BVwG W176 1437952-2

BVwGW176 1437952-227.4.2015

AsylG 2005 §3
B-VG Art.130 Abs1 Z1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §16 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5
AsylG 2005 §3
B-VG Art.130 Abs1 Z1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §16 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2015:W176.1437952.2.00

 

Spruch:

W176 1437952-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. NEWALD als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, syrischer Staatsangehöriger, vertreten durch RA Dr. Clemens LAHNER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.03.2015, Zl. 830837606-1672902 (13 08.376-BAT) zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird Folge gegeben und Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 1, 2 und 5 iVm § 27 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG), behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Der Beschwerdeführer brachte am 19.06.2013 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

2. Mit Bescheid vom 04.09.2013, Zl. 13 08.376-EAST West, wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005), ohne in die Sache einzutreten als unzulässig zurück, sprach aus, dass für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) Bulgarien zuständig sei und wies ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 dorthin aus.

3. Der dagegen erhobenen Beschwerde gab der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 26.09.2013, Zl. S6 437.952-1/2013/2E, statt und hob den genannten Bescheid des Bundesasylamtes gemäß § 41 Abs. 3 AsylG 2005 auf.

4. Mit 01.01.2014 wurde das (fortgesetzte) Verfahren vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) fortgeführt.

5. Mit einem am 01.12.2014 beim BFA eingelangten Schriftsatz erhob der Beschwerdeführer Säumnisbeschwerde und beantrage gemäß § 16 Abs. 1 VwGVG einen Bescheid über den unter Punkt 1. dargestellten Antrag des Beschwerdeführers zu erlassen bzw. - in eventu -den Verfahrensakt dem Bundesverwaltungsgericht vorzulegen.

6. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 09.03.2015, dem Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsvertreters zugestellt am 11.03.2015, wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsyklG2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis 09.03.2016. (Spruchpunkt III.).

7. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer mit einem am 24.03.2015 zur Post gegebenen und somit fristgerecht eingebrachten Schriftsatz Beschwerde. Darin führt er Wesentlichen aus, der Bescheid sei u.a. deswegen rechtswidrig, da er nach Ablauf der dreimonatigen Frist des § 16 Abs. 1 VwGVG erlassen worden sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung:

Der unter Punkt I. festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Verwaltungsunterlagen.

2. Rechtliche Beurteilung:

2.1.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels materienspezifischer Sonderregelung besteht somit gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit.

2.1.2. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. Nr. 51/1991 (AVG), mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 (BAO), des Agrarverfahrensgesetzes, BGBl. Nr. 173/1950 (AgrVG), des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984, BGBl. Nr. 29/1984 (DVG), sowie jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

2.1.3. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

2.2. Zu Spruchpunkt A):

2.2.1. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

§ 28 Abs. 5 VwGVG lautet: Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

Aus der Literatur ergibt sich, dass es sich bei einer Aufhebung gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG um eine materielle Erledigung der Rechtssache in Form eines Erkenntnisses handle. Diese Form der negativen Sachentscheidung sei von der Formalerledigung nach § 28 Abs. 3 2. Satz und Abs. 4 VwGVG zu unterscheiden. Eine neuerliche Entscheidung der Verwaltungsbehörde über den Gegenstand werde bei ersatzloser Behebung regelmäßig nicht mehr in Betracht kommen, wenngleich im Einzelfall über den zugrundeliegenden (unerledigten) Antrag dennoch abermals zu entscheiden sein könne.

2.2.2.1. Gemäß § 16 Abs. 1 VwGVG kann die Beörde im Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten den Bescheid erlassen. Wird der Bescheid erlassen oder wurde er vor Einleitung des Verfahrens erlassen, ist das Verfahren einzustellen. Holt die Behörde den Bescheid nicht nach, hat sie gemäß Abs. 2 leg. cit.dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.

