BFG RV/7200175/2014

BFGRV/7200175/201411.1.2019

Das bloße "Vorbeifahren" an der Bestimmungsstelle bewirkt keine Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2019:RV.7200175.2014

 

Beachte:
Revision eingebracht (Amtsrevision). Beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2019/16/0082. Zurückweisung mit Beschluss vom 26.07.2019.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache Verlassenschaft nach Bf., vertreten nunmehr durch Kuratorin Frau NN., über die Beschwerde vom 09.04.2014 gegen den Bescheid der belangten Behörde Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt vom 13.03.2014, Zl. zzz, betreffend Eingangsabgaben und Abgabenerhöhung zu Recht erkannt: 

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom 13.3.2014, Zl. zzz, setzte das Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt der SpeditionNN, Inhaber Bf, im Grunde des Art. 203 ZK die Zollschuld fest.

Die am 3.2.2006 in den Niederlanden unter MRN zZz in das externe gemeinschaftliche Versandverfahren überführten eingangsabgabepflichtigen Waren seien am 4.2.2006 der zollamtlichen Überwachung entzogen worden.

Dadurch sei gem. Art. 203 Abs. 1 erster Anstrich und Art. 203 Abs. 3 zweiter Anstrich ZK sowie gem. § 2 ZollR-DG die Eingangsabgabenschuld für diese Waren in der Höhe von € 32.070,54 (€ 27.815,04 an Zoll und € 4.255,50 an Einfuhrumsatzsteuer) entstanden.

Gleichzeitig setzte das Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt mit diesem Sammelbescheid eine Abgabenerhöhung im Grunde des § 108 Abs. 1 ZollR-DG im Ausmaß von € 6.186,41 fest.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die als Berufung bezeichnete und als Beschwerde zu wertende Eingabe vom 9.4.2014.

Das Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt wies diese Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom 6.10.2014, Zl. ZzZ, als unbegründet ab.

Dagegen richtet sich die als Beschwerde bezeichnete und als Vorlageantrag zu wertende Eingabe vom 10.11.2014.

Die Verlassenschaft nach dem am ttmmjj verstorbenen Herrn BF wird vertreten durch die Kuratorin Frau NN..

Das vorliegende Rechtsmittelverfahren ist Teil eines Gesamtkomplexes. Beim Bundesfinanzgericht sind noch weitere Beschwerden des selben Beschwerdeführers anhängig, die einen gleichgelagerten Sachverhalt betreffen.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Rechtsgrundlagen:

Die Bestimmungen des Art. 215 Abs. 1 und 2 der im Beschwerdefall noch maßgebenden Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABlEG Nr. L 302 vom 19.10.1992, (im Folgenden Zollkodex - ZK) lauten:

(1) Die Zollschuld entsteht:

- an dem Ort, an dem der Tatbestand eintritt, der die Zollschuld entstehen lässt;

- oder, wenn dieser Ort nicht bestimmt werden kann, an dem Ort, an dem die Zollbehörden feststellen, dass die Ware sich in einer Lage befindet, die eine Zollschuld hat entstehen lassen;

- oder, wenn die Ware in ein noch nicht erledigtes Zollverfahren übergeführt worden ist und der Ort innerhalb einer gegebenenfalls nach dem Ausschussverfahren festgelegten Frist weder nach dem ersten noch nach dem zweiten Gedankenstrich bestimmt werden kann, an dem Ort, an dem die Ware in das betreffende Verfahren übergeführt oder im Rahmen dieses Verfahrens in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht worden ist.

(2) Können die Zollbehörden aus ihnen bekannten Umständen schließen, dass die Zollschuld bereits entstanden war, als sich die Ware noch an einem anderen Ort befand, so gilt die Zollschuld als an dem Ort entstanden, an dem sich die Ware aufgrund der Feststellungen zu dem am weitesten zurückliegenden Zeitpunkt, für den das Bestehen der Zollschuld nachgewiesen werden kann, befand.

