GSVG §194
GSVG §25 Abs7
GSVG §25a
GSVG §35
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2023:I413.2228832.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dr. Martin ATTLMAYR, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , vertreten durch Rechtsanwältin Dr.in Esther PECHTL-SCHATZ, gegen den Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (nunmehr SVS), Landesstelle Tirol vom 29.11.2019, Zl. XXXX , zu Recht:
A)Der Beschwerde wird teilweise stattgegeben und der angefochtene Bescheid abgeändert, dass es zu lauten hat:
„Gemäß § 194 Gewerbliches Sozialversicherungsgesetz (GSVG) in Verbindung mit §§ 409 und 410 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) wird über Antrag entschieden:
1) Sie sind zum 12.06.2019 verpflichtet, einen Betrag von EUR 9.901,21, bestehend aus rückständigen Sozialversicherungsbeiträgen für den Zeitraum 01.05.2015 bis 31.03.2019 iHv EUR 9.878,21, sowie Verzugszinsen und Nebengebühren bis zum 10.06.2019 iHv insgesamt EUR 23,01 zu zahlen.
2) Für die Dauer des weiteren Zahlungsverzuges ab 11.06.2019 sind Sie verpflichtet Verzugszinsen im gesetzlichen Ausmaß (§ 35 Abs 5 GSVG) aus dem aushaftenden Kapital zu bezahlen.“
B)Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid vom 29.11.2019 stellte die belangte Behörde fest, dass XXXX bis zum 12.06.2019 verpflichtet werde, einen Betrag von EUR 22.098,38, bestehend aus rückständigen Sozialversicherungsbeiträgen für den Zeitraum von 01.05.2015 bis 31.03.2019 iHv EUR 21.640,24, rückständigen Kostenanteile iHv EUR 103,00 sowie Verzugszinsen und Nebengebühren bis zum 10.06.2019 iHv insgesamt EUR 355,15 zu zahlen. Weiters wurde er dazu verpflichtet, für die Dauer des weiteren Zahlungsverzuges ab 11.06.2019 Verzugszinsen im gesetzlichen Ausmaß aus dem Kapital iHv EUR 19.474,55 zu bezahlen. Begründend wurde im Bescheid – neben einer rechnerischen Darstellung der Beträge – im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Gewerbeberechtigungen jedenfalls im Zeitraum 01.05.2015 bis 31.03.2018 nach § 2 Abs 1 Z 1 GSVG der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung und im Zeitraum 01.05.2015 bis 31.03.2019 nach § 8 Abs 1 Z 3 lit a 1. Teilstrich ASVG in der Unfallversicherung unterlegen sei. Die Nachbemessung der vorläufigen Beitragsgrundlage für das Kalenderjahr 2015 sei anhand der Einkünfte des entsprechenden Einkommenssteuerbescheids, welcher vor dem Pensionsstichtag des Beschwerdeführers übermittelt worden war, erfolgt. Für die Kalenderjahre 2016 bis 2018 wären die vorläufigen Beitragsgrundlagen mit Pensionsstichtag 01.04.2018 zu endgültigen Beitragsgrundlagen „versteinert“ worden, da bis zu diesem Zeitpunkt in Ermangelung des Vorliegens der Einkommenssteuerbescheide dieser Kalenderjahre noch keine Nachbemessung erfolgen habe können.
2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Beschwerde, welche er zusammengefasst damit begründete, seine Gewerbeberechtigung lautend auf „Musikverlag“ sei nach wie vor aufrecht und er weiterhin selbständig erwerbstätig, weshalb die Beitragsgrundlagenermittlung nach § 25 nach § 25 Abs 6 GSVG greife und die endgültige Beitragsgrundlage an die Stelle der vorläufigen Beitragsgrundlage trete, sobald die hiefür notwendigen Nachweise vorliegen würden.
