BVwG W191 1433573-3

BVwGW191 1433573-320.6.2017

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
FPG §55

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W191.1433573.3.00

 

Spruch:

W191 1433573-3/6E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Rosenauer als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Indien, vertreten durch XXXX, Verein Menschrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.02.2017, Zahl 830208503-161437458, zu Recht:

 

A)

 

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I., II. und III. gemäß §§ 57, 58 sowie 10 Abs. 3 Asylgesetz 2005 in Verbindung mit § 9 BFA-Verfahrensgesetz und §§ 46, 52 Abs. 9, 55 sowie 53 Abs. 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 als unbegründet abgewiesen.

 

II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt IV. insoweit stattgegeben, als die Dauer des befristeten Einreiseverbotes auf ein Jahr herabgesetzt wird.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

1. Verfahrensgang:

 

1.1. Vorverfahren:

 

1.1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein indischer Staatsangehöriger aus dem Bundesstaat Punjab, Angehöriger der Glaubensgemeinschaft der Sikhs und ledig, stellte nach irregulärer Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 18.02.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).

 

1.1.2. Dieser Antrag wurde vom Bundesasylamt nach einer Erstbefragung am 18.02.2013 und einer Einvernahme am 22.02.2013 mit Bescheid vom 22.03.2013, Zahl 13 02.085-BAT, sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen und mit einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG verbunden.

 

1.1.3. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 04.05.2013, Zahl C4 433.573-1/2013, als unbegründet ab.

 

1.1.4. Mit Beschluss vom 12.09.2013, Zahl U 1378/2013-5, wies der Verfassungsgerichtshof (VfGH) die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis eingebrachten Beschwerde ab.

 

1.1.5. Am 09.07.2013 beantragte die Bundespolizeidirektion im Wege des Bundesministerium für Inneres erstmals die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF bei der Indischen Botschaft in Wien. Trotz mehrerer Urgenzen konnte seitens der Behörde kein Dokument für den BF erlangt werden.

 

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA), Regionaldirektion Kärnten, stellte dem BF eine Karte für Geduldete gemäß § 46a Fremdenpolizeigesetz 2005 (in der Folge FPG) mit einer Gültigkeit von 09.10.2014 bis 08.10.2015 aus.

 

Im Aktenvermerk des BFA vom 02.10.2014 war von Amts wegen festgestellt worden, dass die Abschiebung des Betroffenen derzeit aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenden Gründen nicht möglich wäre.

 

Mit Schreiben vom 10.04.2015 legte der BF seine indische Geburtsurkunde mit beglaubigter Übersetzung vor und ersuchte um Änderung seiner Geburtsdaten und Neuausstellung einer Duldungskarte gemäß § 46a FPG, dem stattgegeben wurde (Duldung von 06.11.2015 bis 05.11.2016).

 

1.1.6. Am 09.09.2015 brachte der BF einen Antrag auf Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG ein.

 

1.1.7. Da dem Antrag nicht alle erforderlichen Dokumente gemäß § 8 AsylG-DV angeschlossen waren (kein gültiges Reisedokument), wurde der BF mit Verbesserungsauftrag vom 15.09.2015 aufgefordert, den Mangel binnen einer Frist von vier Wochen zu beheben. Der BF gab dazu mit Schreiben vom 25.09.2015 an, dass er ohne "Visum" (Aufenthaltstitel) keinen neuen Pass erhalten könne.

 

1.1.8. Mit Bescheid des BFA vom 30.09.2015, Zahl 830208503-151309096, wurde dieser Antrag gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG zurückgewiesen. Dieser Bescheid erwuchs am 20.10.2015 in Rechtskraft.

 

1.2. Gegenständliches Verfahren:

 

1.2.1. Am 17.10.2016 stellte der BF erneut einen Antrag auf Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß Formular des BFA ("gemäß § 57 Abs. 1 Z 1 AsylG: Duldung des Aufenthalts i.S. des § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG"). Dem Antrag war seine indische Geburtsurkunde mit beglaubigter Übersetzung angeschlossen.

 

1.2.2. Das BFA forderte den BF mit Verbesserungsauftrag vom 02.11.2016 erneut auf, binnen einer Frist von vier Wochen die fehlenden Unterlagen (gültiges Reisedokument) nachzubringen bzw. zu begründen, aus welchen Gründen ihm dessen Beibringung unmöglich oder nicht zumutbar sei, ansonsten sein Anbringen gemäß § 58 Abs. 11 AsylG [als unzulässig] zurückgewiesen werde.

 

1.2.3. Laut Aktenvermerk ohne Datum (Aktenseite 30) wurde der BF am 06.12.2016 persönlich beim BFA, Regionaldirektion Kärnten vorstellig und gab an, bei der Indischen Botschaft gewesen zu sein, jedoch kein Dokument erhalten zu haben. Eine schriftliche Bestätigung hierfür legte er nicht vor.

 

1.2.4. Mit Schreiben vom 29.12.2016 übermittelte das BFA dem BF im Rahmen des Parteiengehörs das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu seinem Herkunftsstaat vom 10.11.2015 und gab ihm Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen sowie binnen zehn Tagen die fehlenden Nachweise vorzulegen bzw. weitere Angaben zu machen.

 

1.2.5. Laut "Übergabe-/Übernahmebestätigung" vom 11.01.2017 übergab der BF dem BFA dazu eine undatierte Stellungnahme, in der er im Wesentlichen Folgendes angab:

 

Er machte Angaben zu seinen Personaldaten und nannte Freunde namentlich. Er hätte in Österreich die Deutsch-Prüfung A2 erfolgreich abgelegt, arbeite selbständig als Prospektverteiler. Zu Indien habe er keinerlei Bindung mehr, seine Eltern seien aus dem Herkunftsdorf weggezogen. Er habe sich in Österreich in den letzten Jahren ein neues Leben aufgebaut und hier fast schon familiäre Bindungen. Eine Rückkehr nach Indien sei für ihn unvorstellbar. In seinem Dorf sei [Anmerkung: offenbar seinerzeit] ein Streit zwischen verfeindeten Banden ausgebrochen, und weil er sich für keine der beiden Seiten hätte entscheiden wollen, sei er mehrfach mit dem Tod bedroht worden. Hier in Österreich fühle er sich sicher.

 

1.2.6. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das BFA mit Bescheid vom 03.02.2017 den Antrag des BF auf Erteilung eines "Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 Abs. 1 Z 1 AsylG gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG" als unzulässig zurück (Spruchpunkt I.). In Spruchpunkt II. erließ das BFA gegen den BF gemäß § 10 Abs. 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III.). In Spruchpunkt IV. wurde gegen den BF gemäß § 53 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 FPG ein auf die Dauer von 18 Monaten befristetes Einreiseverbot erlassen.

 

In der Bescheidbegründung traf das BFA Feststellungen zur Person des BF – seine Identität stehe nicht fest – sowie zu seinem Privat- und Familienleben, zu den Gründen für die Erlassung des Einreiseverbots und zur Lage im Herkunftsstaat des BF.

 

Der BF sei seiner Mitwirkungspflicht im Verfahren nicht im erforderlichen Ausmaß nachgekommen. Er halte sich seit Stellung seines Asylantrages im Februar 2013 in Österreich auf. Er verfüge über keine familiären Anknüpfungspunkte oder engen sozialen Bindungen in Österreich. Sein Freundeskreis bestehe hauptsächlich aus Landsleuten. Nach seinen Angaben habe er einen Deutschkurs A2 abgeschlossen und sei als selbständiger Prospektverteiler tätig. Eine Versicherungsdatenauskunft sei negativ verlaufen. Eine Integrationsverfestigung hätte nicht festgestellt werden können.

 

Das Asylverfahren sei mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 14.05.2013 rechtskräftig negativ abgeschlossen worden. Der BF sei seiner Ausreiseverpflichtung über Jahre hinaus nicht nachgekommen. Sein Verhalten widerstreite der öffentlichen Ordnung und dem Vollzug eines geordneten Fremdenwesens. Er missachte bewusst die österreichische Rechtsordnung.

 

Beweiswürdigend wurde unter anderem angeführt, dass aus den Angaben des BF im ersten Antragsverfahren bezüglich eines Aufenthaltstitels eindeutig hervorgehe, dass er in der Vergangenheit einen Reisepass besessen habe. Daher sei davon auszugehen, dass seine Personaldaten in Indien bei der zuständigen Passbehörde bekannt und gespeichert seien. Auch sei es dem PF möglich und zumutbar, sich benötigte Dokumente über seine Familie/Eltern – auch wenn diese aus dem Heimatort weggezogen sein sollten – zu besorgen. Auch sei ihm in Österreich eine Lenkberechtigung aufgrund der Vorlage eines indischen Führerscheins ausgestellt worden, was er im Verfahren vor dem BFA bisher verschwiegen habe, wohl um die Erlangung eines Heimreisedokumentes für seine Person zu erschweren.

 

Die Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der BF bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.

 

1.2.7. Gegen diesen Bescheid brachte der BF fristgerecht mit Schreiben seiner Vertreterin vom 14.02.2017 das Rechtsmittel der Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) wegen "Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften, insbesondere wegen Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens, in Folge einer mangelhaften Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung" ein.

