BFG RV/7300046/2020

BFGRV/7300046/202020.4.2021

Beschlagnahme bei einem zur Verschwiegenheit verpflichteten Bilanzbuchhalter - Vorliegen eines konkreten Verdachtes der Abgabenhinterziehung bestritten.

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2021:RV.7300046.2020

 

Beachte:
Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2021/16/0054. Zurückweisung mit Beschluss vom 26.8.2021.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Finanzstrafsache gegen ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Rainer Hochstöger, Rechtsanwalt, Breitwiesergutstraße 10, 4020 Linz, über die Beschwerde vom 09.09.2019 gegen den Bescheid des Vorsitzenden des Spruchsenates beim Finanzamt Wien 9/18/19 Klosterneuburg als Organ des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glückspiel vom 12.07.2019, SpS ***3***, über die Beschlagnahme gemäß § 89 Abs. 3 lit. a FinStrG bei einem zur Verschwiegenheit Verpflichteten zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit an den selbständigen Bilanzbuchhalter N.N., Adresse1, gerichteter Beschlagnahmeanordnung gemäß § 89 Abs. 1 FinStrG vom 21.05.2019 erging seitens des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glückspiel an die Steuerfahndung Wien und deren Mitarbeiter die Anordnung, sämtliche Geschäftsunterlagen und Buchhaltungsdaten von 18 namentlich genannten Firmen, darunter auch die der nunmehrigen Beschwerdeführerin Fa. ***Bf1***, zu beschlagnahmen.

Begründet wurde diese Beschlagnahmeanordnung mit dem näher ausgeführten Verdacht der Abgabenhinterziehung an Glückspielabgaben für noch festzustellende Zeiträume und in noch festzustellender Höhe gegen diese Firmen bzw. deren noch zu ermittelnden Machthaber.

Am 22.05.2019 fand an der Adresse des N.N. in dessen Geschäftsräumen der N-GmbH auf Anordnung der Staatsanwaltschaft ***1*** eine Hausdurchsuchung statt.

Dabei wurde die Beschlagnahmeanordnung gemäß § 89 Abs. 1 FinStrG des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glückspiel vom 21.05.2019, Vormerknummer ***2***, übergeben und unter anderem 9 näher bezeichnete Ordner der Fa. ***Bf1*** aus Beweisgründen sichergestellt.

Der Betroffene, Herr N.N., stellte dabei als zur Verschwiegenheit verpflichteter Parteienvertreter den Antrag auf Anlegen von Verschlussmittel in Form von Siegel gemäß § 89 Abs. 5 FinStrG, welchem auch entsprochen wurde.

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Mit Bescheid des Vorsitzenden des Spruchsenates beim Finanzamt Wien 9/18/19 Klosterneuburg als Organ des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glückspiel vom 12. Juli 2019, SpS ***3***, über die Beschlagnahme gemäß § 89 Abs. 3 lit. a FinStrG wurde hinsichtlich der Fa. ***Bf1*** die Beschlagnahme folgender Unterlagen bestätigt:

47

350

Ordner schwarz schmal

Bf1 Steuerakt ***4***

Büro Empfang

47

351

Ordner rot schmal

Bf1 KFT JA 2017/2018

Archiv

47

352

Ordner gelb schmal

Bf1 2017

Archiv

47

353

Ordner weiß breit

Bf1 Belege 2018 08

Chefbüro

47

354

Ordner türkis breit

Bf1 KFT (ausgeschieden) LV 2018

Büro Empfang

47

355

Ordner grün breit

Bf1 LV 2018

Büro Empfang

47

356

Ordner grün schmal

Bf1 LV 2019

Büro Empfang

48

357

Ordner grün breit

Bf1 (ausgeschieden) LV 2018

Büro Empfang

48

357

Ordner grün breit

Bf1 Belege 2019 1 + 3

Büro Empfang

Von der Beschlagnahme ausgenommene Unterlagen wurden mit dem angefochtenen Bescheid in Bezug auf die Firma ***Bf1*** nicht festgestellt.

Zur Begründung wurde wie folgt ausgeführt:

N.N., in dessen Räumlichkeiten die Buchhaltungsunterlagen beschlagnahmt worden seien, habe am 22.5 2019 den Antrag auf Anlegen von Verschlussmittel gemäß § 89 Abs. 5 FinStrG gestellt.

Am 9.7.2019 sei in näher bezeichneten Räumlichkeiten in Gegenwart des Spruchsenatsvorsitzenden und näher bezeichneten Bediensteten der Finanzstrafbehörde sowie des Buchhalters N.N. die Unterlagen gesichtet und hierüber ein Protokoll aufgenommen worden.

N.N. habe zu Protokoll gegeben, dass sich in sämtlichen Kartons vorwiegend Jahresabschlüsse, Belege, Kontoblätter, Lohnverrechnungsunterlagen und Buchhaltungsunterlagen befänden. In einigen Kartons befänden sich auch die jeweiligen zu den Firmen gehörigen Steuerakten. In diesen Steuerakten fänden sich wiederum Unterlagen, welche vertrauenswürdig seien und welche er von der Beschlagnahme ausgenommen haben wolle.