3. Mit Erkenntnis vom 17.06.2020, GZ I413 2228832-1/8E, gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde statt und behob den angefochtenen Bescheid unter Zulassung der Revision mit der Begründung, dass aufgrund der selbständigen Erwerbstätigkeit und Pflichtversicherung des Beschwerdeführers nicht von einer Versteinerung der vorläufigen Beitragsgrundlagen für die Jahre 2016 bis 2018 im Sinne des § 25 Abs 7 GSVG auszugehen sei, sondern greife wieder die Beitragsgrundlagenermittlung nach § 25 Abs 6 GSVG, weshalb auch für die Jahre 2016 bis 2018 die endgültigen Beitragsgrundlagen entsprechend den Einkommensbescheiden festzusetzen seien. Daneben sei in Hinblick auf das Jahr 2015 der rechtskräftige Einkommenssteuerbescheid vom 14.09.2018 heranzuziehen. Dieses Erkenntnis wurde durch den Verwaltungsgerichtshof mit Entscheidung vom 20.09.2021, Ro 2020/08/0008, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Begründet wurde dargelegt, dass bereits der eindeutige Gesetzeswortlaut alleine darauf abstelle, dass die vorläufigen Beitragsgrundlagen „noch nicht nachbemessen“ seien. Zum Zeitpunkt des Stichtages 01.04.2018 wäre zwar ein Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2015 vorgelegen, nicht jedoch Einkommenssteuerbescheide für die folgenden Jahre, weshalb gemäß § 25 Abs 7 GSVG die vorläufigen Beitragsgrundlagen nach § 25a GSVG als Beitragsgrundlagen im Sinne des § 25 Abs 2 GSVG anzusehen seien. Die spätere Vorlage der Einkommenssteuerbescheide 2016 bis 2018 führe zu keiner Nachbemessung im Sinne des § 25 Abs 6 GSVG. Die Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes finde im Gesetzeswortlaut keine Deckung und entspreche auch nicht seinem Zweck, zum Pensionsstichtag jedenfalls das Vorhandensein endgültiger Beitragsgrundlagen für die Pensionsbemessung zu gewährleisten.
4. Mit Beschluss vom 23.02.2022 zu I413 2228832-1/17Z beantragte das Bundesverwaltungsgericht beim Verfassungsgerichtshof, dass dieser § 25 Abs 7 des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl Nr 560/1978 in der Fassung BGBl I Nr 139/1998 als verfassungswidrig aufheben möge. Mit weiterem Beschluss zu I413 2228832-1/18Z setzte das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes über den Antrag vom 23.02.2022 aus.
5. Am 28.02.2023, G 66/2022-10, wies der Verfassungsgerichtshof den Antrag des Bundesverwaltungsgerichtes ab. Begründend wurde ausgeführt, dass in der Pensionsversicherung der Versicherungsgedanke in der Ausprägung der Vertragsversicherung zurückgedrängt werde, nicht jede Härte im Einzelfall als unsachlich gewertet werden könne und es dem Gesetzgeber gestattet sein müsse, eine einfache und leicht handhabbare Regelung zu treffen und dabei von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehen zu können. Weiters wurde auch auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Bestimmung des § 25a Abs 5 GSVG hingewiesen.
6. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.03.2023, GZ I413 22283832-1/23Z, wurde die Fortsetzung des Verfahrens ausgesprochen und dem Beschwerdeführer das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs übermittelt, welchem sogleich auch eine Stellungnahmefrist bis längstens 24.03.2023 zur Abgabe eines Sachvorbringens eingeräumt wurde. Es langte keine Stellungnahme des Beschwerdeführers ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Einzelrichter erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer war im Zeitraum vom 23.11.1999 bis 31.03.2018 Inhaber der Gewerbeberechtigungen "Public-Relations-Berater", "Webeagentur" sowie "Vermittlung von Musikern und Künstlern, unter Ausschluss jeglicher nach § 18 AMFG bewilligungspflichtiger Tätigkeiten". Diese Gewerbeberechtigungen legte der Beschwerdeführer am 31.03.2018 zurück.
