AVG 1950 §68 Abs1
BFA-VG §52
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs2 Z1
AsylG 2005 §75 Abs20
AVG 1950 §68 Abs1
BFA-VG §52
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs2 Z1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2015:W153.1436176.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christoph KOROSEC als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch XXXX gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 26.06.2013, Zl. 13 07.402-EAST West, zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich des Spruchpunktes I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG in Verbindung mit § 68 Abs. 1 AVG als unbegründet abgewiesen.
II. Gemäß § 75 Abs. 20 Z 2 AsylG 2005 idgF wird das Verfahren hinsichtlich des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
III. Der Antrag auf Beigebung eines Rechtsberaters wird gemäß § 52 BFA-VG abgewiesen.
B) Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Nigerias, brachte nach seiner illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 05.03.2005 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz ein.
Der erste Asylantrag wurde im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Beschwerdeführer sei aus seinem Heimatstaat geflohen, weil er als Jugendrebellenführer Erdölgesellschaften an der Ölforderung gehindert und Soldaten der Regierung getötet habe. Es seien einige Jugendliche verhaftet worden; die Rebellengruppe heiße XXXX. Ein Pastor aus XXXX, zu dem er nach den Vorfällen gegangen sei, habe ihm geholfen nach Österreich zu kommen. Der Beschwerdeführer sei Fischer in seinem Heimatstaat gewesen; durch Ölbohrungen sei Öl ins Wasser gekommen, weshalb sie die Firmen an den Bohrungen hätten hindern wollen. Es habe sich ein Kampf zwischen der Polizei und den Jugendlichen entwickelt, der ungefähr
zwei Wochen gedauert habe. Die Polizei fahnde nach dem Beschwerdeführer und sein Leben stünde am Spiel. Sein Bild sei überall in Nigeria ausgehängt; er könne auch nirgendwo anders hingehen. Es sei leicht, jemanden in XXXX zu finden. Politisch habe sich der Beschwerdeführer nie beteiligt und er sei nie festgenommen worden.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.07.2006, Zl. 05 02.436-BAT, wurde der Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria für zulässig erachtet. Schließlich wurde der Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 1997 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen. Das Bundesasylamt qualifizierte das Vorbringen des Antragstellers zu seinen Fluchtgründen als unglaubwürdig, zumal seine Zeitangaben nicht nachvollziehbar und voneinander divergierend seien. Ferner habe der Beschwerdeführer keine konkreten Angaben zu den Kämpfen, seinem Aufenthaltsort während der Kämpfe und den verwendeten Waffen machen können. Zudem sei auch nicht glaubhaft, dass sich der Beschwerdeführer nicht in einem anderen Teil Nigerias niederlassen könne, weil "sein Bild überall ausgehängt sei". Der Genannte habe sich in seinen Aussagen widersprochen: so habe er einerseits ausgeführt, dass in Nigeria nichts EDV-mäßig erfasst sei, andererseits aber angegeben, dass die Polizei seinen Namen wisse und ihn suche - es sei nicht nachvollziehbar wie das ohne EDV-Unterstützung möglich sei. Das Bundesasylamt gehe daher von einer erfundenen Fluchtgeschichte aus. Wenn der Beschwerdeführer vorbringe, dass er in seinem Heimatstaat verfolgt werde, sei ein Einschreiten staatlicher Behörden im konkreten Fall nicht als Verfolgung zu qualifizieren. Es handle sich hierbei nämlich um Schritte zur Aufklärung eines allgemein strafbaren Deliktes (nachdem der Beschwerdeführer selbst angegeben hat, jemanden getötet zu haben). Die Tat stehe nicht in einem derartigen Naheverhältnis zu einer politischen Gesinnung oder religiösen Überzeugung, welche es rechtfertigen würde, sie als politisches Vergehen anzusehen. Der Asylantrag sei daher abzuweisen.
Dieser Bescheid wurde - nachdem eine Zustellung an die damalige Adresse des Beschwerdeführers nicht erfolgreich war - beim Postamt hinterlegt und dem Beschwerdeführer am 14.07.2006 eine schriftliche Hinterlegungsanzeige im Briefkasten hinterlassen. Der Beschwerdeführer erhob keine Beschwerde, weshalb der Bescheid am 29.07.2006 in Rechtskraft erwuchs.
Im Akt liegt ein Schreiben des Landespolizeikommandos für Niederösterreich vom 06.05.2006 auf, aus welchem ersichtlich ist, dass der Beschwerdeführer am 06.05.2006 als Insasse des Reisezuges EN 235 von XXXX in Richtung Italien einer fremdenrechtlichen Kontrolle unterzogen worden sei. Er habe eine gültige Fahrkarte von XXXX nach Italien vorweisen können und habe angegeben, nach Italien zu reisen, um sich dort als Tourist aufzuhalten. Obwohl dem Beschwerdeführer mitgeteilt worden sei, dass die Einreise nach Italien unrechtmäßig erfolgen würde, habe dieser seine Fahrt in Richtung Italien fortgesetzt.
Am 04.06.2013 brachte der Beschwerdeführer im Rahmen einer erkennungsdienstlichen Behandlung in einem internationalen Reisezug von Italien kommend in Fahrtrichtung XXXX den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz ein. Bei der anschließend abgehaltenen Befragung vom selben Tag vor der Landespolizeidirektion Kärnten gab er Folgendes an: Er wolle in Österreich zur Schule gehen und lernen. Österreich müsse ihm Dokumente geben; sein Asylverfahren in Österreich sei nicht abgeschlossen. Von 2006 bis 2013 habe er sich in Italien aufgehalten. Er habe dort eine Freundin und drei Kinder. Nach Nigeria könne er nicht zurück, da seine damaligen Probleme, die ihn zur Asylantragstellung im Jahr 2005 bewogen hätten, noch bestünden. Angaben zu seinem Wohnsitz in Österreich wollte der Beschwerdeführer nicht machen, gab aber an, einige Freunde im österreichischen Bundesgebiet zu haben.
Bei der Erstbefragung im Sinne des Asylgesetzes, welche ebenfalls am 04.06.2013 stattfand, gab der Beschwerdeführer an, dass er Österreich nie wirklich verlassen habe, er habe nur teilweise in Italien gelebt, sei aber immer wieder in XXXX oder bei Freunden gewesen. Demnach sei er von 2006 bis 2013 in Italien und in Österreich aufhältig gewesen. Der Beschwerdeführer sei der Meinung, dass sein ursprüngliches Asylverfahren noch immer laufe, deshalb habe er sich auch in Österreich aufgehalten. Seit seinem letzten Verfahren habe sich nichts geändert. Der Beschwerdeführer wurde belehrt, dass sein Asylverfahren damals rechtskräftig entschieden worden sei und in Österreich nur einmal in der Sache entschieden werden könne. Es seien somit für einen neuen Asylantrag jene Gründe entscheidend, die zwischen der Rechtskraft des Bescheides und dem heutigen Tag entstanden seien. Der Beschwerdeführer gab an, nicht nach Nigeria zurück zu können, weil er dann umgebracht werde. Er sei nach wie vor der Ansicht, dass das kein neuer Asylantrag sei, sondern sein Asylantrag von 2005 noch aufrecht sei.
Im Akt liegen diverse Kopien italienischer Schreiben auf (vgl. AS 105 bis 137).
Im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 10.06.2013 machte der Beschwerdeführer im Wesentlichen folgende Angaben: Er habe drei Kinder, die in Italien leben würden. Er sei seit der Antragstellung im Jahr 2005 immer zwischen Österreich und Italien herumgefahren. Über Nachfrage, warum der Beschwerdeführer einen neuen Antrag auf internationalen Schutz stelle, wenn sein Verfahren bereits am 29.07.2006 rechtskräftig beendet worden sei, gab er an, damals keine Verständigung erhalten zu haben, dass er einen Bescheid bekommen habe. In der Unterkunft seien sie damals zu sechst gewesen und keiner habe ihm gesagt, dass er irgendetwas bekommen habe oder abholen solle, weshalb er auch nicht zur Post gegangen sei. Der Beschwerdeführer sei seit 2005 nicht mehr in Afrika gewesen; an seinen Asylgründen habe sich seit dem letzten Verfahren deshalb nichts geändert. Mit Nigeria habe er nichts mehr zu tun; er wolle in Österreich bleiben. Er habe hier Freunde; ab und zu habe er als Zeitungsverkäufer gearbeitet. Das Vorliegen von gesundheitlichen Beschwerden wurde vom Beschwerdeführer verneint.
Am 10.06.2013 erging der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft XXXX, dass über den Beschwerdeführer die Schubhaft verhängt werde (AS 183 f).
Bei nochmaliger Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 12.06.2013 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, ihn nach Nigeria auszuweisen, woraufhin der Beschwerdeführer ausführte, dass seine "Geschichte" noch immer dieselbe sei und er bereits alles gesagt habe.
Mit einem Vollmachtsschreiben, beim Bundesasylamt eingelangt am 13.06.2013, erteilte der Beschwerdeführer XXXX eine Vollmacht.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 26.06.2013 Zl. 13 07.402-East West wurde der zweite Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 04.06.2013 gemäß § 68 Absatz 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 1 AsylG 2005 die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria verfügt.
Begründend wurde im Bescheid angeführt, dass insgesamt kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden könne bzw. keine weiteren asylrelevanten Gründe hervorgekommen seien. Das Parteibegehren decke sich im zweiten Antrag auf internationalen Schutz mit dem ersten Antrag. Da sich der Beschwerdeführer auf ein bereits rechtskräftig als unglaubwürdig qualifiziertes Vorbringen stütze, könne kein neuer Sachverhalt vorliegen. Die von Amts wegen berücksichtigte Ländersituation habe ebenfalls keinen entscheidungswesentlichen neuen Sachverhalt hervorgebracht, weshalb auch diesbezüglich von entschiedener Sache auszugehen sei. Es liege kein Familienbezug zu einem dauern aufenthaltsberechtigten Fremden in Österreich oder einem österreichischen Staatsbürger vor. Nachdem der Beschwerdeführer lediglich angegeben habe, Freunde in Wien und ab und zu gearbeitet zu haben, würden auch sonst keine Hinweise für eine derartige Integration bzw. Verfestigung in Österreich vorliegen, die einer Ausweisung im Hinblick auf Art. 8 Abs. 1 EMRK entgegenstehen würden. Dass der Beschwerdeführer an lebensbedrohenden schweren Krankheiten leide, sei nicht vorgebracht worden und sei auch nicht aus der Aktenlage ersichtlich.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der ein Antrag auf Zustellung des Bescheides des Bundesasylamtes vom 07.07.2006 und ein Antrag auf Beigebung eines Rechtsberaters gemäß § 66 AsylG 2005 gestellt wurde. Wie auch schon in seinen Einvernahmen brachte der Beschwerdeführer vor, dass ihm der Bescheid vom 07.07.2006 niemals persönlich ausgefolgt worden sei und er an seiner Unterkunft keine Verständigung über die Hinterlegung eines behördlichen Schriftstückes erhalten habe. Demnach sei davon auszugehen, dass es zu keiner rechtswirksamen Zustellung des Bescheides gekommen und der erstmalige Antrag weiterhin aufrecht sei. Auch unter der hypothetischen Annahme einer rechtswirksamen Zustellung könne nicht von einem identen Sachverhalt ausgegangen werden, weil sich die Lage im Nordosten und in Teilen Zentralnigerias deutlich zugespitzt habe und ein hohes Anschlagsrisiko für die Hauptstadt Abuja bestünde. Es gebe Reisewarnungen des Außenministeriums Österreichs. Außerdem habe sich die familiäre Situation des Beschwerdeführers gänzlich verändert; er sei Vater von drei Unionsbürgern. Eine Ausweisung nach Nigeria stelle einen gravierenden Eingriff in sein Recht auf Familienleben iSd Art. 8 EMRK dar, weil der Beschwerdeführer keine Möglichkeit mehr habe, seine Kinder in Italien zu besuchen. Die Mütter seiner Kinder seien italienische Staatsbürgerinnen und könnten jederzeit mit den Kindern nach Österreich reisen, wo er sie dann sehen könne. Wenn der Beschwerdeführer in Nigeria sei, könnten diese ihn nicht mehr besuchen. Der Beschwerdeführer verwies auf eine Entscheidung des Asylgerichtshofes vom 28.05.2013, in der angeführt sei, dass es unzumutbar sei, Besuchskontakte nach Nigeria aufrecht zu erhalten.
Mit Eingabe der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom 09.07.2013 an das PAZ Wien wurde mitgeteilt, dass der Auftrag zur Entlassung des Beschwerdeführers aus der Schubhaft wegen Haftunfähigkeit ergehe (Hungerstreik).
Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.12.2014 wurden dem bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers die aktualisierten Länderfeststellungen zu Nigeria - konkret das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 31.03.2014) mit der Möglichkeit einer Stellungnahme (auch zur persönlichen und gesundheitlichen Situation des Beschwerdeführers) binnen zwei Wochen übermittelt. Die Feststellungen enthalten im Wesentlichen folgende Informationen (nunmehr gekürzt durch das Bundesverwaltungsgericht):
KI vom 8.7.2014: Aktivitäten der Boko Haram
Gemäß CFP sind die Opferzahlen durch Boko Haram massiv gestiegen (siehe Grafik; CFP 30.6.2014). BBC berichtet von 3.300 Opfern im Zeitraum Jänner bis Mitte Juni 2014 (BBC 12.6.2014).
Außerdem kam es nach dem Anschlag vom April 2014 in Abuja zu weiteren Vorfällen von Terrorismus durch Boko Haram außerhalb der bereits im Ausnahmezustand befindlichen Bundesstaaten (Borno, Yobe, Adamawa).
Das Militär steht großen Herausforderungen gegenüber. Ein britischer Oberst und ehemaliger Militärattaché in Nigeria beschreibt es so:
"Die Armee muss überall sein, Boko Haram nicht. Die Gruppe kann ihre Feuerkraft auf einen einzelnen Platz konzentrieren, an dem die Armee nicht präsent ist." Dementsprechend greifen die Bürger auch zur Selbstwehr. Nachdem Boko Haram bei einem Angriff auf die Kirche in Attagara (Borno State) neun Menschen getötet hatte, übten die Dorfbewohner Rache und töteten ihrerseits mehrere Terroristen. Zwei Tage später kam Boko Haram zurück und rächte sich an der Ortschaft (BBC 12.6.2014).
Quellen:
AFP (5.6.2014) - Agence France-Presse: Four dead in explosion near Nigerian governor's home,
http://reliefweb.int/report/nigeria/four-dead-explosion-near-nigerian-governors-home , Zugriff 7.7.2014
BBC (25.6.2014): Nigeria: Abuja bomb blast in Wuse district kills 21,
http://www.bbc.co.uk/news/world-africa-28019433 #sa-ns_mchannel=rss&ns_source=PublicRSS20-sa, Zugriff 7.7.2014
BBC (12.6.2014): Nigeria's Boko Haram crisis reaches deadliest phase, http://www.bbc.com/news/world-africa-27823386 , Zugriff 7.7.2014
BBC (2.5.2014): Abuja blast: Car bomb attack rocks Nigerian capital, http://www.bbc.co.uk/news/world-africa-27249097 #sa-ns_mchannel=rss&ns_source=PublicRSS20-sa, Zugriff 7.7.2014
CFP (30.6.2014) - Council on Foreign Relations: Nigeria Security Tracker, http://www.cfr.org/nigeria/nigeria-security-tracker/p29483 , Zugriff 7.7.2014
Die Presse (21.5.2014): Afrikas Gigant taumelt: Was wurde nur aus Nigeria?
ICG (1.7.2014) - International Crisis Group: Crisis Watch 1 July 2014,
http://www.crisisgroup.org/~/media/Files/CrisisWatch/2014/cw131.ashx , Zugriff 7.7.2014
ICG (1.6.2014) - International Crisis Group: Crisis Watch 1 June 2014,
http://www.crisisgroup.org/~/media/Files/CrisisWatch/2014/cw130.pdf , Zugriff 7.7.2014
IPS (20.5.2014) - Inter Press Service News Agency: Days After African Leaders Vow to Defeat Boko Haram, Bombings and Terror Continue,
KI vom 11.8.2014: Ebola (betrifft: Abschnitt 3/Sicherheitslage und Abschnitt 23/Medizinische Versorgung)
Nachdem die WHO die vier von Ebola betroffenen Westafrikanischen Staaten dazu aufgerufen hat, hat auch Nigeria den Notstand ausgerufen. Bisher sind in Nigeria zwei Menschen am Ebola-Virus gestorben, weitere sieben Infizierungen wurden bestätigt. Außerdem gibt es weitere sechs Verdachtsfälle (N24 10.8.2014). Insgesamt sind 139 Personen unter Quarantäne gestellt worden (Die Presse 9.8.2014; vgl. DW 9.8.2014b). Die Erkrankten liegen auf Isolierstationen in Lagos (Der Standard 4.8.2014).
Präsident Jonathan hat Schulen dazu aufgerufen, die Ferien zu verlängern. Außerdem rief er religiöse und politische Gruppen dazu auf, keine größeren Veranstaltungen abzuhalten (VOA 8.8.2014). Weiter hat der Präsident Freiwillige dazu aufgerufen, sich an der Bekämpfung der Seuche zu beteiligen. Der zuständige Beamte in Lagos hat angegeben, dass es an Personal mangle, um einen Ausbruch zu bewältigen (DW 9.8.2014a).
Bei einer Anhörung vor einem Unterausschuss des US-Abgeordnetenhauses sagte ein Kenner der Situation, dass sich die Lage in Lagos verschlechtern könnte. Es werde für drei Wochen ruhig bleiben, "aber wenn es losgeht, dann mit Wucht." Die Inkubationszeit von Ebola beträgt 21 Tage (Die Presse 9.8.2014). Das deutsche Auswärtige Amt geht davon aus, dass sich die Zahl der Infizierten in Nigeria weiter erhöhen wird (AA 11.8.2014).
Das österreichische Außenministerium hat seine bestehenden Reisewarnungen (v.a. Nordnigeria, siehe LIB Nigeria) bisher nicht ausgeweitet (BMEIA 11.8.2014). Es kann aufgrund der Seuche zu Einschränkungen im Flugverkehr kommen (AA 11.8.2014). So wurde bereits z.B. der gambischen Fluggesellschaft aufgrund von unzureichenden Maßnahmen die Landeerlaubnis entzogen (NDTV 10.8.2014).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt (11.8.2014): Nigeria: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/NigeriaSicherheit.html , Zugriff 11.8.2014
BMEIA (11.8.2014): Nigeria - Reiseinformationen, http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/buergerservice/reiseinformation/a-z-laender/nigeria-de.html , Zugriff 11.8.2014
Der Standard (4.8.2014): Außenministerium rät von Reise in Ebola-Länder ab,
http://derstandard.at/2000003976842/Aussenministerium-raet-von-Reise-in-Ebola-Laender-ab , Zugriff 8.8.2014
Die Presse (9.8.2014): Ebola: Neue Fälle in Nigeria, http://diepresse.com/home/panorama/welt/3852373/Ebola_Neue-Faelle-in-Nigeria , Zugriff 11.8.2014
DW - Deutsche Welle (9.8.2014a): Lagos Overwhelmed, Nigeria Asks for Ebola Outbreak Help, http://allafrica.com/stories/201408110516.html , Zugriff 11.8.2014
DW - Deutsche Welle (9.8.2014b): Ebola breitet sich auch in Nigeria aus,
http://www.dw.de/ebola-breitet-sich-auch-in-nigeria-aus/a-17843369 , Zugriff 11.8.2014
N24 - News 24 (10.8.2014): Ebola: Nigeria bans transport of corpses across borders,
http://www.news24.com/Africa/News/Ebola-Nigeria-bans-transport-of-corpses-across-borders-20140810 , Zugriff 11.8.2014
NDTV - NDTV/Agence France Presse (10.8.2014): Nigeria Suspends Gambian National Airline Over Ebola Virus, http://www.ndtv.com/article/world/nigeria-suspends-gambian-national-airline-over-ebola-virus-573790 , Zugriff 11.8.2014
KI vom 29.9.2014: Ebola (betrifft: Abschnitt 3/Sicherheitslage und Abschnitt 23/Medizinische Versorgung)
Der nigerianische Präsident Jonathan hat sein Land bei einer Rede vor der UN-Generalversammlung am 25.
September für Ebola-frei erklärt. Die Deklaration war möglicherweise voreilig (TAZ 28.9.2014; vgl. FAZ 25.9.2014), denn es hat zwar seit dem 8. September keine Neuinfektion mehr in Nigeria gegeben, doch erst 42 Tage nach der letzten Neuinfektion gilt Ebola als besiegt (TAZ 28.9.2014; vgl. WHO 25.4.2014). Laut WHO wurden seit dem 8. September keine neuen Infektionen aus dem Land gemeldet. Demnach könnte das Land erst am 20. Oktober für Ebola-frei erklärt werden (FAZ 25.9.2014).
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO gab es in Nigeria seit Juli 20 bestätigte Ebola-Fälle, acht der Patienten starben an dem Virus (FAZ 25.9.2014).
Dennoch kehrt in Nigeria langsam wieder Alltag ein und es ist Entwarnung angesagt. Nach dem ersten bestätigten Fall vor zwei Monaten hatte Jonathan den medizinischen Ausnahmezustand ausgerufen und weitreichende Maßnahmen in die Wege geleitet: Fiebermessen an Flughäfen, Desinfektion in öffentlichen Einrichtungen sowie die verlängerten Schulferien für alle Schulen, auch die privaten. Schließlich sollten große Menschenansammlungen vermieden werden (TAZ 28.9.2014).
Quellen:
- FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (25.9.2014): Präsident erklärt Nigeria für Ebola-frei, http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/gesundheit/praesident-erklaert-nigeria-fuer-ebola-frei-13172634.html , Zugriff 29.9.2014
- TAZ - Die Tageszeitung (28.9.2014): Ebola Tagebuch - Folge 14 - Ebola weg, alles gut?
https://www.taz.de/Ebola-Tagebuch--Folge-14/!146748/ , Zugriff 29.9.2014
- WHO - World Health Organization (25.4.2014): Ebola virus disease, West Africa (Situation as of 25 April 2014), http://www.afro.who.int/en/clusters-a-programmes/dpc/epidemic-a-pandemic-alert-and-response/outbreak-news/4121-ebola-virus-disease-west-africa-25-april-2014.html , Zugriff 29.9.2014
KI vom 21.10.2014: Nigeria endgültig für Ebola-frei erklärt (betrifft: Abschnitt 3/Sicherheitslage und Abschnitt 23/Medizinische Versorgung)
Die Gefahr, dass sich die westafrikanische Ebola-Epidemie auf Nigeria ausbreitet, ist zumindest vorläufig beigelegt. Dies gaben die nationalen Gesundheitsbehörden und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am Montag, 20.10.2014, in der nigerianischen Wirtschaftsmetropole Lagos bekannt. Die Nachricht folgt fast auf den Tag genau drei Monate nachdem ein 40-jähriger liberianisch-amerikanischer Wirtschaftsanwalt aus Liberia kommend am Flughafen von Lagos zusammengebrochen und fünf Tage später an Ebola gestorben war (NZZ 20.10.2014; vgl. WHO 20.10.2014; vgl. Zeit 20.10.2014). Gemäß WHO kann eine Entwarnung erst 42 Tage nach dem letzten Fall gegeben werden und diese Frist ist am 20.10.2014 abgelaufen (WHO 20.10.2014; vgl. Zeit 20.10.2014). Der nigerianischen Regierung und den WHO-Vertretern vor Ort ist bewusst, dass das westafrikanische Land weiter gefährdet bleibt, solange die Krankheit in anderen Ländern der Region grassiert. Entsprechend bleiben die Behörden in Alarmbereitschaft (Zeit 20.10.2014).