In Bezug auf die Firma ***Bf1*** seien dies aus Karton 47 LfNr. 350 zwei Verträge (a. und b.) sowie ein Bescheid der den Buchhalter zugestellt worden sei, weil die Behörde geglaubt hätte, dass die Fa. Bf1 bei ihm den Sitz hätte.

Dazu werde vom zuständigen Vorsitzenden des Spruchsenates erwogen:

Gemäß § 89 Abs. 1 FinStrG habe die Finanzstrafbehörde mit Bescheid die Beschlagnahme von verfallsbedrohten Gegenständen und von Gegenständen, die als Beweismittel in Betracht kommen, anzuordnen, wenn dies zur Sicherung des Verfalls oder zur Beweissicherung geboten sei.

Beweismittel, auf die sich eine gesetzlich anerkannte Pflicht zur Verschwiegenheit erstrecke, unterlägen bei dem zur Verschwiegenheit Verpflichteten der Beschlagnahme nur,
a) soweit begründeter Verdacht bestehe, dass dieser selbst Beteiligter, Hehler oder Begünstigender in Bezug auf das Finanzvergehen sei, oder b) wenn es sich um Bücher oder Aufzeichnungen nach den §§ 124 bis 130 BAO oder um dazugehörende Belege oder um solche Gegenstände, welche zur Begehung des Finanzvergehens bestimmt waren oder diese erleichtert haben oder die aus dem Finanzvergehen herrühren, handle (Abs. 3).

Behaupte der zur Verschwiegenheit Verpflichtete oder der Beschuldigte, dass die Voraussetzungen für eine Beschlagnahme nach Abs. 3 und 4 nicht vorlägen, oder sei er bei der Beschlagnahme nicht anwesend, so sei der Gegenstand ohne weitere Untersuchung unter Siegel zu nehmen und ohne Verzug dem Vorsitzenden des Spruchsenates vorzulegen, dem gemäß § 58 Abs. 2 FinStrG unter den dort vorgesehenen Voraussetzungen die Durchführung der mündlichen Verhandlung und die Fällung des Erkenntnisses obliegen würde. Der Vorsitzende des Spruchsenates habe mit Bescheid festzustellen, ob die Beweismittel der Beschlagnahme unterliegen (Abs. 5).

Die beschlagnahmten Unterlagen der Fa. ***Bf1*** kämen im noch abzuführenden Finanzstrafverfahren als Beweismittel in Betracht, da es sich um Aufzeichnungen handle, die zur Erhebung des Sachverhaltes bzw. zur Erhärtung des Tatverdachtes unumgänglich seien und nicht von der Ausnahmeregelung des § 89 Abs. 3 FinStrG umfasst seien.

Der Hinweis des N.N. in Hinblick auf seine Verschwiegenheitspflicht vermöge nämlich nur insofern zu überzeugen, als es sich um Gesprächsnotizen, oder Dokumente handle, die ihm in seiner Eigenschaft als Buchhalter im Vertrauen übergeben worden seien.

Mit Beschlagnahmeanordnung vom 21.5.2019 sichergestellten und beschlagnahmten Unterlagen hinsichtlich der Fa. ***Bf1*** unterlägen als Beweismittel der Beschlagnahme.

Diese Maßnahme stehe mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlange eine vernünftige Beziehung zwischen dem Ausmaß des staatlichen Eingriffs und dem Zweck der eingreifenden Maßnahme. Der konkrete Eingriff und seine mit ihm verbundenen Rechtsgutbeeinträchtigung müsse in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Straftat, der bestehenden Verdachtslage und dem zu erwartenden Ermittlungsergebnis stehen. Gegenständlich sei aufgrund der derzeitigen Beweislage von einem dringenden Tatverdacht auszugehen, und könne insbesondere durch die Einsicht und Prüfung der beschlagnahmten Unterlagen eine vollständige Klärung des Tatverdachtes ermöglicht werden.

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In der dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerde vom 9.9.2019 gegen den Bescheid über die Beschlagnahme gem. § 89 Abs. 3 lit. a FinStrG bei einem zur Verschwiegenheit Verpflichteten vom 12.07.2019, zugestellt an N.N. am 09.08.2019, wurde beantragt, eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Spruchsenat durchzuführen, der Beschwerde zur Gänze stattgeben und den Bescheid des Vorsitzenden des Spruchsenates vom 12.07.2019 sowie die Beschlagnahmeanordnung vom 21.05.2019 zur Gänze aufheben und anordnen, dass die beschlagnahmten Gegenstände umgehend an die Beschwerdeführerin zurückgestellt werden, bzw. in eventu, das Bundesfinanzgericht als Rechtsmittelgericht möge der Beschwerde der Beschwerdeführerin zur Gänze stattgeben und den Bescheid des Vorsitzenden des Spruchsenates vom 12.07.2019 sowie die Beschlagnahmeanordnung vom 21.05.2019 zur Gänze aufheben und anordnen, dass die beschlagnahmten Gegenstände umgehend an den Buchhalter ***5*** zurückgestellt werden, in eventu, das Bundesfinanzgericht möge den angefochtenen Bescheid Zurückverweisung der Sache an die Finanzstrafbehörde mit Beschluss beheben, die Beschwerde mangels vorliegenden Bescheid zurückweisen und der Beschwerde jedenfalls die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

Die Beschwerdeführerin (Bf.) bringt wie folgt vor:

"1. Beschwerdegründe

1.1 Zur Beschwerdelegitimation der Beschwerdeführerin

Die Beschwerdeführerin ist durch die Beschlagnahme von ihren Unterlagen eine unmittelbar Betroffene iSd § 152 FinStrG. Die Beschwerdeführerin ist daher aktivlegitimiert.