Seit 27.06.2003 ist der Beschwerdeführer Inhaber der Gewerbeberechtigung "Musikverlag". Diese Gewerbeberechtigung ist nach wie vor aufrecht und der Beschwerdeführer nach wie vor als Musiklehrer selbständig erwerbstätig.
Der Beschwerdeführer ist seit 01.04.2018 in Pension und wurde ihm mit Bescheid vom 24.06.2019 eine Alterspension in Höhe von EUR 2.071,77 (14 Mal jährlich) zuerkannt. Am 03.05.2018 beantragte der Beschwerdeführer die Ausnahme für Kleinunternehmer ab 01.04.2018. Diesem Antrag gab die belangte Behörde statt und nahm ihn ab 01.04.2018 vorläufig von der Pensions- und Krankenversicherung aus.
Zum Zeitpunkt des Eintritts seiner Pensionierung am 01.04.2018 war die endgültige Bemessungsgrundlage für das Jahr 2015 aufgrund des am 23.01.2018 übermittelten Einkommenssteuerbescheides an die Stelle der vorläufigen Bemessungsgrundlage getreten, während die Beitragsgrundlagen für die Jahre 2016 bis 2018 noch nicht nachbemessen waren und in Ermangelung diesbezüglicher Einkommenssteuerbescheide auf vorläufigen Bemessungsgrundlagen basierten. Die vorläufigen Beitragsgrundlagen dieser Jahre wurden aufgrund der Anträge des Beschwerdeführers auf Anpassung der vorläufigen Beitragsgrundlage vom 21.12.2016, 24.02.2017 sowie 07.03.2018 auf EUR 16.000 (Kalenderjahre 2016 und 2017) bzw. EUR 20.000 (Kalenderjahr 2018) herabgesetzt.
Am 12.11.2018 wurde der belangten Behörde ein aufgrund der Wiederaufnahme des Verfahrens vor dem Finanzamt Innsbruck berichtigter Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2015 übermittelt, in welchem die Einkünfte aus Gewerbebetrieb iHv EUR 10.020,68 (zzgl Hinzurechnungsbeiträge) statt EUR 55.000,00 (zzgl Hinzurechnungsbeiträge) ausgewiesen sind. Die Beitragsgrundlage 2015 für die Kranken- und Pensionsversicherungsbeiträge beträgt EUR 1.404,47. Der Beschwerdeführer leistete auf Basis der zunächst ermittelten, höheren Beitragsgrundlage für 2015 Kranken- und Pensionsversicherungsbeiträge für den Zeitraum Jänner 2015 bis April 2015.
Mit Rückstandsausweis vom 12.06.2019 wies die belangte Behörde für den Zeitraum 01.05.2015 bis 31.03.3019 einen Betrag von EUR 22.098,39 mit Fälligkeit zum 28.02.2019 aus, welcher (samt aushaftender Verzugszinsen) in Anbetracht der Wiederaufnahme des Verfahrens vor dem Finanzamt Innsbruck in Zusammenhang mit dem Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2015 zu korrigieren war wie folgt:
ursprünglich nicht entrichtete SV-Beiträge EUR 21.640,24
- Gutschrift Berichtigung KV/PV-Beiträge 2015 EUR 11.762,04
+ noch offene Verzugszinsen und Nebengebühren EUR 23,01
Rückstand gesamt zum 12.06.2019 EUR 9.901,21
Mit Bescheid der (damals) SVA vom 14.06.2019 wurde über eine Aufrechnung der offenen Forderung ab 01.07.2019 zugunsten der belangten Behörde abgesprochen.
Gegen die Pensionsleistung rechnet(e) die belangte Behörde EUR 594,10 gegen den Rückstand jeden Monat auf, sodass per 12.06.2020 ein Rückstandsbetrag von EUR 4.515,08 offen war.
