AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs5
VwGVG §31 Abs1
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs5
VwGVG §31 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2016:W151.1435926.2.00
Spruch:
W151 1435926-2/12E
SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 29.04.2016 VERKÜNDETEN
ERKENNTNISSES:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Doris KOHL, MCJ über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch RA Dr. Christian SCHMAUS, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.12.2015, Zl. XXXX , wegen §§ 3, 8, 10, 55 und 57 AsylG 2005, sowie §§ 46, 52 und 55 FPG 2005 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
I. Das Verfahren wird hinsichtlich des Spruchpunktes I des angefochtenen Bescheides wegen Zurückziehung der Beschwerde zu Spruchpunkt I gemäß §§ 28 Abs. 1, 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt.
II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 28.04.2017 erteilt.
IV. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt III und IV des angefochtenen Bescheides stattgegeben und diese gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
1. Der bei seiner Einreise minderjährige Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehörige, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 10.01.2013 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Am darauf folgenden Tag fand vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des BF im Beisein eines Dolmetschers, welcher in die Sprache Paschtu übersetzte, statt. Dort gab der BF an, sein Name sei XXXX , geboren am XXXX in der Provinz Nangarhar, afghanischer Staatsangehöriger, Angehörige der Volksgruppe der Paschtunen und sunnitischer Moslem. Er sei ledig und spreche Paschtu und Dari. Er habe eine 7jährige Schulbildung und sei zuletzt als Autowäscher tätig gewesen. Seine Eltern seien bereits verstorben, Geschwister habe er keine.
Zum Fluchtgrund gab der BF an, dass seine Mutter bei seiner Geburt gestorben sei. Er sei bei seinem Vater aufgewachsen, der vor ca. einem Jahr bei einem Bombenanschlag ums Leben gekommen sei. Er sei völlig auf sich alleine gestellt gewesen und habe für sich keine Zukunft in Afghanistan gesehen. Deshalb sei er nach Österreich gekommen, um hier die Schule zu besuchen, einen Beruf zu erlernen und eine sichere und bessere Zukunft zu haben.
3. Am 23.01.2013 wurde ein Handwurzelröntgen durchgeführt.
4. Am 15.02.2013 wurde der BF aufgrund des von ihm angegeben Alters niederschriftlich vor dem Bundesasylamt einvernommen. Der BF nannte den XXXX als sein Geburtsdatum und gab an, in Afghanistan eine Tazkira zu haben, welche sein Alter bestätigen könne. Er wurde aufgefordert diese sich schicken zu lassen und der Behörde vorzulegen.
5. Das Bundesasylamt veranlasste in Folge mit Einzelauftrag vom 18.02.2013 die Durchführung medizinischer Untersuchungen zum Zwecke der Vornahme einer forensischen Altersdiagnose durch ein Institut für klinisch-forensische Bildgebung. Das gerichtsmedizinische Gutachten vom 12.03.2013 ergab ein Mindestalter des BF zum Untersuchungszeitpunkt von achtzehn Jahren, weswegen in der Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 19.03.2013 die Volljährigkeit des BF festgestellt wurde. Auf diesbezüglichen Vorhalt führte der BF an, dass er das Alter genannt habe, welches ihm sein Vater gesagt habe, dass er aber die Gesetze und das Ergebnis akzeptiere, da er in Österreich leben wolle.
6. Am 03.06.2013 erfolgte eine weitere niederschriftliche Einvernahme vor dem Bundesasylamt, im Rahmen derer der BF seine Tazkira vorlegte und erklärte, dass ihm diese ein Freund von ihm besorgt und nach Österreich geschickt habe. Er habe auch eine alte Tazkira gehabt. Eine Übersetzung der Tazkira erfolgte nicht. Zum Fluchtgrund brachte der BF erneut vor, dass er sich eine bessere Zukunft in Österreich erhoffe und er hier die Schule besuchen und eine Ausbildung machen wolle.
7. Mit Bescheid vom 10.06.2013, zugestellt persönlich an den BF am 11.06.2013 (laut Rückschein im Akt) wies das Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status als Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, ab (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Ziffer 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.) und der BF gemäß § 10 Abs. 1 Ziffer 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen (Spruchpunkt III.).
Mit Verfahrensanordnung des Bundesasylamtes vom 10.06.2013 wurde dem BF gemäß § 66 Abs. 1 AsylG die ARGE-Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater zur Seite gegeben.
8. Am 19.06.2013 erhob der BF das Rechtsmittel der Beschwerde.
9. Am 24.09.2013 übermittelte der BF im Beschwerdeverfahren seine Tazkira vom 28.11.2012 samt Übersetzung in Kopie. Laut Übersetzung war der BF im Jahr 2012 sechzehn Jahre alt.
10. Am 16.02.2015 führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durch, an welcher der BF teilnahm. Ein Vertreter der belangten Behörde nahm (entschuldigt) nicht an der Verhandlung teil.
Der BF gab in der Verhandlung an, dass, als er nach Österreich gekommen sei und sein Geburtsdatum genannt habe, dieser Aussage kein Glauben geschenkt worden sei. Er sei zur Altersfeststellung geschickt worden und sei ihm mitgeteilt worden, dass er volljährig sei, und da er keine Tazkira vorlegen habe können, habe er das festgestellte Geburtsdatum akzeptiert. Er sei erst zu einem späteren Zeitpunkt in der Lage gewesen eine Tazkira vorzulegen, aus welcher sein Geburtsjahr ersichtlich gewesen sei.
Da er ein Schüler gewesen sei, habe er sich damals in Afghanistan eine Tazkira ausstellen lassen müssen. Sobald man in Afghanistan in der Schule aufgenommen werde, könne man sich eine Tazkira ausstellen lassen und er habe für die Schulanmeldung eine Tazkira gehabt. Als er nach Österreich gereist sei, habe er keine Dokumente mitnehmen können, sodass er erst später mit Hilfe eines Freundes, welcher mit seiner "alten" Tazkira zur Distriktsleitung gegangen sei, wo ihm seine neue Tazkira ausgehändigt worden sei, den Behörden in Österreich seine Tazkira vorlegen habe können.
Er habe seinen Freund gebeten, ihm eine aktuelle Tazkira zu schicken. Als dieser in der Distriktleitung mit seiner Tazkira einen Antrag auf eine neue Tazkira gestellt habe, sei die ältere Tazkira eingezogen und die neue Tazkira unter Berücksichtigung der sich aus der alten Tazkira ergebenden Daten und des daraus ersichtlichen Alters ausgestellt worden.