 

Der BF beantragte sinngemäß, das BVwG möge:

 

1. den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 Abs. Z 1 FPG erteilt werde;

 

2. die gegen ihn ausgesprochene Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG und den Ausspruch über die Zulässigkeit der Abschiebung nach Indien gemäß § 46 FPG aufheben,

 

3. das gegen ihn ausgesprochene Einreiseverbot aufheben; in eventu

 

4. den angefochtenen Bescheid zur Gänze beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückverweisen;

 

5. eine mündliche Verhandlung vor dem BVwG anberaumen.

 

In der Beschwerdebegründung wurden zur gegenständliche Sache keine Ausführungen getätigt, sondern lediglich angegeben, dass der BF bei seiner (Anmerkung: seinerzeitigen) Einvernahme vor dem Bundesamt (Anmerkung: im Asylverfahren) bereit gewesen wäre, weiter an der Sachverhaltsermittlung mitzuwirken. Er hätte nicht gewusst, dass er seinen österreichischen Führerschein der Behörde hätte zeigen müssen, denn diese habe niemals danach gefragt. Der BF habe sehr große politische Probleme in Indien. Er wolle in Sicherheit in Österreich leben und bitte deshalb, dass seine Sache erneut geprüft werde.

 

2. Beweisaufnahme:

 

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

 

* Einsicht in den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakt des Bundesamtes betreffend dessen Anträge auf Duldung bzw. auf Erteilung von Aufenthaltstiteln sowie in die Gerichtsakten des Asylgerichtshofes und des BVwG

 

* Einsicht in Dokumentationsquellen betreffend den Herkunftsstaat des BF im erstbehördlichen Verfahren (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 10.11.2015, Aktenseiten 88 bis 121)

 

3. Ermittlungsergebnis (Sachverhaltsfeststellungen):

 

Nachfolgende Feststellungen wurden aufgrund der in Punkt 2. angeführten Beweismittel glaubhaft gemacht:

 

3.1. Zur Person des BF:

 

3.1.1. Der BF führt den Namen XXXX, geboren am XXXX, ist indischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Punjabi an, bekennt sich zur Religionsgemeinschaft der Sikhs und ist ledig.

 

3.1.2. Der BF kommt aus einem genannten Dorf im Distrikt Kapurthala, Provinz Punjab, Indien, und lebte dort mit seiner Familie. Er ist ledig. Er reiste im Februar 2013 nach Österreich und stellte hier einen Antrag auf internationalen Schutz (Asylantrag).

 

Die Familie des BF lebt nach wie vor in Indien, die Eltern des BF sind nach seinen Angaben aus ihrem Heimatdorf weggezogen.

 

3.1.3. Der BF reiste nach seiner rechtskräftigen Abweisung seines Asylantrages im Mai 2013 (auch der VfGH lehnte die Behandlung der dagegen eingebrachten Beschwerde im September 2013 ab) nicht zurück, sondern verblieb im Bundesgebiet.

 

3.1.4. Im Verfahren bezüglich seiner Ausreise wurde der BF mehrmals aufgefordert, die für die Ausstellung eines Heimreisezertifikates erforderlichen Dokumente (insbesondere Reisepass) beizubringen. Der BF folgte dem nicht und führte auch keine stichhaltigen Gründe an, weshalb ihm die Erlangung eines Reisedokumentes unmöglich oder unzumutbar wäre. Er kam somit seiner Mitwirkungspflicht im Verfahren nicht im erforderlichen Ausmaß nach.

 

Seinem Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete wurde zweimal (jeweils für ein Jahr, zuletzt bis 05.11.2016) stattgegeben.

 

Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten. Er ist irregulär in das Bundesgebiet eingereist und über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren illegalen Aufenthaltes trotz rechtskräftiger Ausweisung nicht wieder ausgereist.

 

Das Verhalten des BF bezüglich der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen stellt eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung bzw. Sicherheit dar.

 

3.1.5. Der BF ist männlich, im erwerbsfähigen Alter und gesund. Ihm würde im Falle seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (in der Folge EMRK), drohen.

 

Dass sein allgemeiner Gesundheitszustand erheblich beeinträchtigt wäre, hat der BF im Verfahren weder behauptet, noch ist es dem erkennenden Gericht sonst wie bekannt geworden. Es ist daher anzunehmen, dass der BF im Herkunftsstaat in der Lage sein wird, sich notfalls mit Hilfstätigkeiten ein ausreichendes Auskommen zu sichern und daher nicht in eine hoffnungslose Lage zu kommen, zumal er über soziale Anknüpfungspunkte (Familie) und Berufserfahrung verfügt.

 

3.1.6. Dem BF steht in Österreich kein Aufenthaltsrecht außerhalb des Asylrechtes zu, und er hatte niemals ein anderes als das vorübergehende Aufenthaltsrecht als Asylwerber in Österreich in der Zeit zwischen Februar und Mai 2013.

 

3.1.7. Der BF hat keine hinsichtlich Art. 8 EMRK relevanten Familienangehörigen oder Verwandten in Österreich. Allfällige freundschaftliche Beziehungen in Österreich sind erst zu einem Zeitpunkt entstanden, an dem sich der BF seiner unsicheren aufenthaltsrechtlichen Stellung bewusst sein musste.

 

3.1.8. Der BF besucht in Österreich keine Kurse, Schulen oder Universitäten. Er geht nach seinen Angaben einer Erwerbstätigkeit als Prospektverteiler nach, hat aber dafür keine Belege vorgelegt. Er hat nach seinen Angaben die Deutsch-Prüfung A2 bestanden, aber auch dafür keinen Beleg vorgelegt. Eine Integration des BF in Österreich in besonderem Ausmaß liegt nicht vor.

 

Eine Integration des BF in Österreich in besonderem Ausmaß liegt nicht vor.

 

3.5. Zur Lage im Herkunftsstaat des BF:

 

Feststellungen zur Lage in Indien bzw. im Bundesstaat Punjab (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 09.01.2017, Schreibfehler teilweise korrigiert):

 

Überblick über die politische Lage:

 

Indien ist mit über 1,2 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA Factbook 12.12.2016; vgl. auch: AA 16.08.2016, BBC 27.09.2016). Die – auch sprachliche – Vielfalt Indiens wird auch in seinem föderalen politischen System reflektiert, in welchem die Macht von der Zentralregierung und den Bundesstaaten geteilt wird (BBC 27.09.2016). Die Zentralregierung hat deutlich größere Kompetenzen als die Regierungen der Bundesstaaten (AA 9 .2016a). Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 13.04.2016). Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus (AA 9 .2016a).

 

Die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung entspricht britischem Muster (AA 16.08.2016), der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist durchgesetzt (AA 9 .2016a). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit, die über einen dreistufigen Instanzenzug verfügt, ist verfassungsmäßig garantiert (AA 16.08.2016).

 

Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 13.04.2016). Die Legislative besteht aus einer Volkskammer (Lok Sabha) und einer Staatenkammer (Rajya Sabha). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Bundesstaatsebene (AA 16.08.2016).

 

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister Leiter der Regierung ist (USDOS 13.04.2016). Das Präsidentenamt bringt vor allem repräsentative Aufgaben mit sich, im Krisenfall verfügt der Präsident aber über weitreichende Befugnisse. Seit Juli 2012 ist Präsident Pranab Kumar Mukherjee indisches Staatsoberhaupt (AA 9 .2016a). Das wichtigste Amt innerhalb der Exekutive bekleidet aber der Premierminister (GIZ 11.2016).

 

Die seit 2014 im Amt befindliche neue Regierung will nicht nur den marktwirtschaftlichen Kurs fortsetzen, sondern ihn noch intensivieren, indem bürokratische Hemmnisse beseitigt und der Protektionismus verringert werden soll. Ausländische Investoren sollen verstärkt aktiv werden (GIZ 12.2016).

 

Sicherheitslage:

 

Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven. Widersprüche, Gegensätze oder Konflikte entladen sich in den gesellschaftlichen Arenen und werden von der Politik aufgegriffen, verarbeitet und teilweise instrumentalisiert (GIZ 11.2016). Blutige Terroranschläge haben in den vergangenen Jahren in Indiens Millionen-Metropolen wiederholt Todesopfer gefordert (Eurasisches Magazin 24.5.2014). Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 11.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt (AA 16.08.2016).

 

Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011 Mumbai, September 2011 New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 Chennai und Dezember 2014 Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt, und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.04.2015). Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2011 1.073 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt, für das Jahr 2012 803, für das Jahr 2013 885, für das Jahr 2014 976, für das Jahr 2015 722 und für das Jahr 2016 835 [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 09.01.2017).

 

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Ermordungen und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer) zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People’s Liberation Front etc.). Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, vielmehr als "communal violence" bezeichnet (ÖB 12.2016).

 

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 16.08.2016).

 

Justiz:

 

In Indien sind viele Grundrechte und -freiheiten verfassungsmäßig verbrieft, und die verfassungsmäßig garantierte unabhängige indische Justiz bleibt vielmals wichtiger Rechtegarant. Die häufig lange Verfahrensdauer aufgrund überlasteter und unterbesetzter Gerichte sowie verbreitete Korruption, vor allem im Strafverfahren, schränken die Rechtssicherheit aber deutlich ein (AA 16.08.2016; vgl. auch:

USDOS 13.04.2016). Eine generell diskriminierende Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis lässt sich nicht feststellen, allerdings sind vor allem die unteren Instanzen nicht frei von Korruption (AA 24.04.2015).