Die Einkommenssteuerbescheide des Beschwerdeführers weisen für das Jahr 2016 Einkünfte aus Gewerbebetrieb iHv EUR 9.245,26, für das Jahr 2017 iHv EUR 7.055,27 und für das Jahr 2018 einen Verlust iHv EUR 2.278,00 aus.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in die Beschwerde sowie in den angefochtenen Bescheid und den vorgelegten Verwaltungsakt und durch Befragung des Beschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 15.06.2020.
Die Feststellungen zu den zurückgelegten Gewerbeberechtigungen ergeben sich zweifelsfrei aus den diesbezüglich nicht bekämpften Feststellungen im bekämpften Bescheid und aus der diese Feststellungen bestätigenden Aussage des Beschwerdeführers (Protokoll vom 15.06.2020, S 4) sowie den im Akt einliegenden Auszügen aus dem Gewerberegister des Gewerbeinformationssystems Austria. Dass das Gewerbe „Musikverlag“ nach wie vor aufrecht ist, bestätigte der Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Verhandlung explizit (Protokoll vom 15.06.2020, S 4) und ergibt sich dieser Umstand zudem auch aus dem im Akt einliegenden Auszug aus dem Gewerberegister. Dass der Beschwerdeführer nach wie vor – auch nach seiner Pensionierung – selbständig erwerbstätig ist, ergibt sich ebenfalls aus seiner diesbezüglich glaubhaften Aussage im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 15.06.2020 (S 4) sowie aufgrund der vorgelegten Einkommenssteuerbescheide (Beilage ./B), die Einkünfte aus Gewerbebetrieb ausweisen.
Dass der Beschwerdeführer seit 01.04.2018 in Pension ist und eine Pension in der festgestellten Höhe bezieht, ergibt sich zweifelsfrei aus der Aussage des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung am 15.06.2020 (S 4) und zuletzt auch aus dem vorgelegten Schreiben Beilage ./A. Daneben liegt ein Bescheid der SVA, in welchem über den Anspruch auf Alterspension ab 01.04.2018 abgesprochen wird und aus welchem der Betrag in Höhe von EUR 2.071,77 hervorgeht, im Verwaltungsakt ein (AS 71). Dass der Beschwerdeführer die Anwendung der Kleinunternehmerregelung beantragt hatte, ergibt sich aus dem Antrag vom 04.05.2018 (AS 56 f) und aus dem Schreiben der belangten Behörde vom 25.06.2018 (AS 60 f), in welchem auch die Stattgabe des Antrages verschriftlicht ist.
Die Feststellung, dass zum Zeitpunkt des Eintritts seiner Pensionierung am 01.04.2018 die endgültige Bemessungsgrundlage für das Jahr 2015 aufgrund des am 23.01.2018 übermittelten Einkommenssteuerbescheides an die Stelle der vorläufigen Bemessungsgrundlage getreten war, während die Beitragsgrundlagen für die Jahre 2016 bis 2018 noch nicht nachbemessen waren und auf vorläufigen Bemessungsgrundlagen basierten, ergibt sich zweifelsfrei aus den diesbezüglich nicht in Zweifel gezogenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides sowie dem Inhalt des Verwaltungsakts. Weder in der Beschwerde, noch in der mündlichen Verhandlung bestreitet der Beschwerdeführer diesen Umstand. Nicht beanstandet wurde auch die Feststellung im angefochtenen Bescheid, dass die Anpassung der vorläufigen Beitragsgrundlagen für die Jahre 2016, 2017 und 2018 aufgrund von Anträgen des Beschwerdeführers erfolgte und entsprechende Herabsetzungen vorgenommen wurden. Die entsprechenden Anträge liegen zudem im Verwaltungsakt ein (AS 16 f; AS 23 und AS 30), ebenso die Genehmigungen der belangten Behörde (AS 25 f; AS 32).