Sein Geburtsdatum sei ihm bekannt und deshalb habe er auch dieses Datum XXXX angegeben.
11. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.03.2015 wurde die Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen. Mangels Beiziehung eines gesetzlichen Vertreters während eines Teils des erstinstanzlichen Verfahrens und mangels Zustellung an diesen habe der erstinstanzliche Bescheid keinesfalls rechtswirksam an den minderjährigen BF zugestellt werden können. Der Bescheid sei somit nie rechtswirksam erlassen worden.
12. Am 27.05.2015 legte der BF zum Beweis seiner Integration eine Bestätigung über einen Deutschkurs vom 27.04.2015 vor.
13. Am 13.10.2015 legte der BF zum Beweis seiner Integration Caritas Zertifikat und einen Arztbrief (Befund posttraumatische Belastungsstörung) vor.
14. Am 03.11.2015 legte der BF erneut zum Beweis seiner Integrationsbemühungen eine Teilnahmebestätigung der young Caritas und ein Zertifikat der Vobis Summer School vor.
15. Am 02.12.2015 erfolgte eine weitere niederschriftliche Einvernahme im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu vor dem Bundesamt für Asyl und Fremdenwesen, im Rahmen derer der BF seine Fluchtgründe aufrecht hielt und diverse Kursbestätigungen vorlegte.
16. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 09.12.2015, Zahl: XXXX , den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status als Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, ab (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Ziffer 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.) und der BF gemäß § 10 Abs. 1 Ziffer 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen (Spruchpunkt III.).
In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des BF und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der BF seinen Herkunftsstaat aus wohlbegründeter Furcht verlassen habe. Ihm drohe keine asylrelevante Gefahr. Selbst bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen seien keine weiteren Ausreisegründe hervor gekommen. Es habe keine Bedrohungssituation im Fall der Rückkehr festgestellt werden.
Beweiswürdigend führte das BFA (zusammengefasst) aus, dass die Angaben zur Identität des BF mit Ausnahme der Altersangaben schlüssig und daher glaubhaft gewesen seien. Die Angaben des BF, seine Heimat aus wirtschaftlichen Überlegungen verlassen zu haben seien schlüssig und glaubhaft, stelle für sich jedoch keine Asylrelevanz dar. Der Tod des Vaters bei einem Bombenanschlag und dem dazu zum Beweis vorgelegten Film sei festzuhalten, dass dieses Beweismittel nicht dazu geeignet gewesen sei, dieses Vorbringen als glaubhaft oder erwiesen anzusehen. Selbst wenn der Vater des BF einem Bombenanschlag zum Opfer gefallen wäre, lasse sich daraus keine Asylrelevanz ableiten und habe dies der BF auch nicht vorgebracht. Dass es sich beim BF um ein Einzelkind handle und auch die Eltern des BF keine Geschwister gehabt hätten sei in Anbetracht der afghanischen Familientradition und Familienstrukturen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen und somit für die Behörde nicht glaubhaft. Beim BF handle es sich um einen arbeitsfähigen Mann, der Berufserfahrung als Autowäscher besitze. Er verfüge nach wie vor über Kontaktpersonen in Afghanistan. Dem BF könne eine Erwerbstätigkeit zugemutet werden, weswegen nicht davon auszugehen sei, dass der BF in eine aussichtslose Lage gerate.
Rechtlich beurteilend wurde ausgeführt, dass der BF keine Verfolgung seiner Person oder eine wohlbegründete Furcht vor einer Verfolgung in keinster Weise glaubhaft machen habe können, weshalb der Antrag auf internationalen Schutz aufgrund des Fehlens der Flüchtlingseigenschaft abzuweisen gewesen sei. Subsidiärer Schutz wurde dem BF ebenfalls nicht zuerkannt.
17. Für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) wurde dem BF am 10.12.2015 mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG der Verein Menschenrechte Österreich gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig als Rechtsberater zur Seite gestellt.
18. Mit dem am 29.12.2015 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingebrachten Schriftsatz vom 22.12.2015 Tag, erhob der BF, vertreten durch Dr. Christian Schmaus, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Beschwerde gegen den oben genannten Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts, Verletzung von Verfahrensvorschriften, mangelhafter Beweiswürdigung sowie Verstoß gegen die Pflicht zur ordnungsgemäßen Bescheidbegründung. Darin wurde beantragt, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, und den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass dem BF Asyl gewährt werde, in eventu ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, in eventu ihm einen Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 ff AsylG zu erteilen und festzustellen, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer und eine Abschiebung nach Afghanistan unzulässig sei.