1.2 Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde

Der angefochtene Bescheid wurde Herrn N.N. am 09.08.2019 zugestellt. Die einmonatige Rechtsmittelfrist ist daher gewahrt.

1.3 Zur Zulässigkeit der Beschwerde

Ist der Beschlagnahmebescheid durch einen Bescheid des Vorsitzenden des Spruchsenates aus dem Rechtsbestand ausgeschieden, so müssen die gegen die Anordnung der Beschlagnahme gerichteten Einwende zwecks Vermeidung, dass eine Beschlagnahmeanordnung der Kontrolle des VwGH entzogen ist, im Rechtsmittel gegen den Bescheid des Vorsitzenden des Spruchsenates geltend gemacht werden (vgl VwGH 17.12.1992, GZ: 91/16/0105).

In der gegenständlichen Beschwerde sind daher auch die Einwände gegen die Beschlagnahmeanordnung vom 21.05.2019 zur Vormerknummer ***2*** geltend zu machen.

1.3.1 Beweismittel

Die Beweissicherung soll den Verlust von Gegenständen vorbeugen, die als Beweismittel in Betracht kommen. Dazu ist es notwendig, dass diese Gegenstände mit Beziehung auf das eingeleitete finanzstrafbehördliche Verfahren wegen eines vorsätzlichen Finanzvergehens ausreichend konkretisiert sind, dh, dass die Unverwechselbarkeit der Beweismittel durch genaue Beschreibung sicher zu stellen ist (vgl VwGH 15.11.1990, 90/16/0056).

Nunmehr ist der Beschwerdeführerin weder bekannt, dass gegen sie ein finanzstrafbehördliches Verfahren eingeleitet wurde, noch sind in der Beschlagnahmeanordnung vom 21.05.2019 Gegenstände mit Beziehung auf das angeblich eingeleitete finanzstrafbehördliche Verfahren angeführt.

1.3.2 Zum Bescheidadressaten

Gemäß § 93 Abs. 2 BAO hat jeder Bescheid unter anderem im Spruch die Person zu nennen, an die er geht. An der Nennung des Adressaten im Spruch eines Bescheides ergibt sich das Leistungsgebot (vgl VwGH 11.11.2010, 2010/17/0043). Aus einem Bescheid muss hervorgehen, an wen er sich richtet, da jede individuelle Norm an eine bestimmte Person gerichtet sein muss (vgl VwGH Hinweis B 18.05.1994, 93/09/0261). Es ist allerdings auf das Gesamtbild der Merkmale der Erledigung abzustellen (Hinweis E 21.05.1992, 90/17/0036). Dabei kann sich der Adressat auch aus dem vor dem Spruch befindlichen Adressfeld im Zusammenhang mit der Begründung ergeben (Hinweis E 18.12.1992, 89/17/0037, 0038).

Der Bescheid vom 12.07.2019 ist an die "A-GmbH" gerichtet. Lediglich in Zusammenschau mit der Beschlagnahmeanordnung vom 21.05.2019 sowie in Zusammenschau mit den beschlagnahmten Gegenständen (44-46, S. 7-8) kann eventuell davon ausgegangen werden, dass auch Unterlagen der Beschwerdeführerin beschlagnahmt wurden.

Diese Bezeichnung des Bescheidadressaten entspricht jedoch nicht den Anforderungen des § 93 Abs. 2 BAO, sodass der Bescheid auch aus dieser Überlegung rechtswidrig ist.

1.3.3 Zur Begründung der Beschlagnahmeanordnung

Im Bescheid vom 21.05.2019 wird die Beschlagnahme mit dem Verdacht der Abgabenhinterziehung betreffend eine "Firma B-KG" begründet.

Inwieweit die Firma B-KG mit der Beschwerdeführerin in Zusammenhang zu bringen ist, ist keinen der Bescheide zu entnehmen.

Der Bescheid leidet daher an einem Begründungsmangel.

Die Beschwerdeführerin behält sich vor weiteres Vorbringen zu erstatten."

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Mit E-Mail vom 19.1.2021 hat die Bf. durch ihren Verteidiger auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet und angekündigt, eine schriftliche Stellungnahme einzureichen.

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Am 25.2.2021 brachte die Bf. durch ihren Verteidiger folgende Stellungnahme ein:

"1. Mit der Beschlagnahmeanordnung des FAGVG vom 21.05.2019 wurden am 22.05.2019 entsprechende Unterlagen gem. § 89 Abs. 1 FinStrG beschlagnahmt. § 89 FinStrG regelt die Beschlagnahmung, welche zur Aufklärung einer Straftat nach FinStrG vorzunehmen sind. Abs. 3 leg cit regelt, dass Beweismittel, auf die sich eine gesetzlich anerkannte Pflicht zur Verschwiegenheit erstreckt, unterliegen bei dem zur Verschwiegenheit Verpflichteten der Beschlagnahme nur,
a.) soweit begründeter Verdacht besteht, dass dieser selbst beteiligt, Hehler oder
Begünstigter in Bezug auf das Finanzvergehen ist, oder
b.) wenn es sich um Bücher oder Aufzeichnungen nach §§ 124-130 BAO oder um
dazugehörende Belege oder um solche Gegenstände, welche zur Begehung des Finanzstrafvergehens bestimmt waren, oder diese erleichtert haben, oder die aus denn Finanzvergehen herrühren, handelt.