Quellen:
- NZZ - Neue Zürcher Zeitung (20.10.2014): Nigeria hat die Gefahr gebannt,
http://www.nzz.ch/international/nigeria-hat-die-gefahr-gebannt-1.18407408 , Zugriff 21.10.2014
- WHO - World Health Organization (20.10.2014): WHO Declares Nigeria Ebola-Free,
http://www.afro.who.int/en/nigeria/press-materials/item/7103-who-declares-nigeria-ebola-free.html , Zugriff 21.10.2014
- Zeit - Die Zeit Online (20.10.2014): WHO erklärt Nigeria für ebolafrei, http://www.zeit.de/wissen/2014-10/ebola-nigeria-who , Zugriff 21.10.2014
Politische Lage
Nigeria ist in 36 Bundesstaaten und einen Bundeshauptstadtbezirk sowie 774 Local Government Areas (LGA/Bezirke) untergliedert, die von direkt gewählten Gouverneuren regiert werden (AA 28.8.2013; vgl. AA 10.2013; vgl. GIZ 10.2013a). Die Bundesstaaten verfügen auch über direkt gewählte Parlamente. Die PDP (People's Democratic Party) stellt derzeit 23 [Anm.: bzw. 16 siehe unten] Gouverneure, der ACN (Action Congress) 6, die ANPP (All Nigeria People's Party) 3, die APGA (All Progressives Grand Alliance) 2, die LP (Labour Party) und der CPC (Congress for Progressive Change) je einen Gouverneur (AA 10.2013).
Mit der Wahl Olusegun Obasanjos im Jahr 1999 war Nigeria zur Demokratie zurückgekehrt und verfügt seitdem über ein Mehrparteiensystem. Die Verfassung vom 29.5.1999 enthält alle Attribute eines demokratischen Rechtsstaates (inkl. Grundrechtskatalog), und orientiert sich insgesamt am System der USA. Dem starken Präsidenten, der auch Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist, stehen ein aus Senat und Repräsentantenhaus bestehendes Parlament und eine unabhängige Justiz gegenüber (AA 28.8.2013; vgl. AA 10.2013). Es dominieren der direkt gewählte Präsident und die direkt gewählten Gouverneure. Der Kampf um politische Ämter wird mit großer Intensität und häufig auch mit undemokratischen, gewaltsamen Mitteln geführt. Die Finanzverfassung ist trotz der bundesstaatlichen Gliederung zentralistisch. Polizei und Justiz werden ebenfalls vom Bund kontrolliert (AA 28.8.2013).
Die Parteienzugehörigkeit orientiert sich bei den meisten der ca. 50 kleineren Parteien an Führungspersonen. Loyalitäten gegenüber der eigenen ethnischen Gruppe bzw. gegenüber Personen gehen anderen Loyalitäten vor; entsprechend repräsentiert keine der Parteien eine eindeutige politische Richtung. Die einzige große überregionale Partei ist die Regierungspartei PDP. Die größten Oppositionsparteien waren bisher jeweils nur in bestimmten Regionen eine ernsthafte Konkurrenz für die PDP. Der CPC und die ANPP haben vor allem im Norden ihre Hochburgen, während der ACN im Südwesten (insbesondere in Lagos) eine starke Position hat (AA 28.8.2013).
Im Hinblick auf die 2015 stattfindenden Präsidentschaftswahlen haben sich die vier Oppositionsparteien CPC, ACN, ANPP und APGA jüngst zu einer neuen Oppositionspartei namens "All Progressive Congress" (APC) zusammengeschlossen (GIZ 10.2013a; vgl. AA 28.8.2013). Damit formierte sich erstmals seit 1999 eine ernstzunehmende Konkurrenz zur PDP (AA 28.8.2013). Die APC verfolgt das Ziel, 2015 die Regierung unter Goodluck Jonathan und die PDP als Regierungspartei abzulösen. Darüber hinaus gab es in letzter Zeit zunehmend Flügelkämpfe innerhalb der PDP, in Folge dessen sich sieben von 23 PDP-Gouverneuren (der insgesamt 36 Gouverneure Nigerias) von der Partei abgespalten haben. Sie beabsichtigen nun eine "neue PDP" zu gründen, da sie mit der aktuellen Politik Jonathans unzufrieden sind. Sie kritisieren v.a., dass dieser das Problem mit Boko Haram bislang nicht in den Griff bekommen und auch in Bezug auf die im Land vorherrschende Armut und den ausgeprägten Analphabetismus keine adäquaten politischen Maßnahmen eingeleitet habe (GIZ 10.2013a).
Bei den Wahlen vom April 2011 wurden neun Parteien ins Bundesparlament gewählt. Die PDP verfügt in beiden Häusern über die absolute Mehrheit (Senat: 75 Sitze, Abgeordnetenhaus: 204). Die APC verfügt über 30 Sitze im Senat und 135 Sitze im Abgeordnetenhaus. Fünf weitere Parteien sind aufgrund des Mehrheitswahlsystems nur mit wenigen Abgeordneten vertreten (AA 10.2013).
Der Wahlsieg von Präsident Goodluck Jonathan im April 2011 wurde von internationalen und nationalen Wahlbeobachtern übereinstimmend als weitgehend zufriedenstellend und transparent gewertet. Die EU sprach von den "bisher glaubwürdigsten Wahlen seit Rückkehr zur Demokratie 1999" (AA 28.8.2013; vgl. AA 10.2013). Allerdings gab es bei den Wahlen zu Parlament und Gouverneuren Hinweise auf stärkere Manipulationen, die in manchen Regionen auch das Wahlergebnis beeinflusst haben dürften (AA 28.8.2013).
Staatspräsident Goodluck Jonathan bekennt sich grundsätzlich zur Rechtsstaatlichkeit und strebt eine nachhaltige, reformorientierte Wirtschaftspolitik an. Bisher gibt es jedoch keine greifbare Verbesserung der Lage der Bevölkerung (AA 28.8.2013). Die ersten Monate im Amt gelang es Präsident Jonathan, die angespannte Situation im Nigerdelta etwas zu beruhigen. Darüber hinaus engagierte er sich dafür, die Wirtschaft anzukurbeln, indem er u.a. den Kontakt mit den wirtschaftlich starken Länder Europas intensivierte (GIZ 10.2013a).
Neben der modernen Staatsgewalt haben auch die traditionellen Führer immer noch einen großen - weitgehend informellen - Einfluss. Sie gelten als moralische Instanz und können wichtige Vermittler in kommunalen und in religiös gefärbten Konflikten sein (AA 10.2013).
Fast im ganzen Norden Nigerias ist das System der LGA kollabiert. Große Teile kamen unter Kontrolle von Milizen und lokalen "Strongmen", die den politischen und sozio-ökonomischen Raum ausfüllen. Dies führte zur Vertiefung lokaler und regionaler Missstände (BS 2014).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria
AA - Auswärtiges Amt (10.2013): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html , Zugriff 18.2.2014
BS - Bertelsmann Stiftung (2014): BTI 2014 - Nigeria Country Report, http://www.bti-project.de/fileadmin/Inhalte/reports/2014/pdf/BTI 2014 Nigeria.pdf , Zugriff 18.2.2014
GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (10.2013a): Nigeria - Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/nigeria/geschichte-staat.html , Zugriff 19.2.2014
Sicherheitslage
Es gibt in Nigeria keine Bürgerkriegsgebiete und keine Bürgerkriegsparteien (AA 28.8.2013). In drei Gebieten herrschen Unsicherheit und Spannungen: im Nordosten (islamistische Gruppe Boko Haram); im Middle Belt (v.a. im Bundesstaat Plateau); und im Nigerdelta. Während Spannungen und Gewalt im Nordosten und im Middle Belt in den vergangenen Jahren zugenommen haben, gingen sie im Nigerdelta seit 2009 zurück (DACH 2.2013).
Es besteht aufgrund wiederholter Angriffe und Sprengstoffanschläge militanter Gruppen (Boko Haram, Ansaru) derzeit ein sehr hohes Anschlagsrisiko insbesondere für Nord- und Nordostnigeria, einschließlich für die Hauptstadt Abuja. In mehreren Städten Nord- und Nordostnigerias finden immer wieder Gefechte zwischen Sicherheitskräften und militanten Gruppen statt. Angehörige der Sicherheitskräfte, Regierungsstellen, christliche Einrichtungen - aber auch Einrichtungen gemäßigter Moslems - sowie Märkte, Wohnviertel und internationale Organisationen sind Anschlagsziele der militanten Gruppen. Drohungen bestehen gegen moslemische Einrichtungen im Süden (BMEIA 27.3.2014).
Das deutsche Auswärtige Amt warnt vor Reisen in die nördlichen Bundesstaaten Borno, Yobe, Adamawa, Bauchi, in den nördlichen Teil von Plateau State (Jos und Umgebung) sowie nach Kano, Kaduna, Katsina, Gombe, Jigawa, Zamfara, Kebbi, Sokoto und Kogi (AA 27.3.2014). Auch das österreichische Außenministerium warnt vor Reisen in die Bundesstaaten Borno, Yobe, Adamawa, Plateau sowie den südlichen Landesteil von Bauchi und Kano. Mit Gewaltausbrüchen in allen zwölf nördlichen Bundestaaten ist jederzeit zu rechnen (BMEIA 27.3.2014). Das britische Außenministerium warnt zusätzlich noch vor Reisen in die Flussgegenden der Bundesstaaten Delta, Bayelsa, Rivers, Akwa Ibom und Cross River States sowie in die Stadt Warri (UKFCO 18.2.2014).
Das österreichische Außenministerium hat für folgende Bundesstaaten eine partielle Reisewarnung ausgesprochen: Abia, Akwa Ibom, Anambra, Bayelsa, Delta, Ebonyi, Edo, Ekiti, Enugu, Imo, Kaduna, Kano, Oyo, Ondo, Rivers, einschließlich Port Harcourt und die vorgelagerten Küstengewässer (BMEIA 27.3.2014). Das britische Außenministerium warnt vor unnötigen Reisen nach: Kano, Kaduna, Jigawa, Katsina, Sokoto, Zamfara, Kebbi, die Stadt Jos und die LGAs Riyom und Barkin (Plateau), die Region Okene (Kogi), die restlichen Gegenden der Bundesstaaten Delta, Bayelsa, Rivers und Akwa Ibom sowie in nach Abia (UKFCO 18.2.2014). In Nigeria können in allen Regionen meist kaum vorhersehbar lokale Konflikte aufbrechen. Ursachen und Anlässe dafür sind meist politischer, wirtschaftlicher, religiöser oder ethnischer Art. Meist sind diese Auseinandersetzungen von kurzer Dauer (wenige Tage) und örtlich begrenzt (meist nur einzelne Orte, in größeren Städten nur einzelne Stadtteile) (AA 27.3.2014).
In Lagos kommt es zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen verschiedenen Ethnien, politischen Gruppierungen aber auch zwischen Militär und Polizeikräften (BMEIA 27.3.2014) bzw. zu Problemen (u.a. Mobs, Plünderungen) durch die sogenannten "Area Boys". Der Einsatz von Schlägertruppen und privaten Milizen zur Erreichung politischer oder wirtschaftlicher Ziele ist weit verbreitet. Nach den Wahlen 2011 kam es in weiten Gebieten Nord- und Zentralnigerias zu gewaltsamen Unruhen, bei denen mehrere hundert Menschen ums Leben kamen. Besonders betroffen waren die Bundesstaaten Kaduna und Bauchi. In Wahlkampfzeiten kommt es regelmäßig zu teilweise massiven Vorfällen (Einschüchterung und Bedrohung des politischen Gegners bis hin zu Körperverletzung und Totschlag, Störung von Wahlkampfveranstaltungen) (AA 28.8.2013).
Als stellvertretendes Beispiel hinsichtlich der Sicherheitslage in Nigeria sei der 25.3.2014 genannt. An diesem Tag wurden bei kommunalen Angriffen von Fulani im Bundesstaat Benue mindestens 25 Menschen getötet. Bei diesen Auseinandersetzungen wurden im Bundesstaat Nasarawa 20 Menschen getötet, mehrere Häuser und Fahrzeuge wurden niedergebrannt; im Bundesstaat Plateau kamen zwei Menschen ums Leben, zahlreiche wurden verletzt. In Maiduguri im Bundesstaat Borno rammten Selbstmordattentäter einen Polizeiwagen. Fünf Polizisten, drei Zivilisten und die beiden Attentäter wurden getötet, zahlreiche Personen verletzt. Derweil konnte die Polizei im Bundesstaat Kaduna einen Sprengsatz entschärfen (ALL 26.3.2014b).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria
AA - Auswärtiges Amt (27.3.2014): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/NigeriaSicherheit.html , Zugriff 27.3.2014
ALL - All Africa/Leadership (26.3.2014b): Benue, Borno, Nasarawa, Plateau - Five Policemen, 52 Others Killed in Attacks, http://allafrica.com/stories/201403260187.html?viewall=1 , Zugriff 26.3.2014
BMEIA - Außenministerium (27.3.2014): Reiseinformationen - Nigeria, http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/buergerservice/reiseinformation/a-z-laender/nigeria-de.html , Zugriff 18.2.2014
DACH - Asylkooperation Deutschland-Österreich-Schweiz (27.2.2013):
D-A-CH Factsheet zu Nigeria,
http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1361973048_dach-nigeria-factsheet-gr-2013-02.doc , Zugriff 18.2.2014
UKFCO - United Kingdom Foreign and Commonwealth Office (18.2.2014):
Foreign Travel Advice - Nigeria, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/nigeria , Zugriff 18.2.2014
Nigerdelta
Das Nigerdelta, welches die Bundesstaaten Ondo, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Abia, Akwa Ibom und Cross River umfasst, sorgt mit seinen Öl- und Gasreserven für 95 Prozent der Exporterlöse Nigerias (DACH 2.2013). Von 2000 bis 2010 entwickelten sich im Nigerdelta militante Gruppen, die den Anspruch erhoben, die Rechte der Deltabewohner zu verteidigen und die Forderungen auf Teilhabe an den Öleinnahmen auch mittels Gewalt gegenüber der Regierung durchzusetzen. Die wichtigsten Gruppierungen wurden die Niger Delta People's Volunteer Force (NDPVF) und die Movement for the Emancipation of the Niger Delta (MEND) (AA 28.8.2013). Bis zum Amnestieangebot im Jahr 2009 hat vor allem die MEND in der Region den bewaffneten Kampf gegen die Regierung geführt. Die MEND war verübte selbst noch im Oktober 2010 Angriffe und Attentate (DACH 2.2013).
Mit dem im Juli 2009 vom damaligen Präsidenten Yar'Adua verkündeten Amnestieangebot für die Militanten im Nigerdelta ist seiner Regierung bei der Lösung des Konflikts ein bedeutender Schritt und ein überraschender Erfolg gelungen: Alle bekannten Milizenführer nahmen das Amnestieangebot an. Ein Reintegrationsprogramm für 20.000 ehemalige Kämpfer hat Mitte 2010 begonnen. Präsident Jonathan, selbst aus dem Ölstaat Bayelsa stammend, setzt das Amnestieprogramm fort. Allerdings kündigten die Milizenführer Henry Okah und John Togo die Amnestie 2010 wieder auf. Der mutmaßliche MEND-Führer Henry Okah, sitzt derzeit in Südafrika in Haft und wurde dort im Januar 2013 verurteilt. Als Reaktion auf seine Verurteilung drohte MEND in drastischen Worten mit Anschlägen in ganz Nigeria (AA 28.8.2013). Bislang wird die Amnestievereinbarung aber weitgehend eingehalten, so dass Kriminalität und Gewalt im Süden merklich zurückgegangen sind - wiewohl in letzter Zeit wieder ein Anstieg zu verzeichnen ist (AA 10.2013). Bis Ende 2012 haben 26.368 ehemalige Militante vom Amnestieprogramm profitiert. Viele der ehemaligen Militanten haben eine Arbeitsausbildung oder Stipendien erhalten (USDOS 19.4.2013).
Bei den bewaffneten Auseinandersetzungen im Nigerdelta handelt es sich sowohl um einen Konflikt zwischen regionalen militanten Gruppen und der Staatsgewalt, als auch um Rivalitäten zwischen den unterschiedlichen lokalen Gemeinschaften. Im ersten Fall stehen in der Regel finanzielle Interessen der bewaffneten Gruppen im Vordergrund, im zweiten Fall geht es um einen Verteilungskampf rivalisierender Gruppen. Abgelegene Gebiete im Nigerdelta sind bis heute teils unter Kontrolle von separatistischen und kriminellen Gruppen. Teile des unzugänglichen Gebiets stellen weiterhin einen weitgehend rechtsfreien Raum dar, in dem die Einflussmöglichkeiten staatlicher Ordnungskräfte begrenzt sind (AA 28.8.2013).
Das kostspielige Amnestieprogramm im Nigerdelta hat zwar die Gewalt reduziert, die strukturellen Probleme (Armut, Korruption, Umweltverschmutzung, Straffreiheit bei politischer Gewalt) wurden aber nicht angegangen (BS 2014; vgl. HRW 21.1.2014). Im Juni 2013 hat die Regierung angekündigt, dass das Amnestieprogramm im Jahr 2015 endgültig beendet werde. Sie hat auch zugegeben, dass ihre eigene Unfähigkeit, für die ausgebildeten ehemaligen Rebellen eine Arbeit zu finden oder einen anderen Plan zu erstellen, die Region potentiell gefährlicher machen werde (HRW 21.1.2014). Gemäß den Aussagen vieler Experten bleibt die Situation im Nigerdelta instabil. Es ist nicht ausgeschlossen, dass frustrierte Militante früher oder später wieder zu den Waffen greifen (DACH 2.2013).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria
AA - Auswärtiges Amt (10.2013): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html , Zugriff 18.2.2014
BS - Bertelsmann Stiftung (2014): BTI 2014 - Nigeria Country Report, http://www.bti-project.de/fileadmin/Inhalte/reports/2014/pdf/BTI 2014 Nigeria.pdf , Zugriff 18.2.2014
DACH - Asylkooperation Deutschland-Österreich-Schweiz (27.2.2013):
D-A-CH Factsheet zu Nigeria,
http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1361973048_dach-nigeria-factsheet-gr-2013-02.doc , Zugriff 18.2.2014
HRW - Human Rights Watch (21.1.2014): World Report 2014 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/267713/395047_de.html , Zugriff 18.2.2014
USDOS - U.S. Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices 2012 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/245102/368550_de.html , Zugriff 18.2.2014
Middle Belt inkl. Jos/Plateau
Die ethnischen Gegensätze in Nigeria werden durch religiös-konfessionelle Trennlinien verstärkt, die aufgrund historischer Entwicklungen und moderner Binnenmigration viel komplizierter verlaufen, als es das vereinfachte Bild einer Nord-Süd-Teilung Nigerias in einen überwiegend muslimischen Norden und einen stärker christlich geprägten Süden nahelegt. Immer wieder kommt es zu lokalen Konflikten zwischen einzelnen ethnischen, sozialen und religiösen Gruppen (AA 10.2013). Die Vorkommnisse werden zwar oft als ethnisch-religiöse Konflikte aufgrund von Spannungen zwischen muslimischen und christlichen Einwohnern interpretiert. Bei derartiger Gewalt liegt der Ursprung gewöhnlich jedoch darin, dass in einem sehr heterogenen und ethnisch vielfältigen Teil Nigerias eine Gruppe die Kontrolle des Staatsapparates gegenüber einer anderen Gruppe beansprucht (KAS 12.7.2013).
Obwohl kommunale Auseinandersetzungen in nahezu allen Regionen des Landes vorkommen, sind Intensität und Opfer in der Region des "Middle Belt? gravierender. Dies gilt v.a. für die Bundesstaaten Kaduna und Plateau, wo zahllose Menschen, vornehmlich Frauen und Kinder, auf brutalste Weise ermordet werden (KAS 12.7.2013). Der Middle Belt bildet eine Brücke zwischen dem vorwiegend muslimischen Nordnigeria und dem hauptsächlich christlichen Süden. Die Region wird von kleinen christlichen Ethnien dominiert, die eine lange Tradition des Widerstandes gegen die muslimischen Ethnien aus dem Norden haben. Die Spannungen im Middle Belt sind mit dem Problem der "Indigenität" verbunden: Jeder Bundesstaat und jede LGA in Nigeria unterteilt seine Bevölkerung in "indigene" und "nicht-indigene" Bürger, oder "Gastgeber" und "Siedler". Im Middle Belt genießen vorwiegend die o.g. kleinen christlichen Ethnien den Status der Indigenen, während die muslimischen Hausa und Fulani als Siedler eingestuft werden (DACH 2.2013).
In einzelnen Fällen fordern Ausschreitungen dort mehrere hundert Tote (AA 10.2013). Derartige Gewalt führte im Jahr 2013 im Middle Belt, namentlich in den Bundesstaaten Plateau, Taraba, Benue und Nasarawa zu mehr als 400 Todesopfern. Die dafür Verantwortlichen wurden nicht zur Rechenschaft gezogen, weswegen ethnische und religiöse Gruppen in der Region damit begonnen haben, eigene Milizen aufzustellen. Die Diskriminierung von "nicht-Indigenen" durch Bundesstaats- und Lokalregierungen fördert die Unzufriedenheit (HRW 21.1.2014).