Eingangs wurde auf die erheblichen Verfahrensmängel der Erstbehörde verwiesen. Die belangte Behörde habe es unterlassen, sich mit dem Verfahren vor dem BVwG auseinanderzusetzen und gegebenenfalls weitere Ermittlungen durchzuführen. Aufgrund der nicht nachvollziehbaren Beibehaltung des aus Sicht der Behörde anzunehmenden (vermeintlichen) Geburtsdatums habe sich die Behörde nicht mit den kinderspezifischen Aspekten der Flucht des BF während des gesamten Verfahrens auseinandergesetzt. Diesbezüglich wurde ein aktueller Bericht der UN zur Lage in Afghanistan im Speziellen in der Heimatprovinz des BF Nangarhar vorgelegt. Die Behörde habe es unterlassen, sich in irgendeiner Weise mit der wiederholt in Vorlage gebrachten Tazkira bzw. den Angaben zum Geburtsdatum auseinanderzusetzen. Trotz der eindeutigen Rechtsanschauung des BVwG habe die Behörde ohne Ermittlungen und ohne Würdigung der vorliegenden Beweise bzw. ohne Erläuterung das durch die Altersfeststellung (vermeintlich) korrigierte Geburtsdatum beibehalten und gehe von der Unglaubwürdigkeit der diesbezüglichen Angaben aus. Diese stehe im klaren Widerspruch zu den Ergebnissen des Beweisverfahrens vor dem BVwG. Die belangte Behörde habe sich somit mit den vorliegenden Beweismitteln in keinster Weise befasst und dadurch das Verfahren mit Mangelhaftigkeit belastet. Ebenso wurde darauf verwiesen, dass die Behörde zu einem großen Teil exakt den Inhalt des mangels Zustellung nicht erlassenen Bescheides vom 10.06.2013 wiedergegeben habe. Zusätzlich sei es zu einer Verletzung des Parteiengehörs gekommen. Auch die massive Verschlechterung der Sicherheitslage im Jahr 2015 sei von der belangten Behörde nicht der Entscheidung zugrunde gelegt worden. In weiterer Folge habe die Behörde die eigenen Feststellungen nicht gewürdigt und vielmehr im Rahmen der Beweiswürdigung auf Länderinformationen bezogen, die sich nicht in den Feststellungen befunden hätten. Insgesamt habe eine Auseinandersetzung mit der aktuellen Sicherheitslage und Länderinformationen nicht stattgefunden. Genauso sei verabsäumt worden sich mit der Situation in der Herkunftsprovinz des BF auseinanderzusetzen. Die Lage habe sich zusehends verschlechtert. Bei einer Rückkehr sei mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die IS den BF im Fall einer Rückkehr zwingen würde, sich ihrer Sache anzuschließen. Im Fall einer Weigerung würde der BF aus ihrer Sicht als Ungläubiger gelten. Eine innerstaatliche Fluchtalternative stehe dem BF aufgrund der Tatsache, dass er über kein familiäres oder soziales Netzwerk verfüge und sein Leben bis dato ausschließlich in Nangarhar verbracht habe, nicht offen. Neben der asylrelevanten Verfolgung aufgrund drohender Zwangsrekrutierung drohe dem BF aufgrund seiner westlichen Orientierung auch ein weiterer Nachfluchtgrund. Es drohe dem BF Verfolgung aufgrund seiner politischen Gesinnung bzw. aufgrund der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe, nämlich der Personen, welche gegen islamische Grundsätze, Normen und Werte gemäß der Auslegung durch die Taliban verstoßen. Aufgrund der Verfahrensfehler sei es dem BF bis dato nicht möglich gewesen, sich zu der erlittenen krankheitswerten psychischen Störung zu äußern. Die belangte Behörde sei zudem ohne nähere Begründung und ohne Durchführung eines aus dem Bescheid ersichtlichen Ermittlungsverfahrens zu Schlussfolgerungen gekommen, denen jeglicher Begründungswert fehle. Beispielhaft wurde die Behauptung, dass "es sich beim BF um ein Einzelkind handle und auch die Eltern des BF keine Geschwister gehabt hätten und dies in Anbetracht der afghanischen Familientradition und Familienstrukturen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen sei" angeführt. Dieser Schlussfolgerung fehle jegliche Grundlage. Angesichts der herrschenden Judikatur des BVwG scheine es nicht nachvollziehbar, wie die belangte Behörde feststellen konnte, dass der BF als arbeitsfähiger junger Mann mit Berufserfahrung als Autowäsche und ohne familiäre Bindungen in Afghanistan sich eine menschenwürdige Existenz aufbauen könne. Alleine diese Aussage zeige schon die Widersprüchlichkeit der Entscheidung der Behörde auf. Zum Nachweis der Integration wurde ein Konvolut an Teilnahmebestätigungen (ua. Deutschkurse,) vorgelegt.
19. Die gegenständliche Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) am 08.01.2016 vom BFA vorgelegt.
20. Am 20.01.2016 legte der BF zum Beweis seiner Integration ein Konvolut an Urkunden vor.
21. Vor dem BVwG wurde durch die erkennende Richterin in der gegenständlichen Rechtssache am 29.04.2016 eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein seines Rechtsvertreters, eines länderkundigen Sachverständigen sowie eines Dolmetsch für die Sprache Paschtu durchgeführt, zu der der BF persönlich erschien. Die belangte Behörde entschuldigte ihr Fernbleiben. Die Verhandlungsschrift wurde der Erstbehörde übermittelt.
Dem BF wurde der bisherige Verfahrensgang und der Akteninhalt erläutert und zur Akteneinsicht angeboten.
Dabei gab der BF auf richterliche Befragung im Wesentlichen Folgendes an (Auszug aus der Verhandlungsschrift):
" R befragt BF, ob alle Beschwerdepunkte aufrechterhalten werden.
BF und RV geben bekannt, dass die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. zurückgezogen wird, die restlichen Spruchpunkte bleiben aufrecht.
RV: Dem BF ist das genaue Geburtsdatum nicht bekannt, er ist jedoch von der Echtheit der Tazkira ausgegangen. Der BF anerkennt das festgelegte Geburtsdatum mit XXXX .
R weist BF darauf hin, dass sämtliche getätigte Aussagen vertraulich behandelt werden und insbesondere nicht an den Herkunftsstaat weitergegeben werden.
R weist BF auf die Bedeutung dieser Verhandlung hin und ermahnt ihn, die Wahrheit anzugeben. BF wird aufgefordert, nur wahrheitsgemäße Angaben zu machen, und belehrt, dass unrichtige Angaben bei der Entscheidungsfindung im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen sind. Wenn er etwas nicht wisse, solle er das sagen; gleiches gelte für die Angabe spekulativer Angaben. BF wird darauf hingewiesen, dass sich die Glaubhaftmachung des Vorbringens zum einen aus hinreichend widerspruchsfreien Angaben und zum anderen aus der persönlichen Glaubwürdigkeit ergeben. BF wird schließlich über die Gründe für eine Aussageverweigerung gem. § 17 VwGVG i.V.m. § 51 AVG i.V.m. § 49 AVG belehrt.
RV legt Teilnahmebestätigung - Deutschkurs vom 17.04.2016 vor (Beilage 1), sowie Kursbesuchsbestätigung vom 18.04.2016 (Beilage 2), sowie Bestätigung des Deutschkursbesuches vom 20.04.2016 (Beilage 3).
R erläutert den Inhalt des Verwaltungsaktes; auf die Verlesung des Verwaltungsaktes wird verzichtet.
R: Wie geht es Ihnen heute? Sind Sie gesund? Befinden Sie sich derzeit in medizinischer Behandlung oder nehmen Sie regelmäßig Medikamente? Es liegt aktenmäßig eine ärztliche Bestätigung über PSD-Behandlung vor.
BF: Ich befinde mich nach wie vor in ärztlicher Behandlung. Ich gehe zu monatlichen Kontrollterminen und ich nehme nach wie vor Medikamente. Andere Beschwerden, die ärztlich behandelt werden müssen, gibt es nicht.
R: Fühlen Sie sich dennoch in der Lage der heutigen Verhandlung zu folgen?
BF: Ich kann heute Ihren Fragen folgen.
R: Wenn Sie eine Verhandlungspause brauchen, sagen Sie mir das bitte auch, ich werde natürlich auch Pausen machen.
