BVwG L520 2123983-1

BVwGL520 2123983-18.4.2016

AsylG 2005 §10 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs5
AsylG 2005 §10 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs5

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2016:L520.2123983.1.00

 

Spruch:

L520 2123983-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. GACHOWETZ als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Regionaldirektion OÖ) vom 07.03.2016, Zl: 1009295002/VerfZ 14497606 zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und der bekämpfte Bescheid gem. § 28 Abs. 5 VwGVG, Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz), BGBL I 33/2013 idgF behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als BFA bezeichnet) vom 21.01.2016 wurde der BF von der beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot für die Dauer von acht Jahren in Kenntnis gesetzt. Zudem wurde er aufgefordert, innerhalb einer Frist von 2 Wochen eine Stellungnahme zu dem im Schreiben enthaltenen Sachverhalt abzugeben, sämtliche Fragen des BFA zu beantworten sowie seine Privat- und Familienverhältnisse darzulegen. Er wurde weiters informiert, dass im Falle der Nichteinbringung einer Stellungnahme das Verfahren aufgrund der Aktenlage entschieden werde.

Am 16.02.2016 wurden dem BF aktuelle Länderfeststellungen zu seinem Herkunftsstaat zugestellt und er wurde weiters neuerlich von der beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot für die Dauer von acht Jahren in Kenntnis gesetzt.

Bis dato brachte der BF zu keinem der beiden genannten Schreiben eine Stellungnahme beim BFA ein.

2. Mit Bescheid des BFA vom 07.03.2016 wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. §§ 57 und 55 AsylG 2005 idgF nicht erteilt und gegen diesen gem. § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG idgF eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen. (Spruchpunkt I.)

In einem wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF gem. § 52 Abs. 9 FPG in die Türkei zulässig ist (Spruchpunkt II.) und gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG idgF gegen den BF ein auf 8 Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.).

Gem. § 55 Abs. 4 FPG wurde dem BF eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt IV.) und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung gem. § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG idgF aberkannt (Spruchpunkt V.).

3. Am 17.03.2016 stellte der BF einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, welcher am 23.03.2016 beim BFA eingebracht wurde.

4. Mit Schriftsatz vom 21.03.2016, beim BFA eingelangt am 23.03.2016, erhob der BF vollinhaltlich Beschwerde gegen den Bescheid des BFA und stellte einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gem. § 18 Abs. 5 BFA-VG.

5. Gegenständliche Beschwerde langte samt Bezug habendem Verwaltungsakt am 04.04.2016 in der hg. Gerichtsabteilung ein.

6. Hinsichtlich des Verfahrensganges und des Parteivorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

7. Beweis wurde erhoben durch die Einsichtnahme in den behördlichen Verwaltungsakt unter zentraler Zugrundelegung der Angaben des BF, der im Akt einliegenden strafgerichtlichen Urteile, des Bescheidinhaltes sowie des Inhaltes der gegen den Bescheid des BFA erhobenen Beschwerde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der relevante Sachverhalt ergibt sich aus den unter Punkt I dargestellten Ausführungen.

2. Beweiswürdigung:

Aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage wird der oa. Sachverhalt als erwiesen angenommen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels einer anderslautenden Bestimmung liegt im gegenständlichen Fall somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Behebung des angefochtenen Bescheides

Gem. § 28 Abs. 5 VwGVG ist das ho. Gericht berechtigt, die Entscheidung der belangten Behörde zu beheben. Die Behörden sind in diesem Fall verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichts entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

§ 28 Abs. 5 VwGVG stellt einen eigenen Tatbestand dar, welcher das Gericht ermächtigt, angefochtene Bescheide durch Erkenntnis zu beheben (vgl. Fischer/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), Anm. 17 zu § 28 VwGVG).