Gemäß Art. 203 Zollkodex entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn eine einfuhrzollpflichtige Ware der zollamtliche Überwachung entzogen wird (Abs. 1), und zwar in dem Zeitpunkt, in dem die Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen wird (Abs. 2). Zollschuldner nach Abs. 3 leg.cit. sind zum einen die Person, welche die Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen hat (erster Anstrich), und zum anderen die Personen, die an dieser Entziehung beteiligt waren, obwohl sie wussten oder billigerweise hätten wissen müssen, dass sie die Ware der zollamtlichen Überwachung entziehen (zweiter Anstrich), sowie weiters die Personen, welche die betreffenden Waren erworben oder im Besitz gehabt haben, obwohl sie im Zeitpunkt des Erwerbs oder Erhalts der Ware wussten oder billigerweise wissen hätten müssen, dass diese der zollamtlichen Überwachung entzogen worden war (dritter Anstrich), und gegebenenfalls auch die Person, welche die Verpflichtungen aus einer vorübergehenden Verwahrung einer einfuhrabgabenpflichtigen Ware oder aus der Inanspruchnahme des betreffenden Zollverfahrens einzuhalten hatte (vierter Anstrich).

Dem vorliegenden Abgabenverfahren liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

Am 3.2.2006 wurde in den Niederlanden unter MRN zZz eine Sendung mit 2.200 Kartons Knoblauch mit einer Gesamtmasse von 23.100 kg in das externe gemeinschaftliche Versandverfahren übergeführt. Im Feld 8 der betreffenden Versandanmeldung T1 ist die SpeditionNN als Warenempfänger genannt. Als Bestimmungsstelle ist im Feld 53 der Versandanmeldung in codierter Form das Zollamt Wiener Neustadt (AT200000) und als Bestimmungsland AT, also Österreich, vermerkt. Die Abgangsstelle hat die Frist für die (Wieder-)Gestellung mit 11.2.2008 festgelegt.

Am 8.2.2006 meldete die SpeditionNN dazu mittels elektronischer Ankunftsanzeige (TR200) die Ankunft der im Versandverfahren beförderten Waren am zugelassenen Warenort in Ort1. Mit der Meldung „Freigabe vom Versand“ (TR207) bestätigte das Zollamt Wiener Neustadt daraufhin die Beendigung des in den Niederlanden eröffneten in Rede stehenden Versandverfahrens gemäß Art. 92 Abs. 1 ZK.

Um der in Art. 48 ZK normierten Verpflichtung zu entsprechen, den gestellten Nichtgemeinschaftswaren eine zulässige zollrechtliche Bestimmung zu geben, beantragte die SpeditionNN für die verfahrensgegenständlichen Waren ein neues externes gemeinschaftliches Versandverfahren.

In der betreffenden Versandanmeldung T1 mit der MRN XxX ist das in der Slowakei gelegene Zollamt Vysne Nemecke als Bestimmungsstelle genannt. Laut Ermittlungen der slowakischen Zollbehörden wurde dieses Versandverfahren anscheinend rechtswidrig durch slowakische Zollbeamte beendet.

Der tatsächliche Verbleib der verfahrensgegenständlichen Waren ist bis dato ungewiss.

Das Zollamt geht davon aus, dass der Knoblauch unverzollt und unversteuert in den Wirtschaftskreislauf der Union gelangt ist.

Das Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt richtete im Zuge der Ermittlungen eine Anfrage an die ASFINAG bezüglich der Bewegungen des im Feld 18 der niederländischen Versandanmeldung genannten Beförderungsmittels mit dem ungarischen Kennzeichen xXx im entscheidungsmaßgeblichen Zeitraum.

Dabei kam hervor, dass dieser LKW am 4.2.2006 um 16.17 Uhr an der Mautstelle 545 Staatsgrenze Suben – Schärding Suben erstmalig erfasst worden ist. Die weitere Route führte ohne Zwischenstopp über die Autobahnen A8 – A25 – A1 – A21 – A23 – A4. Die letzte elektronische Erfassung auf dieser Fahrt erfolgte am 4.2.2006 um 22.16 Uhr an der Mautstelle 128 Nickelsdorf - Staatsgrenze Nickelsdorf.

Das Zollamt kommt im angefochtenen Bescheid auf Grund dieser Erkenntnisse zum Schluss, es sei auszuschließen, dass sich der LKW mit dem Kennzeichen xXx samt Ladung im Zeitraum zwischen 3.2. bis 10.2.2006 körperlich bei der SpeditionNN in Ort1 befunden habe.