Betreffend lit a leg cit ist somit jedenfalls ein begründeter Verdacht notwendig. Aufgrund des Wortlautes in der lit b leg cit, sind Bücher oder Aufzeichnungen nach den §§ 124 bis 130 BAO nur zu beschlagnahmen, wenn schon feststeht, dass ein Finanzstrafverfahren begangen wurde. Es muss somit auch im Sinne der lit b ein begründeter Verdacht vorliegen.

Die Tatbestandsvoraussetzungen für die Verfügung der Beschlagnahme sind der Verdacht der Begehung eines Finanzvergehens, die Bedrohung des Gegenstandes mit der Strafe des Verfalls oder der Umstand, dass der Gegenstand als Beweismittel in Betracht kommt, sowie das Gebotensein der Beschlagnahme zur Sicherung des Verfalls bzw. zur Beweissicherung (Vgl VwGH 07.10.1993, 93/16/0050).

Festzuhalten ist somit, dass ein begründeter Verdacht vorliegen muss und diese zudem zur gegenständlichen Beweissicherung notwendig sein müssen.

Unter Verdacht versteht man den höheren Grad der Wahrscheinlichkeit (vgl OGH 11 OS 54/97). Es setzt auf der objektiven Seite bestimmte Tatsachen voraus, aus denen mit Hilfe von Erfahrungssätzen auf eine Straftat geschlossen werden kann (vgl VwGH 15.03.1989, 88/16/0209). Daraus folgt umgekehrt, dass ohne Tatsachen kein Verdacht gegeben ist (vgl VwGH 16.11.1989, 89/16/0091). Bloße Gerüchte oder wage Vermutungen reichen für einen begründeten Verdacht nicht aus (vgl OGH 11 es 87/99, VwGH 05.03.1991, 90/14/0207). Ein Verdacht ist somit als Schlussfolgerung aus Tatsachen zu verstehen (vgl VwGH 15.03.1989, 88/16/0209). Insoweit wird unter einem begründeten Verdacht jedenfalls die konkretisierte Verdachtslage verstanden. Das bedeutet, dass ein Mindestmaß an Konkretisierung vorhanden sein muss bzw. es sich um eine entsprechende Konkretisierung handelt. Zudem muss dies nicht nur von der objektiven Indizlage indiziert werden, sondern ebenso die subjektive Tatseite umfassen (Vgl VwGH 23.11.2000, 95/15/0185).

2. Der Beschwerdeführerin liegt die Beschlagnahmeanordnung vom 21.05.2019, der Beschlagnahmebescheid vom 12.07.2019 sowie die Stellungnahme der Finanzbehörde vom 19.06.2019 vor.

Insbesondere aus der Stellungnahme der Finanzstrafbehörde solle sich die Verdachtslage in Bezug auf die Beschwerdeführerin ergründen lassen.

Eingangs schildert die Finanzstrafbehörde die Ausgangssituation betreffend eines Sicherstellungauftrags aus dem Frühjahr 2012. Aufgrund der Amtshandlungen seien dann andere Betreiberfirmen als Lokalbetreiber aufgetreten. Der Verdacht betrifft 14 Firmen, wobei vermeintlich auch die Beschwerdeführerin darunterfällt.

In der Beschlagnahmeanordnung vom 21.05.2019 wird auf den Standort Adresse2 sowie auf den Standort Adresse3 Bezug genommen. Es seien hierbei keine richtigen Steuerangaben gemacht worden. Auf anderweitige Standorte wird nicht Bezug genommen bzw. wird nicht erörtert, was dort vorgefallen sei.

In der Stellungnahme der Finanzstrafbehörde wird sodann weder dargelegt, um welche Lokale es sich handelt, noch von welchen Firmen diese konkret betrieben wurden. Würde tatsächlich ein konkreter bzw. begründeter Verdacht vorliegen, wäre es für die Finanzstrafbehörde ein leichtes gewesen, entsprechende Beweismittel oder sonstiges vorzulegen, welche diesen untermauern würde. Die Behörde hat dies jedoch unterlassen, was lediglich den Schluss auf einen etwaige lndizlage zulässt.

Es reicht nicht aus, dass die Behörde lediglich allgemeine Ausführungen betreffend der lndizlage erstattet. Vielmehr müssen die Ausführungen objektiv und konkret nachvollziehbar sein, worin diese, vor allem in Bezug auf die Beschwerdeführerin, besteht.

Weder wurde dargestellt, an welchen Standorten die Beschwerdeführerin vermeintlichen Lokale betrieben haben solle und zu welchen Zeitpunkten dies erfolgt sei, noch um wie viele Geräte von dieser vermeintlich betrieben worden seien.