R: Wurden Ihnen die Niederschriften, die die Polizei im Rahmen der Erstbefragung und das BFA mit Ihnen aufgenommen haben, rückübersetzt?
BF: Ja.
R: Haben Sie diese Protokolle inhaltlich gut verstanden?
BF: Ja.
R: Haben Sie vor der Polizei im Rahmen der Erstbefragung und vor dem BFA die Wahrheit gesagt?
BF: Ja.
R: Haben Sie die Dolmetscher in den Einvernahmen vor der Polizei im Rahmen der Erstbefragung und vor dem BFA gut verstanden? Gab es irgendwelche Protokollierungsprobleme oder -mängel? Wurden diese dann korrigiert, falls es welche gegeben hat?
BF: Die Einvernahmen wurden alle rückübersetzt. Es gab keine Verständigungsprobleme. Es bestand keine Notwendigkeit von Protokollberichtigungen.
R: Ich weise darauf hin, dass eine wissentliche Falschaussage vor dem Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich der eigenen Identität oder Herkunft, um sich die Duldung der Anwesenheit im Bundesgebiet oder einen, wenn auch nur vorübergehenden, rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet zu erschleichen, eine Verwaltungsübertretung darstellt. Diese ist mit einer Geldstrafe zwischen € 1.000 und € 5.000 bedroht und wird gegebenenfalls von Amts wegen zur Anzeige gebracht. Nach dieser Belehrung frage ich Sie, ob der auf dem heute vorgelegten Ausweis nach dem AsylG angeführte Namen und das dort angeführte Geburtsdatum richtig sind, ob Sie diesen Namen seit Ihrer Geburt führen und ob Sie im Herkunftsland auch unter anderen Namen - wie Spitz- oder Kampfnamen - bekannt sind.
BF: Ja, das ist der Name, den ich in Afghanistan geführt habe.
R: Nennen Sie Ihren heutigen Familienstand und den Familienstand, den Sie zum Zeitpunkt der Ausreise aus Ihrem Heimatland hatten. Sind Sie nach wie vor ledig, oder hat sich etwas verändert?
BF: Ich bin nach wie vor ledig.
R: Nennen Sie Ihre Staatsangehörigkeit.
BF: Meine Staatsangehörigkeit ist Afghanistan.
R: Nennen Sie die Volksgruppe und Konfession, der Sie angehören.
BF: Ich bin Paschtune und Sunnit.
R: Was ist Ihre Muttersprache? Welche Sprachen sprechen Sie? Können Sie in diesen Sprachen lesen und schreiben?
BF: Paschtu. Ich spreche auch Dari. Ich habe das in der Schule gelernt. In beiden Sprachen kann ich lesen und schreiben.
R: Sie gaben im Verfahren an, dass Ihre Eltern verstorben sind und Sie keine weiteren Verwandten in Afghanistan haben, bleiben Sie bei diesen Angaben?
BF: Ja.
R: Sie haben angegeben eine Schule in XXXX für 7 Jahre besucht zu haben?
BF: 7 Jahre habe ich die Schule besucht. Nach der Schule habe ich begonnen zu arbeiten. Ich habe Autos gewaschen.
RV: Wie alt waren Sie, als Sie die Schule besuchten?
BF: Ich habe vom 7. Lebensjahr bis zum 14. Lebensjahr die Schule besucht und danach als Autowäscher gearbeitet.
R: Wo haben Sie gelebt in Afghanistan?
BF: Ich habe in XXXX in XXXX gelebt.
R: Ist das ein Stadtteil?
BF: Ja.
R: Das heißt Sie haben in der Hauptstadt XXXX in einem Stadtteil gewohnt?
BF: Ja. Das ist ein Stadtteil am Rand der Stadt, es gehört aber zur Stadt XXXX .
R: Welcher Distrikt und welche Provinz?
BF: Nangarhar, mein Wohnort gehört zur Hauptstadt XXXX . In der Nähe befindet sich der Distrikt XXXX .
SV: Woher stammen Sie ursprünglich?
VR: Haben Sie immer dort gelebt, haben Sie auch an anderen Orten gelebt mit Ihrer Familie?
BF: Ich habe nur an diesem Ort gelebt.
VR: Und Ihre Familie?
BF: Meine Familie hat früher in XXXX gelebt. Sie ist dann in die Stadt gezogen. Ich habe mein gesamtes Leben in XXXX verbracht.
R: In der Tazkira steht eine Angabe hinsichtlich des Dorfes XXXX im Distrikt XXXX . Gibt es einen Familienbezug dazu? Wie kommt diese Angabe in die Tazkira?
BF: Ich stamme ursprünglich aus XXXX . Meine Vorfahren kommen von dort. Soweit ich weiß, ist meine Tazkira in meinem Heimatdistrikt ausgestellt worden und ich glaube auch, dass XXXX eine Stadt ist. Mein Vater hat in XXXX gelebt. Ich selbst habe mein gesamtes Leben in XXXX verbracht. Da mein Vater aus diesem Dorf ist, müsste ich mich für die Ausstellung einer Tazkira an die Distriktsleitung XXXX wenden, in XXXX würde ich nämlich diese Dokumente nicht bekommen.
SV bestätigt, dass diese Angaben den afghanischen Verhältnissen entsprechen.
R: Wie waren denn Ihre Lebensumstände in Afghanistan?
BF: Ich habe ein durchschnittliches Leben geführt.
R: Wie alt waren Sie, als Ihr Vater gestorben ist?
BF: Ich war ca. 16 oder 16 1/2 Jahre alt.
R: Sagen Sie mir, wie viel Sie verdient haben als Autowäscher?
BF: Unsere finanzielle Situation war nicht gut. Ich habe nur so viel Geld verdient, um davon leben zu können. Ich musste mit diesem Geld auskommen.
R: Können Sie mir sagen, wie viel Sie verdient haben, in Zahlen gesprochen?
BF: Als mein Vater noch am Leben war, hat er als Obstverkäufer gearbeitet. Mein Gehalt war abhängig davon, wie viele Autos ich wasche. Ich habe für 1 Auto zwischen 20 und 30 Afghani bekommen.
R: Wie viele Autos schätzen Sie, dass Sie am Tag oder in der Woche gewaschen haben im Schnitt?
BF: Ich habe pro Tag ca. 5-6 Autos gewaschen. Ich kann nicht sagen, wie viel Autos ich in der Woche gewaschen habe.
