BVwG W197 2128859-1

BVwGW197 2128859-130.6.2016

BFA-VG §22a Abs1
B-VG Art.133 Abs4
Dublin III-VO Art.28
FPG §76
Gebührengesetz 1957 §14 TP6 Abs5
VwG-AufwErsV §1 Z1
VwGVG §35 Abs2
BFA-VG §22a Abs1
B-VG Art.133 Abs4
Dublin III-VO Art.28
FPG §76
Gebührengesetz 1957 §14 TP6 Abs5
VwG-AufwErsV §1 Z1
VwGVG §35 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2016:W197.2128859.1.00

 

Spruch:

W197 2128859-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Samsinger als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Gambia, vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.06.2016, Zahl:

1085915301-16878839 zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben, und die Anhaltung vom 23.06.2016 um 19.00 Uhr bis zur Entlassung von XXXX am 30.06.2016 für rechtswidrig erklärt.

II. Der Bund hat gemäß § 35 Abs. 2 VwGVG iVm § 1 Z. 1 VwG-AufwErsV dem Beschwerdeführer den Verfahrensaufwand in Höhe von € 737,60 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

III. Der Antrag, den Beschwerdeführer von der Eingabegebühr zu befreien, wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

I. Verfahrensgang und Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer (BF) ist Staatsangehöriger von Gambia, seine Identität steht nicht fest.

1.2. Der BF stellte am 29.11.2013 in Italien einen Antrag auf internationalen Schutz, der negativ entschieden wurde.

1.3. Der BF reiste illegal ins Bundesgebiet ein und stellte am 06.09.2015 einen ersten Asylantrag. Aufgrund der Zuständigkeit Italiens wurde der Asylantrag des BF mit Bescheid der Behörde vom 18.11.2015 in Folge Zuständigkeit Italiens zurückgewiesen, die Abschiebung nach Italien für zulässig erklärt und eine Anordnung zur Außerlandesbringung erlassen. Die vom BF eingebrachte Beschwerde wurde vom BVwG mit Erkenntnis vom 22.12.2015 als unbegründet abgewiesen und erwuchs mit 30.12.2015 in Rechtskraft. Der BF wurde im Rahmen eines Dublin-Prozederes am 26.01.2016 nach Italien überstellt. Nicht festgestellt werden kann, dass es anlässlich der Überstellung seitens des BF zu Problemen gekommen wäre oder er nicht mit den Behörden kooperiert hätte.

1.4. Am 30.01.2016 reiste der BF neuerlich illegal ins Bundesgebiet ein und stellte einen zweiten Asylantrag. Diesen begründete er wie im ersten Asylverfahren. Mit Mitteilung vom 29.02.2016 wurde dem BF der faktische Abschiebeschutz bei Folgeanträgen aberkannt, er wurde am 22.04.2016 neuerlich im Rahmen eines Dublin-Prozederes nach Italien überstellt. Nicht festgestellt werden kann, dass es anlässlich der Überstellung seitens des BF zu Problemen gekommen wär oder er nicht mit den Behörden kooperiert hätte.

1.5. Am 03.06.2016 wurde der BF bei einer Zufallskontrolle von Organen der öffentlichen Sicherheit aufgegriffen. Da die Behörde irrig von einer aufrechten Meldung ausging, wurden keine weiteren Maßnahmen gesetzt und der BF freigelassen. Die Behörde war der Meinung, dass der BF für die Behörde an der Meldeadresse greifbar wäre. Der BF war zu diesem Zeitpunkt jedoch an dieser Adresse in Eisenstadt seit 1.06.2016 nicht mehr aufrecht gemeldet und hielt sich dort auch nicht mehr auf.

1.6. Der BF war im österreichischen Bundesgebiet im Zeitraum 16.09.2015 bis 02.12.2015 in einem Notquartier in Eisenstadt, und im Zeitraum 02.12.2015 bis 31.05.2016 im Caritas Haus Franziskus in Eisenstadt gemeldet.