 

Das Gerichtswesen ist auch weiterhin überlastet, und der Rückstau bei Gericht führt zu langen Verzögerungen oder der Vorenthaltung von Rechtsprechung. Eine Analyse des Justizministeriums ergab mit 01.08.2015 eine Vakanz von 34% der Richterstellen an den Obergerichten (USDOS 13.04.2016). Die Regeldauer eines Strafverfahrens (von der Anklage bis zum Urteil) beträgt mehrere Jahre; in einigen Fällen dauern Verfahren bis zu zehn Jahre. Auch der Zeugenschutz ist mangelhaft. Dies führt dazu, dass Zeugen vor Gericht häufig nicht frei aussagen, da sie bestochen oder bedroht worden sind (AA 16.08.2016; vgl. auch: USDOS 13.04.2016).

 

Sicherheitsbehörden:

 

Die indische Polizei (Indian Police Service) ist keine direkte Strafverfolgungs- oder Vollzugsbehörde (BICC 6.2016) und untersteht den Bundesstaaten (AA 16.08.2016). Sie fungiert vielmehr als Ausbildungs- und Rekrutierungsstelle für Führungsoffiziere der Polizei in den Bundesstaaten. Im Hinblick auf die föderalen Strukturen ist die Polizei dezentral in den einzelnen Bundesstaaten organisiert. Die einzelnen Einheiten haben jedoch angesichts eines nationalen Polizeigesetzes, zahlreicher nationaler Strafrechte und der zentralen Rekrutierungsstelle für Führungskräfte eine Reihe von Gemeinsamkeiten. Allgemein ist die Polizei mit der Strafverfolgung, Verbrechensprävention und -bekämpfung sowie Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung betraut und übt gleichzeitig eine teilweise Kontrolle über die verschiedenen Geheimdienste aus. Innerhalb der Polizei gibt es eine Kriminalpolizei (Criminal Investigation Department – CID), in die wiederum eine Sondereinheit (Special Branch) integriert ist. Während erstere mit nationalen und bundesstaatenübergreifenden Verbrechen betraut ist, hat die Sondereinheit Informationsbeschaffung und Überwachung jeglicher subversiver Elemente und Personen zur Aufgabe. In fast allen Bundesstaaten sind spezielle Polizeieinheiten aufgestellt worden, die sich mit Frauen und Kindern beschäftigen. Kontrolliert wird ein Großteil der Strafverfolgungsbehörden vom Innenministerium (Ministry of Home Affairs) (BICC 6.2016).

 

Ein Mangel an Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Polizei entsteht neben den strukturellen Defiziten auch durch häufige Berichte über Menschenrechtsverletzungen wie Folter, außergerichtliche Tötungen und Drohungen, die mutmaßlich durch die Polizei verübt wurden (BICC 6.2016; vgl. auch: USDOS 13.04.2016). Die Polizei bleibt weiterhin überlastet, unterbezahlt und politischem Druck ausgesetzt, was in einigen Fällen zu Korruption führt. (USDOS 13.04.2016). Versprochene Polizeireformen verzögerten sich 2015 erneut (HRW 27.01.2016).

 

Die Effektivität der Strafverfolgung und der Sicherheitskräfte ist im gesamten Land sehr unterschiedlich ausgeprägt. Während es einerseits Fälle von Polizisten/Beamten gibt, die auf allen Ebenen ungestraft handeln, so gab es andererseits auch Fälle, in denen Sicherheitsbeamte für ihre illegalen Handlungen zur Verantwortung gezogen wurden (USDOS 13.04.2016).

 

Das indische Militär ist der zivilen Verwaltung unterstellt und hat in der Vergangenheit wenig Interesse an einer politischen Rolle gezeigt. Der Oberbefehl obliegt dem Präsidenten. Ihrem Selbstverständnis nach ist die Armee zwar die "Beschützerin der Nation", aber nur im militärischen Sinne (BICC 6.2016). Das Militär kann im Inland eingesetzt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit notwendig ist (AA 16.08.2016; vgl. auch: BICC 6.2016), wie etwa beim Kampf gegen bewaffnete Aufständische, der Unterstützung der Polizei und der paramilitärischen Einheiten sowie dem Einsatz bei Naturkatastrophen (BICC 6.2016).

 

Für den Einsatz von Streitkräften – vor allem von Landstreitkräften – in Unruhegebieten und gegen Terroristen wird als Rechtsgrundlage der "Armed Forces Special Powers Act" (AFSPA) herangezogen. Der AFSPA gibt den Streitkräften weitgehende Befugnisse zum Gebrauch tödlicher Gewalt, zu Festnahmen ohne Haftbefehl und Durchsuchungen ohne Durchsuchungsbefehl. Bei ihren Aktionen genießen die Handelnden der Streitkräfte weitgehend Immunität vor Strafverfolgung. Der AFSPA kommt zur Anwendung, nachdem Regierungen der Bundesstaaten ihre Bundesstaaten oder nur Teile davon auf der Basis des "Disturbed Areas Act" zu "Unruhegebieten" erklären. Als Unruhegebiete gelten zurzeit der Bundesstaat Jammu und Kaschmir und die nordöstlichen Bundesstaaten Arunachal Pradesh, Assam, Meghalaya, Manipur, Mizoram und Nagaland (AA 16.08.2016 vgl. USDOS 25.06.2015).

 

Die unter anderem auch in den von linksextremistischen Gruppen (sog. Naxaliten) betroffenen Bundesstaaten Zentralindiens eingesetzten paramilitärischen Einheiten Indiens unterstehen zu weiten Teilen dem Innenministerium (AA 16.08.2016). Dazu zählen insbesondere die National Security Guard (Nationale Sicherheitspolizei NSG), eine aus Angehörigen des Heeres und der Polizei zusammengestellte Spezialtruppe für Personenschutz, auch als "Black Cat" bekannt, die Rahtriya Rifles, eine Spezialtruppe zum Schutz der Verkehrs- und Nachrichtenverbindungen bei inneren Unruhen und zur Bekämpfung von bewaffneten Rebellionen, die Central Reserve Police Force (CRPF) – die Bundesreservepolizei, eine militärisch ausgerüstete Polizeitruppe für Sondereinsätze –, die Border Security Force (BSF – Bundesgrenzschutz), als größte und am besten ausgestattete Miliz zum Schutz der Grenzen zu Pakistan, Bangladesh und Myanmar. Sie wird aber auch zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung in anderen Landesteilen eingesetzt. Weiters zählen die Assam Rifles – zuständig für Grenzverteidigung im Nordosten –, die Indo-Tibetan Border Force (ITBP) als Indo-Tibetische Grenzpolizei sowie die Küstenwache, die Railway Protective Force zum Schutz der nationalen Eisenbahn und die Central Industrial Security Force, zum Werkschutz der Staatsbetriebe dazu (ÖB 12.2016). Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden (AA 16.08.2016).

 

Die Grenzspezialkräfte ("Special Frontier Force)" unterstehen dem Büro des Premierministers. Die sogenannten Grenzspezialkräfte sind eine Eliteeinheit, die an sensiblen Abschnitten der Grenze zu China eingesetzt werden. Auch für das Handeln der Geheimdienste, das sogenannte Aufklärungsbüro ("Intelligence Bureau" – Inlandsgeheimdienst) und den Forschungs- und Analyseflügel ("Research and Analysis Wing" – Auslandsgeheimdienst), bestehen gesetzliche Grundlagen (AA 24.04.2015; vgl. auch USDOS 25.06.2015).

 

Der "Unlawful Activities (Prevention) Act" (UAPA) wurde verschärft. Die Änderungen beinhalten u.a. eine erweiterte Terrorismusdefinition und in Fällen mit Bezug zu Terrorismus die Möglichkeit zur Ausweitung der Untersuchungshaft ohne Anklage von 90 auf 180 Tage und erleichterte Regeln für den Beweis der Täterschaft eines Angeklagten (die faktisch einer Beweislastumkehr nahekommen) (AA 24.04.2015).

 

Allgemeine Menschenrechtslage:

 

Indien hat 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterzeichnet (AA 16.08.2016). Die nationale Gesetzgebung in Menschenrechtsangelegenheiten ist breit angelegt. Alle wichtigen Menschenrechte sind verfassungsrechtlich garantiert (ÖB 12.2016). Die Umsetzung dieser Garantien ist allerdings häufig nicht in vollem Umfang gewährleistet (AA 16.08.2016). Eine Reihe von Sicherheitsgesetzen schränken die rechtsstaatlichen Garantien, z.B. das Recht auf ein faires Verfahren, aber ein. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u. a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt.

 

Die wichtigsten Menschenrechtsprobleme sind Missbrauch durch Polizei und Sicherheitskräfte einschließlich außergerichtlicher Hinrichtungen, Folter und Vergewaltigung. Korruption bleibt weit verbreitet und trägt zur ineffektiven Verbrechensbekämpfung, insbesondere auch von Verbrechen gegen Frauen, Kinder und Mitglieder registrierter Kasten und Stämme sowie auch gesellschaftlicher Gewalt aufgrund von Geschlechts-, Religions-, Kasten- oder Stammeszugehörigkeit bei (USDOS 13.04.2016).

