VwGVG §40
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §40
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2015:I402.1236628.2.00
Spruch:
I402 1236628-2/10Z
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Philipp CEDE, LL.M., als Einzelrichter in der Beschwerdesache des XXXX, geb. XXXX, Staatsangehöriger Algeriens, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Wien, vom 27.02.2011, Zl. 03 08.571-BAW, beschlossen:
A)
Der Antrag des Beschwerdeführers vom 07.07.2015 auf Zurverfügungstellung "eines Rechtsanwalt[s] oder Rechtsberaters[s] für meine Haup[t] bzw. [m]ündliche Verhandlung" wird zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang, Sachverhalt und Beweiswürdigung:
1. Die Beschwerde richtet sich gegen den Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Wien (nunmehr Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, im Folgenden: belangte Behörde), vom 27.02.2011, Zl. 03 08.571-BAW, mit dem der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen wurde, seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abweisung nach Algerien gemäß § 8 Abs. 1 leg.cit für zulässig erklärt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 seine Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Algerien ausgesprochen wurde.
2. Mit "Verfahrensanordnung" der belangten Behörde vom 27.02.2011 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 1 AsylG 2005 "für das Beschwerdeverfahren vor dem Asylgerichtshof die ARGE-Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, XXXX als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt".
3. Mit Wirkung vom 01.01.2014 wurde das Bundesverwaltungsgericht eingerichtet, das als zur Behandlung des Beschwerdeverfahren zuständiges Gericht an die Stelle des Asylgerichtshofes trat.
4. Mit Ladung des Bundesverwaltungsgerichts wurde der Beschwerdeführer zur mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 22.07.2015 geladen.
5. Mit Schreiben vom 07.07.2015 (eingelangt beim BVwG am 08.07.2015 und bei der zuständigen Gerichtsabteilung des BVwG am 09.07.2015) stellte er folgenden Antrag: "Ich möchte Sie bitten[,] mir einen Rechtsanwalt oder Rechtsberater für meine Haup[t] bzw. [m]ündliche Verhandlung am 22.07.2015 zur Verfügung zu stellen. Einen Dolmetscher brauche ich nicht".
6. Der so festgestellte Verfahrensgang lässt sich in unbedenklicher Weise aus dem Gerichtsakt ableiten.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu A)
1. Gemäß Art. 151 Abs. 51 B-VG wird der Asylgerichtshof mit 01.01.2014 zum Verwaltungsgericht des Bundes. Gemäß § 75 Abs. 19 AsylG 2005 sind alle mit Ablauf des 31.12.2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren ab 01.01.2014 vom Bundesverwaltungsgericht nach Maßgabe des Abs. 20 zu Ende zu führen. Das vorliegende Verfahren war zum genannten Zeitpunkt beim Asylgerichtshof anhängig.
2. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Derartige Regelungen kommen für das vorliegende Verfahren nicht zur Anwendung, weshalb es der Einzelrichterzuständigkeit unterliegt.
3. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
4. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
5. Der Antrag des Beschwerdeführers, ihm möge für die mündliche Verhandlung ein "Rechtsanwalt oder Rechtsberater" zur Verfügung gestellt werden, ist nicht zulässig. Das Bundesverwaltungsgericht erachtet es aber für geboten, diesen Antrag durch gesondert anfechtbaren Beschluss zu erledigen, weil es nach der Rechtsprechung (des Verfassungsgerichtshofes) nicht ausreichend ist, wenn die Frage der Beigebung eines Rechtsberaters erst im Wege der Bekämpfung der die Sache erledigenden Entscheidung releviert werden kann, sondern geboten ist, dass im Fall der Nichtbeigebung eine sofort bekämpfbare verfahrensrechtliche Entscheidung ergeht (VfSlg. 19.188/2010).
5.1. Soweit der Antrag auf die Zurverfügungstellung eines "Rechtsberaters" abzielt, ist ihm bereits entsprochen, weil dem Beschwerdeführer bereits ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren (dieser Begriff schließt die mündliche Verhandlung mit ein; vgl. auch Art. 16 RL 2005/85/EG sowie Art. 20 Abs. 1 RL 2013/32/EU ) beigegeben worden ist. Es liegt am Beschwerdeführer, mit seinem Rechtsberater Kontakt aufzunehmen und diesen - falls gewünscht - zur Begleitung und Beratung in der mündlichen Verhandlung aufzufordern. Eine nochmalige Beigabe eines Rechtsberaters ist bei dieser Lage nicht statthaft, weshalb der darauf abzielende Antrag als unzulässig zurückzuweisen ist.