R: Wenn ich ausgehe von 20 Afghani x 6 Autos, das sind 120 Afghani pro Tag.
R an SV: Bitte rechnen Sie das um in Dollar.
SV: Dies entspricht ca. 2 US-Dollar pro Tag im Durchschnitt.
R: Sie haben angegeben, dass Sie in einem Miethaus gelebt haben. Wie war die Situation zu Lebzeiten Ihres Vaters und dann, als Sie alleine gelebt haben?
BF: Als mein Vater noch am Leben war, konnten wir uns die Miete für das Haus leisten. Nach seinem Tod konnte ich die Miete nicht mehr bezahlen und ich habe an meinem Arbeitsort geschlafen.
R: Wo war Ihr Arbeitsort?
BF: Mein Arbeitsort war in XXXX in der Nähe des Flusses. Das liegt in XXXX . Damals gehörte XXXX zum Distrikt XXXX . Dort befand sich ein Fluss, auf der einen Seite war XXXX , das zu XXXX gehörte. Auf der anderen Seite befand sich XXXX , das zum Distrikt XXXX gehört.
R: Nach dem Tod Ihres Vaters haben Sie Grundstücke, Möbel, Kleidung, Schmuck von ihm geerbt?
BF: Mein Vater hat mir etwas Bargeld hinterlassen. Mit diesem Geld, sowie mit der finanziellen Unterstützung meines Freundes habe ich meine Fluchtreise finanziert.
R: Sonstiges Vermögen (Grundstücke) gibt es keines?
BF: Grundstücke hatten wir keine und die Sachen im Haushalt habe ich nicht mehr gebraucht.
R: Auch in XXXX ; Haben Sie dort Familiengrundstücke?
BF: Nein. Keine.
R: Das heißt, das Bargeld, das Ihnen Ihr Vater hinterlassen hat, ist quasi für die Flucht aufgegangen? Sie verfügen somit über kein weiteres Vermögen in Afghanistan?
BF: Nein.
SV: Haben Sie in einer Autowaschfirma gearbeitet? Haben Sie im öffentlichen Raum, z.B. neben einem Fluss Auto gewaschen?
BF: Ich habe für jemand anderen gearbeitet. Die Waschplätze am Fluss werden verkauft, da ich mir so einen Platz nicht leisten konnte, habe ich dort für jemand anderen gearbeitet.
R: Können Sie mir bitte noch einmal sagen, wann Ihre Mutter gestorben ist und wie alt Sie damals waren?
BF: Meine Mutter ist bei meiner Geburt verstorben.
R hält fest, dass im Verfahren laufend Integrationsdokumente vorgelegt wurden, so auch heute, womit aus Sicht des Gerichtes feststeht, dass intensive Integrationsbemühungen gegeben sind.
R: Haben Sie Arbeit (Freiwilligentätigkeit) in Österreich?
BF: Ich bin keiner offiziellen Arbeit nachgegangen. Ich habe aber in Graz meinen Freunden und Bekannten bei Arbeiten geholfen.
R: Was würden Sie gerne in Österreich beruflich machen, in welche Richtung soll sich Ihre berufliche Tätigkeit gestalten?
BF: Ich möchte sehr gerne eine Lehre als Maler machen. Nebenbei möchte ich gerne Tanzkurse besuchen.
RV: Die ehrenamtliche Tätigkeit ist auch aktenkundig.
R: Sind Sie legal in das Bundesgebiet eingereist?
BF: Ich bin illegal ins Bundesgebiet eingereist.
R hält fest, dass im Strafregisterauszug vom 28.04..2016 keine Verurteilung aufscheint und erklärt diese Urkunde zum Aktenbestandteil.
R: Seit wann sind Sie in Österreich?
BF: 10.01.2013.
R fragt, ob der BF oder RV noch zum bisherigen Vorbringen Beweismittel vorlegen möchte.
BF: Nein.
RV: Nein.
R beauftragt SV mit Erstellung von Befund und Gutachten zur Frage der Sicherheitslage in der angegebenen Heimatregion des BF, sowie die Ursprungsregion der Familie ( XXXX ), in Kabul und in ganz Afghanistan und zur Frage der Versorgungslage (Arbeitsmöglichkeit) jugendlicher Rückkehrer mit geringem afghanischen Bildungsstand und ohne familiäre Anbindung. Weiters zur Frage, ob die Rückkehrprogramme Möglichkeiten bieten, sich in Afghanistan nach längerer Abwesenheit und mit dem Bildungsgrad des BF eine für den Lebensunterhalt nötige Versorgung aufzubauen und zu erhalten.
R unterbricht um 10.45 Uhr die Verhandlung.
SV:
Ad Sicherheitslage in ganz Afghanistan und im Besonderen in der Heimatregion des BF:
Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt weiterhin sehr instabil und die Taliban machen weitere Geländegewinne und erweitern so ihre Einflussgebiete in Afghanistan. Mehr als die Hälfte aller Distrikte Afghanistans steht unter der Kontrolle der Taliban. Die Taliban führen in verschiedenen Distrikten der Provinzen Faryab, Jawjan, Badakhshan, Takhar, Baghlan, Sar-e Pul, Badghis, Uruzgan, Ghazni, Helmand, Kandahar, Kunar, Laghman, Nangarhar, Logar, Wardak, Kapisa, Kunduz und Ghor Krieg gegen die Nationalarmee. Bei allen diesen Kriegen gerät die Zivilbevölkerung zwischen die Fronten. In den von den Taliban beherrschten Gebieten herrscht das Taliban-Gesetz, das islamische Rechtssystem; Sharia. Die Menschen werden bei geringster Abweichung von den Vorgaben der Taliban schwer bestraft. Bei den Frauen und jungen Männern reicht es, wenn die Ehemänner, Väter oder Brüder sich bei den Taliban über diese beschweren. Es kommt immer wieder vor, dass die Taliban die Mädchen aufgrund der Beschwerden ihrer Väter auspeitschen und sogar steinigen, wenn sie verdächtigt werden, Geliebte zu haben.
Durch die Geländegewinne der Taliban hat sich auch die Wirtschaftslage weiter verschlechtert. Für die Wirtschaftstreibenden erwächst dadurch Erschwernis auf den Transportwegen, welche auf den Wirtschaftsaustausch im Lande Auswirkungen haben und sie bewirken auch somit die hohe Arbeitslosigkeit im Lande. Auf den Hauptstraßen zwischen verschiedenen Provinzen, außerhalb Kabul, Mazar-e Sharif, Bamiyan, Taluqan, Herat, Hauptstadt von Badakhschan, Faizabad usw. herrscht große Unsicherheit, wenn die Menschen ihre Heimatregionen erreichen wollen oder wenn sie in andere Regionen mit Linienbussen oder Taxis reisen wollen. Es kommt immer wieder vor, dass die Taliban vereinzelt einzelne Menschen aus den Bussen und Linientaxis herauszerren und mitnehmen.