Unstrittig ist auch, dass am 12.11.2018 der belangten Behörde ein aufgrund der Wiederaufnahme des Verfahrens vor dem Finanzamt Innsbruck berichtigter Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2015 übermittelt wurde, in welchem die Einkünfte aus Gewerbebetrieb iHv EUR 10.020,68 (zzgl Hinzurechnungsbeiträge) (statt EUR 55.000,00 zzgl Hinzurechnungsbeiträge) ausgewiesen sind (Beschwerdevorlage vom 21.02.2020, S 2; Beilage ./B). Den diesbezüglichen Einkommenssteuerbescheid des Jahres 2015 brachte der Beschwerdeführer schließlich auch selbst in Vorlage (Beilage ./B). Dass sich die Beitragsgrundlage für 2015 für die Kranken- und Pensionsversicherungsbeiträge auf EUR 1.404,47 beläuft, ergibt sich aus der Summe der Einkünfte aus Gewerbebetrieb laut Einkommenssteuerbescheid 2015 vom 14.09.2018 iHv EUR 10.020,68 und den Hinzurechnungsbeiträgen iHv EUR 6.832,92, geteilt durch Zwölf. Dass der Beschwerdeführer auf Basis der alten, höheren Beitragsgrundlage Beiträge zur Kranken- und Pensionsversicherung leistete, ergibt sich zweifelsfrei aus dem Vorbringen der belangten Behörde im Rahmen der Beschwerdevorlage vom 21.02.2020 (S 2).
Die Feststellungen zum Rückstandsausweis ergeben sich aus dem im Akt einliegenden Rückstandsausweis vom 12.06.2019, dem auch das Fälligkeitsdatum entnommen wurde (AS 65). Im Zuge der Beschwerdevorlage stellte die belangte Behörde die Korrekturen des Jahres 2015 dar, welche vom Beschwerdeführer nicht beanstandet wurden und sich für den erkennenden Richter als plausibel darstellen.
Der Bescheid der (damals) SVA vom 14.06.2019 über die Aufrechnung der offenen Forderung liegt im Verwaltungsakt ein (AS 69). Das Schreiben der (nunmehr) SVS vom Januar 2020, aus welchem die Höhe des Aufrechnungsbetrags gegen den Rückstandsbetrag hervorgeht, wurde im Zuge der mündlichen Verhandlung am 15.06.2020 in Vorlage gebracht (Beilage ./A).
Die Einkommenssteuerbescheide des Beschwerdeführers aus dem Jahr 2016 bis 2018 brachte dieser – neben dem endgültigen Bescheid für das Jahr 2015 – im Zuge der mündlichen Verhandlung in Vorlage (Beilage ./B), aus welchen sich die Feststellungen zur Höhe des Einkommens aus Gewerbebetrieb ergeben.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Teilweise Stattgabe der Beschwerde
Strittig ist im vorliegenden Fall die Bemessungsgrundlage der Sozialversicherungsbeiträge.
Die belangte Behörde bemaß diese anhand der endgültigen Beitragsgrundlage des Jahres 2015 sowie der vorläufigen Beitragsgrundlagen der Jahre 2016 bis 2018, die sie gemäß § 25 Abs 7 GSVG aufgrund des Pensionsstichtages bis 31.03.2018 als versteinert und somit als endgültig gespeichert behandelte, wohingegen der Beschwerdeführer die Auffassung vertrat, dass die belangte Behörde die endgültige Betragsgrundlage anhand der (mittlerweile vorliegenden) Einkommensteuerbescheide zu berücksichtigen gehabt hätte.
3.1. Rechtslage
Entsprechend § 25 Abs 1 GSVG sind für die Ermittlung der Beitragsgrundlage für Pflichtversicherte gemäß § 2 Abs 1, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt wird, die im jeweiligen Kalenderjahr auf einen Kalendermonat der Erwerbstätigkeit im Durchschnitt entfallenden Einkünfte aus einer oder mehreren Erwerbstätigkeiten, die der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz, unbeschadet einer Ausnahme gemäß § 4 Abs 1 Z 5, unterliegen, heranzuziehen; als Einkünfte gelten die Einkünfte im Sinne des Einkommensteuergesetzes 1988. Als Einkünfte aus einer die Pflichtversicherung begründenden Erwerbstätigkeit gelten auch die Einkünfte als Geschäftsführer und die Einkünfte des zu einem Geschäftsführer bestellten Gesellschafters der Gesellschaft mit beschränkter Haftung.