Zuletzt kamen am Wochenende zum 16.3.2014 im Bundesstaat Kaduna bei einem Überfall moslemischer Hirten auf christliche Bauern mindestens hundert Menschen ums Leben. Die Opfer waren verbrannt oder zerhackt worden. Über 2.000 Menschen wurden infolgedessen vertrieben (AFP 16.3.2014).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (10.2013): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html , Zugriff 18.2.2014
AFP - Agence France Presse (16.3.2014): 100 killed in Nigeria attacks as gunmen storm villages, http://reliefweb.int/report/nigeria/100-killed-nigeria-attacks-gunmen-storm-villages , Zugriff 25.3.2014
DACH - Asylkooperation Deutschland-Österreich-Schweiz (27.2.2013):
D-A-CH Factsheet zu Nigeria,
http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1361973048_dach-nigeria-factsheet-gr-2013-02.doc , Zugriff 18.2.2014
HRW - Human Rights Watch (21.1.2014): World Report 2014 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/267713/395047_de.html , Zugriff 18.2.2014
KAS - Konrad Adenauer Stiftung (12.7.2013): Unsicherheit in Nigeria, http://www.kas.de/wf/doc/kas_34967-544-1-30.pdf?130716165200 , Zugriff 18.2.2014
Nordnigeria - Boko Haram
Im Nordosten und im Zentrum Nigerias kommt es seit Mitte 2010 gehäuft zu Anschlägen der islamistischen Gruppe Boko Haram. Seit Anfang 2011 hat sich die Lage im Nordosten und in Teilen Zentralnigerias deutlich zugespitzt und im Jahr 2012 und 2013 noch einmal verschärft. (AA 28.8.2013). Die Rebellion der militanten Sekte Boko Haram (auch Jama'atu Ahlis Sunna Lidda'awati Wal-Jihad) dauert also weiter an. Zwar hat Präsident Jonathan im April 2013 ein Komitee für einen Dialog mit den Rebellen gegründet, diese lehnen jedoch Gespräche oder eine Amnestie ab (USDOS 27.2.2014; vgl. AA 10.2013). In der Folge wurde im Mai 2013 über die Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa der Ausnahmezustand verhängt, dieser dauert bis heute an (USDOS 27.2.2014; vgl. AA 27.3.2014). Seither kommt es zu militärischen Operationen (UKFCO 18.2.2014). Anfangs ging die Gewalt kurzfristig zurück. Seit August 2013 haben sich die Angriffe auf Polizei, Sicherheitskräfte und zivile Ziele (Banken, Bars, Restaurants, religiöse Zentren, Schulen, Regierungsgebäude) im Norden jedoch verstärkt. In Maiduguri kommt es wöchentlich, manchmal auch täglich zu Schießereien und Anschlägen (USDOS 27.2.2014; vgl. AA 28.8.2013).
Boko Haram verübt immer wieder Anschläge aus dem Untergrund (Schuss- und Sprengstoffattentate) (AA 28.8.2013; vgl. USDOS 27.2.2014). Die Gruppierung operiert zwar überwiegend im Nordosten (insbesondere Borno und Yobe), zunehmend aber auch im Zentrum des Landes (auch im Großraum Abuja) (AA 28.8.2013). Möglicherweise breiten sich die Aktivitäten von Boko Haram aus bzw. fusionieren kommunale und terroristische Gewalt. Bei einem Angriff von Fulani auf mehrere Dörfer im Bundesstaat Benue sollen etwa auch Kämpfer der Boko Haram beteiligt gewesen sein (ALL 26.3.2014a). Boko Haram tötet Sicherheitskräfte und Zivilisten, darunter lokale Behördenvertreter, religiöse Führer und Politiker. Es kommt zu Anschlägen auf Polizeistationen, Armeeeinrichtungen, Gefängnisse, Banken und Schulen (USDOS 27.2.2014), auch Kirchen und Moscheen sowie traditionelle religiöse Führer sind ins Fadenkreuz der Islamisten geraten. Zugenommen haben Anschläge auf Angehörige der christlichen Minderheit im Zentrum und im Nordosten Nigerias (AA 28.8.2013). Ebenfalls ins Visier der Boko Haram geraten sind die Mitglieder der Bürgerwehr Civilian Joint Task Force (HRW 21.1.2014). Boko Haram forciert auch Entführungen, diese treffen vermehrt Frauen. Außerdem setzt Boko Haram Kindersoldaten ein (USDOS 27.2.2014).
Die Gewalttaten der Boko Haram werden dabei immer extremer. Die Gruppe greift Menschen schon alleine aufgrund der Religion oder eines Berufes an, tötet oder verletzt andere völlig willkürlich. Die Gruppe hat Häuser, Kirchen, Krankenhäuser (OHCHR 14.3.2014) und seit 2012 mindestens 300 Schulen niedergebrannt (HRW 21.1.2014). Sie haben Kinder in ihren Betten ermordet, Frauen und Mädchen verschleppt und vergewaltigt. Eine halbe Million Menschen wurden vertrieben (OHCHR 14.3.2014). Seit Jänner ist Boko Haram für den Tod von 500 Menschen verantwortlich, fast täglich kommt es zu Angriffen auf Dörfer in Borno und Adamawa (IRIN 14.3.2014). Die Angreifer der Boko Haram kommen üblicherweise schwer bewaffnet in die Dörfer, plündern die Vorräte und zünden dann die Häuser an. Folglich sind dutzende Dörfer in Borno und Adamawa verlassen worden. Dies wirft auch ein Licht auf die möglicherweise bevorstehende Nahrungsmittelknappheit, da die Landwirtschaften nicht mehr betrieben werden (IRIN 14.3.2014; vgl. OHCHR 14.3.2014).
Alleine die Selbstmordattentate führten im Jahr 2013 zu hunderten Todesopfern. Die Anzahl an Opfern stieg im Vergleich zum Jahr 2012 im Jahr 2013 massiv an (USDOS 27.2.2014). Insgesamt ist es der Regierung trotz wichtiger Teilerfolge (AA 10.2013) nicht gelungen, die Gewalt einzudämmen und die Zivilbevölkerung zu beschützen (HRW 21.1.2014; vgl. AA 10.2013). Die Gesamtzahl der Todesopfer bei über 700 Anschlägen seit 2010 liegt zwischen 4.000 (AA 28.8.2013; vgl. AA 10.2013) und 5.000 Personen (HRW 21.1.2014).
Die verfügbare Literatur zu Boko Haram gibt über das eigentliche Motiv für deren Gründung, Existenz und Herkunft keinen Aufschluss (KAS 12.7.2013). Insgesamt wollen die Islamisten eine strikte Auslegung der Scharia durchsetzen und die Korruption in Nigeria beenden (HRW 21.1.2014). Auch wenn offensichtlich ist, dass Boko Haram eine ernste Bedrohung für die Sicherheit in Nord- und Zentralnigeria darstellt, ist es schwierig herauszufinden, wer heute überhaupt diesem Namen agiert und welche Bedrohungsarten von der Gruppe ausgehen. Die Gruppe ist weder homogen, noch verfügt sie über eine klare Hierarchie (DACH 2.2013).
Während des Jahres 2013 unternahmen die Joint Task Forces (JTF), die sich aus Elementen der Armee, der Polizei und anderer Sicherheitskräfte zusammensetzen, Offensiven gegen militante Gruppen und Kriminelle in den Bundesstaaten Adamawa, Bauchi, Borno, Gombe, Kano, Kaduna, Kogi, Plateau, Sokoto, Taraba, Katsina, Jigawa und Yobe (USDOS 27.2.2014). Schwere Menschenrechtsverletzungen werden den dort agierenden Sicherheitskräften angelastet (USDOS 27.2.2014). Die Reaktion der Sicherheitsbehörden auf die Terroranschläge von Boko Haram verschärfte in Wirklichkeit das Problem. Berichte aus verschiedenen Quellen, einschließlich Human Rights Watch, sagen aus, dass die JTF an übermäßigem Einsatz von Gewalt, körperlicher Misshandlung, geheimen Inhaftierungen, Erpressung, Brandanschlägen, Gelddiebstahl während Razzien und außergerichtlichen Hinrichtungen von Verdächtigen beteiligt war. Dies hat letztendlich seit 2009 zum Tod von mehr als 2.800 Menschen geführt (KAS 12.7.2013). Insbesondere seit Verhängung des Ausnahmezustands im Mai 2013 gehen die Sicherheitskräfte gegen mutmaßliche Terroristen mit äußerster Härte vor. Die Bewohner der betroffenen Bundesstaaten und der sich zwischenzeitlich im Norden des Landes aufhaltenden Menschen aus den benachbarten Staaten Nigerias fliehen vor diesen Auseinandersetzungen in Tausenden in den Niger, Tschad und nach Kamerun (AA 28.8.2013). Trotz verschiedener Berichte in sowohl lokalen als auch internationalen Medien über die Vorwürfe des weit verbreiteten Missbrauchs der Sicherheitskräfte wurde diesbezüglich kaum jemand strafrechtlich verfolgt (KAS 12.7.2013).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (10.2013): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html , Zugriff 18.2.2014
AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria
ALL - All Africa/This Day (26.3.2014a): Yet Another Bloody Herdsmen Attack Claims 25 Lives,
http://allafrica.com/stories/201403260277.html , Zugriff 26.3.2014
DACH - Asylkooperation Deutschland-Österreich-Schweiz (27.2.2013):
D-A-CH Factsheet zu Nigeria,
http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1361973048_dach-nigeria-factsheet-gr-2013-02.doc , Zugriff 18.2.2014
HRW - Human Rights Watch (21.1.2014): World Report 2014 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/267713/395047_de.html , Zugriff 18.2.2014
IRIN - Integrated Regional Information Network (14.3.2014):
Humanitarian response gap grows in northern Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/271781/400460_de.html , Zugriff 25.3.2014
KAS - Konrad Adenauer Stiftung (12.7.2013): Unsicherheit in Nigeria, http://www.kas.de/wf/doc/kas_34967-544-1-30.pdf?130716165200 , Zugriff 18.2.2014
OHCHR - UN Office of the High Commissioner for Human Rights (14.3.2014): Remarks By The High Commissioner For Human Rights At A Press Conference During Her Mission To Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/271987/400697_de.html , Zugriff 25.3.2014
UKFCO - United Kingdom Foreign and Commonwealth Office (18.2.2014):
Foreign Travel Advice - Nigeria, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/nigeria , Zugriff 18.2.2014
USDOS - U.S. Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices 2012 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/245102/368550_de.html , Zugriff 18.2.2014
Rechtsschutz/Justizwesen
Die Verfassung sieht Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz vor (AA 28.8.2013; vgl. HRW 21.1.2014). Sie unterscheidet zwischen Bundesgerichten, Gerichten des Hauptstadtbezirks sowie Gerichten der 36 Bundesstaaten. Letztere haben die Befugnis, per Gesetz erstinstanzliche Gerichte einzusetzen. Mit Einführung der erweiterten Scharia-Gesetzgebung in neun nördlichen Bundesstaaten sowie den überwiegend muslimischen Teilen dreier weiterer Bundesstaaten haben die staatlichen Schariagerichte strafrechtliche Befugnisse erhalten. Bundesgerichte, die nur staatlich kodifiziertes Recht anwenden, sind der Federal High Court (Gesetzgebungsmaterie des Bundes, Steuer-, Körperschafts- und auch Verwaltungssachen), der Court of Appeal (Berufungssachen u.a. der State Court of Appeal und der State Sharia and Customary Court of Appeal) sowie der Supreme Court (Revisionssachen, Organklagen). Der Rechtsweg von der ersten Instanz (Magistrate Court) bis zum Supreme Court ist grundsätzlich eröffnet (AA 28.8.2013). Für Militärangehörige gibt es eigene Militärgerichte (USDOS 27.2.2014).
Die höheren Gerichte sind relativ kompetent und unabhängig. Doch selbst sie bleiben politischem Einfluss, Korruption und einem Mangel an Ressourcen ausgesetzt (FH 9.5.2013). In der Realität ist die Justiz der Einflussnahme von Exekutive und Legislative sowie einzelner politischer Führungspersonen und der Wirtschaft ausgesetzt. Unterbesetzung, Unterfinanzierung und Ineffizienz verhindern, dass die Justiz ausreichend funktionieren kann. Außerdem fehlt es den Gerichten oftmals an Ausrüstung, Ausbildung und Motivation, um den eigenen Aufgaben nachzukommen. Vor allem auf Bundesstaats- und Bezirksebene (LGA) versuchen Politiker die Justiz zu beeinflussen (USDOS 27.2.2014). Zusätzlich ist die Justiz von endemischer Korruption geprägt (HRW 21.1.2014; vgl. USDOS 27.2.2014). Wohl gibt es auf Bundesebene strikte Voraussetzungen und Ansprüche für Richter. Allerdings fehlt es auf Bundesstaats- und Bezirksebene an Aufsichtsmöglichkeiten, und dies führt zu Korruption und Misswirtschaft in der Justiz (USDOS 27.2.2014).
Eine willkürliche Strafverfolgung bzw. Strafzumessungspraxis durch Polizei und Justiz, die nach Rasse, Nationalität o.ä. diskriminiert, ist nicht erkennbar. Das bestehende System benachteiligt jedoch tendenziell Ungebildete und Arme, die sich weder von Beschuldigungen freikaufen noch eine Freilassung auf Kaution erwirken können. Zudem ist vielen eine angemessene Wahrung ihrer Rechte auf Grund von fehlenden Kenntnissen selbst elementarster Grund- und Verfahrensrechte nicht möglich. Auch der Zugang zu staatlicher Prozesskostenhilfe ist in Nigeria beschränkt: Das Institut der Pflichtverteidigung wurde erst vor kurzem in einigen Bundesstaaten eingeführt. Lediglich in den Landeshauptstädten existieren NGOs, die sich zum Teil mit staatlicher Förderung der rechtlichen Beratung von Beschuldigten bzw. Angeklagten annehmen (AA 28.8.2013). Rechtsberatungen und Rechtsbeistand bieten u.a. die folgenden Organisationen: Legal Aid Council; NHRC; Legal Defence and Assistance Project (LEDAP) (IOM 8.2013). Gerade in den ländlichen Gebieten gibt es jedoch zahlreiche Verfahren, bei denen Beschuldigte und Angeklagte ohne rechtlichen Beistand mangels Kenntnis ihrer Rechte schutzlos bleiben (AA 28.8.2013).
Das Recht auf ein zügiges Verfahren wird zwar von der Verfassung garantiert, ist jedoch kaum gewährleistet. Auch der gesetzlich garantierte Zugang zu einem Rechtsbeistand oder zu Familienangehörigen wird nicht immer ermöglicht (AA 28.8.2013).
Dauerinhaftierungen ohne Anklage oder Urteil, die sich teils über mehrere Jahre hinziehen, sind weit verbreitet. Über 70 Prozent der in nigerianischen Gefängnissen inhaftierten Personen sind Untersuchungshäftlinge, die auf ihren Prozess warten (AA 28.8.2013; vgl. USDOS 27.2.2014). Die Untersuchungshaft ist oftmals länger als die maximal zu erwartende gesetzliche Höchststrafe des jeweils in Frage stehenden Delikts (AA 28.8.2013). Darüber hinaus bleiben zahlreiche Häftlinge auch nach Verbüßung ihrer Freiheitsstrafen in Haft, weil ihre Vollzugsakten unauffindbar sind (AA 28.8.2013; vgl. USDOS 27.2.2014). Mehrmals kündigte die Regierung an, Aktionen zur Überprüfung der Inhaftierten durchzuführen und Gefängnisinsassen ohne ersichtlichen Inhaftierungsgrund freizulassen, allerdings ohne messbaren Erfolg (AA 28.8.2013).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria
FH - Freedom House (9.5.2013): Freedom in the World 2013 - Nigeria, http://www.refworld.org/docid/5194a2f418.html , Zugriff 19.2.2014
HRW - Human Rights Watch (21.1.2014): World Report 2014 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/267713/395047_de.html , Zugriff 18.2.2014
IOM - International Organization for Migration (8.2013): Nigeria - Country Fact Sheet 2013,
https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe?func=ll&objId=16801531&objAction=Open&nexturl=/milop/livelink.exe?func=ll&objId=16800759&objAction=browse&viewType=1 , Zugriff 18.2.2014
USDOS - U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/270637/399179_de.html , Zugriff 4.3.2014
Scharia
In neun nördlichen Bundesstaaten sowie in den mehrheitlich muslimischen Gebieten dreier weiterer Bundesstaaten erhielten erstinstanzliche Scharia-Gerichte auch strafrechtliche Befugnisse (z.B. Verhängung von Körperstrafen bis hin zu Todesurteilen wie Steinigung); dies gilt allerdings grundsätzlich nur für Muslime (AA 28.8.2013). Christen, die in den zwölf Bundesstaaten leben, steht es frei, sich einem Scharia- oder staatlichen Gerichtsverfahren zu unterwerfen. Meist wird das Schariagericht gewählt, da diese schneller zu einem Urteil kommen (AA 10.2013). Bestimmte, im Koran explizit genannte Vergehen (die sog. Hudud-Straftatbestände wie außerehelicher Geschlechtsverkehr, Verleumdung wegen außerehelichen Geschlechtsverkehrs, Diebstahls, Straßenraubs, Alkoholgenusses), können mit zum Teil drakonischen Strafen (Amputation, Prügelstrafe, Tod durch Steinigung etc.) belegt werden. Neben den genannten Körperstrafen kann der das Scharia-Strafrecht anwendende Richter auch auf "Maßnahmen" erkennen, die auf eine Art Aberkennung der Ehre hinauslaufen, z.B. "tasheer" (öffentliche Bekanntmachung von Straftat und Strafmaß) oder "hajar" (Aufruf zum sozialen Boykott) (AA 28.8.2013).
Den rigorosen Strafandrohungen der Scharia stehen allerdings ebenso rigorose Beweisanforderungen gegenüber. Zuletzt erregten Ermittlungen und Anklagen wegen so genannter Hudud-Straftatbestände weit weniger öffentliche Aufmerksamkeit als zuvor, da man mittlerweile davon ausgehen kann, dass entsprechende Verurteilungen im Rechtsmittelverfahren aufgehoben und korrigiert werden (AA 28.8.2013). Die Scharia-Berufungsgerichte wandeln konsistent Steinigungs- und Amputationsurteile in andere Strafen um. Prügelstrafen werden regelmäßig ausgeführt, manchmal kommt es zur Zahlung von Ersatzstrafen (USDOS 27.2.2014). Der Scharia-Instanzenzug endet auf der Ebene eines Landesberufungsgerichts, gegen dessen Urteile Rechtsmittel zu dem (säkularen) Bundesberufungsgericht in Abuja statthaft sind (AA 28.8.2013). Urteile von Scharia-Gerichten können also auch im formalen Rechtssystem angefochten werden (USDOS 27.2.2014). Durch eine bessere Ausbildung der Richterschaft und Entpolitisierung des strafrechtlichen Aspekts der Scharia sind spektakuläre Fälle in den letzten Jahren nicht mehr zu verzeichnen (AA 10.2013).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria
AA - Auswärtiges Amt (10.2013): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html , Zugriff 18.2.2014
USDOS - U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/270637/399179_de.html , Zugriff 4.3.2014
Sicherheitsbehörden
Die allgemeinen Polizei- und Ordnungsaufgaben obliegen der rund 360.000 Mann starken Nigerian Police Force (NPF) (AA 28.8.2013). Die NPF untersteht dem Generalinspektor der Polizei. Er ist für die Durchsetzung der Gesetze verantwortlich. Ihm unterstehen in jedem Bundesstaat Assistenten zur Leitung der Polizeikräfte. Bundesstaaten dürfen gemäß Verfassung über keine eigenen Sicherheitskräfte verfügen. In Notsituationen kann die Bundespolizei jedoch dem Gouverneur eines Staates unterstellt werden (USDOS 27.2.2014). Etwa 100.000 Polizisten sollen als Sicherheitskräfte bei Personen des öffentlichen Lebens und einflussreichen Privatpersonen tätig sein (AA 28.8.2013).
Neben der Polizei werden im Inneren auch Militär, State Security Service (SSS) sowie paramilitärische Einheiten (sogenannte Rapid Response Squads) eingesetzt (AA 28.8.2013). Die Innere Sicherheit liegt also auch im Zuständigkeitsbereich des SSS, das dem Präsidenten via nationalen Sicherheitsberater unterstellt ist. Die NPF, das SSS und das Militär sind zivilen Autoritäten unterstellt, sie operieren jedoch regelmäßig außerhalb ziviler Kontrolle (USDOS 27.2.2014). Die National Drug Law Enforcement Agency (NDLEA) ist für alle Straftaten in Zusammenhang mit Drogen zuständig. Der NDLEA, in deren Zuständigkeit Dekret 33 fällt, wird Professionalität konstatiert (ÖBA 11.2011).
Die NPF und die Mobile Police (MOPOL) zeichnen sich hingegen durch geringe Professionalität, mangelnde Disziplin, Willkür und geringen Diensteifer aus (ÖBA 11.2011). Die Polizei ist durch niedrige Besoldung sowie schlechte Ausrüstung, Ausbildung und Unterbringung gekennzeichnet. Die staatlichen Ordnungskräfte sind personell, technisch und finanziell nicht in der Lage, die Gewaltkriminalität zu kontrollieren bzw. einzudämmen. Zudem sind nach allgemeiner Auffassung die Sicherheitskräfte teilweise selbst für die Kriminalität verantwortlich (AA 28.8.2013). Da die Polizei oft nicht in der Lage ist, durch gesellschaftliche Konflikte verursachte Gewalt zu unterbinden, verlässt sich die Regierung in vielen Fällen auf die Unterstützung durch die Armee. Zum Beispiel wurden Armee sowie Joint Task Force- bzw. Special Task Force-Einheiten entsandt:
in den Middle Belt, um der Gewalt im Konflikt zwischen Indigenen und Siedlern zu begegnen; in den Bundesstaat Nassarawa, um den Ausbruch ethno-religiöser Gewalt einzudämmen; in die Bundesstaaten Bauchi, Borno, Kano, Kaduna, Plateau und Yobe, um den Angriffen der Boko Haram zu entgegnen (USDOS 27.2.2014; vgl. AA 28.8.2013). Im Norden wurde mittlerweile die bis August 2013 maßgebliche Joint Task Force Restore Order (JTF-RO) überhaupt durch die 7. Nigerianische Armeedivision abgelöst (USDOS 27.2.2014).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria
ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (11.2011): Asylländerbericht Nigeria
USDOS - U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/270637/399179_de.html , Zugriff 4.3.2014
Vigilante Gruppen, Bürgerwehren, Hisbah
In verschiedenen Regionen des Landes haben sich bewaffnete Organisationen in Form von ethnischen Vigilantegruppen gebildet, z. B. der Odua People's Congress (OPC) im Südwesten oder die Bakassi Boys im Südosten. Bei diesen Gruppen kann man sich gegen Zahlung eines Schutzgeldes "Sicherheit" erkaufen. Die Behörden reagieren unterschiedlich auf die "Vigilantes": Im Bundesstaat Lagos ging die Polizei gegen den OPC vor, im Osten des Landes wurde die Existenz dieser Gruppen dagegen von einigen Gouverneuren begrüßt. Die Polizei arbeitet zum Teil mit ihnen zusammen. Generell scheint die Bedeutung der Vigilantes in Städten etwas abzunehmen, in einigen ländlichen Regionen haben sie aber weiterhin eine dominante Machtposition (AA 28.8.2013).
Im Jahr 2013 wurde von der Regierung und mit Unterstützung der Armee im Nordosten im Zuge des Kampfes gegen Boko Haram die sogenannte Civilian Joint Task Force (C-JTF) ins Leben gerufen. Dabei handelt es sich um eine Art Bürgerwehr, die laut NGOs und Medien für Menschenrechtsvergehen verantwortlich ist (USDOS 27.2.2014).