Das Zollamt erachtete es daher als erwiesen, dass die Waren am 8.2.2006 nicht gestellt worden seien. Das Versandverfahren sei nicht ordnungsgemäß beendet worden. Der vom zugelassenen Empfänger (der SpeditionNN) im NCTS (New Computerised Transit System – europaweit zur Anwendung gelangendes elektronisches System zur Abwicklung der Versandverfahren) fälschlicherweise übermittelten Nachrichten über Ankunft und die Entladung der Waren komme keine Bedeutung zu. Der Knoblauch sei daher der zollamtlichen Überwachung entzogen worden.

Erwägungen

Das Bundesfinanzgericht vermag sich der vom Zollamt vertretenen Ansicht, wonach erwiesen sei, dass die in Rede stehenden Waren am 4.2.2006 der zollamtlichen Überwachung entzogen worden seien, aus mehreren Gründen nicht anzuschließen:

1. Wurden die Waren bei der österreichischen Bestimmungsstelle gestellt?

Das Zollamt meint, der Knoblauch habe sich nie körperlich bei der Bestimmungsstelle in Ort1 bzw. beim zugelassenen Warenort der SpeditionNN befunden. Das Zollamt kann sich diesbezüglich ausschließlich auf die durch die ASFINAG-Auskünfte gewonnenen Erkenntnisse stützen.

Im angefochtenen Bescheid wird dazu festgestellt:

„Das Versandgut ist auf dem Weg von der Abgangsstelle in den Niederlanden zur Bestimmungsstelle in Österreich dann dem Versandverfahren und damit der zollamtlichen Überwachung im Zuständigkeitsbereich des Zollamtes Ort1 entzogen worden, als der ungarische Frächter nicht die vorgesehene Autobahnabfahrt nach Ort1 genommen hat sondern auf der Autobahn weitergefahren ist und schließlich bei Nickelsdorf das österreichische Staatsgebiet nach Ungarn verlassen hat. Dies ist wie oben ersichtlich am Abend des 4.2.2006 passiert.“

Im Vorlageantrag wird dazu vorgebracht, der Auskunft der ASFINAG seien unmittelbar anschließend weitere Fahrtenbewegungen dieses LKWs zu entnehmen. Demnach sei eine Fahrt vom 8.2.2006, 16.44 Uhr beginnend bei Ilz/Fürstenfeld/Sinabelkirchen bis 8.2.2006, 19.34 Uhr (Staatsgrenze Arnoldstein) aufgezeichnet worden.

Unterstelle man nun, dass diese Auskunft richtig sei, folge zwangsläufig daraus, dass die Aufzeichnungen der ASFINAG lückenhaft bzw. kein zuverlässiges Beweismittel seien. Denn es stelle sich die Frage, warum dann das Fahrzeug zwischen 4.2.2006 und 8.2.2006 nicht erfasst worden sei. Mit einem Auslandsaufenthalt (nach Überfahren der Staatsgrenze Nickelsdorf) könne dies nur teilweise erklärt werden, weil dann noch die Frage sei, wie denn dann das Fahrzeug plötzlich auf die Strecke Ilz/Fürstenfeld/Sinabelkirchen auffahren habe können, ohne bereits vorher erfasst worden zu sein.

Laut vorgelegter „Michelin-Routenplanung“ betrage die Fahrzeit für die 135 Kilometer lange Fahrtstrecke von Ort1 nach Ilz rund 1:19 Stunden. Wenn das Fahrzeug in Ilz am 8.2.2006 um 16.44 Uhr erfasst worden sei, dann habe es problemlos am 8.2.2006 um 15.00 Uhr bei der SpeditionNN in Ort1 sein können. Da die ASFINAG LKW-Bewegungen nur auf Autobahnen, nicht aber auf Bundesstraßen erfasse, könne der LKW von Ort1 bis Ilz auf der Bundesstraße (etwa B17) gefahren sein. Die Behauptung des Zollamtes, der LKW könne nicht in Ort1 gewesen sein, sei daher unschlüssig.

Diesen Einwänden ist das Zollamt nicht substantiiert entgegen getreten. Dem Bundesfinanzgericht liegen die betreffenden ASFINAG Auskünfte vor und es ergibt daraus nicht zwingend, dass der Knoblauch nicht gestellt worden ist. Da von der ASFINAG bekanntlich nicht alle LKW-Fahrten erfasst werden, kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Wirtschaftsgüter am 8.2.2006 wie vorgeschrieben tatsächlich bei der österreichischen Bestimmungsstelle befunden haben.