 

Die Menschenrechtslage ist in Indien regional sehr unterschiedlich (BICC 6.2016), eine verallgemeinernde Bewertung kaum möglich:

Drastische Grundrechtsverletzungen und Rechtsstaatsdefizite koexistieren mit weitgehenden bürgerlichen Freiheiten, fortschrittlichen Gesetzen und engagierten Initiativen der Zivilgesellschaft. Vor allem die Realität der unteren Gesellschaftsschichten, die die Bevölkerungsmehrheit stellen, ist oftmals von Grundrechtsverletzungen und Benachteiligung geprägt (AA 16.08.2016). Ursache vieler Menschenrechtsverletzungen in Indien bleiben tiefverwurzelte soziale Praktiken wie nicht zuletzt das Kastenwesen (AA 16.08.2016). Frauen, Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten sowie niedriger Kasten werden systematisch diskriminiert (BICC 6.2016). Während die Bürger- und Menschenrechte von der Regierung größtenteils respektiert werden, ist die Lage in den Regionen dort, wo es interne Konflikte gibt, teilweise sehr schlecht. Dies trifft insbesondere auf Jammu und Kaschmir und den Nordosten des Landes zu. Den Sicherheitskräften, aber auch den nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen, seien es separatistische Organisationen oder regierungstreue Milizen, werden massive Menschenrechtsverletzungen angelastet. Dem Militär und den paramilitärischen Einheiten werden Entführungen, Folter, Vergewaltigungen, willkürliche Festnahmen und außergerichtliche Hinrichtungen vorgeworfen. Insbesondere hinsichtlich der Spannungen zwischen Hindus und Moslems, welche im Jahr 2002 zu Tausenden von Todesfällen führten, wird den Sicherheitskräften Parteilichkeit vorgeworfen Die Stimmung wird durch hindunationalistische Parteien angeheizt, welche auch in der Regierung vertreten sind (BICC 6.2016).

 

Separatistische Rebellen und Terroristen in Jammu und Kaschmir, den nordöstlichen Bundesstaaten und im Maoistengürtel begehen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, darunter Morde an Zivilisten, Polizisten, Streitkräften und Regierungsbeamten. Aufständische sind für zahlreiche Fälle von Entführung, Folter, Vergewaltigung, Erpressung und den Einsatz von Kindersoldaten verantwortlich (USDOS 13.04.2016).

 

Die Behörden verstoßen auch weiterhin gegen die Privatsphäre der Bürger. In manchen Bundesstaaten schränkt das Gesetz die religiöse Konversion ein, und es gibt Berichte von Verhaftungen, aber keine Verurteilungen nach diesem Gesetz. Manche Einschränkungen in Bezug auf die Bewegungsfreiheit dauern an (USDOS 13.04.2016).

 

Im Oktober 1993 wurde die Nationale Menschenrechtskommission (National Human Rights Commission – NHRC) gegründet. Ihre Satzung beinhaltet den Schutz des Menschenrechtgesetzes aus dem Jahre 1993. Die Kommission verkörpert das Anliegen Indiens für den Schutz der Menschenrechte. Sie ist unabhängig und wurde durch ein Umsetzungsgesetz des Parlaments gegründet. Die NHRC hat die Befugnis eines Zivilgerichtes (NHRC o.D.). Die NHRC empfiehlt, dass das Kriminalermittlungsbüro alle Morde, in denen die angeblichen Verdächtigen während ihrer Anklage, Verhaftung, oder bei ihrem Fluchtversuch getötet wurden, untersucht. Viele Bundesstaaten sind diesem unverbindlichen Rat nicht gefolgt und führten interne Revisionen im Ermessen der Vorgesetzten durch. Die NHRC-Richtlinien weisen die Bundesstaatenregierungen an, alle Fälle von Tod durch Polizeihandlung binnen 48 Stunden an die NHRC zu melden, jedoch hielten sich viele Bundesstaatenregierungen nicht an diese Richtlinien. Die NHRC forderte von den Bundesstaatenregierungen, den Familien von Opfern eine finanzielle Kompensation zu bieten, aber die Bundesstaatenregierungen erfüllten diese Richtlinien nicht konsequent. Die Behörden haben die Streitkräfte nicht dazu aufgefordert, Todesfälle während der Haft an die NHRC zu melden (USDOS 13.04.2016).

 

Bewegungsfreiheit:

 

Das Gesetz gewährt landesweite Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Migration und Repatriierung, und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 13.04.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt. Abgesehen davon ist Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes gewährleistet (AA 16.08.2016).

 

Die Regierung lockerte Einschränkungen in Bezug auf Reisen nach Arunachal Pradesh, Nagaland, Mizoram, Manipur und Teilen von Jammu und Kaschmir, außer für Ausländer aus Pakistan, China und Burma. Das Innenministerium und die Bundesstaatenregierungen verlangen, vor Reiseantritt von den Bürgern spezielle Genehmigungen einzuholen, um in bestimmte gesperrte Regionen bzw. Sperrzonen zu reisen. Die Sicherheitskräfte untersuchen Wagen und deren Inhaber bei Checkpoints im Kaschmirtal, vor öffentlichen Veranstaltungen in Neu Delhi oder nach großen terroristischen Angriffen (USDOS 13.04.2016).

 

Die Regierung darf die legale Ausstellung eines Passes an einen Anwärter, von dem geglaubt wird, dass er in Aktivitäten außerhalb des Landes verwickelt ist, die "schädlich für die Souveränität und Integrität der Nation" sind, verweigern. Bürger von Jammu und Kaschmir sind auch weiterhin mit massiven Verzögerungen bei der Ausstellung eines Passes konfrontiert, oft dauert es bis zu zwei Jahre, bis ihnen das Außenministerium einen Pass ausstellt oder erneuert. Die Regierung setzt Antragsteller – geboren in Jammu und Kaschmir –, darunter auch Kinder von Militäroffizieren, Berichten zufolge zusätzlichen Kontrollen aus, bevor sie einen Pass erhalten (USDOS 16.08.2016).

 

Mit dem geplanten Datenverbundsystem für die zentralen Sicherheitsbehörden und die Unionsstaaten, Crime and Criminal Tracking Network System (CCTNS), soll künftig ein Informationsaustausch auf allen Ebenen gewährleistet sein. Für 2012 war eine Anbindung von 15.000 Polizeistationen und 6.000 übergeordneten Stellen vorgesehen. Die Umsetzung des ambitionierten Vorhabens liegt jedoch weit hinter dem ursprünglichen Zeitplan (AA 03.03.2014).

 

Indien ist das siebtgrößte Land der Erde mit über einer Milliarde Einwohnern (ÖB 12.2016). Es ist davon auszugehen, dass Betroffene sich durch Flucht in einen anderen Landesteil jeglicher Art der privaten/halbstaatlichen Probleme entziehen können, da nicht davon auszugehen ist, dass über das Dorf hinaus Anwohner oder lokale Behörden Hinweise erhalten oder recherchieren können oder sich überhaupt dafür interessieren, was ein Zugezogener in der Vergangenheit gemacht haben könnte. Es fehlen jegliche zentrale Aktenführung oder Informationsaustausch. Es bedarf lediglich eines sehr einfachen, öffentlichen Namensänderungsverfahrens, um seine Identität zu verschleiern (AA 03.03.2014).

 

Es gibt kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem, so dass ein Großteil der Bevölkerung keinen Ausweis besitzt. Dies begünstigt die Niederlassung in einem anderen Landesteil im Falle von Verfolgung. Auch bei laufender strafrechtlicher Verfolgung ist nicht selten ein unbehelligtes Leben in ländlichen Bezirken eines anderen Landesteils möglich, ohne dass die Person ihre Identität verbergen muss (AA 16.08.2016). Ob der Betreffende nach der Umsiedlung dort die Möglichkeit hat, sich ein wirtschaftliches Auskommen zu verschaffen, hängt ausschließlich von seiner Eigeninitiative ab (AA 03.03.2014).

 

In den großen Städten ist die Polizei jedoch personell und materiell besser ausgestattet, so dass die Möglichkeit, aufgespürt zu werden, dort größer ist. Bekannte Persönlichkeiten ("high profile" persons) können nicht durch einen Umzug in einen anderen Landesteil der Verfolgung entgehen, wohl aber weniger bekannte Personen ("low profile" people) (ÖB 12.2016).

 

Grundversorgung:

 

Etwa ein Viertel der Bevölkerung lebt unter dem Existenzminimum. Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine für das Überleben ausreichende Nahrungsversorgung auch den schwächsten Teilen der Bevölkerung grundsätzlich sichergestellt. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe oder ein anderes soziales Netz. Rückkehrer sind auf die Unterstützung der Familie oder Freunde angewiesen.

 

Vorübergehende Notlagen können durch Armenspeisungen im Tempel, insbesondere der Sikh-Tempel, die auch gegen kleinere Dienstleistungen Unterkunft gewähren, ausgeglichen werden (AA 16.08.2016).

