischen dem Beschwerdeführer und dem iranischen Dolmetscher aufgrund nicht ausreichender Kenntnis von Farsi seitens des Beschwerdeführers offensichtlich zu Missverständnissen gekommen ist.

Um die von der belangten Behörde angezweifelte Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers zu überprüfen ist auch zu ermitteln, ob das Beschäftigungsverhältnis des Bruders des Beschwerdeführers bei der Firma "XXXX" tatsächlich vorgelegen hat.

Bezüglich der Frage des Refoulementschutzes hat die belangte Behörde somit Ermittlungstätigkeit in entscheidenden Punkten unterlassen.

Zusammengefasst ist festzustellen, dass das Bundesasylamt in Bezug auf die Ermittlung der Sachlage bezüglich der Frage des subsidiären Schutzes nicht mit der ihr gebotenen Genauigkeit und Sorgfalt vorgegangen ist und die Sachlage nicht ausreichend erhoben bzw. sich (in der Bescheidbegründung) nur mangelhaft mit den Angaben des Beschwerdeführers und den Beweisergebnissen auseinandergesetzt hat.

Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Rechtsprechung eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit (aktuellen) Länderberichten verlangt (VwGH 26.11.2003, Zl. 2003/20/0389). Aufgrund des mangelnden Ermittlungsverfahrens hat die belangte Behörde jedenfalls eine solche ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens nicht vorgenommen, da die belangte Behörde dieses offensichtlich nicht anhand der konkret entscheidungsrelevanten aktuellen Situation gewürdigt hat.

Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts verstößt das Vorgehen der belangten Behörde gegen die in § 18 Abs. 1 AsylG normierten Ermittlungspflichten. Die Asylbehörden haben in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amtswegen beizuschaffen. Diese Rechtsnorm, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 leg. cit. hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörde, den maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen ist, hat die Erstbehörde in diesem Verfahren missachtet.

Im gegenständlichen Fall ist der angefochtene Bescheid der belangten Behörde und das diesem zugrunde liegende Verfahren im Ergebnis so mangelhaft, dass die Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde zur Erlassung eines neuen Bescheides gemäß § 28 Abs 3 2.Satz VwGVG unvermeidlich ist. Weder erweist sich der Sachverhalt in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt, noch ergibt sich aus den bisherigen Ermittlungen sonst zweifelsfrei, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspräche. Im Gegenteil ist das Verfahren der belangten Behörde mit den oben dargestellten schweren Mängeln behaftet. Die Vornahme der angeführten Feststellungen und Erhebungen durch das Bundesverwaltungsgericht selbst verbietet sich unter Berücksichtigung der oben dargestellten Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes und unter Effizienzgesichtspunkten, zumal diese grundsätzlich vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl durchzuführen sind.

Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde die dargestellten Mängel zu verbessern und in Wahrung des Grundsatzes des Parteiengehörs dem Beschwerdeführer die Ermittlungsergebnisse zur Kenntnis zu bringen haben.

Da die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 idgF voraussetzt, dass der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiären Schutzberechtigten abgewiesen wird, ist die bekämpfte Entscheidung (Spruchpunkt III.), soweit der Beschwerdeführer damit aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen wird, ebenfalls aufzuheben und an die erste Instanz zurückzuverweisen.

3. Zu Spruchpunkt B):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

In der rechtlichen Beurteilung wurde unter Bezugnahme auf die Judikatur des VwGH ausgeführt, dass im erstbehördlichen Verfahren notwendige Ermittlungen unterlassen wurden. Betreffend die Anwendbarkeit des § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG im gegenständlichen Fall liegt keine grundsätzliche Rechtsfrage vor, weil § 28 Abs. 3 2. Satz inhaltlich § 66 Abs. 2 AVG (mit Ausnahme des Wegfalls des Erfordernisses der Durchführung einer mündlichen Verhandlung) entspricht, sodass die Judikatur des VwGH betreffend die Zurückverweisung wegen mangelhafter Sachverhaltsermittlungen heranzuziehen ist. Im Übrigen trifft § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG eine klare Regelung (im Sinne der Entscheidung des OGH vom 22.03.1992, 5Ob105/90), weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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