1.7. Auch das zweite Asylverfahren des BF wurde infolge der Zuständigkeit Italiens mit Bescheid der Behörde vom 15.06.2016 zurückgewiesen und eine neuerliche Anordnung zur Außerlandesbringung erlassen. Aufgrund seines zwischenzeitlich unbekannten Aufenthaltes musste der Bescheid im Akt hinterlegt werden.

1.8. Der BF wurde anlässlich einer Zufallskontrolle am 23.06.2016 in Wien einer Identitätskontrolle unterzogen. In Folge Vorliegens einer durchsetzbaren Anordnung zur Außerlandesbringung wurde der BF um

11.50 Uhr gem. § 40 BFA-VG festgenommen. Der BF wurde in der Folge der Behörde vorgeführt und von 16.00 bis 17.00 Uhr einvernommen.

1.9. Festgestellt wird, dass der BF anlässlich seiner Einvernahme seinem bloßen Unwillen Ausdruck verliehen hat (Diktion VwGH), nach Italien zurückzukehren, da er dort keine Unterkunft habe.

1.10. Der BF hat seit seiner neuerlichen illegalen Einreise Anfang Juni 2016 ohne Anmeldung im Bundesgebiet in Klubs oder bei Freunden genächtigt, wobei er diese nicht nannte, da sie ihm angeblich unbekannt sind. Der BF besitzt im Bundesgebiet keine gesicherte Unterkunft.

1.11. Der BF bestritt seit seiner neuerlichen illegalen Einreise Anfang Juni 2016 den Lebensunterhalt durch Glücksspiel. Infolge Erfolglosigkeit war er zum Zeitpunkt seiner Festnahme mittellos. Der BF hat auch keine Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt im Bundesgebiet legal durch Arbeit zu sichern.

1.12. Der BF ist im Bundesgebiet wird familiär, wirtschaftlich oder sozial integriert.

1.13. Der BF ist in Österreich nicht vorbestraft, wurde bislang allerdings am 01., 18. und 23.12.2015 sowie am 04.02., 21.03. Und 14.06.2016 insgesamt 6 Mal bei Suchtmitteldelikten betreten und zu Anzeige gebracht.

1.14. Nach Einvernahme durch die Behörde wurde mit dem nunmehr angefochtenen Mandatsbescheid vom 23.06.2016 die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung über den BF verhängt und dem BF am 23.06.2016 um 19.00 eigenhändig zugestellt. Der BF ist haftfähig.

1.15 Die Behörde hat unverzüglich ein Konsultationsverfahren mit Italien eingeleiteten und erwartet eine Zustimmung innerhalb der in der Dublin III-VO bestimmten Frist.

1.16. Gegen den Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft erhob der BF durch seinen Rechtsvertreter rechtzeitig Beschwerde und begründete die Rechtswidrigkeit der Schubhaft im Wesentlichen damit, dass der BF vor den beiden bisherigen Abschiebung nicht in Schubhaft genommen wurde, er sich immer kooperativ verhalten und sich seiner Abschiebung nie widersetzt hat. Er habe sich an der ihm zugewiesenen Betreuungsstelle aufgehalten, sodass die Behörde mit der Verhängung gelinderer Mittel insbesondere der Zuweisung einer Unterkunft das Auslangen finden hätte können. Der BF sei auch zu einer freiwilligen Ausreise bereit. Er werde sich außerdem wie in der Vergangenheit einer Abschiebung nicht widersetzen und die ihm zugewiesenen Räume beziehen. Der angefochtene Mandatsbescheid leide zudem an Begründungsmängel. Schließlich wurde die Anberaumung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung und Kosten im gesetzlichen Ausmaß und der Ersatz allfälliger Barauslagen und Gebühren für Dolmetscher und Sachverständige geltend gemacht.

1.17. Die Behörde legte die Akten vor erstattete eine Gegenschrift und beantragte die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgebenden Voraussetzungen vorliegen. Zudem wurden Kosten im gesetzlichen Ausmaß verzeichnet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt)

Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt sich aus den in Punkt I. des Erkenntnisses getroffenen Feststellungen.

2. Beweiswürdigung

2.1. Verfahrensgang und die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten der Behörde, dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts, insbesondere auch der erhobenen Beschwerde.