 

Medizinische Versorgung:

 

Die Struktur von Indiens Gesundheitssystems ist vielseitig. Nach der indischen Verfassung haben die verschiedenen Staaten die Leitung über die meisten Aspekte des Gesundheitswesens, inklusive öffentlicher Gesundheit und Krankenhäuser. Rund 80% der Finanzierung des öffentlichen Gesundheitswesens kommt von den Staaten (BAMF 12.2015).

 

Die gesundheitliche Grundversorgung wird vom Staat kostenfrei gewährt. Sie ist aber durchweg unzureichend (AA 16.08.2016) und schließt keine kostenfreie Gesundheitsversorgung für die gesamte Bevölkerung ein (BAMF 8.2014). Staatliche Krankenhäuser bieten Gesundheitsversorgung kostenfrei oder zu sehr geringen Kosten (BAMF 12.2015).

 

Staatliche Gesundheitszentren bilden die Basis des öffentlichen Gesundheitswesens. Dies sind meist Ein-Mann-Kliniken, die auch kleine Operationen anbieten. Diese Zentren sind grundsätzlich in der Nähe aller Dörfer zu finden. Insgesamt gibt es mehr als 23.000 solcher Kliniken in Indien. Gemeindegesundheitszentren (Community Health Centres) sind als Basis des Gesundheitswesens in städtischen Gegenden verfügbar. Taluk Krankenhäuser werden von der Regierung und dem zuständigen Taluk [Anmerkung: Verwaltungseinheit] betrieben. Bezirkskrankenhäuser (District level hospitals) und spezialisierte Kliniken sind für alle möglichen Gesundheitsfragen ausgestattet (BAMF 12.2015).

 

Der private Sektor hat ebenfalls eine wesentliche Rolle bei der Gesundheitsversorgung (BAMF 12.2015), und da der Andrang auf Leistungen des staatlichen Sektors sehr stark ist, weichen viele für eine bessere oder schnellere Behandlung auf private Anbieter aus. Die privaten Gesundheitsträger genießen wegen der fortschrittlicheren Infrastruktur und des qualifizierteren Personals einen besseren Ruf. In allen größeren Städten gibt es medizinische Einrichtungen, in denen überlebensnotwendige Behandlungen durchgeführt werden können. Dies gilt mit den genannten Einschränkungen auch für den öffentlichen Bereich (AA 16.08.2016). Einige wenige private Krankenhäuser in den größten Städten gewährleisten einen Standard, der dem westlicher Industriestaaten vergleichbar ist. Im wirtschaftlich starken Punjab und in New Delhi ist die Gesundheitsversorgung im Verhältnis zu anderen Landesteilen gut (AA 16.08.2016). Private Gesundheitsversorgung ist vergleichbar teuer, und den Großteil der Kosten zahlen die Patienten und deren Familien selbst. Für den Zugang zu den Leistungen ist grundsätzlich ein gültiger Personenausweis nötig (Adhaar card, Voter ID, PAN, driving license) (BAMF 12.2015).

 

Mehrere Versicherungsgesellschaften bieten eine Krankenversicherung an, die bestimmte medizinische Kosten abdeckt, unter anderem auch stationären Krankenhausaufenthalt. Die Abdeckung variiert je nach Versicherungspolizze (BAMF 8.2014). Die staatliche Krankenversicherung (Universal Health Insurance Scheme) erfasst nur indische Staatsbürger unterhalb der Armutsgrenze. Für den Rest der Bevölkerung ist eine beitragspflichtige Krankenversicherung durch verschiedene private und staatliche Firmen zu unterschiedlichen Konditionen gegeben. Bekannte Versicherer sind General Insurance, Bharti AAA, HDFC ERGO, Bajaj, Religare, Apollo Munich, New India Assurance, Max Bupa etc. Zudem gibt es viele wohltätige Institutionen, die bezahlbare Behandlungen anbieten (BAMF 12.2015).

 

In Indien sind fast alle gängigen Medikamente auf dem Markt erhältlich (AA 16.08.2016). Medikamentenläden sind in Indien zahlreich und auch in entlegenen Städten vorhanden. (BAMF 12.2015). Die Einfuhr von Medikamenten aus dem Ausland ist möglich. Indien ist der weltweit größte Hersteller von Generika, und Medikamente kosten einen Bruchteil der Preise in Europa (AA 16.08.2016). Die Kosten für die notwendigsten Medikamente sind staatlich kontrolliert, sodass diese weitreichend erhältlich sind (BAMF 12.2015).

 

Behandlung nach Rückkehr:

 

Allein die Tatsache, dass eine Person in Deutschland einen Asylantrag gestellt hat, führt nicht zu nachteiligen Konsequenzen nach der Abschiebung. In den letzten Jahren hatten indische Asylbewerber, die in ihr Heimatland abgeschoben wurden, grundsätzlich – abgesehen von einer intensiven Prüfung der (Ersatz-) Reisedokumente und einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden – keine Probleme. Polizeilich gesuchte Personen müssen allerdings bei Einreise mit Verhaftung und Übergabe an die Sicherheitsbehörden rechnen (AA 16.08.2016). Die indische Regierung hat kein Reintegrationsprogramm und bietet auch sonst keine finanzielle oder administrative Unterstützung für Rückkehrer (BAMF 12.2015).

 

Dokumente:

 

Echtheit der Dokumente:

 

Der Zugang zu gefälschten Dokumenten oder echten Dokumenten falschen Inhalts ist leicht. Gegen entsprechende Zahlungen sind viele Dokumente zu erhalten. Erleichtert wird der Zugang überdies durch die Möglichkeit, Namen ohne größeren Aufwand zu ändern. Angesichts der Unzuverlässigkeit des Urkundenwesens werden indische öffentliche Urkunden seit dem Jahr 2000 von den deutschen Auslandsvertretungen nicht mehr legalisiert (AA 16.08.2016).

 

Echte Dokumente unwahren Inhalts:

 

Echte Dokumente unwahren Inhalts sind problemlos (gegen entsprechende Zahlungen oder als Gefälligkeit) erhältlich. Bei Personenstandsurkunden handelt es sich dabei um echte Urkunden falschen Inhalts, bei Gerichtsentscheidungen (z.B. Scheidung, Sorge) um echte Urteile, die jedoch aufgrund erfundener Sachverhalte und ohne Einhaltung grundlegender Verfahrenserfordernisse (rechtliches Gehör, Interessenabwägung, Begründung) ergehen (AA 16.08.2016).

 

Zugang zu gefälschten Dokumenten:

 

Der deutschen Botschaft New Delhi werden im Rahmen laufender Asylverfahren nur sehr selten Unterlagen zur Überprüfung vorgelegt. In der Vergangenheit haben sich Dokumente im Zusammenhang mit Strafsachen und Fahndung sowie dazugehörige Eidesstattliche Versicherungen (affidavits) auch als falsch oder gefälscht herausgestellt. Die Überprüfung der Echtheit von Haftbefehlen gestaltet sich schwierig. Vorgelegte Dokumente ("Warrant of Arrest", "First Investigation Report", Bestätigungsschreiben von Rechtsanwälten, "Affidavits" von Dorfvorstehern oder Angehörigen) stellen sich bei Überprüfung häufig als gefälscht heraus. Überprüfungen im Asylverfahren ergeben häufig, dass weder der Sachvortrag noch die Identität des Betreffenden bestätigt werden kann (AA 16.08.2016).

 

Adhaar/Identifizierungsbehörde:

 

Als Teil einer Armutsbekämpfungsinitiative wurde seit 2010 Millionen indischer Bürger eine Aadhaar ID Nummer ausgestellt. Obwohl diese nicht verpflichtend ist, gaben Beamte an, dass der Nichtbesitz den Zugang zur Staatshilfe limitieren werden könnte (FH 03.10.2013). Die unverwechselbare Identitätsnummer ermöglicht es beispielsweise, dass staatliche Zuschüsse direkt an den Verbraucher übermittelt werden. Anstatt diese auf ein Bankkonto zu senden, wird sie an die unverwechselbare Identitätsnummer überwiesen, die mit der Bank verbunden ist und geht so an das entsprechende Bankkonto. 750 Mio. Inder haben derzeit eine derartige Identitätsnummer, ca. 130 Mio. haben diese auch mit ihrem Bankkonto verknüpft (International Business Times, 02.02.2015).

 

Die Identifizierungsbehörde Indiens wurde eingerichtet, um die rechtliche und technische Infrastruktur zu schaffen, die notwendig ist, um allen indischen Einwohnern eine 12-stellige Identitätsnummer (UID) auszustellen, die online überprüft werden können. Dieses Projekt soll gefälschte und doppelte Identitäten ausschließen. Das neue Identitätssystem wird mit Fotos, demographischen und biometrischen Details (Fingerabdrücke und Iris-Bild) verbunden. Der Erwerb einer UID ist freiwillig und kostenlos. Es gibt keine rechtliche Verpflichtung, sich registrieren zu lassen (UK Home Office 2.2015).