Die Städte Mazar- e Sharif, Kabul, Herat, Bamiyan zählen derzeit zu relativ sicheren Städten Afghanistans. Der Grund liegt darin, dass die Sicherheitsmaßnahmen in diesen Städten seitens der Behörde und der ausländischen Truppen erhöht worden sind. Aber sie bieten fremden Menschen, d.h. Menschen aus anderen Provinzen keine Arbeitsmöglichkeit, aber auch keine Wohnmöglichkeit, wenn die Fremden keine Verwandten dort haben oder wenn sie keinen Arbeitsplatz vorweisen können.
Die Stadt Kabul wurde bis vor zwei Wochen, begonnen von September 2015 bis Mitte April 2016, von größeren Attentaten verschont. Aber am 19.04.2016 haben die Taliban wieder zugeschlagen und einen Lastwagen voll Sprengstoff zur Explosion gebracht, bei der 300 Menschen schwer verletzt und mehr als 60 Menschen getötet worden sind. Dieses Attentat galt zwar dem 10. Präsidium des Staatssicherheitsdienstes, aber dabei starben mehr Zivilisten als die Mitglieder der Behörde. (siehe Beilage 1)
Die Heimatprovinz des BF, die Provinz Nangarhar, gilt weiterhin als eine unsichere Provinz. Dort ist seit 2015 eine neue Gruppe neben den Taliban entstanden, die sich nach IS = der Terrorgruppe Islamischer Staat, richtet. In mehr als zehn Distrikten dieser Provinz ist nun auch der IS aktiv. Dort führen einerseits Taliban und IS Kriege gegen die Nationalarmee und andererseits bekriegen sich die beiden Gruppen, Taliban und IS, gegenseitig. Bei allen diesen Kriegen kommen hunderte Zivilisten ums Leben. Derzeit sind tausende Familien aus den Kriegsgebieten in Nangarhar nach Kabul und nach Pakistan gezogen. Obwohl XXXX eine belebte Stadt und Millionenstadt ist, kommt es immer wieder vereinzelt zu schweren Anschlägen der Taliban, wobei bis jetzt hunderte Menschen ihr Leben gelassen haben. Aber die Taliban können in absehbarer Zeit die Stadt XXXX nicht unter ihre Kontrolle bringen. Die Außenbezirke von XXXX sind unsichere Gegenden und es gibt immer wieder Angriffe der Taliban auf die Behördenkonvois und auf die Häuser der bekannten Politiker und Sicherheitspersonal (siehe Beilage 2).
Betreffend die Sicherheitslage in Afghanistan, besonders in Nangarhar im Allgemeinen möchte ich auf folgende Internetquellen hinweisen:
https://www.khaama.com/30-killed-as-taliban-and-isis-loyalists-clash-in-nangarhar-province-0755
http://afghanistantimes.af/taliban-daesh-clash-leaves-17-killed-in-nangarhar/
http://www.tolonews.com/en/afghanistan/23196-daesh-presence-widespread-in-nangarhar-province
http://www.bbc.com/news/world-asia-32363749
Die Stadt XXXX bietet nicht genug Kapazität für die internen Flüchtlinge, weder räumlich noch wirtschaftlich. Die afghanische Regierung und die internationale Gemeinschaft hat bis jetzt keine effektive Integrationsmöglichkeit in Städten wie XXXX , Kabul, Herat und Mazar-e Sharif, wo die Taliban nicht herrschen, geschaffen, damit die internen Flüchtlinge und auch die Rückkehrer Arbeitsmöglichkeit und Überbrückungsmöglichkeit bekommen könnten.
Der BF war ein Hilfsarbeiter bzw. Tagelöhner aus der Umgebung von XXXX ( XXXX ) und er hat keine Fachausbildung. Daher kann er im Falle seiner Rückkehr sich kaum in seiner Heimatregion integrieren und wirtschaftlich ein menschenwürdiges Leben schaffen. Der BF hat entsprechend den afghanischen Verhältnissen spontan erklärt, dass er sich in Afghanistan in einer schlechten Wirtschaftslage befunden hat. Nach meiner persönlichen Wahrnehmung in Afghanistan während meiner Forschungsreise vom 21. 03.2016 bis 02. 04. 2016 hat sich die Arbeitslosigkeit unter den Jugendlichen, besonders jenen die keine Fachausbildung haben, stark erhöht. Derzeit sind mehr als 60% der Jugendlichen in Afghanistan, auch in Großstädten, arbeitslos. Diese Situation treibt die Jugendlichen entweder ins Ausland oder zur Kriminalität, Drogensucht und auch zu den bewaffneten Gruppen, wie den Taliban. Der BF hat keine Fachausbildung. Autowäscher sind in Afghanistan einfache Tagelöhner, die keine anderen geregelten Jobs finden. Für die Niederlassung der Rückkehrer und der internen Flüchtlingen in Großstädten sind Familienrückhalt, Fachausbildung und Integrationsmaßnahmen der internationalen Gemeinschaft notwendig. Derzeit gibt es in Afghanistan keine Integrationsmaßnahmen der internationalen Gemeinschaft, welche augenscheinlich für die Unterstützung der Rückkehrer ausreichend vorhanden wären. Es gibt vereinzelte Hilfsmaßnamen von NGO¿s die im Rahmen ihrer Hilfsprogramme einzelne Kindergärten, wenige Behinderte oder einige Frauen unterstützen. Aber diese Maßnahmen reichen bei weitem nicht, davon auszugehen, dass jeder Rückkehrer im Rahmen dieser Maßnahmen versorgt werden könnte. Es gibt Maßnahmen seitens des UNHCR und der Regierung, aber auch seitens von einigen reichen Afghanen, die für die internen Flüchtlinge bedacht sind. Im Rahmen dieser Maßnahmen werden vor allem die internen Flüchtlinge aus Kunduz, Nangarhar, Helmand und Faryab betreut. Im Rahmen dieser Hilfe bekommt eine Familie eine einmalige Unterstützung in der Höhe von ca. höchstens $ 100.-, die bei weitem nicht ausreicht, diese Flüchtlinge mehr als ein Monat zu versorgen.