In fünf Bundesstaaten (Zamfara, Niger, Kaduna, Kano, Bauchi) werden Schariawächter wie die Hisbah unterhalten. Diese überwachen die Umsetzung der Scharia aber nur inkonsistent und sporadisch, führen aber auch Verhaftungen durch. Z.B. verhafteten sie im August 2012 in Kano zwanzig Personen, die sich nicht an das Fastengebot im Ramadan hielten (USDOS 20.5.2013). In Kano wird die Hisbah direkt durch den Bundesstaat betrieben, während sie in anderen Bundesstaaten ähnlich den nichtstaatlichen Bürgerwehren organisiert ist. Die Hisbah wurde vom Obersten Gericht zwar als verfassungswidrig bezeichnet, da polizeiliche Aufgaben ausschließlich in die Zuständigkeit des Bundes fallen, sie hat ihre Tätigkeit jedoch bisher nicht eingestellt, sondern wurde lediglich umorganisiert. An sich sollte von der Hisbah keine unmittelbare Gefahr für die Bevölkerung ausgehen, da sie der regulären Polizei untergeordnet und in der Regel unbewaffnet ist. Allerdings kommt es immer wieder zu Kompetenzüberschreitungen sowie zur nicht zulässigen Anwendung islamischer Gesetze und Verhaltensregeln auf Nichtmuslime. In Kano ist die Hisbah beispielsweise bei Homosexuellen wegen ihrer gewaltsamen Übergriffe gefürchtet (AA 28.8.2013).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria
USDOS - U.S. Department of State (20.5.2013): 2012 International Religious Freedom Report - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/247445/371030_de.html , Zugriff 18.2.2014
USDOS - U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/270637/399179_de.html , Zugriff 4.3.2014
Folter und unmenschliche Behandlung
Sicherheitskräfte sind korrupt und in den vergangenen Jahren für mehrere tausend Todesopfer sowie für massenhafte willkürliche Verhaftungen und andere Menschenrechtsvergehen verantwortlich. Folterung und Misshandlung von Gefangenen sind weit verbreitet (FH 9.5.2013; vgl. USDOS 27.2.2014), extra-legale Tötungen seitens der Sicherheitskräfte an der Tagesordnung. Die Nationale Menschenrechtskommission (NHRC) geht von mindestens 5.000 Tötungen jährlich aus, etwa die Hälfte wird der Polizei angelastet. Die Schätzungen einiger NGOs liegen deutlich höher. Die meisten Fälle werden aus dem Südosten und dem Nordosten berichtet. Insbesondere bei Raubüberfällen werden Verdächtige regelmäßig systematisch durch die Polizei getötet (AA 28.8.2013). Auch im Jahr 2013 kam es seitens der Regierung zu zahlreichen willkürlichen oder ungesetzlichen Tötungen. Dies betrifft die JTF-RO, die 7. Armeedivision, die NPF, den SSS und andere. So kam es etwa am 16.4.2013 in Baga (Bundesstaaten Borno) zu einem Zwischenfall, bei welchem nach Angaben des Stabschefs der Armee 36, nach Angaben des für die betroffene Region zuständigen Senators jedoch 228 Personen (v.a. Zivilisten) getötet worden waren (USDOS 27.2.2014). Hauptbetroffene sind jedoch üblicherweise Personen, die eines Gewaltverbrechens verdächtig sind. Sie werden nach dem Ablegen eines (häufig durch Folter erlangten) Geständnisses oft noch im Polizeigewahrsam "exekutiert". Immer wieder kommt es aber auch vor, dass Sicherheitskräfte an von ihnen errichteten Straßensperren unvermittelt das Feuer eröffnen, etwa wenn sich jemand weigert, ein gefordertes Schmiergeld zu zahlen (AA 28.8.2013).
Dabei handeln die Täter in der Gewissheit weitgehender Straflosigkeit, da es nur in den seltensten Fällen zu unabhängigen Untersuchungen, geschweige denn zu disziplinar- oder gar strafrechtlichen Konsequenzen kommt (AA 28.8.2013). Die Kultur der Straflosigkeit ist an einem Punkt angelangt, an dem fast niemand für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht wird (KAS 12.7.2013). Wenn Polizisten beschuldigt werden, an extra-legalen Tötungen beteiligt zu sein, werden sie durch ihre Vorgesetzten gedeckt und oft bewusst in andere Regionen versetzt, um eine Klärung der Vorwürfe zu verhindern (AA 28.8.2013). Die NHRC und das Komitee gegen Folter hätten das Mandat, Tötungen durch Sicherheitskräfte zu untersuchen und Täter den Gerichten zuzuführen. Sie wurden diesbezüglich aber nicht aktiv. Es gab im Jahr 2013 keinen verifizierten Fall, in welchem ein Mitglied der JTF-RO für ein Menschenrechtsvergehen zur Verantwortung gezogen worden wäre (USDOS 27.2.2014).
Polizei und Militär gehen bei der Bekämpfung der islamistischen Gruppe Boko Haram häufig mit unverhältnismäßiger Härte vor (AA 28.8.2013). Die Sicherheitskräfte sind in diesem Zusammenhang in zahlreiche Menschenrechtsvergehen involviert. Angebliche Unterstützer oder Mitglieder der Boko Haram werden willkürlich verhaftet, es kommt zu Folter und extralegalen Tötungen. Sicherheitskräfte zerstören auch Gebäude in Gemeinden, wo vermutet wird, dass Boko Haram Unterschlupf findet (HRW 21.1.2014; vgl. AI 23.5.2013; vgl. USDOS 27.2.2014). Allein in der Stadt Baga (Bundesstaat Borno) zerstörten die Sicherheitskräfte mehr als 2.000 Häuser (HRW 21.1.2014).
Der National Security Adviser hat gegenüber der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte zugesichert, dass humanitäre Kräfte und Menschenrechtsbeobachter Zugang zu den betroffenen Gebieten erhalten werden - auch die NHRC. Dies wird als wichtige Zusage erachtet, um Gewaltexzesse und Straffreiheit zu bekämpfen (OHCHR 14.3.2014).
Allen Hinweisen zufolge gehört auch die Folter zum weit verbreiteten Handlungsrepertoire staatlicher Sicherheitsorgane, unter denen insbesondere die ärmere Bevölkerungsschicht zu leiden hat (AA 28.8.2013). Auch wenn die Verfassung Folter und unmenschliche Behandlung verbietet, wird Folter nicht kriminalisiert (USDOS 27.2.2014). Folter und andere grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung von Straftatverdächtigen und Gefangenen durch Sicherheitskräfte sind weit verbreitet (AI 23.5.2013). Sicherheitsbeamte foltern, schlagen und misshandeln regelmäßig Demonstranten, Verdächtige, Militante und Personen in Haft. Die Polizei versuchte mittels Misshandlungen auch Geld zu erpressen. Oft wurde Folter angewendet, um Geständnisse zu erpressen (USDOS 27.2.2014). Zu den häufigsten Foltermethoden zählten dabei Auspeitschung, Stock- und Machetenschläge, Schüsse in den Fuß, Scheinhinrichtungen, Aufhängen in verschiedenen Positionen sowie Vorenthalten von Nahrung, Wasser und Medikamenten (AA 28.8.2013).
Die Gründe für dieses Verhalten liegen zum einen in der nur schwach ausgeprägten Menschenrechtskultur der Sicherheitskräfte, zum anderen in der mangelhaften Ausrüstung, Ausbildung und Ausstattung insbesondere der Polizei, was sie in vielen Fällen zu dem illegalen Mittel der gewaltsamen Erpressung von Geständnissen als einzigem erfolgversprechenden Weg der "Beweisführung" greifen lässt. Die große Zahl glaubhafter und übereinstimmender Berichte über die Anwendung von Folter in Gefängnissen und Polizeistationen im ganzen Land, die von forensischen Befunden gestützt und von der Polizei teilweise zugegeben wurden, bestätigen den Eindruck, die Anwendung von Folter sei ein integraler Bestandteil der Arbeit der Sicherheitsorgane (AA 28.8.2013).
Verfassung und Gesetze verbieten willkürliche Verhaftungen, doch halten sich Polizei und Sicherheitskräfte nicht daran (USDOS 27.2.2014; vgl. AA 28.8.2013). Nigerianische Menschenrechtsgruppen werfen insbesondere der Polizei regelmäßig das Verschwindenlassen von Untersuchungshäftlingen und anderen sich in Polizeigewahrsam befindenden Personen vor. Human Rights Watch und Amnesty International erheben diesen Vorwurf auch gegen die im Norden Nigerias agierenden Sicherheitskräfte der Joint Task Force (AA 28.8.2013). Bei der Anwendung exzessiver Gewalt durch Joint Task Force, Polizei und andere Sicherheitskräfte (v.a. im Norden und im Rahmen des Vorgehens gegen militante Gruppen) kommt es zu Verletzungen, Gruppenvergewaltigungen, Vertreibungen, ungesetzlichen Inhaftierungen und anderen Menschenrechtsvergehen. NPF und Militär bleiben bei Verhaftungen, illegalen Inhaftierungen und Exekutionen von Verdächtigen weitgehend straffrei (USDOS 27.2.2014; vgl. FH 9.5.2013). Folglich ist das Vertrauen der Bevölkerung in den Sicherheitsapparat unterentwickelt (ÖBA 11.2011).
Die Regierung ist sich der Problematik grundsätzlich bewusst, spielt das Ausmaß des Problems aber herunter. Nur im Bundesstaat Lagos, wo nun jeder Todesfall in Polizeigewahrsam automatisch zu einer Obduktion führt, hat sich die Situation deutlich gebessert. Ein ähnliches Gesetz ist im Bundesstaat Cross River in Vorbereitung. Auch die Polizeiführung versucht in begrenztem Maße gegenzusteuern und veranstaltet zusammen mit NGOs Menschenrechtskurse und Fortbildungsmaßnahmen. Im Jänner 2013 wurde im Beisein des nigerianischen Präsidenten ein sogenannter Code of Conduct verabschiedet, der u.a. auf professionellere Standards und Verhaltensweisen der Polizei hinwirken soll (AA 28.8.2013). Im Dezember 2013 hat die NHRC ein eigenes Komitee eingerichtet, um Fällen von willkürlicher und ad-hoc-Verhaftungen nachzugehen (USDOS 27.2.2014).
Insgesamt mangelt es der Regierung an effektiven Mechanismen, um Amtsmissbrauch und Korruption zu untersuchen und zu bestrafen. In manchen Fällen bringen Bürger oder die Regierung Anzeigen gegen Täter ein. Die meisten Fälle bleiben aber bei Gericht liegen oder verschwinden nach anfänglichen Untersuchungen. Die Armee hat um internationale Unterstützung angefragt, um Ausbildungsprogramme zum Schutz von Zivilisten und der Menschenrechte entwickeln zu können (USDOS 27.2.2014).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria
AI - Amnesty International (23.5.2013): Amnesty International Report 2013 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/248019/374199_de.html , Zugriff 18.2.2014
FH - Freedom House (9.5.2013): Freedom in the World 2013 - Nigeria, http://www.refworld.org/docid/5194a2f418.html , Zugriff 19.2.2014
HRW - Human Rights Watch (21.1.2014): World Report 2014 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/267713/395047_de.html , Zugriff 18.2.2014
KAS - Konrad Adenauer Stiftung (12.7.2013): Unsicherheit in Nigeria, http://www.kas.de/wf/doc/kas_34967-544-1-30.pdf?130716165200 , Zugriff 18.2.2014
ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (11.2011): Asylländerbericht Nigeria
OHCHR - UN Office of the High Commissioner for Human Rights (14.3.2014): Remarks By The High Commissioner For Human Rights At A Press Conference During Her Mission To Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/271987/400697_de.html , Zugriff 25.3.2014
USDOS - U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/270637/399179_de.html , Zugriff 4.3.2014
Korruption
Das Gesetz sieht für Korruption Strafen vor (AA 28.8.2013). Trotzdem bleibt Korruption weit verbreitet (FH 9.5.2013) und damit ein wichtiges Entwicklungshindernis Nigerias. In der Bekämpfung der Korruption sind seit 1999 nur wenige Erfolge zu verzeichnen (GIZ 10.2013a). Korruption ist allgegenwärtig (AA 28.8.2013). Auf dem Korruptionsindex von Transparency International belegt Nigeria Rang 144 von 175 untersuchten Staaten (TI 2013).
Die Regierung setzt die Gesetze gegen Korruption nicht effektiv um, und Beamte gehen oft straffrei aus. Die massive, weitverbreitete und tiefgreifende Korruption betrifft alle Ebenen in den Behörden und bei den Sicherheitskräften; Korruption herrscht auch in der Justiz. Es gibt die weitverbreitete Auffassung, dass Richter leicht zu bestechen sind und Prozessparteien sich daher nicht auf Gerichte verlassen sollten, um ein unparteiisches Urteil zu erhalten. Die Bürger mussten sich auf lange Verzögerungen einstellen und berichteten davon, dass Justizangestellte für eine Beschleunigung der Fälle oder genehme Urteile Schmiergeld forderten (USDOS 27.2.2014).
Die Regierung Nigerias hat den notwendigen Kampf gegen Korruption zu einem Teil ihrer Wirtschaftspolitik erklärt. Eine weitere wichtige Maßnahme war die Einrichtung der Economic and Financial Crimes Commission (EFCC) zur Bekämpfung von Wirtschaftsverbrechen und Korruption. Als Ergebnis der Bemühungen der EFCC wurde Nigeria 2006 aus der von der Financial Action Task Force der G8 geführten Liste der bei der Bekämpfung von Geldwäsche nicht-kooperierenden Staaten gestrichen (AA 6.2013a).
Teilerfolge bei der Korruptionsbekämpfung sind insgesamt sichtbar. Allerdings ist die Verfolgung von aktiven bzw. ehemaligen Amtsträgern trotz zahlreicher Anklagen schwierig, Gerichtsurteile gegen hochrangige Politiker sind seltene Ausnahmen (AA 28.8.2013). Die Bemühungen der EFCC und der Independent Corrupt Practices and Other Related Offenses Commission (ICPC) sind größtenteils ineffektiv (USDOS 27.2.2014). Seit 2002 hat die EFCC dreißig Prominente wegen Korruption angeklagt. Es kam aber insgesamt nur zu vier Verurteilungen mit keinen oder nur geringen Haftstrafen (FH 9.5.2013). Die EFCC hat beim Kampf gegen Korruption nur geringe Fortschritte erzielt. Der verurteilte ehemalige Gouverneur des Bundesstaates Bayelsa wurde vom Präsidenten amnestiert - ein tragischer Rückschritt. Auch der ICPC ist es im Jahr 2013 nicht gelungen, relevante Anklagen zu erheben oder Verurteilungen zu erreichen (HRW 21.1.2014). Die ICPC hält ein breites Mandat bezüglich der Verfolgung aller Formen von Korruption, während erstere auf Finanzdelikte beschränkt ist. Trotz ihres breiten Mandats hat die ICPC seit ihrer Gründung im Jahr 2000 erst 68 Verurteilungen erreicht. Immerhin führt der Vorsitzende der EFCC, Ibrahim Lamorde, Untersuchungen gegen zwölf prominente öffentlich Bedienstete. Allerdings halten die Beschuldigungen an, dass die EFCC nur solche Personen ins Visier nimmt, die bei der Regierung in Missgunst gefallen sind (USDOS 27.2.2014).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria
AA - Auswärtiges Amt (6.2013a): Nigeria - Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_3F520728A4894ACD7F861F33D62DF9E8/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Wirtschaft_node.html , Zugriff 18.2.2014
FH - Freedom House (9.5.2013): Freedom in the World 2013 - Nigeria, http://www.refworld.org/docid/5194a2f418.html , Zugriff 19.2.2014
GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (10.2013a): Nigeria - Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/nigeria/geschichte-staat.html , Zugriff 19.2.2014
HRW - Human Rights Watch (21.1.2014): World Report 2014 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/267713/395047_de.html , Zugriff 18.2.2014
TI - Transparency International (2013): Corruption Perceptions Index 2013, http://cpi.transparency.org/cpi2013/results/ , Zugriff 27.3.2014
USDOS - U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/270637/399179_de.html , Zugriff 4.3.2014
Nichtregierungsorganisationen (NGOs)
Neben der Nationalen Menschenrechtskommission (NHRC) gibt es eine Vielzahl von Menschenrechtsorganisationen, die sich grundsätzlich frei betätigen können (AA 28.8.2013; vgl. USDOS 27.2.2014). Sie beobachten die Menschenrechtslage, untersuchen Vorfälle und veröffentlichen ihre Erkenntnisse. Regierungsvertreter reagieren vereinzelt auf Vorwürfe (USDOS 27.2.2014). Sie sind nach Art, Größe und Zielrichtung sehr unterschiedlich und reichen von landesweit verbreiteten Organisationen wie der CLO (Civil Liberties Organization), CD (Campaign for Democracy) und LEDAP (Legal Defense Aid Project), die sich in erster Linie in der Aufklärungsarbeit betätigen, über Organisationen, die sich vorrangig für die Rechte bestimmter ethnischer Gruppen einsetzen, und Frauenrechtsgruppen bis hin zu Gruppen, die vor allem konkrete Entwicklungsanliegen bestimmter Gemeinden vertreten. Auch kirchliche und andere religiös motivierte Gruppierungen sind in der Menschenrechtsarbeit aktiv (AA 28.8.2013).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria
USDOS - U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/270637/399179_de.html , Zugriff 4.3.2014
Allgemeine Menschenrechtslage
Die Menschenrechtssituation hat sich seit 1999 erheblich verbessert. Die Regierung bekennt sich ausdrücklich zum Schutz der Menschenrechte, die auch in der Verfassung als einklagbar verankert sind (AA 10.2013). Die am 29.5.1999 in Kraft getretene Verfassung Nigerias enthält einen umfassenden Grundrechtskatalog. Dieser ist zum Teil jedoch weitreichenden Einschränkungen unterworfen. Das in Art. 33 der Verfassung gewährte Recht auf körperliche Unversehrtheit wird z.B. unter den Vorbehalt gestellt, dass die betroffene Person nicht bei der Anwendung legal ausgeübter staatlicher Gewalt zur "Unterdrückung von Aufruhr oder Meuterei" ihr Leben verloren hat (AA 28.8.2013).
Schwierig bleiben die allgemeinen Lebensbedingungen, die durch Armut, Analphabetentum, Gewaltkriminalität, ethnische Spannungen, ein ineffektives Justizwesen und die Scharia-Rechtspraxis im Norden des Landes beeinflusst sind. Der Schutz von Leib und Leben der Bürger vor Willkürhandlungen durch Vertreter der Staatsmacht ist nicht verlässlich gesichert. Insbesondere im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Boko Haram werden den Sicherheitsbehörden zahlreiche extra-legale Tötungen vorgeworfen. Auch das hohe Maß an Korruption wirkt sich negativ auf die Wahrung der Menschenrechte aus (AA 10.2013).
Nigeria hat folgende internationale Menschenrechtsübereinkommen ratifiziert: Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte; Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte; Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung; Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (einschließlich Fakultativprotokoll); Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe;
Fakultativprotokoll zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe;
Übereinkommen über die Rechte des Kindes (einschl.
Fakultativprotokolle zu Kindern in bewaffneten Konflikten und zu Kinderhandel, -prostitution und -pornografie); ILO-Übereinkommen über die schlimmsten Formen von Kinderarbeit; (Afrikanische) Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker; Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention); Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs; Konvention vom 9. Dezember 1948 über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes; Internationales Übereinkommen zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen; Internationales Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen (AA 28.8.2013).
Diese völkerrechtlichen Verpflichtungen wurden zum Teil nur lückenhaft in nationales Recht umgesetzt. Einige Bundesstaaten haben Vorbehalte gegen einige internationale Vereinbarungen geltend gemacht und verhindern regional eine Umsetzung. Selbst in Staaten, die grundsätzlich eine Umsetzung befürworten, ist häufig die Durchsetzung der garantierten Rechte nicht gewährleistet (AA 28.8.2013). In vielen Bereichen bleibt die Umsetzung der eingegangenen menschenrechtlichen Verpflichtungen deutlich hinter internationalen Standards zurück (AA 28.8.2013).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria
AA - Auswärtiges Amt (10.2013): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html , Zugriff 18.2.2014
Meinungs- und Pressefreiheit
Meinungs- und Pressefreiheit sind durch die Verfassung von 1999 garantiert und finden sich auch in der Verfassungswirklichkeit grundsätzlich wieder (AA 28.8.2013; vgl. FH 9.5.2013). Zivile Medien können die Regierung und ihre Politik offen kritisieren (HRW 21.1.2014).
Die nigerianischen Medien sind die vielfältigsten in Afrika (AA 6.2013b; vgl. FH 5.9.2013). Die Medienlandschaft Nigerias ist durch eine Fülle privater Tageszeitungen und Wochenmagazine, Radiostationen und auch Fernsehsender geprägt, die insgesamt breit und relativ frei zu politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Themen berichten (AA 28.8.2013; vgl. USDOS 27.2.2014; vgl. FH 9.5.2013). Sie tragen wesentlich dazu bei, dass alle politischen Fragen des Landes offen und kritisch diskutiert werden können. Das Radio ist das wichtigste Medium in Nigeria. Qualität und Wirkungskreis von Presse und Medien werden allerdings durch schwierige Rahmenbedingungen beeinträchtigt (AA 6.2013b; vgl. FH 5.9.2013).
Es kam auch zu Fällen der Einschränkung von Meinungs- und Pressefreiheit durch die Regierung (USDOS 27.2.2014). Staatliche und private Akteure versuchen immer wieder, politische Kritik zu unterbinden oder Journalisten einzuschüchtern. Es kann zu Verhaftungen kommen (HRW 21.1.2014) - etwa in Zusammenhang mit der Berichterstattung zu sensiblen Themen wie Korruption und Sicherheit (USDOS 27.2.2014; vgl. FH 9.5.2013). Es kommt immer wieder zur Verurteilung von Journalisten wegen "Diffamierung". Bundesgerichte versuchen, den Rechtsschutz für Journalisten auszubauen (FH 5.9.2013). Im Mai 2011 ist das bereits im April 2007 verabschiedete Gesetz zur Informationsfreiheit (Freedom of Information Act) nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens in Kraft getreten. Es garantiert jeder Person das Recht, auf Antrag Zugang zu amtlichen Informationen durch die Behörden zu erhalten. Praktische Erfahrungen mit der Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben liegen bislang nicht vor (AA 28.8.2013).
Journalisten werden auch durch Boko Haram bedroht, die Medienvertreter und Journalisten einschüchtert. Es kam auch zu Attentaten (FH 5.9.2013; vgl. USDOS 27.2.2014).