 

Da die im Rahmen des UID bzw. Aadhaar Projektes gesammelten Daten nicht in das nationale Bevölkerungsregister (NPR) integriert werden, stellt dieses jedoch nur eine bloße Auflistung von Namen und demographischen Details dar. Bisher wurden 1,04 Milliarden Aadhaar Nummern generiert, mit dem Plan der vollständigen Erfassung der Bevölkerung bis März 2017. Die zuständige Behörde für die einheitliche Identifikationsnummer weigert sich, die gesammelten Daten an das für das Bevölkerungsregister zuständige Innenministerium weiterzuleiten, da sie aufgrund des im Juli 2016 verabschiedeten Gesetzes von einem Datenaustausch ausgeschlossen ist (HAT 08.08.2016).

 

Punjab:

 

Laut Angaben des indischen Innenministeriums zu den Zahlen der Volkszählung im Jahr 2011 leben von den 21 Millionen Sikhs 16 Millionen im Punjab (MoHA o.D.) und bilden dort die Mehrheit (USDOS 10.08.2016).

 

Der Terrorismus im Punjab ist Ende der 1990er Jahre nahezu zum Erliegen gekommen. Die meisten hochkarätigen Mitglieder der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren aus anderen Unionsstaaten oder Pakistan. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland (ÖB 12.2016). Nichtstaatliche Kräfte, darunter organisierte Aufständische und Terroristen, begehen jedoch zahlreiche Morde und Bombenanschläge im Punjab und Konfliktregionen wie etwa Jammu und Kaschmir (USDOS 13.04.2016). Im Juli 2015 griffen Mitglieder einer bewaffneten Gruppe eine Polizeiwache und einen Busbahnhof in Gurdaspur im Bundesstaat Punjab an und töteten drei Zivilpersonen und vier Polizisten. 15 Personen wurden verletzt (USDOS 02.07.2016; vgl. auch: AI 24.02.2016). Es handelte sich dabei um den ersten größeren Anschlag seit den Aktivitäten militanter Sikhs in den 1980er und 1990er Jahren (USDOS 02.07.2016).

 

Im Oktober 2015 gab es in fünf Distrikten des Punjab weitverbreitete und gewalttätige Proteste der Sikhs gegen die Regierung in Punjab. Dabei hat die Polizei auf Protestanten geschossen und zwei Personen getötet sowie 80 Personen verletzt. Grund der Proteste waren Berichte, laut denen unbekannte Täter das heilige Buch der Sikhs entweiht hätten. Die Polizei hat ein Dutzend Protestanten wegen versuchten Mordes, Beschädigung öffentlichen Eigentums und des Tragens von illegalen Waffen festgenommen. Was die Aufarbeitung der Gewaltausbrüche im Jahr 1984, bei denen 3.000 Menschen, darunter hauptsächlich Sikhs, ums Leben gekommen seien betrifft, so kommen Gerichtsverfahren nur langsam voran. Zivilgesellschaftliche Aktivisten und Interessensverbände der Sikhs zeigen sich weiterhin besorgt, dass die Regierung die Verantwortlichen noch nicht zur Rechenschaft ziehen konnte (USDOS 10.08.2016).

 

Der illegale Waffen- und Drogenhandel von Pakistan in den indischen Punjab hat sich in letzter Zeit verdreifacht. Im Mai 2007 wurden dem indischen Geheimdienst Pläne der ISI bekannt, die gemeinsam mit BKI und anderen militanten Sikh-Gruppierungen Anschläge auf Städte im Punjab (Jalandhar, Ludhiana, Pathankot) beabsichtigten. Die Sicherheitsbehörden im Punjab konnten bislang die aufkeimende Wiederbelebung der militanten Sikh-Bewegung erfolgreich neutralisieren (ÖB 12.2016). In Jammu und Kaschmir, im Punjab und in Manipur haben die Behörden besondere Befugnisse, ohne Haftbefehl Personen zu suchen und zu inhaftieren (USDOS 13.04.2016; vgl. auch:

BBC 20.10.2015). Menschenrechtsberichten zufolge kommt es im Punjab regelmäßig zu Fällen von Menschenrechtsverletzungen insbesondere der Sicherheitsbehörden (extralegale Tötungen, willkürliche Festnahmen, Folter in Polizeigewahrsam, Todesfolge von Folter etc.) (ÖB 12.2016). Ehrenmorde stellen vor allem in den nördlichen Bundesstaaten Haryana und Punjab weiterhin ein Problem dar. Menschenrechtsorganisationen schätzen, dass bis zu 10% aller Tötungen in diesen Staaten sogenannte Ehrenmorde sind (USDOS 13.04.2016).

 

Die Staatliche Menschenrechtskommission im Punjab hat in einer Reihe von schweren Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte (Folter, Folter mit Todesfolge, extralegale Tötungen etc.) interveniert. In vielen Fällen wurde die Behörde zu Kompensationszahlungen verpflichtet. Die Menschenrechtskommission erhält täglich 200 bis 300 Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen und ist in ihrer Kapazität überfordert. Oft sind Unterkastige oder Kastenlose Opfer der polizeilichen Willkür (ÖB 12.2016).

 

Die Zugehörigkeit zur Sikh-Religion ist kein Kriterium für polizeiliche Willkürakte. Die Sikhs, 60% der Bevölkerung des Punjabs, stellen im Punjab einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen offen (ÖB 12.2016).

 

In Indien ist die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit rechtlich garantiert und praktisch von den Behörden auch respektiert; in manchen Grenzgebieten sind allerdings Sonderaufenthaltsgenehmigungen notwendig. Sikhs aus dem Punjab haben die Möglichkeit, sich in anderen Landesteilen niederzulassen, Sikh-Gemeinden gibt es im ganzen Land verstreut. Sikhs können ihre Religion in allen Landesteilen ohne Einschränkung ausüben. Aktive Mitglieder von verbotenen militanten Sikh-Gruppierungen, wie Babbar Khalsa International, müssen mit polizeilicher Verfolgung rechnen (ÖB 12.2016).

 

4. Beweiswürdigung:

 

Der Beweiswürdigung liegen folgende maßgebende Erwägungen zugrunde:

 

Der Verfahrensgang ergibt sich aus den zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakten des Bundesamtes, des Asylgerichtshofes und des BVwG im Vorverfahren bezüglich Asyl sowie im gegenständlichen Verfahren bezüglich Aufenthaltsberechtigung.

 

4.1. Zur Person des BF:

 

Die Feststellungen zur Identität des BF ergeben sich aus seinen Angaben vor dem Bundesamt und im Beschwerdeverfahren vor dem BVwG sowie aus der vorgelegten indischen Geburtsurkunde.

 

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und Herkunft, insbesondere zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie zu den Lebensumständen des BF, stützen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des BF im Verfahren vor dem Bundesamt und im Beschwerdeverfahren vor dem BVwG sowie auf die Kenntnis und Verwendung der Sprachen Punjabi und Hindi und die Kenntnis der geografischen Gegebenheiten Indiens.

 

Die Identität des BF steht aufgrund der im Verfahren vorgelegten indischen Geburtsurkunde (mit beglaubigter Übersetzung) mit für das Verfahren ausreichender Sicherheit fest.

 

Der persönlichen Glaubwürdigkeit des BF – insbesondere hinsichtlich seiner Möglichkeiten, erforderliche Dokumente (Reisepass) vorzulegen – war nicht zuträglich, dass der BF mehrfach Angaben machte, ohne sie zu belegen (Erwerbstätigkeit, Deutschprüfungen) sowie dass er vor dem Verkehrsamt offenbar einen indischen Führerschein vorgelegt hatte – im Gegensatz zum Asylverfahren – und auf Vorhalt dieses Umstandes im gegenständlichen Verfahren erneut nicht darauf einging, sondern in der Beschwerde lediglich auf "seinen österreichischen Führerschein" Bezug nahm.

 

4.2. Zur Lage im Herkunftsstaat des BF:

 

Die diesem Erkenntnis zugrunde gelegten Länderfeststellungen (siehe oben Punkt 3.5.) gründen sich auf Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes und schlüssiges Gesamtbild der Situation in Indien ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem BVwG von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation fallrelevant nicht wesentlich geändert haben.

 

Dass sich seit der Erlassung des bekämpften Bescheides des BFA in Indien allgemein und für den gegenständlichen Fall relevant eine entscheidende Lageveränderung ergeben hätte, kann in diesem Fall verneint werden. Die Lage in Indien stellt sich seit Jahren diesbezüglich im Wesentlichen unverändert dar, wie sich das erkennende Gericht durch ständige Beachtung der aktuellen Quellenlage (u.a. durch Einschau in aktuelle Berichte) versichert hat.

 

Der BF hat die Feststellungen im angefochtenen Bescheid nicht bestritten, sie blieben unbestritten. Die Feststellungen im aktualisierten Länderinformationsblatt haben in den verfahrensrelevanten Punkten keine wesentlichen inhaltlichen Änderungen erfahren.

 

5. Rechtliche Beurteilung:

 

5.1. Anzuwendendes Recht:

 

Gegenständlich sind die Verfahrensbestimmungen des AVG, des BFA-VG, des VwGVG und jene im AsylG enthaltenen sowie die materiellen Bestimmungen des AsylG und des FPG in der geltenden Fassung samt jenen Normen, auf welche das AsylG und das FPG verweisen, anzuwenden.

 

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung, entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

 

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 in der geltenden Fassung, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das BVwG.