Fortsetzung: 12.47 Uhr
Keine Stellungnahme des RV und BF.
R: Das Gericht hat Ihnen mit der Ladung die aktuellen Länderberichte zur Stellungnahme zugeschickt, Sie haben sich dazu nicht schriftlich geäußert, wollen Sie sich nun mündlich äußern dazu?
BF und RV: Nein.
R fragt BF und RV, ob weitere Anträge gestellt werden.
BF und RV: Nein."
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des BF:
Der BF ist afghanischer Staatsbürger, aus der Provinz Nangarhar, XXXX stammend, der dort zwar bis zu seiner Ausreise gelebt hat, die familiären Wurzeln des BF liegen aber in der Umgebung von XXXX . Die BF ist am XXXX geboren und somit zum Zeitpunkt der Entscheidung volljährig. Der BF ist ledig. Seine Mutter und sein Vater sind verstorben. Der BF hat keine weiteren Verwandten in Afghanistan. Der BF ist Paschtune, sunnitischen Glaubens und spricht Paschtu und Dari. Der BF besitzt eine 7jährige Schulausbildung, zuletzt war der BF als Hilfsarbeiter (Autowäscher) tätig. Über eine Fach-/Berufsausbildung verfügt der BF nicht. Der BF ist gesund, befindet sich aber aufgrund einer posttraumatischen Belastungsstörung in ärztlicher Behandlung. Der BF legte seine Tazkira und diverse Unterlagen zum Beweis seiner Integrationsbemühungen vor.
Der BF befindet sich seit spätestens 10.01.2013 in Österreich. Er ist illegal in das Bundesgebiet eingereist. Der BF ist unbescholten.
Soweit im Übrigen in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (Name, Geburtsdatum und Geburtsort) getroffen wurden, beruhen diese auf den vom Sachverständigen festgestellten Angaben und auf den glaubwürdigen Angaben und vorgelegten Beweismitteln des BF. Diese Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung der Person des BF im Asylverfahren.
1.2 Zur Lage im Herkunftsstaat:
Dem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wurden zugrunde gelegt:
a) nachstehende Länderberichte über die Lage/Sicherheitslage in Afghanistan,
b) die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchsuchender des hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) vom 6. August 2013
c) sowie das Gutachten des länderkundlichen Sachverständigen, Dr. Sarajuddin RASULY, für Afghanistan, in der Verhandlung vom 29.04.2016 (siehe Punkt I.21.).
Ad a) Nachstehende Länderberichte wurden herangezogen:
• Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Afghanistan, Wien am 19.11.2014, (letzte Kurzinformation eingefügt am 29.09.2015)
Ad b) Zu den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchsuchender des hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) vom 6. August 2013:
• Abrufbar unter: http://www.refworld.org
2. Beweiswürdigung:
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt des BFA unter zentraler Berücksichtigung der darin enthaltenen niederschriftlichen Angaben des BF, dem bekämpften Bescheid, der Beschwerde sowie den Ergebnissen der mündlichen Verhandlung Beweis erhoben.
2.1. Zur Person des BF:
Die getroffenen Feststellungen zur Person ergeben sich aus dem diesbezüglichen Vorbringen des BF. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zur Volksgruppen- und zur Religionszugehörigkeit, zur Herkunft und zu den Lebensumständen des BF im Herkunftsstaat stützen sich auf die Angaben der BF im Verfahren vor dem BFA, in der Beschwerde, sowie in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und auf die Kenntnis und Verwendung der Sprache Paschtu. Die Angaben der BF waren gleichlautend und somit glaubhaft.
Die Authentizität der Angaben des BF zu diesen Fragestellungen wurde durch das Gutachten des länderkundlichen Sachverständigen bestätigt, bei ihm handelt es sich um einen mit ausgewiesener Fach- und Landeskunde ausgestatteten Experten, der selbst Afghane ist und aufgrund regelmäßiger Vorort-Recherchen in Afghanistan über die dementsprechenden Orts- und Sprachkenntnisse verfügt. Es bestanden daher aus Sicht des erkennenden Gerichtes keine Anhaltspunkte, dem Gutachten nicht zu folgen und folgte das Gericht vielmehr diesem Gutachten zur Gänze.
Die Identität des BF steht mit für das Verfahren ausreichender Sicherheit fest.
2.3. Zur derzeitigen Sicherheitslage in Afghanistan und der Heimatregion des BF, zur Versorgunglage- und Rückkehrsituation:
Diese Feststellungen stützen sich auf die oben angeführten Quellen. Das Bundesverwaltungsgericht bediente sich hierbei einer ausgewogenen Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nichtstaatlichen Ursprunges, um sich so ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer machen zu können. Angesichts der Seriosität der genannten Quellen und der Plausibilität dieser Aussagen, der die belangte Behörde weder mündlich noch schriftlich substantiiert entgegengetreten ist, besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund, an der Zuverlässigkeit und Richtigkeit dieser Quellen zu zweifeln.
Andererseits stützt sich das Bundesverwaltungsgericht auf das in der Verhandlung erstattete Gutachten des mit ausgewiesener Fach- und Landeskunde ausgestatteten länderkundigen Sachverständigen für Afghanistan, Univ.- Lekt. Dr. Sarajuddin Rasuly, zur Sicherheitslage in Afghanistan.
Das Vorbringen des BF war glaubhaft und in sich schlüssig und wurde vor allem durch seine persönliche Befragung in der Verhandlung vor dem BVwG untermauert. Die Angaben waren in sich stimmig und wiesen keine Widersprüche auf.
In einer Gesamtschau der Angaben des BF im gesamten Verlauf des Verfahrens und aus den dargelegten Erwägungen erscheint das Vorbringen zur Furcht vor Verfolgung in Afghanistan insgesamt als glaubhaft.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1 Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 38/2011) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.
§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBl I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.
3.2. Zu Spruchteil A)
Die gegenständlich zulässige und rechtzeitige Beschwerde wurden am 30.12.2015 beim BFA eingebracht und sind nach Vorlage am 07.01.2016 beim BVwG eingegangen.
Das BVwG stellt weiters fest, dass die Verwaltungsverfahren in den wesentlichen Punkten rechtmäßig durchgeführt wurden.
Der BF wurde insbesondere durch die Erstbefragung und die Einvernahme - jeweils unter Zuhilfenahme geeigneter Dolmetscher - ausreichend rechtliches Gehör gewährt.