Gegenständliche Beschlagnahmeordnung muss nachvollziehbar den begründeten Verdacht darlegen, aus welchem sich die objektiven und subjektiven Tatbestandselemente ergeben. Aus sämtlichen der Beschwerdeführerin vorliegenden Unterlagen kann kein begründeter Verdacht einer vermeintlichen Abgabenhinterziehung abgeleitet werden, zumal auf die Beschwerdeführerin nie direkt bezuggenommen wird. Die Auflistung reicht sicherlich nicht aus. Daraus ergibt sich nicht die notwendig konkretisierte Begründung.

Zusammenfassend bleibt somit festzuhalten, dass sich die Verdachtslage der Finanzstrafbehörde lediglich auf Indizien stützt, welche jedenfalls nicht für einen begründeten Tatverdacht ausreichen.

Die Beschlagnahmung erfolgte somit rechtswidrig."

 

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Rechtslage:

Gemäß § 89 Abs. 1 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde mit Bescheid die Beschlagnahme von verfallsbedrohten Gegenständen und von Gegenständen, die als Beweismittel in Betracht kommen, anzuordnen, wenn dies zur Sicherung des Verfalls oder zur Beweissicherung geboten ist. Der Bescheid ist dem anwesenden Inhaber des in Beschlag zu nehmenden Gegenstandes bei der Beschlagnahme zuzustellen; ist der Inhaber nicht anwesend, so ist der Bescheid nach § 23 des Zustellgesetzes zu hinterlegen.

(2) Bei Gefahr im Verzug sind neben den Organen der Finanzstrafbehörden auch die Organe der Abgabenbehörden und des öffentlichen Sicherheitsdienstes berechtigt, die im Abs. 1 bezeichneten Gegenstände auch dann in Beschlag zu nehmen, wenn eine Anordnung der Finanzstrafbehörde nicht vorliegt. In diesem Fall sind dem anwesenden Inhaber die Gründe für die Beschlagnahme und für die Annahme von Gefahr im Verzug mündlich bekanntzugeben und in einer Niederschrift festzuhalten. Die beschlagnahmten Gegenstände sind, falls nicht nach § 90 Abs. 1 zweiter Satz vorgegangen wird, der zuständigen Finanzstrafbehörde abzuführen.

(3) Beweismittel, auf die sich eine gesetzlich anerkannte Pflicht zur Verschwiegenheit erstreckt, unterliegen bei dem zur Verschwiegenheit Verpflichteten der Beschlagnahme nur,

a) soweit begründeter Verdacht besteht, dass dieser selbst Beteiligter, Hehler oder Begünstigender in bezug auf das Finanzvergehen ist, oder

b) wenn es sich um Bücher oder Aufzeichnungen nach den §§ 124 bis 130 BAO oder um dazugehörende Belege oder um solche Gegenstände, welche zur Begehung des Finanzvergehens bestimmt waren oder diese erleichtert haben oder die aus dem Finanzvergehen herrühren, handelt.

(4) In den Fällen des Abs. 3 lit. b unterliegen Gegenstände, die zum Zwecke der Beratung oder Verteidigung des Beschuldigten durch eine gemäß § 77 Abs. 1 als Verteidiger zugelassene Person zu deren Information von dieser oder vom Beschuldigten hergestellt wurden, in keinem Fall der Beschlagnahme, auch wenn sich diese Gegenstände in der Verfügungsmacht des Beschuldigten oder anderer an der Tat Beteiligten befinden. Bei Kreditinstituten und den im § 38 Abs. 4 des Bankwesengesetzes genannten Unternehmen unterliegen Gegenstände, die Geheimnisse im Sinne des § 38 Abs. 1 des genannten Gesetzes betreffen, der Beschlagnahme nur für Finanzvergehen, für die das Bankgeheimnis gemäß § 38 Abs. 2 Z 1 des genannten Gesetzes oder in Amtshilfefällen gem. § 2 Abs. 2 ADG aufgehoben ist und für vorsätzliche Finanzvergehen, ausgenommen Finanzordnungswidrigkeiten, die mit Finanzvergehen, für die das Bankgeheimnis aufgehoben ist, unmittelbar zusammenhängen.

(5) Behauptet der zur Verschwiegenheit Verpflichtete oder der Beschuldigte, dass die Voraussetzungen für eine Beschlagnahme nach Abs. 3 und 4 nicht vorliegen, oder ist er bei der Beschlagnahme nicht anwesend, so ist der Gegenstand ohne weitere Untersuchung unter Siegel zu nehmen und ohne Verzug dem Vorsitzenden des Spruchsenates vorzulegen, dem gemäß § 58 Abs. 2 unter den dort vorgesehenen Voraussetzungen die Durchführung der mündlichen Verhandlung und die Fällung des Erkenntnisses obliegen würde. Der Vorsitzende des Spruchsenates hat mit Bescheid festzustellen, ob die Beweismittel der Beschlagnahme unterliegen.

Gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG macht sich einer Abgabenhinterziehung schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt.