 

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

 

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

 

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

 

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

 

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

 

5.2. Rechtlich folgt daraus:

 

Zu Spruchteil A):

 

5.2.1. Die gegenständliche, zulässige und rechtzeitige Beschwerde wurde am 14.02.2017 beim BFA eingebracht und ist nach Vorlage am 20.02.2017 beim BVwG eingegangen. Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des BVwG zuständigen Einzelrichter.

 

5.2.2. Das BVwG stellt weiters fest, dass das Verwaltungsverfahren in wesentlichen Punkten rechtmäßig durchgeführt wurde, wenngleich die Dauer des Einreiseverbotes angesichts des – bis auf die Missachtung fremden- und aufenthaltsrechtlicher Vorschriften – sonst unauffälligen Verhaltens des BF (keine gerichtlich strafbaren Vorfälle) herabzusetzen war.

 

Dem BF wurde ausreichend rechtliches Gehör gewährt.

 

5.2.3. Zur Beschwerde:

 

Das Vorbringen in der Beschwerde war in keiner Weise geeignet, das Vorbringen des BF zu unterstützen. Es erschöpfte sich in Anträgen und knappen Behauptungen, ohne auf die im gegenständlichen Verfahren wesentlichen Fragen einzugehen.

 

Das BFA hat ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage schlüssig, klar und übersichtlich nachvollziehbar zusammengefasst. Diesen Ausführungen ist der BF in der Beschwerde auch nicht in geeigneter Weise entgegengetreten.

 

Der letzte Absatz in der Beschwerde ("Der Beschwerdeführer hat sehr große politische Probleme in Indien. Er möchte in Sicherheit in Österreich leben und bittet deshalb, dass seine Sache erneut geprüft wird.") geht völlig an den im gegenständlichen Verfahren zu prüfenden Fragen vorbei und ist – nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens des BF vor ca. vier Jahren – in der vorliegenden Rechtssache gegenstandslos.

 

5.2.4. Zu den Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides:

 

5.2.4.1. Zur Zurückweisung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 Abs. 1 Z 1 AsylG (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

 

Gemäß § 57 Abs. 1 Z 1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

 

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht.

 

Gemäß § 58 Abs. 11 AsylG ist dann, wenn der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß nicht nachkommt, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten,

 

1. das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen oder

 

2. der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.

 

§ 4 Asylgesetz-Durchführungsverordnung 2005 (AsylG-DV), BGBl. II Nr. 448/2005, zuletzt geändert durch BGBl. II Nr. 492/2013, lautet:

 

§ 4. (1) Die Behörde kann auf begründeten Antrag von Drittstaatsangehörigen die Heilung eines Mangels nach § 8 und § 58 Abs. 5, 6 und 12 AsylG 2005 zulassen:

 

1. im Fall eines unbegleiteten Minderjährigen zur Wahrung des Kindeswohls,

 

2. zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK oder

 

3. im Fall der Nichtvorlage erforderlicher Urkunden oder Nachweise, wenn deren Beschaffung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

 

(2) Beabsichtigt die Behörde den Antrag nach Abs. 1 zurück- oder abzuweisen, so hat die Behörde darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

 

Der BF legte kein Reisedokument vor und führte auch auf Vorhalt keine stichhaltigen Gründe an, weshalb ihm die Erlangung eines Reisedokumentes unmöglich oder unzumutbar wäre. Er kam somit seiner Mitwirkungspflicht im Verfahren nicht im erforderlichen Ausmaß nach.

 

5.2.4.2. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides (Rückkehrentscheidung):

 

5.2.4.2.1. Das Verfahren wird bezüglich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides nach § 10 AsylG in der geltenden Fassung geführt.

 

§ 10 AsylG mit der Überschrift: "Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme" lautet:

 

§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

 

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

 

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

 

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

 

4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

 

5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

 

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

 

(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

 

(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in der geltenden Fassung ist somit eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 des § 10 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG vorliegt.

 

Gemäß § 52 Abs. 3 FPG hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

 

Im vorliegenden Verfahren wies das BFA den Antrag des BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG zurück.

 

5.2.4.2.2. § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

 

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

 

Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem auch, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens das Vorhandensein einer "Familie" voraussetzt.

 

Der EGMR bzw. die EKMR verlangen zum Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 8 EMRK das Erfordernis eines "effektiven Familienlebens", das sich in der Führung eines gemeinsamen Haushaltes, dem Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses oder eines speziell engen, tatsächlich gelebten Bandes zu äußern hat (vgl. das Urteil Marckx [Ziffer 45] sowie Beschwerde Nr. 1240/86, V. v. Vereinigtes Königreich, DR 55, Seite 234; hierzu ausführlich: Kälin, "Die Bedeutung der EMRK für Asylsuchende und Flüchtlinge: Materialien und Hinweise", Mai 1997, Seite 46).

 

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse gemeinsame Intensität erreichen. Als Kriterien hierfür kommen etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. So verlangt der EGMR auch das Vorliegen besonderer Elemente der Abhängigkeit, die über die übliche emotionale Bindung hinausgeht (siehe Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention³ [2008] 199).

 

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der VfGH und der Verwaltungsgerichtshof (VwGH)haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479).

 

Der BF hat keine Verwandten oder sonstigen nahen Angehörigen in Österreich. Die Ausweisung bildet daher keinen unzulässigen Eingriff in das Recht des BF auf Schutz des Familienlebens.

 

Im Falle eines bloß auf die Stellung eines Asylantrags gestützten Aufenthalts wurde in der Entscheidung des EGMR (N. gegen United Kingdom vom 27.05.2008, Nr. 26565/05) auch ein Aufenthalt in der Dauer von zehn Jahren nicht als allfälliger Hinderungsgrund gegen eine Ausweisung unter dem Aspekt einer Verletzung von Art. 8 EMRK thematisiert.

 

In seiner davor erfolgten Entscheidung Nnyanzi gegen United Kingdom vom 08.04.2008 (Nr. 21878/06) kommt der EGMR zu dem Ergebnis, dass bei der vorzunehmenden Interessensabwägung zwischen dem Privatleben des Asylwerbers und dem staatlichen Interesse eine unterschiedliche Behandlung von Asylwerbern, denen der Aufenthalt bloß aufgrund ihres Status als Asylwerber zukommt, und Personen mit rechtmäßigem Aufenthalt gerechtfertigt sei, da der Aufenthalt eines Asylwerbers auch während eines jahrelangen Asylverfahrens nie sicher ist. So spricht der EGMR in dieser Entscheidung ausdrücklich davon, dass ein Asylweber nicht das garantierte Recht hat, in ein Land einzureisen und sich dort niederzulassen. Eine Abschiebung ist daher immer dann gerechtfertigt, wenn diese im Einklang mit dem Gesetz steht und auf einem in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten Grund beruht. Insbesondere ist nach Ansicht des EGMR das öffentliche Interesse jedes Staates an einer effektiven Einwanderungskontrolle jedenfalls höher als das Privatleben eines Asylwerbers; auch dann, wenn der Asylwerber im Aufnahmestaat ein Studium betreibt, sozial integriert ist und schon zehn Jahre im Aufnahmestaat lebte.

 

5.2.4.2.3. Die Dauer des Aufenthaltes des BF im Bundesgebiet seit Februar 2013 ist als relativ kurz zu bezeichnen und wird weiter dadurch relativiert, dass der Aufenthalt nur sehr kurz (bis Mai 2013) und auch nur aufgrund der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber rechtmäßig war. Dies musste dem BF bewusst gewesen sein. Die Duldung stellt keinen rechtmäßigen Aufenthalt dar.

 

Der BF geht nach seinen Angaben einer Erwerbstätigkeit als Prospektverteiler nach, hat aber dafür keine Belege vorgelegt. Er hat nach seinen Angaben die Deutsch-Prüfung A2 bestanden, aber auch dafür keinen Beleg vorgelegt.

 

Weitere ausgeprägte private und persönliche Interessen hat der BF im Verfahren nicht dargetan. Es ist davon auszugehen, dass im Falle des BF ein nur geringer Grad an Integration erreicht worden ist.

 

Die Schutzwürdigkeit seines Privat- und Familienlebens in Österreich ist aufgrund des Umstandes, dass er seinen Aufenthalt nur auf einen im Ergebnis nicht berechtigten Asylantrag gestützt hat – und dies nur für einen sehr kurzen Zeitraum –, nur in geringem Maße gegeben. Im Hinblick auf den Umstand, dass der erwachsene BF den überwiegenden Teil seines Lebens im Herkunftsstaat verbracht hat, ist davon auszugehen, dass anhaltende Bindungen zum Herkunftsstaat bestehen, zumal dort seine Familienangehörigen leben und der BF auch eine Sprache des Herkunftsstaates als Muttersprache beherrscht.

 

Der Umstand, dass der BF in Österreich nicht straffällig geworden ist, bewirkt keine relevante Erhöhung des Gewichtes der Schutzwürdigkeit von persönlichen Interessen an einem Aufenthalt in Österreich, da das Fehlen ausreichender Unterhaltsmittel und die Begehung von Straftaten eigene Gründe für die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen darstellen (VwGH 24.07.2002, 2002/18/0112).