Beitragsgrundlage ist nach § 25 Abs 2 GSVG der gemäß Abs 1 ermittelte Betrag, zuzüglich der vom Versicherungsträger im Beitragsjahr im Durchschnitt der Monate der Erwerbstätigkeit vorgeschriebenen Beiträge zur Kranken-, Arbeitslosen- und Pensionsversicherung nach diesem oder einem anderen Bundesgesetz; letztere nur soweit sie als Betriebsausgaben im Sinne des § 4 Abs 4 Z 1 lit a EStG 1988 gelten (Z 2), vermindert um die auf einen Sanierungsgewinn oder auf Veräußerungsgewinne nach den Vorschriften des EStG 1988 entfallenden Beträge im Durchschnitt der Monate der Erwerbstätigkeit; diese Minderung tritt jedoch nur dann ein, wenn der Versicherte es beantragt und bezüglich der Berücksichtigung von Veräußerungsgewinnen überdies nur soweit, als der auf derartige Gewinne entfallende Betrag dem Sachanlagevermögen eines Betriebes des Versicherten oder einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, an der der Versicherte mit mehr als 25% beteiligt ist, zugeführt worden ist; diese Minderung ist bei der Feststellung der Ausnahme von der Pflichtversicherung gemäß § 4 Abs 1 Z 5 nicht zu berücksichtigen; ein Antrag auf Minderung ist binnen einem Jahr ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Fälligkeit des ersten Teilbetrags (§ 35 Abs 3) der endgültigen Beiträge für jenen Zeitraum, für den eine Verminderung um den Veräußerungsgewinn oder Sanierungsgewinn begehrt wird, zu stellen (Z 3).
Wenn die für eine Feststellung der Beitragsgrundlagen notwendigen Nachweise (in der Regel der Einkommensteuerbescheid) für das betreffende Kalenderjahr noch nicht vorliegen, ist bei Pflichtversicherungen, die im drittvorangegangenen Kalenderjahr bereits bestanden haben, gemäß § 25a Abs 1 Z 2 GSVG die vorläufige monatliche Beitragsgrundlage grundsätzlich die gemäß § 25 Abs 2 GSVG für das drittvorangegangene Kalenderjahr festgestellte monatliche Beitragsgrundlage.
Die endgültige Beitragsgrundlage im Sinn des § 25 Abs 2 GSVG tritt gemäß § 25 Abs 6 GSVG an die Stelle der vorläufigen Beitragsgrundlage, sobald die hiefür notwendigen Nachweise vorliegen.
Gemäß § 25 Abs 7 GSVG gelten vorläufige Beitragsgrundlagen gemäß § 25a, die gemäß Abs 6 zum Stichtag (§ 113 Abs 2) noch nicht nachbemessen sind, als Beitragsgrundlagen gemäß Abs 2 GSVG.