Die Beschlagnahme bezweckt die Sicherstellung der Gegenstände für Zwecke des Finanzstrafverfahrens und ist grundsätzlich gegen jedermann möglich. Strengere Voraussetzungen bestehen für die Beschlagnahme von Beweismitteln, auf die sich eine gesetzlich anerkannte Verschwiegenheitspflicht erstreckt (§ 89 Abs. 3 FinStrG) und von Postsendungen (§ 89 Abs. 8 und 9 FinStrG). Die Beschlagnahme ist dabei eine Art vorläufiges Verfahren (VwGH 21. 3. 2002, 2001/16/0621), dadurch werden keine endgültigen Entscheidungen getroffen. Das Wesen der Beschlagnahme besteht darin, dass die freie Verfügungsgewalt über eine Sache vom Berechtigten auf die Finanzstrafbehörde übergeht, nicht jedoch das Eigentum (OGH 18. 9. 1991, 1 Ob 32/91).

Die Finanzstrafbehörde ist zur Beschlagnahme verpflichtet ( VwGH 4. 9. 1986, 86/16/0103), wenn nachstehende Voraussetzungen vorliegen:
• Verdacht eines Finanzvergehens,
• der Gegenstand ist vom Verfall bedroht oder kommt als Beweismittel in Betracht,
• die Beschlagnahme ist zur Sicherung des Verfalls oder des Beweismittels geboten.

Liegen alle drei Voraussetzungen vor, steht der Finanzstrafbehörde kein Ermessen zu, sie muss diese Gegenstände beschlagnahmen.

Für die Beschlagnahme reicht ein auf konkrete Umstände gründender Verdacht aus (VwGH 4.3.1999, 98/16/0389, 0390). Die Tat muss keineswegs erwiesen sein, jedoch sind Gerüchte oder vage Vermutungen nicht ausreichend (VwGH 28. 6. 2007, 2007/16/0074). Es handelt sich dabei um eine Art vorläufiges Verfahren zur Entziehung der Gewahrsame an einer Sache (VwGH 4. 9. 1986, 86/16/0103 [R 89(1)/21]).

Für die Verfügung der Beschlagnahme ist die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens nicht Tatbestandsvoraussetzung (VwGH 26. 1. 1989, 88/16/0027).

Ein generelles Beschlagnahmeverbot besteht bei Geheimnisträgern (hier Bilanzbuchhalter) nicht (VwGH 18. 12. 1996, 96/15/0155, 0156).

§ 89 Abs. 3 FinStrG zufolge unterliegen Beweismittel (somit trifft diese Bestimmung nicht auf verfallsbedrohte Gegenstände zu), auf die sich eine anerkannte Verschwiegenheitspflicht erstreckt, nur unter folgenden Voraussetzungen der Beschlagnahme:
• der zur Verschwiegenheit Verpflichtete muss selbst in begründetem Verdacht stehen, Beteiligter, Hehler oder Begünstigender dieses Finanzvergehens zu sein (§ 89 Abs. 3 lit. a FinStrG), oder
• es handelt sich um Bücher oder Aufzeichnungen iS der BAO oder
• um dazugehörige Belege oder
• um Gegenstände, die zur Begehung des Finanzvergehens bestimmt waren, dieses erleichtert haben oder aus dem Finanzvergehen herrühren ( § 89 Abs. 3 lit. b FinStrG).

Gegenstände, die nur zur Information des berufsmäßigen Parteienvertreters hergestellt worden sind, unterliegen der Beschlagnahme überhaupt nur dann, wenn der Vertreter selbst Komplize oder Hehler des Beschuldigten ist (§ 89 Abs. 4 FinStrG). Ist der Vertreter selbst eines Finanzvergehens verdächtig, so können auch Klienteninformationen beschlagnahmt werden. Allerdings dürfen diese Informationen, wenn nicht ein Zusammenwirken zwischen Parteienvertreter und Klient vorliegt, nicht zum Nachteil des Klienten verwertet werden (VwGH 25.6.1997, 96/15/0267).

Geschützt nach § 89 Abs. 4 FinStrG ist aber nur die Information des Parteienvertreters, die dieser von seinen Klienten erhalten hat, nicht aber dagegen sonstiges Belastungsmaterial, das der Parteienvertreter für seinen Klienten verwahrt. Der Beschlagnahme unterliegen daher auch in Verwahrung des Parteienvertreters befindliche Urkunden und sonstige Schriftstücke (wie zB die Buchhaltung) des Klienten, die nicht erst zu Informationszwecken hergestellt wurden. Der Beschlagnahme bei Parteienvertretern sind nur von ihren Vollmachtgebern anvertraute, in welcher Form auch immer schriftlich niedergelegte Informationen entzogen, nicht aber sonstige zu den Handakten gelangte Fakturen, sonstige Urkunden und Schriftstücke (OGH 15.1.1974, 10 Os 2/74).

Mit Beschlagnahmeanordnung gemäß § 89 Abs. 1 FinStrG des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glückspiel vom 29.5.2019, gerichtet an den Bilanzbuchhalter N.N. (steuerlicher Vertreter der Beschwerdeführerin = Bf.), wurden neun - oben näher bezeichnete - Ordner der Bf. mit Belegen und Buchhaltungsunterlagen beschlagnahmt.