Für eine ordnungsgemäße Beendigung des in den Niederlanden eröffneten Versandverfahrens sprechen auch die Auskünfte des Beschuldigten V. im Rahmen seiner Einvernahme am 18.8.2016 vor Organen des Zollamtes St. Pölten Krems Wiener Neustadt.

Dieser hat den Ablauf der verschiedenen Knoblauchlieferungen detailliert und sehr glaubwürdig geschildert. Demnach sei der aus China in Rotterdam eingelangte Knoblauch dort zunächst in Kühlhäusern eingelagert worden. Anschließend seien in den Niederlanden externe gemeinschaftliche Versandverfahren für die Beförderung nach Österreich eröffnet worden. Die Waren seien dann mittels T1 zur SpeditionNN in Ort1 geliefert worden. Dort sei durch von ihm bezahlte (zumeist aus Ungarn stammende) Helfer eine Umladung des Knoblauchs erfolgt. Die Ware sei anschließend mit anderen LKW oder mit anderen Aufliegern nach Ungarn weiterbefördert worden, obwohl sie laut Fakturen für moldawische, ukrainische oder russische Empfänger bestimmt waren. Er, V., habe Kenntnis davon gehabt, dass der Knoblauch tatsächlich nicht in Drittländer (Ukraine oder Russland) geliefert worden sei. Die Ware sei vielmehr in Ungarn verblieben und z.B. für den rumänischen Markt bestimmt gewesen.

Aus diesen Angaben, mit denen sich V. selbst belastet, erhellt, dass es zwar tatsächlich zu Malversationen im Zusammenhang mit den Knoblauchlieferungen gekommen ist, dass sich diese Zuwiderhandlungen aber mit großer Wahrscheinlichkeit zeitlich nach der Beendigung der in den Niederlanden eröffneten T1 zugetragen haben.

Dass die LKW - wie vom Zollamt behauptet - nicht nach Ort1 gefahren seien, konnte V., der laut seinen eigenen Angaben bei 90 % der in Rede stehenden Abfertigungen selbst vor Ort war, nicht bestätigen.

Das Bundesfinanzgericht erachtet es angesichts dieser Beweislage als nicht mit der für die Durchführung eines Abgabenverfahrens erforderlichen Sicherheit als erwiesen, dass sich die in Rede stehenden Waren zum Zeitpunkt der Abgabe der Ankunftsanzeige körperlich nicht beim Unternehmen der SpeditionNN befunden haben. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass am 8.2.2006 eine Gestellung erfolgt ist, nachdem der LKW die verfahrensgegenständlichen Wirtschaftsgüter (auf welcher Route auch immer) zu den Räumlichkeiten der SpeditionNN geliefert hat.

Alleine aus dieser für das Schicksal der vorliegenden Beschwerde entscheidenden Feststellung folgt, dass der angefochtene Bescheid zu Unrecht ergangen ist.

Der Vollständigkeit halber wird aber dennoch auf weitere Umstände hingewiesen, die ebenso für eine Stattgabe des Beschwerdevorbringens sprechen:

2. Liegt ein zollschuldbegründendes Handeln der SpeditionNN vor?

Laut Bescheidbegründung erblickt das Zollamt die Verwirklichung des Tatbestandmerkmals des Entziehens aus der zollamtlichen Überwachung in dem Umstand, dass „der ungarische Frächter nicht die vorgesehene Autobahnabfahrt nach Ort1 genommen hat sondern auf der Autobahn weitergefahren ist und schließlich bei Nickelsdorf das österreichische Staatsgebiet nach Ungarn verlassen hat.“

Diese Argumentation überzeugt nicht.

Denn dieses „Vorbeifahren“ ist – wie das Zollamt ausdrücklich festhält – am 4.2.2006 geschehen. Zu diesem Zeitpunkt war aber die Frist für die (Wieder-) Gestellung der Waren noch offen. Es ist dem Warenführer nicht untersagt, innerhalb der offenen Gestellungsfrist bei der Bestimmungsstelle vorbeizufahren und die fristgerechte Gestellung später nachzuholen.