 

Daher ist davon auszugehen, dass die Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet nur geringes Gewicht haben und gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des VwGH ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten. Die Verfügung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall dringend geboten und erscheint auch nicht unverhältnismäßig.

 

5.2.4.2.4. Gemäß § 46 Abs. 1 FPG sind Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn

 

1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

 

2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

 

3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

 

4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

 

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

 

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG).

 

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EGMR entgegensteht.

 

5.2.4.2.5. Die Zulässigkeit der Abschiebung des BF in den Herkunftsstaat ist gegeben, da nach den die Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz tragenden Feststellungen der vorliegenden Entscheidung keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde.

 

Daher war die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß §§ 57, 58 sowie 10 Abs. 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-Verfahrensgesetz und §§ 46, 52 Abs. 9 sowie 55 FPG als unbegründet abzuweisen.

 

5.2.4.3. Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides (Frist für die freiwillige Ausreise):

 

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

 

Da derartige Gründe im Verfahren nicht vorgebracht wurden, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden.

 

Daher war die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 55 FPG als unbegründet abzuweisen.

 

5.2.4.4. Zu Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides (Einreiseverbot):

 

5.2.4.4.1. Der mit "Einreiseverbot" betitelte § 53 FPG lautet:

 

§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

 

(Anm.: Abs. 1a aufgehoben durch BGBl. I Nr. 68/2013)

 

(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige

 

1. [ ];

 

2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;

 

3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;

 

4. wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;

 

5. [ ];

 

6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;

 

7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;

 

8. [ ]

 

9. [ ].

 

(3) [ ].

 

5.2.4.4.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens war der Beschwerde gegen das erlassene Einreiseverbot insofern stattzugeben, als die Dauer von 18 Monaten auf ein Jahr herabgesetzt wurde. Dies aus folgenden Erwägungen:

 

Der BF ist seit seiner rechtskräftigen Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz im Mai 2013 bis heute seiner Ausreisepflicht nicht nachgekommen.

 

Die fremdenpolizeilichen Beurteilungen sind eigenständig und unabhängig von den Erwägungen des Strafgerichts betreffend die Strafbemessung, die bedingte Strafnachsicht und den Aufschub des Strafvollzugs zu treffen (vgl. VwGH 06.07.2010, 2010/22/0096). Es obliegt daher dem erkennenden Gericht festzustellen, ob eine Gefährdung im Sinne des FPG vorliegt oder nicht. Es geht bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes/Einreiseverbotes in keiner Weise um eine Beurteilung der Schuld des Fremden an seinen Straftaten und auch nicht um eine Bestrafung (vgl. VwGH 08.07.2004, 2001/21/0119).

 

Bei der gebotenen Prognosebeurteilung in Bezug auf strafgerichtliche Verurteilungen kommt es letztlich immer auf das zugrunde liegende Verhalten an. Es ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zugrunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen (vgl. dazu und zu den im FPG vorgesehenen Gefährdungsprognosen sowie deren "Rangordnung" das Erkenntnis des VwGH vom 20.11.2008, 2008/21/0603).

 

Unter Berücksichtigung der genannten Umstände und in Ansehung des bisherigen Fehlverhaltens und des sich daraus ergebenden Persönlichkeitsbildes des BF geht das erkennende Gericht davon aus, dass im Hinblick auf das Negieren der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen nach seiner rechtskräftigen Abweisung seines Asylantrages über mehrere Jahre hindurch vom BF eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgeht, weshalb das Einreiseverbot nicht zu beheben war.

 

Die Herabsetzung auf ein Jahr gründet sich darauf, dass die Verhängung eines befristeten Einreiseverbotes für die Dauer von 18 Monaten für das dargelegte Verhalten des BF zu hoch und im Verhältnis als unangemessen erscheint. Die Bemessung des Einreiseverbotes mit einem Jahr erscheint in Anbetracht der Tatsache, dass von § 53 auch kriminelle Handlungen von höherem Unrechtsgehalt erfasst sind, so etwa strafgerichtliche Verurteilungen, als angemessen. Mitberücksichtigt dabei ist auch, dass die privaten bzw. familiären Interessen des BF an einem Verbleib in Österreich als verhältnismäßig niedrig zu bewerten waren.

 

Die Gesamtbeurteilung des Verhaltens, der Lebensumstände sowie der familiären und privaten Anknüpfungspunkte des BF hat daher im Zuge der vorgenommenen Abwägungsentscheidung ergeben, dass die Erlassung des Einreiseverbotes gerechtfertigt und notwendig ist, um die vom BF ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern. Die Verhängung eines Einreiseverbotes im genannten Ausmaß erscheint zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele geboten.

 

5.2.5. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

 

Gemäß § 24 Abs. 1 des VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

 

Nach Abs. 4 leg. cit. kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (in der Folge GRC), ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010, S. 389 (2010/C 83/02), entgegenstehen.

 

Gemäß Art. 47 Abs. 1 GRC hat jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen. Zufolge des Abs. 2 leg. cit. hat jede Person ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Jede Person kann sich beraten, verteidigen und vertreten lassen.

 

Nach Art. 52 Abs. 1 GRC muss jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie notwendig sind und den von der Union anerkannten, dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.

 

Zur Frage der Verhandlungspflicht brachte der VfGH etwa in seinem Erkenntnis vom 14.03.2012, U 466/11, u.a. zum Ausdruck, er hege vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EGMR zur Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung weder Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 41 Abs. 7 AsylG, noch könne er finden, dass der Asylgerichtshof der Bestimmung durch das Absehen von der Verhandlung einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt habe. Das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheine oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergebe, dass das Vorbringen tatsachenwidrig sei, stehe im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden habe, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt worden sei.

 

Übertragen auf den vorliegenden Beschwerdefall erfordert ein Unterbleiben einer Verhandlung vor dem BVwG somit, dass aus dem Akteninhalt die Grundlage des bekämpften Bescheides unzweifelhaft nachvollziehbar ist.

 

Der VwGH hat zur Frage der Verhandlungspflicht in Asylverfahren mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 ausgesprochen, dass sich die bisher zu § 67d AVG ergangene Rechtsprechung auf das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten weitgehend übertragen lässt. Für den Anwendungsbereich der vom BFA-VG erfassten Verfahren ist primär § 21 Abs. 1 und subsidiär § 24 Abs. 4 VwGVG als maßgeblich heranzuziehen. Für die Auslegung der Wendung in § 21 Abs. 7 BFA-VG, "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint", sind nunmehr folgende Kriterien beachtlich: Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das BVwG die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

 

Konkret zu Verfahren betreffend die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen hat der VwGH im Erkenntnis vom 26.01.2017, Ra 2016/21/0233, u.a. ausgesprochen:

 

"[ ] Richtig ist, dass der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang auch wiederholt darauf hingewiesen hat, bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen komme der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung zu, und zwar sowohl in Bezug auf die (allenfalls erforderliche) Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK (sonst) relevanten Umstände (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 2016, Ra 2016/21/0289, Rz 12, mwH).

 

Daraus ist aber – entgegen der Meinung in der Revision – noch keine "absolute" (generelle) Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Verfahren über aufenthaltsbeendende Maßnahmen abzuleiten. Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich in dem zuletzt genannten Erkenntnis (Rz 15 iVm Rz 12) unter Bezugnahme auf in diesem Sinn ergangene Vorjudikatur dargelegt, dass in eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Verwaltungsgericht von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, auch eine beantragte Verhandlung unterbleiben kann. [ ]"

 

Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch das BFA vorangegangen. Für die in der Beschwerde behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens ergeben sich aus der Sicht des BVwG keine Anhaltspunkte. Vielmehr wurde im Wesentlichen den Grundsätzen der Amtswegigkeit, der freien Beweiswürdigung, der Erforschung der materiellen Wahrheit und des Parteiengehörs entsprochen. Der Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung des BFA festgestellt, und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinausgehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet.

 

Aus dem Akteninhalt ist die Grundlage des bekämpften Bescheides unzweifelhaft nachvollziehbar. Mit der Beschwerde wurde nichts weiteres Entscheidungsrelevante vorgebracht; eine fallbezogene Auseinandersetzung mit den beweiswürdigenden Überlegungen des BFA fand nicht statt.

 

Die knappen Ausführungen in der Beschwerde sind daher nicht geeignet, erheblich erscheinende neue Tatsachen oder Beweise (vergleiche § 10 VwGVG) darzustellen und eine Verhandlungspflicht auszulösen.

 

Dem BVwG liegt sohin kein Beschwerdevorbringen vor, das mit dem BF mündlich zu erörtern gewesen wäre.

 

Da der entscheidungsrelevante Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung somit unterbleiben.

 

Zu Spruchteil B):

 

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 in der geltenden Fassung, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des VwGH auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Dass beim Erstellen der für ein Einreiseverbot zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und aufgrund konkreter Feststellungen eine Beurteilung vorzunehmen ist, entspricht der Rechtslage und der Rechtsprechung des VwGH.

 

Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind somit weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen, zumal im vorliegenden Fall vornehmlich die Klärung von Sachverhaltsfragen maßgeblich für die zu treffende Entscheidung war.

 

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zum Teil zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich weitestgehend gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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