Journalisten praktizieren Selbstzensur (USDOS 27.2.2014). Auch Bestechung und Korruption bleiben in der Medienindustrie ein Problem. Eine Studie aus dem Jahr 2009 in Lagos hatte ergeben, dass 61 Prozent der 184 befragten Journalisten regelmäßig im Dienst "braune Umschläge" erhalten haben. Allerdings gaben 74 Prozent der Befragten an, dass derartige Geschenke nicht zu voreingenommener Berichterstattung führen würden. Dies könnte darin wurzeln, dass diese Form der Korruption derart verbreitet ist (FH 5.9.2013). Journalisten müssen grundsätzlich "motiviert" werden, um zu berichten. Reporter von Lokalzeitungen wie dem "Pointer" verlangen in der Regel Bargeld für Artikel (zwischen 50 und 100 Euro) (ÖBA 25.4.2013).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria
AA - Auswärtiges Amt (6.2013b): Nigeria - Kultur und Bildung, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Kultur-UndBildungspolitik_node.html , Zugriff 19.2.2014
FH - Freedom House (5.9.2013): Freedom of the Press 2013 - Nigeria, http://www.refworld.org/docid/5229988322.html , Zugriff 19.2.2014
FH - Freedom House (9.5.2013): Freedom in the World 2013 - Nigeria, http://www.refworld.org/docid/5194a2f418.html , Zugriff 19.2.2014
HRW - Human Rights Watch (21.1.2014): World Report 2014 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/267713/395047_de.html , Zugriff 18.2.2014
ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (25.4.2013): Ergänzungsbericht per E-Mail
USDOS - U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/270637/399179_de.html , Zugriff 4.3.2014
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit / Opposition
Verfassung und Gesetze gewährleisten Vereinigungsfreiheit und die Regierung respektiert dieses Recht auch weitgehend in der Praxis. Dies hat zur Herausbildung einer lebendigen Zivilgesellschaft mit zahllosen NGOs geführt (AA 28.8.2013; vgl. USDOS 27.2.2014).
Auch die Versammlungsfreiheit wird durch die Verfassung garantiert. Allerdings wird die Versammlungsfreiheit tatsächlich oft nur eingeschränkt gewährleistet (AA 28.8.2013; vgl. USDOS 27.2.2014), da die Sicherheitsorgane häufig gegen politisch unliebsame Versammlungen einschreiten (AA 28.8.2013; vgl. FH 9.5.2013). Die Regierung verbietet z.B. Versammlungen, welche ihrer Ansicht nach zu Unruhen führen könnten. In Gebieten mit Gewaltausbrüchen entscheiden Polizei und Sicherheitskräfte die Genehmigung von öffentlichen Versammlungen und Demonstrationen von Fall zu Fall. Bei der Auflösung von Demonstrationen wenden Sicherheitskräfte übermäßige Gewalt an, welche auch zu Todesopfern und Verletzten führt (USDOS 27.2.2014).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria
FH - Freedom House (9.5.2013): Freedom in the World 2013 - Nigeria, http://www.refworld.org/docid/5194a2f418.html , Zugriff 19.2.2014
USDOS - U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/270637/399179_de.html , Zugriff 4.3.2014
Opposition inkl. MASSOB
Die politische Opposition kann sich grundsätzlich frei betätigen (AA 28.8.2013). Die Verfassung und die Gesetze erlauben die freie Bildung politischer Parteien. Die Präsidentschafts-, Gouverneurs- und Parlamentswahlen im Jahr 2011 waren insgesamt glaubwürdig. 37 Parteien nahmen an den Parlamentswahlen teil. Bei den Gouverneurswahlen wurde nur ein Drittel der Amtsinhaber wiedergewählt. Oppositionsparteien konnten viele Mandate erringen (USDOS 27.2.2014).
Gelegentlich sind jedoch Eingriffe seitens der Staatsgewalt zu verzeichnen. Dies betrifft vor allem Gruppen mit sezessionistischen Zielen (AA 28.8.2013). Manchmal verhaftet die Polizei willkürlich Oppositionsführer oder Dissidenten innerhalb der staatstragenden Partei PDP (USDOS 27.2.2014). Dem Auswärtigen Amt liegen keine Erkenntnisse über die Verfolgung von Exilpolitikern durch die nigerianische Regierung vor (AA 28.8.2013).
Gegen die Movement for the Actualisation of the Sovereign State of Biafra (MASSOB), deren Mitglieder der Ethnie der Igbo angehören und die größere Selbständigkeit für den Südosten des Landes reklamiert, gehen die Sicherheitsorgane teilweise massiv vor. MASSOB propagiert keinen bewaffneten Kampf; Zeitungen berichteten allerdings von Waffenfunden bei Razzien der Sicherheitskräfte. Teilnehmer an MASSOB-Veranstaltungen wurden wegen des Verdachts auf landesverräterische Aktivitäten vor ordentlichen Gerichten angeklagt. Laut Medienberichten wurden viele Angeklagte vorzeitig gegen Kaution bzw. Ehrenerklärung freigelassen, in anderen Fällen endeten Verfahren mit Freispruch (AA 28.8.2013). Am 6.8.2013 wurden sechs Mitglieder der MASSOB verhaftet. Ihnen wurden illegale Aktivitäten vorgeworfen, da sie im Besitz von 114 Biafra-Flaggen und 129 Biafra-Pfund waren. Von den im Mai 2012 im Bundesstaaten Delta zu Haftstrafen verurteilten MASSOB-Mitgliedern befanden sich Ende 2013 noch einige in Haft (USDOS 27.2.2014).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria
USDOS - U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/270637/399179_de.html , Zugriff 4.3.2014
Haftbedingungen
Die Bedingungen in den Haftanstalten bleiben hart und lebensbedrohlich. Die Gefangenen, von denen viele noch gar nicht verurteilt wurden (70 Prozent sind Untersuchungshäftlinge), sind extralegalen Tötungen, Folter, Überbelegung, Nahrungs- und Wasserengpässen, inadäquater medizinischer Versorgung, harten klimatischen Bedingungen, und absolut inadäquaten sanitären Bedingungen ausgesetzt (USDOS 27.2.2014). Die Versorgung der Gefangenen mit Nahrungsmitteln und Medikamenten muss oft über Angehörige und karitative Einrichtungen sichergestellt werden; immer wieder wird berichtet, dass es aufgrund dieser Verhältnisse zu Todesfällen kommt (AA 28.8.2013). Das schlecht bezahlte Gefängnis- und Wachpersonal nutzt seine Stellung aus, um von den Gefangenen Geld zu erpressen (AA 28.8.2013; vgl. USDOS 27.2.2014). Zumindest in einigen Gefängnissen sind Männer, Frauen und Minderjährige zusammen inhaftiert (AA 28.8.2013; vgl. USDOS 27.2.2014). Weibliche Gefangene sind der Gefahr einer Vergewaltigung ausgesetzt (USDOS 27.2.2014).
Gemäß den Angaben von Menschenrechtsorganisationen gibt es auch inoffizielle Gefängnisse des Militärs, etwa in Maiduguri (Borno) und Damaturu (Yobe). Aus diesen Anstalten kommen Meldungen über extralegale Tötungen, Folter, Schläge und unmenschliche Behandlung von Gefangenen. Laut Amnesty International sind in den ersten sechs Monaten des Jahres 2013 950 Personen in Militärgewahrsam ums Leben gekommen (USDOS 27.2.2014).
Zwar erhalten Beobachter ausländischer Menschenrechtsorganisationen seit Veröffentlichung eines Berichts von Amnesty International über die Haftbedingungen 2008 keinerlei Zugang mehr zu Gefängnissen, jedoch wurden der Deutschen Botschaft in Abuja und Vertretern einer lokalen und später einer deutschen NRO Besuche in mehreren Gefängnissen ermöglicht (AA 28.8.2013). Monitoring-Besuche durch die National Human Rights Commission (NHRC) finden statt. Die NHRC stellte Listen über Menschenrechtsthemen zusammen, der Jahresbericht 2013 lässt noch auf sich warten. Prinzipiell verfolgt die NHRC auch glaubwürdige Vorbringen hinsichtlich inhumaner Bedingungen. Auch das Justizministerium überprüft die Gefängnisse. Die Regierung gestattete externes Monitoring von Haftanstalten, allerdings gelang es dem nigerianischen Roten Kreuz nicht, regelmäßige Besuche durchzuführen. Die inoffiziellen Haftanstalten können nicht beobachtet werden (USDOS 27.2.2014).
Die Regierung unternahm im Jahr 2013 kaum Verbesserungen bei den Haftanstalten, lokale Staatsanwälte bemühten sich aber teilweise um Verbesserungen. Allerdings versuchten einzelne Gefängnisverwaltungen Geld von NGOs und religiösen Organisationen zu sammeln (USDOS 27.2.2014).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria
USDOS - U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/270637/399179_de.html , Zugriff 4.3.2014
Todesstrafe
Die Todesstrafe kann durch ordentliche Gerichte und erstinstanzliche Scharia-Gerichte für bestimmte Tatbestände (Mord, Hochverrat, Verrat, Quälerei mit Todesfolge, schwerer Raub) verhängt werden. Besorgniserregend ist der gegenwärtig zu beobachtende Trend in einigen südlichen Bundesstaaten, den Anwendungsbereich der Todesstrafe auf weitere Straftatbestände (v. a. Entführung) auszuweiten. Die 2012 angenommene Änderung zum sog. Terrorism (Prevention) Act 2011 sieht die Todesstrafe als Strafmaß für terroristische Verbrechen vor (AA 28.8.2013).
Nigeria hält also weiterhin an der Todesstrafe fest. Allerdings besteht ein faktisches Vollstreckungsmoratorium, das zuletzt im Februar 2009 durch den Außenminister gegenüber dem UN-Menschenrechtsrat bestätigt worden ist, jedoch 2010 und 2013 durchbrochen wurde. Die Gouverneure der Bundesstaaten, die rechtlich für die Vollstreckung bzw. Umwandlung von Todesurteilen zuständig sind, erklärten im April 2010 ihre Absicht, Hinrichtungen wieder aufzunehmen. Die Bundesregierung wies die Gouverneure auf das international verkündete Moratorium hin. Der Gouverneur des Bundesstaats Edo hob im November 2012 eine Verurteilung zum Tod auf, unterschrieb aber zwei Exekutionserlasse. Im März 2013 bestätigte die Bundesregierung gegenüber der EU das Moratorium erneut (AA 28.8.2013). Am 24.6.2013 wurden dennoch in Edo vier Exekutionen durchgeführt, eine fünfte wurde vorerst aufgeschoben. Aktuelle Schätzungen von Menschenrechtsorganisation gehen davon aus, dass zwischen 870 und 1000 zum Tode Verurteilte in Todeszellen einsitzen. Offizielle Statistiken dazu liegen nicht vor (AA 28.8.2013; vgl. BBC 25.6.2013).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria
BBC (25.6.2013): Nigeria executes prisoners for first time since 2006, http://www.bbc.co.uk/news/world-africa-23041746 , Zugriff 25.6.2013
Religionsfreiheit
Verfassung, Gesetze und Richtlinien sehen Religionsfreiheit vor. Die Regierung respektierte diese Rechte (USDOS 20.5.2013). Im Vielvölkerstaat Nigeria ist die Religionsfreiheit ein Grundpfeiler des Staatswesens. Die Bundesregierung achtet auf die Gleichbehandlung von Christen und Muslimen, zum Beispiel bei der Finanzierung von Gotteshäusern und Wallfahrten. Sie unterstützt den Nigerian Inter-Religious-Council, der paritätisch besetzt ist und die Regierung in Religionsangelegenheiten berät. Ähnliche Einrichtungen wurden auch in mehreren Bundesstaaten erfolgreich eingeführt (AA 28.8.2013).
Die Umsetzung der verfassungsmäßig gesicherten Religionsfreiheit gestaltet sich schwierig (GIZ 10.2013b). Einzelne Bundesstaatsregierungen, Einzelpersonen und Gruppen außerhalb der Regierung verletzten manchmal das Gebot der Religionsfreiheit (USDOS 20.5.2013). Die Toleranz gegenüber anderen Glaubensgemeinschaften und religiösen Gruppen ist lokal unterschiedlich stark ausgeprägt. Insbesondere im Südwesten leben Christen und Muslime seit Jahrhunderten friedlich zusammen. Mischehen kommen häufig vor. In einigen Bundesstaaten ist die Lage der jeweiligen christlichen bzw. muslimischen Minderheit dagegen problematisch. Beispiel hierfür sind die Auseinandersetzungen zwischen alteingesessenen christlichen Gruppen und seit 1900 zugezogenen muslimischen Gruppen im zentralnigerianischen Jos vom November 2008 und erneut seit Januar 2010, die zu blutigen Konfrontationen mit insgesamt über 1.000 Toten und mehreren hundert Verletzten führten. Hier wie anderswo liegen den lokalen religiösen Auseinandersetzungen jedoch vor allem wirtschaftliche, soziale und ethnische Konflikte zugrunde (AA 28.8.2013). Insgesamt gelingt es der Regierung nicht, kommunale Gewalt effektiv einzudämmen, Vergehen zu untersuchen und Schuldige zu verurteilen. Es herrscht diesbezüglich ein Klima der Straffreiheit (USDOS 20.5.2013).
Es gibt Berichte über gesellschaftliche Vergehen oder Diskriminierung aufgrund der religiösen Orientierung, des Glaubens oder aufgrund der Religionsausübung. Es kann zur Ächtung aber auch zur Bedrohung von Konvertiten - sowohl Christen als auch Muslime - kommen (USDOS 20.5.2013).
Generell können jene Personen, die sich vor Problemen hinsichtlich der Religionsfreiheit oder vor Boko Haram fürchten, entweder staatlichen Schutz oder aber eine innere Relokationsmöglichkeit in Anspruch nehmen (UKHO 12.2013). Eine aktuelle und auf das gesamte Bundesgebiet von Nigeria bezogene Verfolgungsgefahr kann keinesfalls festgestellt werden (BVwG 25.2.2014).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria
BVwG - Bundesverwaltungsgericht (25.2.2014): Erkenntnis 1438671-1, http://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Bvwg/BVWGT_20140225_1438671_1_00/BVWGT_20140225_1438671_1_00.html , Zugriff 26.3.2014
GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (10.2013b): Nigeria - Gesellschaft, http://liportal.giz.de/nigeria/gesellschaft.html , Zugriff 19.4.2014
UKHO - United Kingdom Home Office (12.2013): Operational Guidance Note - Nigeria, http://www.refworld.org/docid/52a5b1ea4.html , Zugriff 19.2.2014
USDOS - U.S. Department of State (20.5.2013): 2012 International Religious Freedom Report - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/247445/371030_de.html , Zugriff 18.2.2014
Religiöse Gruppen
In Nigeria sind rund 50 Prozent der Bevölkerung Muslime, 40-45 Prozent Christen und 5-10 Prozent Anhänger von Naturreligionen (CIA 11.2.2014; vgl. GIZ 10.2013b). Der Norden ist überwiegend muslimisch, der Süden überwiegend christlich bzw. "christlich-animistisch" (AA 28.8.2013). Allerdings gibt es im Norden, wo die moslemischen Hausa-Fulani überwiegen, auch signifikante Anteile christlicher Bevölkerung. Im Middle Belt, in Abuja und in den südwestlichen Yoruba-Bundesstaaten halten sich die Anteile an Muslimen und Christen die Waage (USDOS 20.5.2013).
Die Moslems sind größtenteils sunnitisch bzw. sufitisch. Die Minderheiten an Schiiten und Salafisten wachsen stetig (USDOS 20.5.2013). Zwei Strömungen des Islam sind vertreten: die Bruderschaft der Qadiriyya in Sokoto und der Tijaniyya, der alteingesessenen Hausa in Kano. Beide sind Varianten des sunnitischen Islam. Seit der nigerianischen Unabhängigkeit sind viele islamische Gemeinschaften entstanden, d.h. wie bei den Christen auch, passte sich der Islam den afrikanischen Traditionen u. a. mit der Entstehung neuer islamischer Sekten an (GIZ 10.2013b).
Das Christentum unterteilt sich in Katholiken (13 Prozent), Protestanten (15 Prozent) und synchretistische afrikanische Kirchengemeinschaften (17 Prozent) - einer Vermischung von traditionellen Religionen und Freievangelisten, meistens Mitglieder evangelikaler und pentekostaler Kirchen. Über tausend dieser neuen afrikanischen Kirchengemeinden mit mehreren Millionen Mitgliedern gibt es bereits in Nigeria, Tendenz steigend. Dabei sind die meisten dieser Kirchen stark profitorientiert (GIZ 10.2013b).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria
CIA - Central Intelligence Agency (11.2.2014): The World Factbook - Nigeria,
https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ni.html , Zugriff 19.2.2014
GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (10.2013b): Nigeria - Gesellschaft, http://liportal.giz.de/nigeria/gesellschaft.html , Zugriff 19.4.2014
USDOS - U.S. Department of State (20.5.2013): 2012 International Religious Freedom Report - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/247445/371030_de.html , Zugriff 18.2.2014
Spannungen zwischen Muslimen und Christen
Das Verhältnis zwischen Muslimen und Christen ist äußerst gespannt. Oft genügt ein geringer Anlass, um blutige Unruhen auszulösen. Ein auch nur annähernd in Verbindung gebrachter Vorfall im christlichen Süden gegen Muslime wird sofort Reaktionen im Norden hervorrufen, die immer wieder zum Tod von sogenannten Nichtgläubigen führen (Pogrome). Diese gehören mittlerweile zum politischen Alltagsgeschehen in Nigeria. Seit 1999 sprechen die offiziellen Zahlen von über 10.000 Toten aufgrund von religiösen Unruhen. Die tatsächlichen Zahlen dürften um ein Vielfaches höher liegen (GIZ 10.2013b). In der Kategorie "physische Gewalt" gegen Christen aufgrund der Glaubenszugehörigkeit gehört Nigeria zu den erstgereihten Ländern. Der Islamische Extremismus ist in Nigeria die wesentliche Triebkraft für Verfolgung. Obwohl mit der Verfolgung der Christen in Nordnigeria meistens Boko Haram in Verbindung gebracht wird, ist das Schema der Verfolgung viel komplizierter als lediglich die gewaltsamen Übergriffe und die Ermordung von Christen - und auch gemäßigten Muslimen - durch die militante islamistische Gruppe. Das trifft besonders auf die 12 nördlichen Scharia Staaten zu, in denen die örtlichen Behörden und die Gesellschaft den Christen kaum zugestehen ihren eigenen Lebensstil zu führen (OD 2014).
Auch wenn sich die meisten religiösen Führer beider Seiten für Toleranz und Mäßigung aussprechen (USDOS 20.5.2013), fürchten sich viele Christen vor einer Eskalation der Gewalt im Zuge der Wahlen im Jahr 2015 (OD 2014).
Besonders in den Scharia Staaten birgt die Hinwendung vom Islam zum Christentum große Gefahren und kann schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen. Doch die Verfolgung beschränkt sich nicht nur auf Christen mit muslimischem Hintergrund, sondern betrifft alle Kategorien von Christen in vielen nördlichen Staaten. Christen werden in den Ausbildungseinrichtungen oft als Bürger zweiter Klasse betrachtet und dementsprechend behandelt. Christliche Mädchen stehen ständig in der Gefahr, entführt und zwangsverheiratet zu werden. In Kano zum Beispiel, wurden in einem Haus über 40 christliche Mädchen entdeckt, die nach ihrer Entführung dort festgehalten, islamisiert und für die Zwangsverheiratung mit Muslimen vorbereitet wurden (OD 2014).
Das Ausmaß der Gewalt in Nigeria bleibt extrem hoch. Laut Medienuntersuchungen durch die Forschungsgruppe World Watch, wurden im Berichtszeitraum 612 nigerianische Christen getötet, Hunderte von Fällen physischer Gewalt registriert und fast 300 Kirchen zerstört. Zehntausende nigerianische Christen sahen sich angesichts massiver Drohungen gezwungen ihre Häuser zu verlassen. Sexuelle Übergriffe wurden von Boko Haram als Waffe eingesetzt, um Christen einzuschüchtern (OD 2014). Es gibt glaubhafte Berichte über die Flucht von Christen aus z.B. den Bundesstaaten Yobe und Borno. Die Menschen nennen als Gründe die Unsicherheit und die Gewalt (USDOS 20.5.2013). Jene Personen, die sich vor einer Verfolgung durch Boko Haram fürchten, sollten in der Lage sein, Schutz bei Behörden zu suchen oder eine innerstaatliche Relokationsmöglichkeit außerhalb Nordnigerias in Anspruch zu nehmen (UKHO 12.2013).
In den zwölf nördlichen Bundesstaaten, die in den Jahren 2000/2001 die strengen strafrechtlichen Bestimmungen der Scharia wiedereingeführt haben, was zu einer nicht unerheblichen Zunahme von Spannungen zwischen Christen und Muslimen geführt hatte, kann es zur Anwendung von Scharia-Vorschriften (Verbot des gemischten Schulunterrichts, Verbot des Alkoholgenusses, Geschlechtertrennung in öffentlichen Verkehrsmitteln etc.) auch auf Nicht-Muslime kommen. Der Bundesstaat Kano führte im Mai 2007 die Pflicht zum Tragen islamischer Schulkleidung für alle Schülerinnen und Schüler, also auch für Angehörige der christlichen Minderheit, ein. Grundsätzlich gilt allerdings das Scharia-Recht nur für Muslime (AA 28.8.2013). Personen, die Angst vor der Scharia-Gerichtsbarkeit haben, haben auch das verfassungsmäßige Recht, dass ihre Fälle im formalen Rechtssystem behandelt werden. Personen, die Angst vor Hisbah-Gruppen (lokale Scharia-Gruppen in Nordnigeria) haben, können eine innerstaatliche Fluchtalternative in Gebieten in Anspruch nehmen, wo diese Gruppen nicht tätig sind oder keinen Einfluss haben (UKHO 12.2013).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria
GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (10.2013b): Nigeria - Gesellschaft, http://liportal.giz.de/nigeria/gesellschaft.html , Zugriff 19.4.2014
OD - Open Doors (2014): Weltverfolgungsindex 2014 - Wo Christen am stärksten verfolgt werden,
http://www.opendoors.de/downloads/wvi/wvi_2014_bericht , Zugriff 21.2.2014
UKHO - United Kingdom Home Office (12.2013): Operational Guidance Note - Nigeria, http://www.refworld.org/docid/52a5b1ea4.html , Zugriff 19.2.2014
USDOS - U.S. Department of State (20.5.2013): 2012 International Religious Freedom Report - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/247445/371030_de.html , Zugriff 18.2.2014
Ethnische Minderheiten
Diskriminierungen aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie sind durch die Verfassung verboten (AA 28.8.2013). Um die nationale Einheit zu fördern, besagt das Gesetz, dass bei der Besetzung von Regierungen auf allen Ebenen (Bund, Bundesstaat, LGA) die Diversität berücksichtigt werden soll (USDOS 27.2.2014). Die Zusammensetzung der Regierung spiegelt einen fein austarierten Proporz zwischen den verschiedenen Ethnien wider (AA 28.8.2013). Allerdings gestaltet sich die Berücksichtigung aller Gruppen als schwierig (USDOS 27.2.2014).