Entsprechend § 25a Abs 1 GSVG ist die vorläufige monatliche Beitragsgrundlage, ausgenommen in den Fällen des Abs 4, wenn eine Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz im drittvorangegangenen Kalenderjahr nicht bestanden hat, die monatliche Beitragsgrundlage nach § 25 Abs 4. Bestehen in einem Kalendermonat Pflichtversicherungen nach § 2 Abs 1 Z 1 bis 3 sowie nach § 2 Abs 1 Z 4, so ist § 359 Abs 3a anzuwenden (Z 1) bzw. in allen anderen Fällen die Summe der gemäß § 25 Abs 2 für das drittvorangegangene Kalenderjahr festgestellten Beitragsgrundlagen, geteilt durch die Zahl der Beitragsmonate der Pflichtversicherung in diesem Kalenderjahr, vervielfacht mit dem Produkt aus der Aufwertungszahl (§ 47) des Kalenderjahres, in das der Beitragsmonat (§ 25 Abs 10) fällt, und aus den Aufwertungszahlen der beiden vorangegangenen Kalenderjahre. Dieser Betrag ist auf Cent zu runden. Konnte die Beitragsgrundlage gemäß § 25 für das drittvorangegangene Kalenderjahr noch nicht festgestellt werden, weil der für die Beitragsbemessung maßgebende Einkommensteuerbescheid oder Einkommensnachweis noch nicht vorliegt, sind die Beitragsgrundlagen des Kalenderjahres heranzuziehen, in dem die Beitragsbemessung gemäß § 25 Abs 6 erfolgt ist. Bei der Vervielfachung ist das Produkt der Aufwertungszahlen entsprechend zu ergänzen (Z 2). Die vorläufige Beitragsgrundlage darf die in § 25 Abs 4 und 5 genannten Beträge nicht unter- oder überschreiten.
Nach § 25a Abs 3 GSVG ist die vorläufige Beitragsgrundlage, sofern nichts anderes bestimmt ist, in Anwendung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes der Beitragsgrundlage gemäß § 25 gleichzuhalten.
Der mit „Vorläufige Betragsgrundlage“ betitelte § 25a GSVG hält in dessen Abs 5 fest, dass die vorläufige Beitragsgrundlage auf Antrag der versicherten Person zu ändern ist (Herab- oder Hinaufsetzung), wenn sie glaubhaft macht, dass ihre Einkünfte im laufenden Kalenderjahr wesentlich von den Einkünften im drittvorangegangenen Kalenderjahr abweichen. Eine Herabsetzung ist nur so weit zulässig, als dies nach den wirtschaftlichen Verhältnissen der versicherten Person gerechtfertigt erscheint. Die herabgesetzte Beitragsgrundlage darf die jeweils anzuwendende Mindestbeitragsgrundlage nach den §§ 25 Abs 4 und 359 Abs 3a nicht unterschreiten, die hinaufgesetzte Beitragsgrundlage darf die Höchstbeitragsgrundlage nach § 48 nicht überschreiten. Der Antrag auf Änderung der vorläufigen Beitragsgrundlage kann bis zum Ablauf des jeweiligen Beitragsjahres gestellt werden. Eine neuerliche Antragstellung ist zulässig, wenn sich die Einschätzung der Höhe der Einkünfte ändert.
Gemäß § 113 Abs 1 Z 1 GSVG gilt der Versicherungsfall bei Leistungen aus den Versicherungsfällen des Alters mit der Erreichung des Anfallsalters als eingetreten. Der Stichtag für die Feststellung, ob der Versicherungsfall eingetreten ist und auch die anderen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, sowie in welchem Ausmaß eine Leistung gebührt, ist bei Anträgen auf eine Leistung nach Abs 1 Z 1 oder 2 der Tag der Antragstellung, wenn dieser auf einen Monatsersten fällt, sonst der dem Tag der Antragstellung folgende Monatserste (§ 113 Abs 2 GSVG).
3.1. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Beschwerdefall
Der Gesetzeswortlaut des § 25 Abs 7 GSVG stellt darauf ab, dass die vorläufigen Bemessungsgrundlagen zum Stichtag (§ 113 Abs 2 GSVG) „noch nicht nachbemessen“ sind. Trifft dies zu, gelten vorläufige Beitragsgrundlagen nach § 25a GSVG als Beitragsgrundlagen im Sinn des § 25 Abs 2 GSVG. Die spätere Vorlage des Einkommensteuerbescheides führt zu keiner Nachbemessung nach § 25 Abs 6 GSVG. Der Verwaltungsgerichtshof hat weiters darauf hingewiesen, dass § 25 Abs 7 GSVG eine abschließende Regelung hinsichtlich der Höhe der zum Stichtag noch nicht nachbemessenen Beitragsgrundlagen darstellt. Der Behörde ist insoweit bei der Feststellung der Beitragsgrundlagen kein Ermessen eingeräumt.