Bei einer Aufhebung gem. § 28 Abs. 5 VwGVG handelt es sich um eine materielle Erledigung der Rechtssache durch (ersatzlose) Behebung des angefochtenen Bescheids in Form eines Erkenntnisses. Die Behebungsgründe werden gesetzlich nicht genannt. Die Regelung entspricht im Wesentlichen dem bisherigen § 66 Abs. 4 AVG (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, Rz 17ff zu § 28). Hengstschläger/Leeb, AVG, Manz Kommentar, Rz 97 zu § 66 [Abs. 4], führen mwN auf die höchstgerichtliche Judikatur hierzu aus (Heraushebung nicht im Original): "Hätte der angefochtene Bescheid nicht ergehen dürfen, weil nach den maßgeblichen Verwaltungsvorschriften in der anhängigen Rechtssache die Erlassung eines Bescheides entweder im unterinstanzlichen Verfahren überhaupt unzulässig war oder während des Berufungsverfahren unzulässig geworden ist, oder hätte ihn die betroffene Behörde (mangels Zuständigkeit) nicht erlassen dürfen und kann der dem materiellen Recht entsprechende Zustand nur durch die Kassation des zu Unrecht ergangenen Bescheides hergestellt werden, hat die Rechtsmittelbehörde den Bescheid gem. § 66 Abs. 4 AVG ersatzlos, dh ohne eine darüber hinausgehende Sachentscheidung, zu beheben"

§ 52 Abs. 2 FPG lautet (Heraushebung nicht im Original):

"(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige."

§ 10 Abs. 1 AsylG lautet (Heraushebung nicht im Original):

"(1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt."

Aus den §§ 10 Abs. 1 AsylG und 52 Abs. 2 FPG geht hervor, dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung nur gemeinsam mit dem den Antrag auf internationalen Schutz erledigenden Bescheid rechtlich zulässig ist. Der BF stellte am 17.03.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, somit nach Erlassung sowie vor Rechtskraft der Rückkehrentscheidung vom 07.03.2016. Es ist somit festzustellen, dass das Verfahren des BF in Bezug auf die Erlassung einer Rückkehrentscheidung im Nachhinein mit der Stellung des Asylantrages unzulässig wurde und über die Frage der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung nunmehr erst zusammen mit dem den Antrag auf internationalen Schutz ergehenden Bescheid entschieden werden darf. Das ho. Gericht hat daher den angefochtenen Bescheid zu beheben (vgl. Erk. d. VwGH vom 05.03.2015, Ra 2014/02/0159mwN).

Da die weiteren Spruchpunkte das Vorhandensein einer Rückkehrentscheidung voraussetzen, war der angefochtene Bescheid somit zur Gänze zu beheben.

Rechtsfolgen

Zur Klarstellung weist das ho. Gericht darauf hin, dass mit der Erlassung der gegenständlichen Entscheidung in Bezug auf den BF wieder jene Rechtslage eintritt, wie sie vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides gegolten hat.

Das ho. Gericht legt auch auf die Feststellung wert, dass das ho. behebende Erkenntnis ausschließlich auf den Umstand fußt, dass der BF vor dem Eintritt der Rechtskraft der angefochtenen Rückkehrentscheidung einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Mit der Erlassung des gegenständlichen Erkenntnisses ist nichts über die Zulässigkeit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung bzw. Einreiseverbotes gemeinsam mit dem den Antrag auf internationalen Schutz erledigenden Bescheid gesagt. Dies wird von der belangten Behörde zu prüfen und eine entsprechende Entscheidung zu fällen sein.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das ho. Gericht orientiert sich in einer Entscheidung an der einheitlichen Judikatur hinsichtlich der gebotenen Vorgangsweise im Falle der Behebung eines angefochtenen Bescheides im Falle von dessen Invalidierung, wobei insbesondere die Judikatur zur Vorgängerbestimmung des § 28 Abs. 5 VwGVG (66 Abs. 4 AVG), sowie auf den klaren Wortlaut und zur einheitlichen Judikatur in Bezug auf das gebotene Vorgehen "unter einem" im Falle der Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen zusammen mit der Erledigung einer Antrages auf internationalen Schutz. Auch hier wird auf die Judikatur zu den Vorgängerbestimmungen Augenmerk gelegt (vgl. § 10 AsylG 2005 aF und deren Vorgängerbestimmung § 8 Abs. 2 AsylG 1997).

Aus dem Umstand, dass das ho. Gericht und die belangte Behörde mit 1.1.2014 ins Leben gerufen wurden bzw. sich die asyl- und fremdenrechtliche Diktion, sowie Zuständigkeiten zum Teil änderte kann ebenfalls kein unter Art. 133 Abs. 4 zu subsumierender Sachverhalt hergeleitet werden, zumal sich am substantiellen Inhalt der anzuwendenden Normen keine relevante Änderung ergab.

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