Außerdem unterscheidet die Verfassung bei der Bevölkerung in den Bundesstaaten zwischen "Einheimischen" ("indigenous") und "Zuwanderern" ("settlers"). Diese Unterscheidung sollte ursprünglich die einheimische Bevölkerung schützen, hat aber angesichts der wachsenden Mobilität auch in der nigerianischen Bevölkerung immer weniger Sinn (AA 28.8.2013). Zwar hätten nämlich alle Staatsbürger prinzipiell das Recht in jedem Teil des Landes zu leben, doch diskriminieren Bundes- und Bundesstaatsgesetze jene ethnischen Gruppen, die an ihrem Wohnsitz nicht eigentlich indigen sind (USDOS 27.2.2014). In einigen Bundesstaaten ist die Lage von Minderheiten deshalb problematisch, zumal selbst den Nachfahren der Zuwanderer, die häufig gleichzeitig einer anderen Ethnie als die einheimische Bevölkerung angehören, regelmäßig die Teilnahme an Wahlen (aktiv wie passiv) verwehrt wird und sie nur eingeschränkten Zugang zu Ressourcen wie etwa Subventionen und öffentlichen Aufträgen, Arbeits-, Ausbildungs- und Studienplätzen haben (AA 28.8.2013). Manchmal werden Einzelpersonen sogar dazu veranlasst, in die ursprüngliche Heimat ihrer Ethnie zurückzukehren, obwohl sie dorthin keinerlei persönliche Verbindungen mehr haben. Fallweise werden derartige Rückkehrbewegungen durch Drohungen seitens Bundesstaats- und LGA-Regierungen ausgelöst, durch Diskriminierung am Arbeitsmarkt oder durch die Zerstörung von Häusern. Jene, die trotzdem am Wohnort verbleiben, sind manchmal weiterer Diskriminierung ausgesetzt (Verweigerung von Stipendien, Ausschluss einer Anstellung beim öffentlichen Dienst). Dies betrifft beispielsweise die Hausa/Fulani im Bundesstaat Plateau (USDOS 27.2.2014).
Angehörige aller ethnischen Gruppen praktizieren Diskriminierung, vor allem hinsichtlich der Anstellung im privaten Sektor und bezüglich der Trennung in urbanen Gebieten. Zwischen einigen Gruppen existieren historisch verwurzelte Spannungen (USDOS 27.2.2014). Nigeria hat eine lange und traurige Geschichte kommunaler Konflikte und ethnisch-religiöser Gewalt. Seit der Rückkehr der Demokratie im Jahr 1999 gibt es beispielsweise im Plateau State in Nigerias "Middle Belt? regelmäßig Ausbrüche blutiger Auseinandersetzungen zwischen unterschiedlichen Gruppen. Ebenso gibt es Unruhen in den nördlichen Städten Kaduna und Kano und seit mehreren Jahrzehnten wiederkehrende Konflikte im Tafawa Balewa District in Bauchi (KAS 12.7.2013). Das häufige Aufflackern von gewalttätigen Auseinandersetzungen ist also kennzeichnend für das oft schwierige Zusammenleben von Mehrheitsethnie und Minderheiten, insbesondere in Plateau State. Die Konflikte sind vordergründig religiös, tatsächlich aber häufig ethnisch, politisch bzw. wirtschaftlich motiviert (AA 28.8.2013). Vorfälle kommunaler Gewalt zwischen ethnischen Gruppen im Middle Belt führten im Jahr 2013 zu zahlreichen Todesopfern und Verletzten sowie zur Vertreibung tausender Menschen und zur Zerstörung von Eigentum. Ethno-religiöse Gewalt wird oft durch Landstreitigkeiten ausgelöst. So kamen z.B. im Mai 2013 im Bundesstaat Benue mehr als 50 Personen ums Leben. Konflikte über Landnutzungsrechte gibt es auch zwischen den Tiv, Kwalla, Jukun, Fulani und Azara in den Bundesstaaten Nasarawa, Benue und Taraba. Die Regierung reagiert auf Spannungen zwischen Ethnien üblicherweise mit einer Konzentration an Sicherheitskräften. Die National Orientation Agency organisiert Konferenzen, um die Toleranz zu fördern (USDOS 27.2.2014).
Im Niger-Delta ist die Lage der Minderheiten seit Beginn der Ölförderung vor 50 Jahren kritisch. Die dortige Bevölkerung klagt über jahrzehntelange Benachteiligung sowie kaum vorhandene Infrastruktur und Bildungseinrichtungen. Korruption, insbesondere auf Ebene der Bundesstaaten, hat zu einer besorgniserregenden Vernachlässigung der Region geführt (AA 28.8.2013).
Diskriminiert werden auch Albinos, die als Unglück erachtet werden. Sie werden manchmal bei der Geburt weggelegt, andere für Hexerei-Zwecke ermordet (USDOS 27.2.2014; vgl. OHCHR 14.3.2014).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria
KAS - Konrad Adenauer Stiftung (12.7.2013): Unsicherheit in Nigeria, http://www.kas.de/wf/doc/kas_34967-544-1-30.pdf?130716165200 , Zugriff 18.2.2014
OHCHR - UN Office of the High Commissioner for Human Rights (14.3.2014): Remarks By The High Commissioner For Human Rights At A Press Conference During Her Mission To Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/271987/400697_de.html , Zugriff 25.3.2014
USDOS - U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/270637/399179_de.html , Zugriff 4.3.2014
Minderheitengruppen
In Nigeria gibt es je nach Schätzung mehr als 250 (AA 28.8.2013) oder sogar mehr als 500 Ethnien (IOM 8.2013). Keine dieser Gruppen stellt landesweit eine Mehrheit. Die drei größten ethnischen Gruppen, die in der Summe rund zwei Drittel der Gesamtbevölkerung ausmachen, sind die Hausa/Fulani im Norden, die Yoruba im Südwesten und die Igbo im Südosten. Eine vierte große, durch den Konflikt im Niger-Delta ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückte Ethnie, die Ijaw, der auch Präsident Jonathan angehört, lebt überwiegend in den ölreichen Regionen des Deltas (AA 28.8.2013). Zu den weiteren großen Gruppen zählen Tiv, Ibibio, Kanuri, Nupe, Gwari, Igala, Jukun, Idoma, Fulani, Itsekiri, Edo, Urhobo und Ljaw (IOM 8.2013).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria
IOM - International Organization for Migration (8.2013): Nigeria - Country Fact Sheet 2013,
https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe?func=ll&objId=16801531&objAction=Open&nexturl=/milop/livelink.exe?func=ll&objId=16800759&objAction=browse&viewType=1 , Zugriff 18.2.2014
Bewegungsfreiheit
Die Verfassung sowie weitere gesetzliche Bestimmungen gewährleisten Bewegungsfreiheit im gesamten Land sowie Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung. Allerdings schränken Sicherheitsbeamte die Bewegungsfreiheit durch Ausgangssperren ein. Dies betrifft v.a. die Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa. Auch in den Bundesstaaten Bauchi, Kano, Kaduna, Kogi und Plateau wird durch Ausgangssperren die Bewegungsfreiheit immer wieder eingeschränkt. Es gibt auch weiterhin illegale Straßensperren und Kontrollpunkte, bei welchen Polizisten Geld von Reisenden verlangen. Sicherheitsbeamte wenden weiterhin übermäßige Gewalt an Kontrollpunkten und Straßensperren an (USDOS 27.2.2014).
Bürger dürfen sich in jedem Teil des Landes niederlassen (USDOS 27.2.2014). Prinzipiell sollte es einer Person, die von nicht-staatlichen Akteuren verfolgt wird oder die sich vor diesen fürchtet, in einem großen Land wie Nigeria möglich sein, eine interne Relokation in Anspruch zu nehmen. Natürlich müssen die jeweiligen persönlichen Umstände beachtet werden (UKHO 12.2013). Grundsätzlich besteht in vielen Fällen die Möglichkeit, staatlicher Verfolgung oder Repressionen Dritter durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Dies kann allerdings mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn sich Einzelpersonen an einen Ort begeben, in dem keine Mitglieder ihrer Familie bzw. erweiterten Verwandtschaft oder der Dorfgemeinschaft leben: Angesichts der anhaltend schwierigen Wirtschaftslage und der Bedeutung großfamiliärer Bindungen in der nigerianischen Gesellschaft ist es für viele Menschen praktisch unmöglich, an Orten, in denen kein solches soziales Netz besteht, erfolgreich Fuß zu fassen. Für alleinstehende Frauen besteht zudem die Gefahr, bei einem Umzug in die Großstadt von der eigenen Großfamilie keine wirtschaftliche Unterstützung mehr zu erhalten. Mit dem Umzug geht regelmäßig ein weitreichender Verlust der Bürgerrechte einher, da die meisten Bundesstaaten Zuwanderer aus anderen Gebieten von politischer Teilhabe und staatlichen Unterstützungen ausschließen (AA 28.8.2013).
Lokale Regierungen diskriminieren regelmäßig ethnische Gruppen, die in ihrem Gebiet nicht einheimisch sind. Dies nötigt gelegentlich Personen dazu, in jene Regionen zurückzukehren, aus denen ihre ethnische Gruppe abstammt. Bundesstaats- und Lokalregierungen bedrohen und diskriminieren manchmal Angehörige nicht indigener Ethnien, damit diese wegziehen. Es kommt auch zur Zerstörung von Wohngebäuden (USDOS 27.2.2014).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria
UKHO - United Kingdom Home Office (12.2013): Operational Guidance Note - Nigeria, http://www.refworld.org/docid/52a5b1ea4.html , Zugriff 19.2.2014
USDOS - U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/270637/399179_de.html , Zugriff 4.3.2014
Meldewesen
Ein Meldewesen ist nicht vorhanden (AA 28.8.2013; vgl. ÖBA 11.2011). Auch ein nationales funktionierendes polizeiliches Fahndungssystem existiert nicht. Damit ist es in der Praxis äußerst schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, nach verdächtigen Personen national zu fahnden, wenn diese untergetaucht sind (ÖBA 11.2011).
Im "Sheriffs and Civil Process Act" Chapter 407, Laws of the Federation of Nigeria 1990 sind Ladungen vor Gericht geregelt. Der Sheriff oder von ihm bestellte bailiffs müssen die Ladungen in ganz Nigeria persönlich zustellen (ÖBA 11.2011).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria
ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (11.2011): Asylländerbericht Nigeria
Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge
Chaos herrscht hinsichtlich der Zahl an IDPs - vor allem in Nordnigeria. Es gibt keine nationale Erfassung von IDPs und auch keine genauen Zahlen. Im Juni 2013 schätzte die National Commission for Refugees (NCFR) die Zahl auf rund 258.350 Personen (USDOS 27.2.2014). Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte gibt die Zahl an IDPs im Zuge der Auseinandersetzungen in Nordnigeria im März 2014 mit ca. 500.000 an. 57.000 seien zudem in Nachbarländer geflohen (OHCHR 14.3.2014). IRIN wiederum berichtet von mindestens 350.000 Vertriebenen, davon 290.000 IDPs. UNHCR schätzt die Zahl der IDPs alleine schon auf 470.000. Allerdings gibt es keine Berichte über IDP-Lager, viele Flüchtlinge werden von der Lokalbevölkerung absorbiert (IRIN 14.3.2014) Die staatliche Agentur NEMA hingegen stellt nach einer Erhebung fest, dass im Norden 249.446 Menschen vertrieben worden sind. Diese leben entweder bei Gastgemeinden oder aber in Lagern. Den Erhebungen zufolge waren alleine im Zeitraum Jänner bis März 2014 über drei Millionen Menschen von den Auswirkungen der Gewalt im Norden betroffen. Die NEMA hat derweil um Unterstützung bei der Versorgung gebeten. Der Repräsentant des nigerianischen Roten Kreuzes stellt fest, dass es noch nie zuvor dermaßen viele Vertriebene aufgrund eines Konfliktes in Nigeria gegeben hat (ALL 25.3.2014).
Jedenfalls gab es aufgrund der anhaltenden Attacken der Boko Haram und der daraus resultierenden Reaktionen der Regierungskräfte Fluchtbewegungen innerhalb des Nordens und aus dem Norden in den Süden. Aus den Städten Maiduguri, Kano und Damaturu gab es einen Exodus. Die Flüchtlinge suchen meist bei Familie oder anderen Gemeinden Unterschlupf und werden nicht von der Regierung unterstützt. Hinsichtlich der genauen Zahl an Flüchtlingen aufgrund der Gewalt im Norden gibt es keine verlässlichen Schätzungen. Ethnische Streitigkeiten über Land und politische Macht führten zu Gewalt in Benue, Taraba und Nasarawa und damit auch zur Vertreibung von hunderten Personen (USDOS 27.2.2014).
Gemäß UN OCHA versuchen das nigerianische Rote Kreuz, das IKRK, der UN Bevölkerungsfonds und die Regierungsagenturen NEMA und SEMA (State Emergency Management Agency) die IDPs zu unterstützen. Das IKRK, das in Maiduguri, Jos und Kano über Stützpunkte verfügt, hat seit August 2013 an 18.000 aus dem Bundesstaat Borno Vertriebene Materialien für Hilfsunterkünfte, Decken und andere Notwendigkeiten verteilt. Über 1.500 Witwen, die ihre Männer im Konflikt verloren haben, wurden mit Nahrung versorgt (IRIN 14.3.2014).
Für Vertreibungen gibt es in Nigeria zahlreiche Ursachen:
Grenzstreitigkeiten, ethnische und kommunale Gewalt, lokale politische Gewalt, Enteignungen, Konflikte im Nigerdelta und in Plateau, Angriffe der Boko Haram im Norden, den Kampf der Regierung gegen Extremisten, die Verschiebung der nomadischen Weidegebiete im Zuge des Klimawandels, Überschwemmungen in den Zonen Süd-Süd und Südwest; die Reaktionen der Regierung sind ungleich und vom betroffenen Bundesstaat abhängig. Die NCFR hat aber nicht ausreichend Budget, um den Bedürfnissen nachzukommen. Auch die entsprechenden Ressourcen von Bundes- und Bundesstaatseinrichtungen sind unzureichend (USDOS 27.2.2014).
Der UNHCR unterstützte zudem rund 39.000 IDPs in elf Bundesstaaten, die im Jahr 2012 von Überschwemmungen betroffen waren (USDOS 27.2.2014).
Die Regierung kooperierte mit dem UNHCR und anderen humanitären Organisationen, um Flüchtlinge und Asylwerber zu unterstützen (USDOS 27.2.2014; vgl. AA 28.8.2013). Die zuständige Behörde ist die National Commission for Refugees (NCFR), deren Bundeskommissar und die National Emergency Management Agency (NEMA). Das Eligibility Committee, in welchem der UNHCR als Beobachter vertreten ist, ist für die Gewährung des Flüchtlingsstatus', für Asyl und Rückführung zuständig. Laut UNHCR beherbergt Nigeria 1.865 anerkannte Flüchtlinge und 1.662 Asylwerber. Die Personen stammen hauptsächlich aus Kamerun und der DR Kongo. Einigen hunderten weiteren Personen wurde subsidiärer Schutz gewährt (USDOS 27.2.2014).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria
ALL - All Africa/Premium Times (25.3.2014): Boko Haram Crisis Displaces 250,000 Nigerians in Three Months - NEMA, http://allafrica.com/stories/201403260278.html?viewall=1 , Zugriff 26.3.2014
IRIN - Integrated Regional Information Network (14.3.2014):
Humanitarian response gap grows in northern Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/271781/400460_de.html , Zugriff 25.3.2014
OHCHR - UN Office of the High Commissioner for Human Rights (14.3.2014): Remarks By The High Commissioner For Human Rights At A Press Conference During Her Mission To Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/271987/400697_de.html , Zugriff 25.3.2014
USDOS - U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/270637/399179_de.html , Zugriff 4.3.2014
Grundversorgung/Wirtschaft
Das solide Wirtschaftswachstum der letzten Jahre (6 bis 8 Prozent) war neben den positiven Entwicklungen in den Banken-, Telekommunikations- und Agrarsektoren auch auf die hohen Öleinnahmen zurückzuführen. Die Regierung legt einen Teil der Einnahmen aus dem Ölexport auf ein Sonderkonto, dem sogenannten Excess Crude Oil Account, der Zentralbank fest, um damit eine stabilere Fiskalpolitik zu erzielen, einen Inflationsschub zu verhindern und Reserven für schlechtere Zeiten anzulegen. Im Mai 2011 hat die Regierung außerdem einen Staatsfonds geschaffen, der sich ebenfalls aus Öleinnahmen speist und zur Finanzierung wichtiger Infrastrukturmaßnahmen dienen soll (AA 6.2013a). Ab 2004 nutzte Nigeria den Ölgewinn, um seine Schulden zu bezahlen. Im Rahmen der wirtschaftlichen Reformen der Regierung Obasanjo konnte das Land 2005 mit dem Pariser Club, also den internationalen Gläubigern einen Schuldenerlass um 18 Mrd. US-Dollar von insgesamt 30 Mrd. US-Dollar aushandeln. Im Gegenzug zahlte die nigerianische Regierung 12 Mrd. US-Dollar zurück. Damit ist Nigeria das erste afrikanische Land, das gegenüber dem Pariser Club schuldenfrei geworden ist (GIZ 10.2013c).
Nigeria ist nach Südafrika die zweitwichtigste Volkswirtschaft Afrikas. Dies verdankt das Land vor allem seinen reichhaltigen Bodenschätzen wie bspw. Zinn, Eisen-, Blei-, Zinkerz, Kohle und Kalk. Die nigerianische Wirtschaft wird dabei von der Erdöl- und Erdgasförderung dominiert. Über 80 Prozent der gesamten Bundeseinnahmen, 90 Prozent der Exporterlöse (GIZ 10.2013c; vgl. AA 6.2013a) und 15 Prozent des Bruttoinlandprodukts generieren sich aus den Erdölgeschäften (AA 6.2013a).
Neben der Öl- und Gasförderung sind der (informelle) Handel und die Landwirtschaft von Bedeutung, die dem größten Teil der Bevölkerung eine Subsistenzmöglichkeit bietet (AA 28.8.2013). Der Reichtum Nigerias ist das Öl, doch über 60 Prozent der Nigerianer sind in der Landwirtschaft beschäftigt. In ländlichen Gegenden beträgt der Anteil über 90 Prozent (AA 6.2013a). Der Sektor erwirtschaftete 2011 etwa 42,2 Prozent des BIP. Produziert werden Nahrungsmittel für den Eigenbedarf sowie Kakao, Erdnüsse, Kautschuk, Cassava, Yam für den Export (GIZ 10.2013c). Nigeria ist Afrikas größter Yam- und Augenbohnenproduzent und der weltweit größte Produzent von Maniok (Kassava) (AA 6.2013a).
Über 95 Prozent der landwirtschaftlichen Produktion kommt von kleinen Anbauflächen - in der Regel in Subsistenzwirtschaft - mit Größen von einem bis 5 Hektar (AA 6.2013a). Neben Millionen von Kleinbauern gibt es Großfarmen. In den letzten Jahren wuchs dieser Sektor mit 10 Prozent überdurchschnittlich, denn die Förderung der Landwirtschaft mittels finanzieller und technischer Anreize (Produktivitätssteigerung mittels Düngermittel und Ausbau des Transportnetzwerkes) stand im Mittelpunkt von Wirtschaftsreformen der Regierung (GIZ 10.2013c). Die Maisproduktion wurde - durch Einwirken der Regierung - kräftig ausgeweitet. Die unterentwickelte Landwirtschaft ist nicht in der Lage, den inländischen Nahrungsmittelbedarf zu decken. Dabei ist das Potenzial der nigerianischen Landwirtschaft bei Weitem nicht ausgeschöpft (AA 6.2013a).
Der Industriesektor (Stahl, Zement, Düngemittel) macht nur 23,7 Prozent des BIP aus. Neben der Verarbeitung von Erdölprodukten werden Nahrungs- und Genussmittel, Farben, Reinigungsmittel, Textilien, Brennstoffe, Metalle und Baumaterial produziert (GIZ 10.2013c). Haupthindernis für die industrielle Entfaltung ist die unzureichende Infrastrukturversorgung (Energie und Transport) (GIZ 10.2013c; vgl. AA 28.8.2013). Von insgesamt 200.000 Straßenkilometer landesweit sind ca. 50 Prozent instandsetzungsbedürftig. Mit der Eisenbahnnetzmodernisierung Lagos-Kano (ca. 1.300 km) wurde bereits 2006 begonnen (GIZ 10.2013c).
Die Einkommen sind in Nigeria höchst ungleich verteilt (BS 2014). Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut (BS 2014; vgl. AA 28.8.2013) und vom informellen Handel sowie (Subsistenz‑) Landwirtschaft. Die Wirtschaftsreformen der letzten Jahre haben zwar zu einer makroökonomischen Konsolidierung geführt, aber die Lage der breiten Bevölkerung noch nicht verbessert. Die Reduzierung der Benzinsubventionen Anfang 2012 verursacht bei weiten Teilen der Bevölkerung zusätzliche Härten (AA 28.8.2013). Von Arbeitslosigkeit und mangelnden Perspektiven vor allem für die jüngere Generation sind mehr noch als der Süden die nördlichen Regionen Nigerias betroffen (AA 10.2013).
Mindestens 20 Millionen junge Menschen sind arbeitslos. Der Staat und die Bundesstaaten haben nur zögerlich damit begonnen, diesbezüglich Programme umzusetzen. Die Resultate sind dürftig (BS 2014). Der Mangel an lohnabhängiger Beschäftigung führt dazu, dass immer mehr Nigerianer in den Großstädten Überlebenschancen im informellen Wirtschaftssektor als "self-employed" suchen. Die Massenverelendung nimmt seit Jahren bedrohliche Ausmaße an (GIZ 10.2013b).
Verschiedene Studien haben ergeben, dass mehr als 80 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung Nigerias arbeitslos sind und dass 60 Prozent der Arbeitslosen Abgänger der Haupt- oder Mittelschule ohne Berufsausbildung sind (IOM 8.2013). Offizielle Statistiken über Arbeitslosigkeit gibt es aufgrund fehlender sozialer Einrichtungen und Absicherung nicht. Die Großfamilie unterstützt beschäftigungslose Angehörige. Es kann allgemein festgestellt werden, dass in Nigeria eine zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann und keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird, ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern kann, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖBA 11.2011).
Generell wird die Last für Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung vom Netz der Großfamilie und vom informellen Sektor getragen. Nur Angestellte des öffentlichen Dienstes, des höheren Bildungswesens sowie von staatlichen, teilstaatlichen oder großen internationalen Firmen genießen ein gewisses Maß an sozialer Sicherheit. Bis September 2012 waren nur 5,2 Millionen Nigerianer beim Contributory Pension System registriert, lediglich 55.000 Pensionisten erhielten Auszahlungen (BS 2014).
Programme zur Armutsbekämpfung gibt es sowohl auf Länderebene, die State Economic Empowerment Strategy (SEEDS), als auch auf lokaler Ebene, die Community Economic Empowerment and Development Strategy (CEEDS). Zahlreiche NGOs im Land sind in den Bereichen Armutsbekämpfung und Nachhaltige Entwicklung aktiv. Frauenorganisationen, von denen Women In Nigeria (WIN) die bekannteste ist, haben im traditionellen Leben Nigerias immer eine wichtige Rolle gespielt (GIZ 10.2013c). Auch Nigerianer, die in der Diaspora leben, engagieren sich für die Entwicklung in ihrer Heimat. Geldtransfers und Investitionen der im Ausland lebenden Nigerianer tragen wesentlich zur Unterstützung der Wirtschaft bei (AA 28.8.2013; vgl. GIZ 10.2013c).