Zum Zeitpunkt des Stichtages 01. April 2018 lag ein Einkommenssteuerbescheid hinsichtlich des Jahres 2015 vor. Dieser wurde seitens der belangten Behörde schließlich in Anbetracht einer Wiederaufnahme des Verfahrens vor dem Finanzamt betreffend das Jahr 2015 zugunsten des Beschwerdeführers abgeändert. Hinsichtlich der Beitragsgrundlage für das Jahr 2015 war die gemäß § 25 Abs 6 GSVG nachbemessene Beitragsgrundlage der Berechnung der Beiträge zur Sozialversicherung zu Grunde zu legen. Hinsichtlich der Höhe der zum Stichtag 1. April 2018 noch nicht nachbemessenen Beitragsgrundlagen für die Jahre 2016 bis 2018, für welche zu diesem Zeitpunkt noch keine Einkommenssteuerbescheide vorlagen, wie unstrittig auch vom Beschwerdeführer eingeräumt, waren dagegen gemäß § 25 Abs 7 GSVG die vorläufigen Beitragsgrundlagen nach § 25a GSVG als Beitragsgrundlagen im Sinn des § 25 Abs 2 GSVG anzusehen. Die spätere Vorlage der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2016 bis 2018 führt zu keiner Nachbemessung im Sinn des § 25 Abs 6 GSVG. Dass der Beschwerdeführer nach Antritt der Pension weiterhin selbstständig erwerbstätig und nach dem GSVG pflichtversichert gewesen ist und daher hinsichtlich der Höhe der zum Stichtag 1. April 2018 noch nicht nachbemessenen Beitragsgrundlagen zu einer Nachbemessung nach § 25 Abs 6 GSVG aufgrund der nunmehr vorliegenden Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2016 bis 2018 zu führen haben, findet im Gesetzeswortlaut keine Deckung und entspricht auch nicht seinem Zweck, zum Pensionsstichtag jedenfalls das Vorhandensein endgültiger Beitragsgrundlagen für die Pensionsbemessung zu gewährleisten.
In der Pensionsversicherung wird nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes der Versicherungsgedanke in der Ausprägung der Vertragsversicherung zurückgedrängt, sodass nicht jede Härte im Einzelfall als unsachlich gewertet werden könne. Auch vor dem Hintergrund, dass der gegenständliche Sachverhalt geradezu der Prototyp des Härtefalls ist, der durch die Regelung des § 25 Abs 7 GSVG zu Lasten der Versicherten entsteht, hält es der Verfassungsgerichtshof für unbedenklich, dass der Gesetzgeber hier eine einfache und leicht handhabbare Regelung trifft, dabei von einer Durchschnittsbetrachtung ausgeht und das Leistungsprinzip in der Sozialversicherung missachten kann. Dass es durch diese Regelung zu einer konfiskatorischen Wirkung kommen kann, wird durch den vorliegenden Fall eindrücklich unter Beweis gestellt, erweist sich jedoch nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes als Härtefall, sodass aus diesem Umstand für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen ist. Der Verfassungsgerichtshof verweist in dem Zusammenhang auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Bestimmung des § 25a Abs 5 GSVG – wie beim Beschwerdeführer hinsichtlich der Jahre 2016, 2017 und 2018 auch der Fall – hin (vgl. VfGH 28.02.2023, G 66/2022).
In Anbetracht der von der belangten Behörde selbst dargelegten Korrekturen hinsichtlich des Jahres 2015 war der Beschwerde (lediglich) teilweise spruchgemäß stattzugeben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Zurückweisung eines Asylfolgeantrages bzw. zur Erlassung eines Einreiseverbotes, noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Gegenständlich wurde der höchstgerichtlichen Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 20.09.2021, Ro 2020/08/0008) und des Verfassungsgerichtshofes (VfGH 28.02.2023, G 66/2022) entsprochen.
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