Die Bestimmungen des Art. 361 Abs. 5 ZK-DVO gestatten es dem Beteiligten vielmehr, das Versandverfahren bei einer anderen als der auf der Versandanmeldung angegebenen Stelle zu beenden, die sogar zu einem anderen Mitgliedstaat gehören darf, als die ursprünglich vorgesehene Bestimmungsstelle.

Es liegt auch keine unzulässige Änderung der verbindlichen Beförderungsstrecke (Art. 355 Abs. 2 ZK-DVO) vor, weil die Abgangsstelle eine solche nicht festgelegt hat. Ein solcher Verstoß würde im Übrigen nicht den Tatbestand des Entziehens erfüllen sondern wäre als Pflichtverletzung (und somit als Zollschuldentstehung gem. Art. 204 ZK) zu werten.

Es ist daher als zweites Zwischenergebnis festzuhalten, dass das seitens des Zollamtes der SpeditionNN bzw. deren Inhaber zur Last gelegte Handeln (das eben erwähnten „Vorbeifahren“) keine Verwirklichung des Tatbestands der Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung nach sich zieht.

3. Zuständigkeit für die Abgabenfestsetzung

Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass doch keine Gestellung stattgefunden hat und dass es durch eine anderen Handlung als dem „Vorbeifahren“ zu einer Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung gekommen ist, stellt sich die Frage der Zuständigkeit. Folgt man der Argumentation des Zollamtes, haben die Waren am 4.2.2006 Österreich verlassen und der tatsächliche Verbleib der Waren ist ungewiss. Es liegen demnach weder gesicherte Erkenntnisse über den Ort der Tatbestandsverwirklichung (Art. 215 Abs. 1 erster Anstrich ZK) noch über den Ort der Feststellung (Art. 215 Abs. 1 zweiter Anstrich ZK) vor. In solchen Fällen greift die Regelung des Art. 215 Abs. 1 dritter Anstrich ZK, wonach bei unerledigten Zollverfahren die Zollschuld an dem Ort entsteht, an dem die Ware in das betreffende Zollverfahren (Art. 4 Nr. 16 ZK) übergeführt worden ist.

Daraus folgt, dass bei Zutreffen des eben dargestellten Sachverhaltes der Ort der Zollschuldentstehung als in den Niederlanden gelegen gälte, wo die verfahrensgegenständlichen Waren in das Versandverfahren übergeführt worden sind.

Diese Ansicht kann sich auf die ständige Rechtsprechung stützen, aus der sich ergibt, dass dann, wenn eine Sendung nicht der Bestimmungsstelle gestellt worden ist und der Ort der Zuwiderhandlung nicht ermittelt werden kann, diese Zuwiderhandlung als in dem Mitgliedstaat begangen gilt, zu dem die Abgangsstelle gehört (EuGH 20.1.2005, C-300/03 ).

Es ist daher als drittes Zwischenergebnis festzuhalten, dass im Streitfall keine Zuständigkeit der österreichischen Zollbehörden für die Festsetzung einer Zollschuld besteht, wenn weder gesicherte Informationen hinsichtlich des Ortes an dem die Entziehung der im Versandverfahren beförderten Erzeugnisse erfolgt sein soll noch hinsichtlich des Verbleibs der Waren vorliegen.

Aus all diesen Gründen lagen im Streitfall die gesetzlichen Voraussetzungen für die Festsetzung der Zollschuld gegenüber der SpeditionNN bzw. deren Inhaber nicht vor, sodass - ohne nähere Eingehen auf das übrige Beschwerdevorbringen - wie im Spruch zu entscheiden war.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Dass das bloße „Vorbeifahren“ eines LKWs an der vorgesehenen Bestimmungsstelle innerhalb offener Frist für die (Wieder-)Gestellung für sich alleine keine Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung der beförderten in das Versandverfahren übergeführten Waren nach sich zieht ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Es liegt somit insofern keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vor. Die Revision war daher als unzulässig zu erklären.

 

 

 

 

Wien, am 11. Jänner 2019

 

Zusatzinformationen

Materie:

Zoll

betroffene Normen:

Art. 203 ZK, VO 2913/92 , ABl. Nr. L 302 vom 19.10.1992 S. 1
Art. 215 ZK, VO 2913/92 , ABl. Nr. L 302 vom 19.10.1992 S. 1

Verweise:

EuGH 20.01.2005, C-300/03

Stichworte