Heimkehrer können gegen Gebühr eine Wohnung in jeder Region Nigerias mieten. Es gibt keine speziellen Unterkünfte für Heimkehrer. Reintegrationshilfe kann durch Regierungsprogramme wie etwa NDE, NAPEP, UBE, SMEDAN, NACRDB erhalten werden und nichtstaatliche Organisationen wie etwa die Lift above Poverty-Organisation (LAPO) bieten allgemeine Reintegrationshilfe. Kooperative Verbände, Finanzinstitutionen der Regierung (Mikrokredite der NACRDB, NAPEP etc.) und nichtstaatliche Organisationen sowie SME [Small and medium enterprises] -freundliche Handels- und Gemeinschaftsbanken bieten finanzielle und administrative Unterstützung bei der Existenzgründung in Nigeria (IOM 8.2013).
Programm zur freiwilligen Rückkehr nach Nigeria von IOM:
Ansprechpartner: Abteilung für Unterstützte Freiwillige Rückkehr und Reintegration (AVRR): Andrea Götzelmann - Abteilungsleiterin; agoetzelmann@iom.int ; 01-585 3322 22; AVRR Nigeria Evelyn Rainer erainer@iom.int ; 01-585 33 22 12. Einerseits leistet IOM Lagos Einsatz am Flughafen, um Rückkehrer aus Ländern wie Österreich, der Schweiz, Norwegen, und Israel zu empfangen, andererseits fahren sie mit den Projektteilnehmer auf lokale Märkte, um mit ihnen gemeinsam Material für ihre Kleinbetriebe zu besorgen. In Lagos (wohin 50 Prozent der freiwilligen Rückkehrer gehen) sind die Mietpreise sehr hoch. Mietobjekte werden nur vergeben, wenn die Miete ein bis drei Jahre im Vorhinein entrichtet wird. Dieser Umstand war einer der Hauptgründe, dass für das Projekt "AVRR Nigeria V" die Reintegrationsunterstützung pro Teilnehmer auf 4.000 Euro angehoben wurde (IOM 29.11.2013). 90 Prozent der Befragten freiwilligen Rückkehrer gaben an, dass sie seit der Rückkehr ihre sozialen Kontakte zu Freunden und Verwandten wieder aufbauen konnten. Von den 21 befragten Projektteilnehmer/innen gaben 95 Prozent an, dass das IOM Reintegrationsprojekt sehr hilfreich bzw. hilfreich für ihre individuelle Reintegration in Nigeria war (IOM 24.5.2013).
Auch wenn die Lage in Nigeria regional instabil ist, kann im Sinn der maßgeblichen Rechtsprechung keineswegs von einer realen Gefahr der Verletzung von Bestimmungen der EMRK für Rückkehrer nach Nigeria schlechthin - etwa aufgrund eines Bürgerkrieges oder einer Hungersnot - gesprochen werden (BVwG 25.2.2014).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria
AA - Auswärtiges Amt (6.2013a): Nigeria - Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_3F520728A4894ACD7F861F33D62DF9E8/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Wirtschaft_node.html , Zugriff 18.2.2014
AA - Auswärtiges Amt (10.2013): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html , Zugriff 18.2.2014
BS - Bertelsmann Stiftung (2014): BTI 2014 - Nigeria Country Report, http://www.bti-project.de/fileadmin/Inhalte/reports/2014/pdf/BTI 2014 Nigeria.pdf , Zugriff 18.2.2014
BVwG - Bundesverwaltungsgericht (25.2.2014): Erkenntnis 1438671-1, http://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Bvwg/BVWGT_20140225_1438671_1_00/BVWGT_20140225_1438671_1_00.html , Zugriff 26.3.2014
GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (10.2013b): Nigeria - Gesellschaft, http://liportal.giz.de/nigeria/gesellschaft.html , Zugriff 19.4.2014
GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (10.2013c): Nigeria - Wirtschaft und Entwicklung, http://liportal.giz.de/nigeria/wirtschaft-entwicklung.html , Zugriff 19.2.2014
IOM - International Organization for Migration (8.2013): Nigeria - Country Fact Sheet 2013,
https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe?func=ll&objId=16801531&objAction=Open&nexturl=/milop/livelink.exe?func=ll&objId=16800759&objAction=browse&viewType=1 , Zugriff 18.2.2014
IOM - International Organization for Migration (29.11.2013): AVRR Newsletter Herbst 2013, Ausgabe 9
IOM - International Organization for Migration (24.5.2013): AVRR Newsletter Frühling 2013, Ausgabe 7
ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (11.2011): Asylländerbericht Nigeria
Medizinische Versorgung
Das Hauptorgan der Regierung für das Gesundheitswesen ist das Bundesgesundheitsministerium. Das Gesundheitsministerium ist für die Koordination aller Aktivitäten im Bereich Gesundheitswesen im gesamten Land verantwortlich. Medizinische und Gesundheitsdienste sind ebenfalls Aufgabe der Regierung, die Krankenhäuser in den großen Städten unterhält. Die meisten Landeshauptstädte haben öffentliche und private Krankenhäuser sowie Fachkliniken und jede Stadt hat darüber hinaus eine Universitätsklinik, die vom Bundesgesundheitsministerium finanziert wird (IOM 8.2013).
Öffentliche (staatliche Krankenhäuser): Diese umfassen die allgemeinen Krankenhäuser, die
Universitätskliniken und die Fachkliniken. Die Gebühren sind moderat, doch einigen Krankenhäusern fehlt es an Ausrüstung und ausreichendem Komfort. Es treten oftmals Verzögerungen auf und vielfach werden Untersuchungen aufgrund der großen Anzahl an Patienten nicht sofort durchgeführt. Private Krankenhäuser: Hierbei handelt es sich um Standard-Krankenhäuser. Diese Krankenhäuser verfügen nur teilweise über eine ausreichende Ausstattung und müssen Patienten für Labortests und Röntgenuntersuchungen oftmals an größere Krankenhäuser überweisen. Diese Krankenhäuser sind im Allgemeinen teurer (IOM 8.2013).
Die medizinische Versorgung im Lande ist mit Europa nicht zu vergleichen. Sie ist vor allem im ländlichen Bereich vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch problematisch. In einigen der Privatkliniken in den großen Städten ist der Standard besser (AA 27.3.2014). Es besteht keine umfassende Liste der Krankenhäuser und Ausstattungen, aber zahlreiche Krankenhäuser in Nigeria sind gut ausgestattet und in der Lage, zahlungsfähige Patienten medizinisch zu versorgen. Verschiedene Krankenhäuser in Nigeria haben sich auf unterschiedliche Krankheiten spezialisiert und Patienten suchen diese Krankenhäuser entsprechend ihrer Erkrankung auf. Allgemeine Krankenhäuser in Nigeria behandeln Patienten mit verschiedenen Krankheiten, verfügen jedoch üblicherweise über Fachärzte wie etwa Kinderärzte, Augenärzte, Zahnärzte, Gynäkologen zur Behandlung bestimmter Krankheiten. Zu den Fachkliniken zählen orthopädische Kliniken, psychiatrische Kliniken etc. (IOM 8.2013).
Aufgrund der hohen Sterblichkeitsrate von rund 90.000 Neugeborenen jährlich, die während der ersten 28 Tage nach ihrer Geburt sterben, rangiert Nigeria auf Platz 12 von 176 untersuchten Ländern und gilt auch innerhalb des südlichen Afrikas als "einer der gefährlichsten Orte" um geboren zu werden (GIZ 10.2013b).
Insgesamt gibt es in Nigeria acht psychiatrische Krankenhäuser, die von der Regierung geführt und finanziert werden. Sechs weitere psychiatrische Kliniken werden von Bundesstaaten unterhalten. In diesen psychiatrischen Kliniken werden unter anderem klinische Depressionen, suizidale Tendenzen, Posttraumatische Belastungsstörungen, Schizophrenie und Psychosen behandelt (SFH 22.1.2014). Es existiert kein mit deutschen Standards vergleichbares Psychiatriewesen, sondern allenfalls Verwahreinrichtungen auf sehr niedrigem Niveau, in denen Menschen mit psychischen Erkrankungen oft gegen ihren Willen untergebracht werden, aber nicht adäquat behandelt werden können (SFH 22.1.2014; vgl. AA 28.8.2013). Das in Lagos befindliche Federal Neuro Psychiatric Hospital Yaba mit seinem neuen medizinischen Direktor Dr. Rahman Abolore Lawal bietet sich als erste Anlaufstelle für die Behandlung psychisch kranker nigerianischer Staatsangehöriger an, die abgeschoben werden sollen. Nach Rücksprache mit Dr. Lawal belaufen sich die Kosten für den Empfang durch ein medizinisches Team direkt am Flughafen auf ca. 25.000 Naira (ca. 115 Euro). Zudem ist dort auch die stationäre Behandlung psychischer Erkrankungen mit entsprechender Medikation möglich (AA 28.8.2013). Die Kosten einer Hospitalisierung in einer psychiatrischen Einrichtung variieren zwischen den verschiedenen Regionen Nigerias. In Lagos betragen sie im Lagos State University
Teaching Hospital: Zulassungsgebühr (admission deposit): 15.000 Naira, wöchentliche Kosten für Unterbringung 5.000 Naira; Am Lagos
University Teaching Hospital: Zulassungsgebühr 23.000 Naira, wöchentliche Kosten für Unterbringung 20.000 Naira (SFH 22.1.2014).
Es gibt eine allgemeine Kranken- und Rentenversicherung, die allerdings nur für Beschäftigte im formellen Sektor gilt. Die meisten Nigerianerinnen und Nigerianer arbeiten dagegen als Bauern, Landarbeiter oder Tagelöhner im informellen Sektor. Leistungen der Krankenversicherung kommen schätzungsweise nur 10 Prozent der Bevölkerung zugute (AA 28.8.2013). Gemäß einem Bericht von 2013 vom Health Policy Project (HPP) erreicht das nigerianische Krankenversicherungswesen momentan nur gerade fünf Millionen Menschen. Dies entspricht 3 Prozent der gesamten nigerianischen Bevölkerung. Auf der Webseite des NHIS steht, dass die Krankenversicherung bis ins Jahr 2015 30 Prozent der nigerianischen Bevölkerung erreichen soll (SFH 22.1.2014). Hilfsorganisationen, die für notleidende Patienten die Kosten übernehmen, sind nicht bekannt. Aufwändigere Behandlungsmethoden, wie Dialyse oder die Behandlung von HIV/AIDS, sind zwar möglich, können vom Großteil der Bevölkerung aber nicht finanziert werden (AA 28.8.2013). Wer kein Geld hat, bekommt keine medizinische Behandlung (GIZ 10.2013b).
Rückkehrer finden in den Großstädten eine medizinische Grundversorgung vor. In privaten Kliniken können die meisten Krankheiten behandelt werden (AA 28.8.2013). Wenn ein Heimkehrer über eine medizinische Vorgeschichte verfügt, sollte er möglichst eine Überweisung von dem letzten Krankenhaus, in dem er behandelt wurde, vorlegen (IOM 8.2013). Heimkehrer, die vorher nicht in ärztlicher Behandlung waren, müssen lediglich dem Krankenhaus eine Registrierungsgebühr zahlen und in der Lage sein, ihre Behandlungskosten selbst zu tragen (IOM 8.2013; vgl. AA 28.8.2013). Hat eine Person keine Dokumente, führt dieser Umstand nicht zur Verweigerung medizinischer Versorgung oder zum Ausschluss von anderen öffentlichen Diensten (z.B. Bildung) (USDOS 27.2.2014).
Medikamente sind verfügbar, können aber je nach Art teuer sein (IOM 8.2013). Die staatliche Gesundheitsversorgung gewährleistet keine kostenfreie Medikamentenversorgung. Jeder Patient - auch im Krankenhaus - muss Medikamente selbst besorgen bzw. dafür selbst aufkommen (AA 28.8.2013). Medikamente gegen einige weit verbreitete Infektionskrankheiten wie Malaria und HIV/Aids können teils kostenlos in Anspruch genommen werden, werden jedoch nicht landesweit flächendeckend ausgegeben (ÖBA 11.2011).
In der Regel gibt es fast alle geläufigen Medikamente in Nigeria in Apotheken zu kaufen, so auch die Antiphlogistika und Schmerzmittel Ibuprofen und Diclofenac sowie die meisten Antibiotika, Bluthochdruckmedikamente und Medikamente zur Behandlung von neurologischen und psychiatrischen Leiden (AA 28.8.2013).
Es gibt zahlreiche Apotheken in den verschiedenen Landesteilen Nigerias. Die National Agency for Food and Drug Administration and Control (NAFDAC) hat ebenfalls umfangreiche Anstrengungen unternommen, um sicherzustellen, dass diese Apotheken überwacht werden und der nigerianischen Bevölkerung unverfälschte Medikamente verkaufen (IOM 8.2013). Trotzdem bliebt die Qualität der Produkte auf dem freien Markt zweifelhaft, da viele gefälschte Produkte - meist aus asiatischer Produktion - vertrieben werden (bis zu 25% aller verkauften Medikamente), die aufgrund unzureichender Dosisanteile der Wirkstoffe nur eingeschränkt wirken (AA 28.8.2013).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria
AA - Auswärtiges Amt (27.3.2014): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/NigeriaSicherheit.html , Zugriff 27.3.2014
GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (10.2013b): Nigeria - Gesellschaft, http://liportal.giz.de/nigeria/gesellschaft.html , Zugriff 19.4.2014
IOM - International Organization for Migration (8.2013): Nigeria - Country Fact Sheet 2013,
https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe?func=ll&objId=16801531&objAction=Open&nexturl=/milop/livelink.exe?func=ll&objId=16800759&objAction=browse&viewType=1 , Zugriff 18.2.2014,
ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (11.2011): Asylländerbericht Nigeria
SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (22.1.2014): Nigeria:
Psychiatrische Versorgung,
http://www.ecoi.net/file_upload/1002_1391265297_document.pdf , Zugriff 18.2.2014
USDOS - U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/270637/399179_de.html , Zugriff 4.3.2014
Behandlung nach Rückkehr
Abschiebungen erfolgen auf dem Luftweg, in Linien- oder Chartermaschinen. Rückführungen aus EU-Staaten erfolgen vor allem aus Spanien, Italien, Irland (bestehende Rückübernahmeabkommen) sowie Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, den Niederlanden und Schweden, meist durch Charterflüge, die auch durch FRONTEX durchgeführt werden. Ohne gültigen nigerianischen Pass oder einen von einer nigerianischen Botschaft ausgestellten vorläufigen Reiseausweis ist eine Einreise aus Europa kommender nigerianischer Staatsangehöriger nicht möglich. Dies gilt auch für zwangsweise Rückführungen. Die Einwanderungsbehörde führt ein Fahndungsbuch, anhand dessen bei aus dem Ausland zurückkehrenden Nigerianern eine Überprüfung bereits bei Ankunft am Flughafen erfolgt: Bei Notierung im Fahndungsbuch wird der Betreffende noch im Flughafengebäude verhaftet; im anderen Fall wird der betroffenen Person ein vorläufiges Identifikationspapier durch die nigerianische Einwanderungsbehörde ausgestellt, wenn sie lediglich über einen vorläufigen Reiseausweis einer nigerianischen Botschaft verfügt (AA 28.8.2013).
Erkenntnisse darüber, ob abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben, liegen dem Auswärtigen Amt nicht vor. Verhaftung bei Rückkehr aus politischen Gründen oder andere außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von abgeschobenen oder freiwillig ausgereisten Asylbewerbern aus Deutschland sind nicht bekannt. Abgeschobene Personen werden im Allgemeinen nach ihrer Ankunft in Lagos von der Nigerianischen Immigrationsbehörde (Nigerian Immigration Service), manchmal auch der NDLEA (National Drug Law Enforcement Agency) befragt und können danach das Flughafengelände unbehelligt verlassen (AA 28.8.2013). Die österreichische Botschaft in Abuja unterstützt regelmäßig die Vorbereitung und Durchführung von Joint Return Operations im Rahmen von FRONTEX als "lead nation". Die Erfahrungen seit dem Jahre 2005 lassen keine Probleme erkennen. Die Rückgeführten verlassen das Flughafengebäude und steigen meistens in ein Taxi ein oder werden von ihren Familien abgeholt. Probleme, Anhaltungen oder Verhaftungen von rückgeführten Personen bei ihrer Ankunft am Flughafen Lagos wurden im Rahmen des Monitoring der Ankunft und des ungehinderten Verlassens des Flughafengeländes durch Vertreter der Botschaft nicht beobachtet. Es kann jedoch nicht mit gänzlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die abgeschobenen Personen keine weiteren Probleme mit offiziellen Behörden haben. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt allerdings darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist (ÖBA 11.2011).
Im Ausland straf- oder polizeilich auffällig gewordene Personen, insbesondere Prostituierte, werden in ihren Herkunfts-Bundesstaat überstellt. Wegen Drogendelikten im Ausland verurteilte Nigerianer werden nach Rückkehr an die Drogenpolizei (NDLEA) überstellt. Ein zweites Strafverfahren in Nigeria wegen derselben Straftat haben diese Personen jedoch trotz anderslautender Vorschriften im "Decree 33" nicht zu befürchten. Im Mai 2012 erhielt die Deutsche Botschaft in Abuja ein Schreiben des nigerianischen Justizministers mit der Bestätigung der Nichtanwendung des "Decree 33". Vor dem Hintergrund, dass die Sicherheitskräfte Verdächtige misshandeln oder extra-legal töten, statt sie vor Gericht zu stellen, lässt sich allerdings nicht ausschließen, dass Polizei und Militär auch Dekret 33 noch als Legitimationsgrundlage für Repressalien sehen, trotz dessen offizieller Nichtanwendung (AA 28.8.2013).
Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige sind in Lagos grundsätzlich vorhanden. Sie sind jedoch in schlechtem Zustand, so dass z.B. eine ausreichende Versorgung von minderjährigen Rückkehrern dort nicht ohne weiteres gewährleistet wäre (AA 28.8.2013).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria
ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (11.2011): Asylländerbericht Nigeria
Dokumente und Staatsangehörigkeit
Aufgrund des nicht vorhandenen Meldewesens, verbreiteter Korruption in den Passbehörden sowie Falschangaben der Antragsteller ist es ohne weiteres möglich, einen nigerianischen Reisepass zu erhalten, der zwar echt, aber inhaltlich falsch ist. Die Beantragung eines Passes bei den nigerianischen Passbehörden folgt nicht europäischen Standards. Es ist einfach, einen neuen Pass unter Vorlage eines nationalen, nicht auf Echtheit und inhaltliche Richtigkeit überprüften Dokuments (z.B. Geburtsurkunde) zu erhalten. Damit ist es für jede Person möglich, ihre wahre Identität zu verschleiern und mit gefälschten Personaldaten nach Europa zu gelangen (AA 28.8.2013; vgl. BAA 11.8.2011).
Gefälschte Dokumente (Geburts- und Heiratsurkunden sowie Zeugnisse von Schulen und Universitäten), die aber oft nicht auf den ersten Blick als solche zu erkennen sind, sind in Lagos, aber auch in anderen Städten ohne Schwierigkeiten zu erwerben. Diese Fälschungen sind professionell ausgestaltet und von echten Dokumenten kaum zu unterscheiden. Auch inhaltlich unwahre, aber von den zuständigen Behörden ausgestellte Bescheinigungen (Gefälligkeitsbescheinigungen) sowie Gefälligkeitsurteile in Familiensachen kommen vor. In der Vergangenheit vorgelegte angebliche Fahndungsersuchen nigerianischer Sicherheitsbehörden waren in der Form oftmals fehlerhaft oder enthielten falsche Darstellungen der behördlichen Zuständigkeiten und waren dadurch als Fälschungen zu erkennen. Auch Aufrufe von Kirchengemeinden, namentlich genannten Asylbewerbern Zuflucht und Schutz zu gewähren, waren oftmals gefälscht (AA 28.8.2013; vgl. ÖBA 11.2011).
Die Verfassung knüpft die Staatsangehörigkeit an die Geburt in Nigeria oder - im Ausland - an die Abstammung von einem nigerianischen Elternteil (Art. 25). Mit Dekret 69/92 vom 14.12.1992 wurde die Registrierung von Geburten der Nationalen Bevölkerungskommission (National Population Commission, NPC) übertragen. Die Registrierungspraxis ist landesweit unterschiedlich und weist zum Teil erhebliche Lücken auf (AA 28.8.2013). Es ist nicht vorgeschrieben, Geburten registrieren zu lassen (USDOS 27.2.2014). So wird landesweit nur jede dritte Geburt ordnungsgemäß registriert. Der Verzicht auf die nigerianische Staatsangehörigkeit ist theoretisch möglich (Art. 29 der Verfassung), jedoch nur nach Registrierung durch den Präsidenten wirksam. Praktisch macht diese Durchführungsvorschrift den Verzicht unmöglich, da der Präsident die Registrierung nicht vornimmt und eine Delegierung auf eine andere staatliche Stelle nicht vorgesehen ist (AA 28.8.2013).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (28.8.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria
BAA - Bundesasylamt/Staatendokumentation (11.8.2011): Analyse Nigeria - Dokumente
ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (11.2011): Asylländerbericht Nigeria
USDOS - U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/270637/399179_de.html , Zugriff 4.3.2014
In der am 08.09.2014 eingelangten Stellungnahme wurde zusammenfassend ausgeführt, dass der Beschwerdeführer gesund und derzeit in Mödling wohnhaft sei. Seit April 2014 engagiere er sich in einer christlichen Vereinigung und habe auch schon einen Deutschkurs besucht. Diesbezüglich wurden dem erkennenden Gericht sowohl ein Unterstützungsschreiben als auch eine Kursbestätigung, wonach der Beschwerdeführer vom 09.10.2013 bis zum 19.12.2013 einen Deutschkurs für Anfänger besucht habe, übermittelt. Weiters wurde der Wille des Beschwerdeführers, den Kontakt zu seinen in Italien lebenden Kindern aufrecht zu erhalten, als auch sein beinahe 10-jähriges Fernbleiben von Nigeria ins Treffen geführt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Nigerias und stellte erstmals am 05.03.2005 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.07.2006 gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen und gemäß § 8 AsylG 1997 die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria als zulässig befunden.
Nachdem der Zustellversuch an die im Zentralen Melderegister aufscheinende Adresse XXXX - der Beschwerdeführer war bis 30.11.2006 an dieser Adresse aufrecht gemeldet - erfolglos war, wurde der Bescheid des Bundesasylamtes beim Postamt hinterlegt und dem Beschwerdeführer am 14.07.2006 eine schriftliche Hinterlegungsanzeige hinterlassen. Mangels Erhebung einer Beschwerde erwuchs der Bescheid am 29.07.2006 in Rechtskraft.
Am 04.06.2013 brachte der Beschwerdeführer den vorliegenden (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz ein.
Seit dem Abschluss des ersten Asylverfahrens des Beschwerdeführers in Österreich mit dem am 29.07.2006 in Rechtskraft erwachsenen Bescheid trat keine relevante Änderung des Sachverhaltes ein.