2.2. Der BF hat durch seine Aussage und sein bisheriges Verhalten glaubwürdig dargetan, dass er nicht bereit ist, sich in Österreich an fremdenrechtliche Vorschriften zu halten, weiters dass er im Bundesgebiet weder familiär, wirtschaftlich oder sozial integriert ist, seinen Lebensunterhalt durch Glücksspiel bestreitet, in Österreich nicht gemeldet und auch keine gesicherte Unterkunft besitzt. Er wurde insgesamt 6 Mal wegen Suchtgiftdelikten angezeigt, sodass - unter Wahrung der Unschuldsvermutung, der BF ist bislang strafrechtlich unbescholten - nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass er seinen Lebensunterhalt auch als kleiner Straßendealer bestreitet. Weiters steht zu vermuten, dass der BF angesichts seiner prekären Lebensumstände durchaus willig ist, sich nach einer neuerlichen Asylantragstellung im Bundesgebiet durch die Behörde als gelinderes Mittel zur Schubhaft eine Unterkunft anweisen und den Rückflug nach Italien finanzieren zu lassen. Dies wird er wohl auch künftighin so halten. Es ist im Hinblick auf das bisherige Verhalten des BF daher nur folgerichtig, wenn die Rechtsvertreterin in der Beschwerde ausführt, das die beiden bisherigen problemlosen Abschiebungen offenkundig die Anwendung des gelinderen Mittels der Zuweisung von Räumlichkeiten geboten erscheinen lassen, bevor der BF wieder per Flug nach Italien überstellt wird.

Diesem Beschwerdevorbringen ist die Behörde in der Gegenschrift nicht entgegengetreten, die Behörde hat auch nicht dargetan, dass sich der BF einen Abschiebungen nach Italien jemals widersetzt oder mit den Behörden nicht kooperiert hätte. Daran ändert auch nichts, dass der BF anlässlich seiner Einvernahme seinen bloßen Unwillen Ausdruck verliehen hat, nach Italien zurückzukehren, da er dort keine Unterkunft habe.

2.3. Da der Sachverhalt aufgrund der Akten unter Berücksichtigung der Beschwerde in allen Punkten geklärt ist, konnte von der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt A. I - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft

Unter Zugrundelegung der einschlägigen Bestimmungen der Dublin III-VO, welche die Verhängung der Schubhaft nur in besonderen Ausnahmefällen zulässt und der Judikatur der Höchstgerichte, wonach illegale Einreise, nicht feststehende Identität, Mittellosigkeit, fehlende legale Beschäftigung, bloßer Unwillen zur Ausreise, fehlende familiäre, wirtschaftliche oder soziale Integration, Straftaten, fehlende Unterkunft, Nichtanmeldung, mehrfache Asylantragstellungen im In- und Ausland geradezu typisch für Schubhaftverfahren sind und diese Sachverhalte sohin - nach der höchstgerichtlichen Judikatur auch kumulativ - nicht geeignet sind, eine erhebliche Fluchtgefahr zu begründen, war die verhängte Schubhaft während der im Spruch genannten Zeit rechtswidrig. Dem öffentlichen Interesse an einer wirksamen Vollziehung der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften kommt demgegenüber kein beachtenswertes Gewicht zu.

3.2 Zu Spruchpunkt A.II und A.III - Kostenbegehren

3.3.1. Die beschwerdeführende Partei begehrte den Ersatz ihrer Aufwendungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen. Da sie in der Sache vollständig obsiegte, steht ihr der Ersatz ihrer Aufwendungen zu.

3.3.2. Mangels gesetzlicher Bestimmungen war der Antrag des BF auf Befreiung der Entrichtung von Eingabegebühr bzw. dessen Refundierung zurückzuweisen. Dass die Eingabegebühr das Rechts des Beschwerdeführers auf Zugang zu Gericht beschneidet, trifft im Hinblick auf die geringe Höher nicht zu. Dieser Gebührensatz kann keineswegs als prohibitiv hoch angesehen werden.

Zu Spruchpunkt B - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen. Da dies nicht der Fall ist, war spruchgemäß zu entscheiden.

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