Zur Begründung wurde ausgeführt:
"Gegen die in der Beschlagnahmeanordnung genannten Firmen, bzw. deren noch zu ermittelnde Machthaber, besteht der Verdacht, dass sie unter Verletzung der Ihnen obliegenden abgabenrechtlichen Anzeige- Offenlegungs- und Wahrheitspflicht, indem die Glücksspielabgaben für die von den Genannten veranstalteten bzw. vermittelten Ausspielungen mit Glücksspielautomaten und Videolotterie Terminals nicht bis zum 20. des dem Entstehen der Steuerschuld folgenden Kalendermonats in vollständiger Höhe selbstberechnet, angemeldet und abgeführt wurde, eine selbst zu berechnende Abgabe und zwar die Glücksspielabgabe im noch festzustellende Zeitraum und in noch festzustellender Höhe verkürzt zu haben.

Die oben genannten Firmen traten im Zusammenhang mit Glücksspielkontrollen der Finanzpolizei in Erscheinung. Zwar wurden durch einige der involvierten Firmen Glücksspielabgaben selbstberechnet und entrichtet, jedoch besteht der dringende Verdacht, dass dies nicht in der korrekten Höhe erfolgte."

Aus der Aktenlage insbesondere aus der im Akt ersichtlichen Stellungnahme des Vertreters der Finanzstrafbehörde an den Vorsitzenden des Spruchsenates vom 19.6.2019 geht hervor, dass das Finanzamt für Gebühren Verkehrsteuern und Glücksspiel im Jahr 2011 Kenntnis von einigen Glücksspiellokalen in ***6*** erlangte, welche von der Fa. C-GmbH betrieben wurden, ohne die entsprechenden Glücksspielabgaben zu melden und abzuführen.

Im Frühjahr 2012 wurde seitens des FAGVG ein Sicherstellungsauftrag ausgefertigt und mit der Sicherungsexekution der zu erwartenden Abgabenansprüche an den bekannten Glückspielstandorten begonnen. Bei vorangegangenen Amtshandlungen sowie im Zuge der Sicherungsexekution konnten Grundaufzeichnungen festgestellt werden. Einerseits war es möglich bei zumindest 2 Geräten in die Geräte-Buchhaltung Einsicht zu nehmen, andererseits wurden im Rahmen der Exekution handschriftliche Automatenabrechnungen - versteckt in einem Handtuchspender - vorgefunden. Aus diesen Unterlagen konnte errechnet werden, dass das durchschnittliche monatliche Bruttoeinspielergebnis für ein Glücksspielgerät zwischen ca. € 2.900 und ca. € 4.600 bewegt. (Tages Nettoeinspielergebnis pro Gerät somit zwischen € 80 und € 127)

Das durchschnittliche tägliche Nettoeinspielergebnis pro Gerät wird vom FAGVG aufgrund der ausgewerteten Unterlagen - äußerst vorsichtig - in der Höhe von ca. € 98 angesetzt. (Anmerkung: aufgrund bisheriger Erfahrungswerte aus verschiedenen strafrechtlichen Glücksspielprüfungen ist bekannt, dass sich dieser Wert zwischen € 100 und € 200 bewegt.)

Als Reaktion auf die laufenden Amtshandlungen, insbesondere die Sicherungsexekutionen für das FAGVG stellte die C-GmbH den Glücksspielbetrieb an den amtsbekannten Standorten ein, und neue Betreiberfirmen traten an den Örtlichkeiten auf. Das Erscheinungsbild der Lokale änderte sich nicht, die eingesetzten Glücksspielgerätetypen waren ident, selbst das in den Lokalen tätige Personal änderte sich nicht. Bei Befragungen der Angestellten wurde weiterhin der ehemalige Geschäftsführer der C-GmbH als "Chef" angegeben.

Aufgrund der laufenden Amtshandlungen in den Lokalen konnte ein kontinuierlicher Betreiberwechsel festgestellt werden, der auch immer mit einer Ummeldung des bestehenden Personals auf die nächste Firma einherging. Es war dem Finanzamt möglich "Keyplayer" der Organisation (Personalbetreuer, lnkassopersonal, etc.) festzustellen, die ebenfalls stets auf die einschlägig bekannten Firmen ungemeldet wurden.

Alles in allem konnte so eine Kontinuität festgestellt werden, die auf ein Gesamtkonzept schließen lassen. Es liegt daher der Verdacht nahe, dass Firmenwechsel nur zu dem Zweck passierten, dass Amtshandlungen gegen die Lokale erschwert werden. (z.B. ist für eine glücksspielrechtliche Betriebsschließung erforderlich, eine Firma vor der Schließung zur Einstellung des Spielbetriebs aufzufordern, erst beim nächsten Betreten kann eine Schließung verfügt werden. Wird die Betreiberfirma eines Standorts nach der Aufforderung ausgetauscht, ist bei der nächsten Amtshandlung eine Schließung nicht möglich.)

Der Austausch von Firmen wurde offenbar auch deshalb vorgenommen, um Exekutionsmaßnahmen zu verhindern. Im Zuge einer Amtshandlung in ***6*** erfolgte die Anmeldung der anwesenden Kellnerin während (!) der laufenden Amtshandlung, offenbar um die Vollstreckung offener Abgabenforderungen zu verhindern.

Zu erwähnen ist, dass Amtshandlungen in den gegenständlichen Lokalen regelmäßig erschwert werden, der Zutritt zu den Kontrollorten ist meist nur unter Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt möglich. Einsicht in Grundaufzeichnungen und Gerätebuchhaltungen werden nicht gewährt.