Der Beschwerdeführer hielt sich nach dem rechtskräftigen Abschluss des ersten Asylverfahrens weiterhin teilweise illegal in Österreich und Italien auf und war seit dem 30.11.2006 bis zu seiner nächsten Meldung vom 05.06.2013 unbekannten Aufenthaltes.
Das Bundesverwaltungsgericht hat dem Beschwerdeführer die aktualisierten Länderfeststellungen zu Nigeria mit Schreiben vom 17.12.2014 zur Kenntnis gebracht.
Der Beschwerdeführer selbst ist volljährig, gesund und arbeitsfähig, sodass er im Herkunftsstaat zumindest durch einfache Arbeit sein nötiges Einkommen erzielen könnte, um sich eine Existenzgrundlage zu schaffen.
Der Antragsteller verfügt im österreichischen Bundesgebiet über keinerlei familiäre oder sonstige enge soziale Bindungen. Er hat im Zeitraum von 09.10.2013 bis 19.12.2013 einen Deutschkurs für Anfänger absolviert und engagiert sich seit April 2014 in einer christlichen Vereinigung.
Beim Beschwerdeführer liegen gegenwärtig keine schweren Erkrankungen vor.
2. Beweiswürdigung:
Die festgestellten Tatsachen ergeben sich aus dem Akt des Bundesasylamtes, insbesondere den Niederschriften.
Im vorliegenden Fall ging das Bundesasylamt zu Recht davon aus, dass der Behandlung des zweiten Antrages des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache entgegensteht. Denn das Vorbringen zum konkreten Antrag des Beschwerdeführers enthält keinen glaubhaft asylrelevanten Kern, der sich auf den Zeitraum nach dem Abschluss des letzten materiellen Asylverfahrens am 29.07.2006 beziehen würde. An diesem Tag erwuchs die letzte den Beschwerdeführer betreffende rechtskräftige meritorische Entscheidung in Rechtskraft. Für die Überprüfung des nunmehr angefochtenen Bescheides über den Folgeantrag ist die Sachlage zum Zeitpunkt der Erlassung dieser Entscheidung am 29.07.2006 maßgeblich.
Soweit sich der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren neuerlich auf seine Fluchtgründe aus dem rechtskräftig abgeschlossenen ersten Verfahren bezieht, ist ihm entgegenzuhalten, dass diese bereits im ersten Verfahrensgang als nicht glaubhaft beurteilt wurden. Somit liegt - wie das Bundesasylamt im angefochtenen Bescheid richtig ausgeführt hat - hinsichtlich dieser bereits im Erstverfahren vorgebrachten Verfolgung durch die staatlichen Behörden, auf die der Beschwerdeführer seinen Antrag auf internationalen Schutz stützt, eine entschiedene Sache iSd. § 68 Abs. 1 AVG vor, deren Rechtskraft einer neuerlichen Sachentscheidung entgegensteht.
Das Bundesverwaltungsgericht sieht keinerlei Grund, von der Einschätzung im rechtskräftigen, inhaltlichen Bescheid vom 07.07.2006, abzuweichen. Gemäß der zuvor referierten verwaltungsgerichtlichen Judikatur steht dem gegenständlichen Antrag - soweit er sich auf Fluchtgründe stützt, die schon vor Rechtskraft des o.a. Erkenntnisses des Bundesasylamtes bestanden haben - die Rechtskraft der inhaltlichen Vorentscheidung entgegen.
Hinsichtlich der Feststellung, dass der Bescheid des Bundeasylamtes vom 07.07.2006 dem Beschwerdeführer nach Zustellversuch sodann durch eine schriftliche Hinterlegungsanzeige im Briefkasten hinterlassen wurde, ist auf den im Akt aufliegenden blauen Zustellzettel der Post zu verweisen. Aus diesem ist ersichtlich, dass der Postbote am 14.07.2006 versuchte dem Beschwerdeführer den Bescheid zuzustellen, der Beschwerdeführer diesen jedoch nicht entgegennahm. Daraufhin hinterließ der Postbote eine schriftliche Nachricht über den Zustellversuch im Briefkasten. Der Beschwerdeführer holte diesen Bescheid jedoch nicht ab, was dadurch ersichtlich ist, dass der damals zugestellte Bescheid im Akt des Bundesasylamtes mit dem Vermerk "zurück-retour" aufliegt. Dass der Beschwerdeführer diesen Bescheid nicht abholte, liegt in seinem Verantwortungsbereich. Er ist zwar seit der Antragstellung im Jahr 2005 immer zwischen Österreich und Italien herumgefahren. Über Nachfrage, warum der Beschwerdeführer einen neuen Antrag auf internationalen Schutz stelle, wenn sein Verfahren bereits am 29.07.2006 rechtskräftig beendet worden sei, behauptete er aber jediglich, damals keine Verständigung erhalten zu haben. In der Unterkunft seien sie damals zu sechst gewesen und keiner habe ihm gesagt, dass er irgendetwas bekommen habe oder abholen solle, weshalb er auch nicht zur Post gegangen sei (vgl. AS 229). Dass der Beschwerdeführer an der oben Adresse XXXX wohnte, ergibt sich aus einem Auszug aus dem Zentralen Melderegister, der bescheinigt, dass der Beschwerdeführer bis 30.11.2006 dort aufrecht gemeldet war. Dies hat der Beschwerdeführer auch nicht bestritten.
Dass sich keine Änderungen des Sachverhaltes seit dem ersten Asylverfahren ergaben, brachte der Beschwerdeführer selbst in seinen Einvernahmen vor. Er selbst ging davon aus, dass sein erstes Asylverfahren in Österreich noch offen sei, weil er den Bescheid bei der Post nie abholte. Er brachte lediglich vor, dass er nun drei minderjährige Kinder in Italien habe, die ihn nicht mehr besuchen könnten, wenn er in Nigeria sei. Zudem sei sein im ersten Asylverfahren geschilderter Fluchtgrund - die Verfolgung durch die Polizei - noch immer aufrecht und es habe sich daran nichts geändert.
Insgesamt gesehen konnte vom Beschwerdeführer eine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende Verfolgung im Herkunftsstaat nicht glaubhaft gemacht werden.
Bezüglich seines Gesundheitszustandes stellt das Bundesverwaltungsgericht fest, dass keine akuten schweren Erkrankungen vorliegen, die ein Verbleiben in Österreich rechtfertigen würden.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
I. Abweisung der Beschwerde:
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Bestimmung (z. B. VwGH 25.04.2007, 2004/20/0100; 30.6.2005, 2005/18/0197; 25.4.2002, 2000/07/0235) liegen verschiedene "Sachen" im Sinn des § 68 Abs. 1 AVG vor, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Es kann aber nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. In Bezug auf wiederholte Asylanträge muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den die positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Asylwerbers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinanderzusetzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen.
Eine neue Sachentscheidung ist aber nicht nur bei identem Begehren auf Grund desselben Sachverhaltes, sondern, wie sich aus § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des Vorverfahrens bestanden haben, ausgeschlossen. Der Begriff "Identität der Sache" muss in erster Linie aus einer rechtlichen Betrachtungsweise heraus beurteilt werden, was bedeutet, dass den behaupteten geänderten Umständen Entscheidungsrelevanz zukommen muss (vgl. VwGH 25. 4. 2002, 2000/07/0235; VwGH 15. 10. 1999, 96/21/0097; siehe weiters die bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I, 2. Aufl. 1998, E 83 zu § 68 AVG wiedergegebene Judikatur). Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben (nochmals) zu überprüfen; die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (vgl. VwGH 25. 4. 2002, 2000/07/0235; VwGH 15. 10. 1999, 96/21/0097). Nur eine solche Änderung des Sachverhaltes kann zu einer neuen Sachentscheidung führen, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteibegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (vgl. VwGH 9. 9. 1999, 97/21/0913; und die bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I, 2. Aufl. 1998, E 90 zu § 68 AVG wiedergegebene Judikatur).
Für das Bundesverwaltungsgericht ist die Frage des gegenständlichen Verfahrens, ob das Bundesasylamt zu Recht den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat. Hierbei darf die Prüfung der Zulässigkeit eines neuerlichen Antrages wegen geänderten Sachverhaltes ausschließlich anhand jener Gründe erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht worden sind (vgl. z. B. VwGH 23. 1. 1997, 95/09/0189; VwGH 6. 3. 1997, 94/09/0229). In der Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid bzw. in einer allfälligen Beschwerdeergänzung können derartige Gründe nicht neu vorgebracht werden (VwGH 28. 10. 2003, 2001/11/0224).
Im vorliegenden Fall behauptet der Beschwerdeführer im nunmehrigen Rechtsgang keine neuen Sachverhaltselemente, die ihm nicht schon bereits während des ersten Rechtsgangs bekannt gewesen sind und er auch vorgebracht hat: Der Beschwerdeführer gibt sowohl bei der Erstbefragung als auch bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt auf die Frage nach seinen nunmehrigen Fluchtgründen an, dass seine Fluchtgründe, die er bei seinem ersten Asylantrag angegeben habe, dieselben seien und sich an seiner Lage nichts geändert habe. Er könne nicht nach Nigeria zurückkehren, da er von staatlicher Seite mit dem Tod bedroht sei. (AS 33).
Insoweit eine neuerliche Antragstellung unter dem Blickwinkel des subsidiären Schutzes zu betrachten ist, wurde bereits im vorangegangenen, rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren festgestellt, dass keine subsidiären Schutzgründe vorliegen und wurde auch im nunmehrigen Asylverfahren kein neues entscheidungserhebliches Vorbringen erstattet.
Das Bundesverwaltungsgericht verkennt zwar nicht, dass es in einigen Landesteilen Nigerias zu zeitlich und örtlich begrenzten (teilweise schweren) Unruhen bzw. zu verschiedenen terroristischen Anschlägen gekommen ist. Dies hat aber weder zu einer landesweiten bürgerkriegsähnlichen Situation geführt, noch ist davon auszugehen, dass gleichsam jeder, der nach Nigeria zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne der Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre. Es besteht kein auf dem gesamten Gebiet Nigerias herrschender internationaler oder innerstaatlicher Konflikt, sodass für eine Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt bestehen würde. Es besteht somit für den Beschwerdeführer eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative.
Es sind auch keine wesentlichen in der Person des Beschwerdeführers liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden. So hat der Genannte in einer aktuellen Stellungnahme vom 29.12.2014 vorgebracht, gesund zu sein, wodurch eine umfassende Refoulementprüfung nicht notwendig erscheint. Seine vorgebrachten Argumente, sich seit April 2014 in einer christlichen Vereinigung zu engagieren und einen Deutschkurs absolviert zu haben, sind zwar durchaus positiv zu sehen, jedoch nicht geeignet, einen besondere Integration aufzuzeigen (diesbezüglich wird noch weiter unten genauer darauf eingegangen).
Wie bereits in der Beweiswürdigung ausgeführt, ist dem Bundesasylamt beizupflichten, dass kein neuer, entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden konnte und somit die Beschwerde wegen § 68 AVG zurückzuweisen war.
II. Zurückverweisung der Ausweisungsentscheidung:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 lauten:
Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,
3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.
§ 75 Abs. 19 AsylG 2005 lautet:
"Alle mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren sind ab 1. Jänner 2014 vom Bundesverwaltungsgericht nach Maßgabe des Abs. 20 zu Ende zu führen."
§ 75 Abs. 20 AsylG 2005 lautet:
"Bestätigt das Bundesverwaltungsgericht in den Fällen des Abs. 18 und 19 in Bezug auf Anträge auf internationalen Schutz
1. den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes,
2. jeden weiteren einer abweisenden Entscheidung folgenden zurückweisenden Bescheid gemäߧ 68 Abs. 1 AVG des Bundesasylamtes,
3. den zurückweisenden Bescheid gemäß § 4 des Bundesasylamtes,
4. jeden weiteren einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 4 folgenden zurückweisenden Bescheid gemäß § 68 Abs. 1 AVG des Bundesasylamtes,
5. den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Status des Asylberechtigten gemäß § 7
aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten
kommt, oder
6. den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 aberkannt wird,
so hat das Bundesverwaltungsgericht in jedem Verfahren zu entscheiden, ob in diesem Verfahren die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist oder das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückverwiesen wird. Wird das Verfahren zurückverwiesen, so sind die Abwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes hinsichtlich des Nichtvorliegens der dauerhaften Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung für das Bundesamt nicht bindend. In den Fällen der Z 5 und 6 darf kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegen.
§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idF BGBl. I Nr. 144/2013 normiert Folgendes:
"§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."
Gegenständlich hat der Beschwerdeführer seinen ersten Asylantrag zwar bereits im März 2005 und den zweiten Antrag auf internationalen Schutz im Juni 2013 gestellt, wodurch sich bis dato ein grundsätzlich nicht unbeachtlicher Zeitraum von über 9 Jahren ergeben würde, jedoch ist der Beschwerdeführer davon ca. 6 1/2 Jahre in Österreich nicht aufrecht gemeldet gewesen und hat selbst angegeben, sich immer wieder in Italien aufgehalten zu haben. Demnach kann nicht von einem ununterbrochenen Aufenthalt in Österreich gesprochen werden. Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer offensichtlich seine Mitwirkungspflicht im Rahmen seines Asylverfahrens verletzt. So hat er trotz seines laufenden Verfahrens im Rahmen des ersten Asylantrages Österreich verlassen und ist trotz des Hinweises von Beamten auf sein rechtswidriges Verhalten nach Italien gereist, wodurch ihm nicht nur ein sorgloser Umgang mit den österreichischen asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen, sondern - ohne gültiges Reisedokument und vor dem Hintergrund eines von Italien ausgestellten Einreise- und Aufenthaltsverbot für den Schengenraum - auch ein sorgloses Verhalten in Hinblick auf die italienischen Einreisebestimmungen vorzuwerfen ist (siehe Schreiben des Landespolizeikommandos für Niederösterreich vom 06.05.2006).
Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende besondere Integration des Beschwerdeführers in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht sind nicht erkennbar. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass sich der Beschwerdeführer seit April 2014 in einer christlichen Vereinigung engagiert, was durchaus positiv zu vermerken ist, jedoch kann allein dieses Engagement - unter Berücksichtigung der Aufenthaltsdauer - keine tiefer gehende Integration des Genannten in Österreich bewirken. Ein aktuelles Beschäftigungsverhältnis des Beschwerdeführers wurde nicht vorgebracht.
Der von ihm vorgenommene Besuch eines Sprachkurses im Zeitraum von 09.10.2013 bis 19.12.2013 im Umfang von 74 Unterrichtseinheiten bildet ein nur mit geringem Gewicht zu bewertendes Element an erreichter Integration.
Wie sich aus den bisherigen Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren vor der belangten Behörde ergibt, hat dieser keine in Österreich lebenden Verwandten und auch sonst keine familiären Anknüpfungspunkte im österreichischen Bundesgebiet.
Im gegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer angegeben, drei Kinder in Italien zu haben; seine Vaterschaft hat er jedoch nicht unter Beweis gestellt. Selbst wenn man davon ausginge, dass er tatsächlich Vater dreier in Italien lebender Kinder ist, überwiegen nach Ansicht des erkennenden Gerichtes die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, die sich insbesondere im Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie darin manifestieren, dass das Asylrecht (und die mit der Einbringung eines Asylantrags verbundene vorläufige Aufenthaltsberechtigung) nicht zur Umgehung der allgemeinen Regelungen eines geordneten Zuwanderungswesens dienen darf. Wie bereits oben angedeutet, ist der Beschwerdeführer durch seine Nichtbeachtung von Vorschriften und sein "Pendeln" zwischen Österreich und Italien negativ aufgefallen und konnte er auch nicht damit rechnen, ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in Österreich zu erhalten. Sein bisheriger Aufenthalt im Bundesgebiet war ihm bis jetzt nur durch seine Anträge auf internationalen Schutz möglich und musste ihm bekannt sein, dass die damit verbundene sogenannte vorübergehende Aufenthaltsberechtigung lediglich ein Aufenthaltsrecht nur für die Dauer des Asylverfahrens darstellt. Es war demnach vorhersehbar, dass es im Falle einer negativen Entscheidung zu einer Aufenthaltsbeendigung kommt.
Im vorliegenden Fall ergaben sich auf Grund der Sachverhaltsfeststellungen keine Hinweise darauf, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist. Ein schützenswertes Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich liegt nicht vor. Daher war das Verfahren gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückzuverweisen.
III. Zurückweisung des Antrages auf Beigebung eines Rechtsberaters:
§ 52 Abs. 1 und 2 BFA-VG lautet:
"§ 52 (1) Das Bundesamt hat den Fremden oder Asylwerber bei Erlassung einer Rückkehrentscheidung, der Anordnung der Schubhaft sowie bei zurück- oder abweisenden Entscheidungen über Anträge auf internationalen Schutz, die keine Folgeanträge sind, mittels Verfahrensanordnung darüber zu informieren, dass ihm kostenlos ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt wird. Zugleich hat das Bundesamt den bestellten Rechtsberater oder die betraute juristische Person davon in Kenntnis zu setzen.
(2) Rechtsberater unterstützen und beraten Fremde oder Asylwerber beim Einbringen einer Beschwerde und im Beschwerdeverfahren gemäß Abs. 1 vor dem Bundesverwaltungsgericht, sowie bei der Beischaffung eines Dolmetschers. Rechtsberater haben Fremde in einem Beschwerdeverfahren gegen eine Rückkehrentscheidung auf deren Ersuchen auch zu vertreten. Rechtsberater haben den Beratenen jedenfalls die Erfolgsaussicht ihrer Beschwerde darzulegen."
Bei der Auslegung dieser Gesetzesbestimmung ist die entsprechende unionsrechtliche Regelung in Art. 15 Abs. 2 und 3 Asylverfahrensrichtlinie 2005/85/EG zu berücksichtigen:
"...
(2) Im Falle einer ablehnenden Entscheidung einer Asylbehörde stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass auf Antrag kostenlose Rechtsberatung und/oder -vertretung vorbehaltlich der Bestimmungen des Abs. 3 gewährt wird.
(3) Die Mitgliedstaaten können in ihren nationalen Rechtsvorschriften vorsehen, dass kostenlose Rechtsberatung und/oder -vertretung nur gewährt wird
a) für die Verfahren vor einem Gericht oder Tribunal nach Kapitel V und nicht für nachfolgende im nationalen Recht vorgesehene Rechtsbehelfe, einschließlich erneuter Rechtsbehelfsverfahren und/oder
...
d) bei hinreichenden Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs.
Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die nach Buchstabe d) gewährte Rechtsberatung und/oder -vertretung nicht willkürlich eingeschränkt wird. ..."
Nach der mit VfSlg. 14.391/1995 beginnenden ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (siehe auch VfSlg. 15.354/1998 und 16.737/2002), die im Einklang mit der des Gerichtshofes der Europäischen Union (vgl. EuGH 10. 4. 1984, Rs. 14/83, von Colson und Kamann, Slg. 1984, 1891; EuGH 13. 11. 1990, Rs. C-106/89 , Marleasing SA, Slg. 1990, I-4135; EuGH 14. 7. 1994, Rs. C-91/92 , Faccini Dori, Slg. 1994, I-3325) steht, ist dem europäischen Recht (seit dem Vertrag von Lissabon folgend aus Art. 4 Abs. 3 EUV iVm Art. 288 AEUV) das Gebot richtlinienkonformer Interpretation innerstaatlichen Rechts zu entnehmen. Dies bedeutet, dass alle nationalen Gerichte verpflichtet sind, das nationale Recht unter voller Ausschöpfung des richterlichen Beurteilungsspielraumes in Übereinstimmung mit den Anforderungen des Unionsrechtes auszulegen und anzuwenden. Dieser Grundsatz kommt insbesondere dann zur Anwendung, wenn die Regelung eines Sachverhaltes Gegenstand nicht nur einer nationalen Bestimmung, sondern auch einer Richtlinienbestimmung ist.
Da unzweifelhafter Weise nicht gesagt werden kann, dass es jeder Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Folgeantrags wegen entschiedener Sache an der Erfolgsaussicht fehlen würde (vgl. allein die Problematik der sog. "sur place"-Flüchtlinge), ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts die Wortfolge "die keine Folgeanträge sind" in § 52 Abs. 1 BFA-VG (früher § 66 Abs.1 AsylG 2005) zwecks Vermeidung der Verletzung von Unionsrecht dergestalt zu reduzieren, dass nur in Verfahren über aussichtlose Folgeanträge dem Asylwerber kein Rechtberater zur Seite zu stellen ist.
Im vorliegenden Fall erhob der Beschwerdeführer ein Rechtsmittel gegen den angefochtenen Bescheid, mit dem über den - wie bereits dargelegt - wegen entschiedener Sache unzulässigen und aussichtslosen Folgeantrag abgesprochen wurde, und stellte darin noch den Antrag auf Beigebung eines Rechtsberaters. Worin nun aber eine Rechtsberatung nach bereits erfolgter Beschwerdeerhebung und bei Entscheidungsreife der Sache bestehen sollte, ist nicht ersichtlich. Sache des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens bildet die Frage, ob das Bundesasylamt den Folgeantrag auf internationalen Schutz zu Recht gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückwies, wobei die Prüfung der Zulässigkeit eines neuerlichen Antrages wegen geänderten Sachverhaltes ausschließlich anhand jener Gründe erfolgen darf, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht wurden (VwGH 28.10.2003, 2001/11/0224; 06.03.1997, 94/09/0229; 23.01.1997, 95/09/0189; 04.06.1991, 90/11/0229). Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass also in einer Beschwerdeergänzung derartige Gründe nicht mehr neu vorgebracht werden können, ist nicht zu erkennen, wofür in diesem Verfahrensstadium eine weitere Rechtsberatung erforderlich sein sollte.
Nach § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
In seinem Erkenntnis vom 28.05.2014, Zlen. Ra 2014/20/0017 und 0018, erachtete der Verwaltungsgerichtshof für die Auslegung des § 21 Abs. 7 BFA-VG folgende Kriterien als maßgeblich: "Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen."
Diese Voraussetzungen sind im gegenständlichen Fall gegeben. Der Sachverhalt ist im gegenständlichen Fall aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen. Sämtliche Elemente zur Beurteilung des verfahrensgegenständlichen Sachverhaltes und insbesondere hinsichtlich der Glaubwürdigkeit und Plausibilität waren zweifelsfrei und lückenlos ohne weitere Ermittlungsnotwendigkeit dem vollständigen Akt des Bundesasylamtes zu entnehmen. Alle in der Beschwerde notwendigerweise abzuklärenden Fragen sind umfassend aus den bisher vor dem Bundesasylamt dargelegten Ausführungen und aus dem Verwaltungsakt ableitbar. Es kann ausgeschlossen werden, dass durch eine weitere mündliche Erörterung eine Veränderung der Klärung der Rechtssache in wesentlichen Punkten zu erwarten ist. Es ergab sich sohin auch kein Hinweis auf die Notwendigkeit, den maßgeblichen Sachverhalt mit dem Beschwerdeführer zu erörtern (vgl. VwGH 23.01.2003, 2002/20/0533, VwGH 01.04.2004, 2001/20/0291).
Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 37 Abs.1 AsylG nunmehr § 17 BFA-VG lagen nicht vor.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.
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