5.2. Soweit der Antrag hingegen auf die Beigabe eines "Rechtsanwaltes" abzielt, ist er als unzulässig zurückzuweisen, weil die gesetzliche Grundlage für eine solche Beigabe bzw. Zurverfügungstellung fehlt. Zwar sieht § 40 VwGVG die Beigabe eines Verteidigers vor, diese Bestimmung beschränkt sich jedoch auf das Beschwerdeverfahren in Verwaltungsstrafsachen. Eine ausdehnende Anwendung dieser Bestimmung verbietet sich angesichts ihrer eindeutigen systematischen Einordnung in den auf das "Verfahren in Verwaltungsstrafsachen" zugeschnittenen 2. Abschnitt des 3. Hauptstückes des VwGVG. Es kann auch nicht angenommen werden, dass eine solche, die durch Wortlaut und Systematik gezogenen Grenzen des Anwendungsbereichs der Regelung außer Acht lassende "Handhabung" des Gesetzes durch das Unionsrecht geboten wäre. Zwar handelt es sich bei der vorliegenden Beschwerdesache zweifellos um eine Angelegenheit, bei deren Beurteilung das Bundesverwaltungsgericht in "Durchführung des Unionsrechts" handelt, wodurch der Anwendungsbereich der EU-Grundrechtecharta eröffnet ist (VfSlg. 19.632/2012). Daraus folgt unter anderem, dass das Verfahren den Garantien des Art. 47 GRC zu genügen hat, zu denen es auch gehört, dass (im Gleichklang mit den Erfordernissen des Art. 6 EMRK und der dazu ergangenen Rechtsprechung des EGMR - vgl. Art. 52 Abs. 3 GRC) unter besonderen Umständen, insb. je nach Komplexität des Verfahrens, Erfolgschancen des Verfahrens und Vermögenslage des Beschwerdeführers, die Beigebung eines unentgeltlichen Verfahrenshelfers geboten sein kann. Derartige Umstände liegen im Beschwerdefall aber insofern nicht vor, als dem Beschwerdeführer für das vorliegende Verfahren, das weder durch besondere Komplexität hervorsticht noch der Anwaltspflicht unterliegt, bereits unentgeltlich ein Rechtsberater gemäß § 66 AsylG 2005 (nunmehr § 52 BFA-VG) beigegeben wurde, dem die Aufgabe zukommt, den "Asylwerber
beim Einbringen einer Beschwerde ... und im Beschwerdeverfahren vor
dem Asylgerichtshof [seit 01.01.2014: Bundesverwaltungsgericht] [zu] unterstützen und beraten". Das Gesetz verlangt von Rechtsberatern eine einschlägige Fachexpertise bzw. juristische Ausbildung und sieht Garantien für deren Unabhängigkeit und Zuverlässigkeit vor. Unter diesen Umständen sieht das Bundesverwaltungsgericht kein aus Art. 47 GRC erfließendes unionsrechtliches Gebot der (zusätzlichen) unentgeltlichen Beigebung eines Rechtsanwaltes. Aus unionsrechtlichen Gründen erfährt die anzuwendende innerstaatliche Rechtslage daher keine Modifikation. Für die Beigebung eines "Rechtsanwaltes" besteht somit keine Rechtsgrundlage. Daher ist der Antrag auch in dieser Hinsicht unzulässig.
5.3. Das Bundesverwaltungsgericht hegt ausgehend vom Vorgesagten für asylrechtliche Verfahren im Anwendungsbereich des BFA-VG im Beschwerdefall auch keine Bedenken ob der Verfassungskonformität der von ihm anzuwendenden (Verfahrens‑)Rechtslage. Abgesehen von der Frage, welche Normen zur Erreichung einer bereinigten Rechtslage nach Aufhebung angefochten werden können (hier: eine Rechtslage, die - auch der grundrechtlichen Position des Rechtsanwalts gegenüber - eine gesicherte Grundlage für die Heranziehung des Anwalts zur Mitwirkung auch außerhalb eines Verwaltungsstrafverfahrens böte), sieht sich das Bundesverwaltungsgericht im Anwendungsbereich des BFA-VG somit nicht veranlasst, die Aufhebung von Gesetzesbestimmungen aus jenen Gründen zu beantragen, die der Verfassungsgerichtshof für ein ausschließlich den allgemeinen Bestimmungen des VwGVG unterliegendes Verfahren im Hinblick darauf geäußert hat, dass das VwGVG nur im verwaltungsstrafrechtlichen Bereich, nicht aber in seinem allgemeinen Teil die Beigabe von Verfahrenshilfeverteidigern vorsieht (VfGH 09.12.2014, E 599/2014-19).
Zu B) Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil eine einschlägige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)