Seit dem Jahr 2016 konnten Expansionstendenzen in den Bundesländern Wien und Steiermark bemerkt werden, da bei Kontrollen plötzlich Betreiberfirmen und Schlüsselpersonen des "oberösterreichischen Netzwerks" aufgetreten sind. Diese beobachtete Expansion war anhand der gelegten Glücksspielabgabenerklärungen nicht erkennbar.

Plausibilitätsprüfung der erklärten Abgaben:

Das FAGVG versucht regelmäßig gelegte Abgabenerklärungen auf Plausibilität zu überprüfen. Dazu wird versucht, Erkenntnisse aus Glücksspielkontrollen der Finanzpolizei zu verwenden und entsprechend auszuwerten, wie viele Geräte von einer Firma laufend betrieben werden und die bekannten Gerätezahlen den gemeldeten Abgaben gegenüberzustellen, um dann in weiterer Folge berechnen zu können, welches durchschnittliche tägliche Einspielergebnis ein Gerät aufweisen müsste, um zur gemeldeten Abgabe zu kommen.

Diese Tageseinspielergebnisse (auf Basis der gemeldeten Abgaben) werden dann mit den Tageseinspielergebnissen verglichen, die dem Finanzamt aufgrund von vorgefunden Unterlagen oder ausgewerteten Gerätebuchhaltungen ermittelt wurden.

Der Verdacht betrifft neben der Fa. ***Bf1*** noch 13 andere namentlich genannte Firmen.

Ein Verdacht - der mehr ist als eine bloße Vermutung - besteht, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von bestimmten Umständen rechtfertigen. Es ist die Kenntnis von Tatsachen, aus denen nach der Lebenserfahrung auf ein Finanzvergehen geschlossen werden kann (VwGH 5.4.2011, 2009/16/0203).

Aufgrund der dargestellten Anhaltspunkte besteht zweifelsfrei der dringende Verdacht, dass unter anderem die Fa. ***Bf1*** von namentlich bisher nicht bekannten Machthabern dazu verwendet wurde, eine Abgabenhinterziehung an Glücksspielabgabe in noch festzustellenden Zeiträumen und in noch festzustellender Höhe zu begehen. Die beim Bilanzbuchhalter N.N. beschlagnahmten Unterlagen haben daher nach der Verdachtslage zur Begehung eines Finanzvergehens gedient bzw. rühren aus einem solchen her und kommen somit als Beweismittel in Betracht. Unterlagen iSd. § 89 Abs. 4 FinStrG, die nur zur Information des berufsmäßigen Parteienvertreters hergestellt worden sind, wurden im Zuge der Sichtung durch den Vorsitzende Spruchsenates nicht festgestellt und von der Beschwerdeführerin auch nicht behauptet.

Wenn die Bf. einwendet, es sei nicht dargestellt worden, an welchen Standorten die Beschwerdeführerin vermeintlichen Lokale betrieben haben solle und zu welchen Zeitpunkten dies erfolgt sei, noch um wie viele Geräte von dieser vermeintlich betrieben worden seien, so kann dies der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Wie bereits ausgeführt, bestehen ausreichende Anhaltspunkt dafür, dass neben einer Mehrzahl von anderen Firmen u.a. die Firma ***Bf1*** von namentlich nicht bekannten Machthabern dazu verwendet, wurde an verschiedenen Standorten Glückspielabgabe zu hinterziehen. Keinesfalls ist es erforderlich, dass bei einem derartigen - wie oben geschilderten Verschleierungskonstrukt - die Verdachtslage soweit verdichtet ist, dass der Bf. bestimmte Standorte, Zeiträume und Glückspielapparate zugeordnet werden können. Genau dies wird Gegenstand der künftigen Ermittlungen und der Auswertung der im Rahmen der gegenständlichen Beschlagnahme gewonnen Beweismittel sein. Würde man die Anforderung an eine Verdachtslage so eng sehen, wie die Bf. dies vorbringt, dann müsste bereits bei Durchführung der Beschlagnahme das Finanzvergehen nahezu erwiesen sein und könnten derartige von der Finanzstrafbehörde dargestellte in Verdacht stehende Verschleierungskonstrukte, die von vornherein darauf ausgerichtet sind, die Abgabepflicht zu umgehen und derartige Informationen der Behörde vorzuenthalten, wohl nie aufgedeckt werden. Eine derartige Anforderung an eine Verdachtslage würde den in einer Beschlagnahme gelegenen Gesetzeszweck der Sicherung und Gewinnung von Beweismitteln völlig zuwiderlaufen.

Mit dem angefochtenen Bescheid des Vorsitzenden des Spruchsenates vom 12.07.2019 wurde daher zu Recht festgestellt, dass die bei der Fa. ***Bf1*** beschlagnahmten neun Ordner mit Buchhaltungs-und Lohnverrechnungsunterlagen rechtmäßig mit Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom 21.5.2019 beschlagnahmt wurden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das gegenständliche Erkenntnis weicht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ab und hatte die Beurteilung der Voraussetzungen der Beschlagnahme im Einzelfall und somit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zum Gegenstand.

 

Wien, am 20. April 2021

 

Zusatzinformationen

Materie:

Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 89 Abs. 4 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 89 Abs. 3 lit. a FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 89 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958

Stichworte