Zu Spruchpunkt I:
Auf Grund der Zurückziehung der Beschwerde zu Spruchpunkt I in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG ist das Verfahren hinsichtlich dieses Spruchpunktes I einzustellen. Angesichts dieses Umstandes ist auch auf die vom BF im bisherigen Verfahren erstatteten Fluchtgründe nicht mehr weiter einzugehen.
Zu Spruchpunkt II (subsidiärer Schutz):
Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückverweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht war somit zu klären, ob im Fall der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde.
Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechts ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Staates in gleicher Weise erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des § 8 Abs.1 AsylG 2005 gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 25.11.1999, 99/20/0465; 8.6.2000, 99/20/0203; 17.9.2008, 2008/23/0588). Selbst wenn infolge von Bürgerkriegsverhältnissen letztlich offen bliebe, ob überhaupt noch eine Staatsgewalt bestünde, bliebe als Gegenstand der Entscheidung nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Frage, ob stichhaltige Gründe für eine Gefährdung des Fremden in diesem Sinne vorliegen (vgl. VwGH 8.6.2000, 99/20/0203).
Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG gegeben sind:
Aus den im Verfahren herangezogenen herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen ergibt sich zwar, dass die aktuelle Situation in Afghanistan regional von Provinz zu Provinz und innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt variiert, insgesamt aber die Sicherheitslage in Afghanistan weiterhin sehr instabil bleibt und die Taliban weitere Geländegewinne machen und so ihre Einflussgebiete in Afghanistan erweitern. Aus dem Gutachten des beigezogenen länderkundlichen Sachverständigen folgt: Mehr als die Hälfte aller Distrikte Afghanistans stehen unter der Kontrolle der Taliban. Die Heimatprovinz des BF, die Provinz Nangarhar, gilt weiterhin als eine unsichere Provinz. Dort ist seit 2015 eine neue Gruppe neben den Taliban entstanden, die sich nach dem IS richtet. In mehr als zehn Distrikten dieser Provinz ist nun auch der IS aktiv. Dort führen einerseits Taliban und IS Kriege gegen die Nationalarmee und andererseits bekriegen sich die beiden Gruppen, Taliban und IS, gegenseitig. Bei allen diesen Kriegen kommen hunderte Zivilisten ums Leben. Obwohl XXXX eine belebte Stadt ist, kommt es immer wieder vereinzelt zu schweren Anschlägen der Taliban, wobei bis jetzt hunderte Menschen ihr Leben gelassen haben.
Zur Versorgungslage in Afghanistan im Allgemeinen und in XXXX im Besonderen ist zu sagen, dass sich die grundsätzlich schlechte Situation eher noch verschlechtert hat. Die Stadt XXXX bietet nicht genug räumliche und wirtschaftliche Kapazität für die internen Flüchtlinge. Die afghanische Regierung und die internationale Gemeinschaft hat bis jetzt keine effektive Integrationsmöglichkeit in Städten wie XXXX , Kabul, Herat und Mazar-e Sharif, wo die Taliban nicht herrschen, geschaffen, damit die internen Flüchtlinge und auch die Rückkehrer Arbeitsmöglichkeit und Überbrückungsmöglichkeit bekommen könnten.
Weiters folgt aus dem Gutachten, dass der BF aufgrund seiner Tätigkeit und dem Nichtvorliegen einer Fachausbildung bei einer Rückkehr sich kaum in seiner Heimatregion integrieren und ein wirtschaftlich menschenwürdiges Leben bestreiten könnte. Die Arbeitslosigkeit unter den Jugendlichen, besonders jenen die keine Fachausbildung haben, hat sich stark erhöht. Derzeit sind mehr als 60% der Jugendlichen in Afghanistan, auch in Großstädten, arbeitslos. Diese Situation treibt die Jugendlichen entweder ins Ausland oder zur Kriminalität, Drogensucht und auch zu den bewaffneten Gruppen, wie den Taliban. Der BF hat keine Fachausbildung. Autowäscher sind in Afghanistan einfache Tagelöhner, die keine anderen geregelten Jobs finden. Für die Niederlassung der Rückkehrer und der internen Flüchtlingen in Großstädten sind Familienrückhalt, Fachausbildung und Integrationsmaßnahmen der internationalen Gemeinschaft notwendig. Auch in Kabul ist die Versorgungs- und Sicherheitslage schlechter geworden, dies insbesondere für jugendliche Rückkehrer ohne Berufsausbildung und ohne familiären Anschluss, so wie dies im Falle des BF gegeben ist.
Eine innerstaatliche Schutzalternative (§ 8 Abs. 3 iVm § 11 AsylG) würde dem BF unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände sowie auch im Hinblick auf die allgemein schlechte Versorgungslage in Afghanistan derzeit daher auch nicht zur Verfügung stehen.
Das Gericht geht daher davon aus, dass der BF aufgrund der schlechten Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan, Kabul und seiner(m) Herkunftsprovinz/- distrikts und auch wegen seiner fehlenden Berufs-/Fachausbildung und aufgrund der Tatsache, dass sein familiärer Anknüpfungspunkt in der Heimatprovinz nicht mehr gegeben ist, im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan in eine für ihn ausweglose Situation geraten würde, da ihm die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre und er darüber hinaus auch einem massiven Sicherheitsrisiko ausgesetzt wäre.
Die Rückkehr des BF nach Afghanistan erscheint daher derzeit unter den dargelegten Umständen als unzumutbar. Durch die Rückführung in den Herkunftsstaat würde der BF somit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer realen Gefahr ausgesetzt sein, in Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK verletzt zu werden.
Daher war der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides stattzugeben und dem BF gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen.
Zu Spruchpunkt III (Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung):
Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.
Im gegenständlichen Fall war der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen.
Daher war gemäß § 8 Abs. 4 AsylG gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer eines Jahres zu erteilen.
Zu Spruchpunkt IV:
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird, sowie kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.
Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.
Da im gegenständlichen Fall dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen war, liegen die Voraussetzungen für die Anordnung der Rückkehrentscheidung samt Fristsetzung für die freiwillige Ausreise aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Herkunftsstaat gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 und § 10 Abs. 2 AsylG nicht (mehr) vor.
Daher waren die Spruchpunkt III. und IV. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs.1 VwGVG ersatzlos zu beheben.
B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des VwGH auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind somit weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen, zumal im vorliegenden Fall vornehmlich die Klärung von Sachverhaltsfragen maßgeblich für die zu treffende Entscheidung war.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zum Teil zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich weitestgehend gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
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