2.2.2.2. Nach Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, K4, K5 und K8 zu § 16 VwGVG, bleibt die belangte Behörde zur Nachholung des versäumten Bescheides nur bis zum Ablauf der dreimonatigen Frist zuständig. Nach Ablauf der Frist ist sie nicht mehr ständig, den versäumten Bescheid nachzuholen, da die Zuständigkeit zur Sachentscheidung auf das Verwaltungsgericht übergegangen ist. Wird der Bescheid nach Ablauf der Frist erlassen, ist dieser infolge Unzuständigkeit der Behörde mit Rechtswidrigkeit behaftet, welche vom Verwaltungsgericht im Bescheidbeschwerdeverfahren von Amts wegen aufzugreifen ist. Es sei fraglich, ob die zu § 36 Abs. 2 VwGG aF ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach nach Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Unzuständigkeit die belangte Behörde zur Entscheidung in der Verwaltungssache wieder zuständig sei und ihr bis zur Erlassung eines (Ersatz‑)Bescheides neuerlich eine Frist von sechs Monaten zur Verfügung stehe (Hinweis auf VwHG 23.09.199898/01/0277; 15.03.2010, 2008/01/0096) auf § 16 Abs. 1 VwGVG übertragbar sei. Es sei auch die Auffassung vertretbar, dass nach Aufhebung des nachgeholten Bescheides wegen Unzuständigkeit der Behörde das Säumnisbeschwerdeverfahren bei der Behörde wieder offen sei und infolge des bereits erfolgten Ablaufes der dreimonatigen Frist zur Nachholung des Bescheides die Säumnisbeschwerde samt Akten dem Verwaltungsgericht unverzüglich zur Entscheidung vorzulegen sei.

In Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), § 16 VwGVG findet sich keine Auseinandersetzung mit der Problematik eines nach Fristablauf nachgeholten Bescheides.

2.2.2.3. Der hier entscheidende Richter des Bundesverwaltungsgerichtes teilt die von Eder/Martschin/Schmid vertretene Auffassung, wobei er hinsichtlich der Situation nach Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde der Übertragung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 36 Abs. 2 VwGG aF den Vorzug gibt, da bei dieser Auslegung der von der belangten Behörde für die Erlassung des (verspätet) nachgeholten Bescheides getätigte Aufwand insofern nicht verloren geht, als im Regelfall relativ zeitnah ein entsprechender Bescheid ergehen kann; vergleichbare Erwägungen dürften den Gesetzgeber dazu bewogen haben, dass die Beschwerdevorentscheidung (anders als die Berufungsvorentscheidung nach § 64a Abs. 3 AVG) mit Einlangen des Vorlageantrages nicht außer Kraft treten soll (vgl. ErläutRV 2009 Blg NR 24 GP).

2.2.4. Vor diesem Hintergrund muss angenommen werden, dass die belangte Behörde nach Ablaufen der dreimonatigen Frist mit 01.03.2015 zur Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht mehr zuständig war. Dem angefochtenen Bescheid ist daher eine Rechtswidrigkeit iSd Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG anzulasten und dieser ist folglich gemäß § 28 Abs.1, 2 und 5 iVm § 27 VwGVG zu beheben. Im fortgesetzten Verfahren steht der belangten Behörde wiederum eine Frist von drei Monaten zur Nachholung des Bescheides offen.

2.2.5. Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist. Im Falle der Stattgabe einer Beschwerde, anders als bei einer Abänderung, kann damit eine mündliche Verhandlung entfallen (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren 2013, § 24 VwGVG, Anm. 8).

2.3. Zu Spruchpunkt B): 2.3.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

2.3.2. Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Unter Punkt 2.2. wurde ausgeführt, weshalb der hier entscheidende Richter des Bundesverwaltungsgerichtes davon ausgeht, dass die Behörde nach Ablauf der dreimonatigen Frist des § 16 Abs. 1 VwGVG zur Nachholung des Bescheides unzuständig ist; dazu liegt jedoch weder Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor noch kann gesagt werden, dass der Wortlaut des Gesetzes eindeutig ist (vgl. VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).

2.3.3. Es war somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

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